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Berner Bauinventar verkleinertWenn das eigene Haus unter Denkmalschutz steht

Der Weiler Mützlenberg in der Emmentaler Gemeinde Rüderswil: Weiterhin geschützt sind die Höfe auf der rechten Seite der Strasse.

Es war eine grosse Aufgabe: Der Grosse Rat verpflichtete die Denkmalpflege, die Zahl der geschützten Gebäude im Kanton Bern markant zu reduzieren. Die Arbeiten nahmen rund sieben Jahre in Anspruch. 11’000 Objekte wurden gestrichen, darunter viele Bauernhäuser.

Eine der Leitplanken: Das architektonische Erbe des Kantons soll nicht unter einer Käseglocke konserviert werden, sondern nutz- und bewohnbar bleiben. Mit der Reduktion verbindet sich auch die Erwartung, dass die bauliche Modernisierung und die räumliche Entwicklung erleichtert werden.

Wir haben vier Schauplätze ausgewählt und unter die Lupe genommen. Wie sich die Verkleinerung des Inventars auswirkt, ist nicht durchwegs klar.

Rüderswil – die Gemeinde hofft auf Erleichterungen

Dieses Bauernhaus im Weiler Mützlenberg in Rüderswil ist weiterhin als erhaltenswert eingestuft. Speziell ist auch, dass sich noch bis in die 1990er-Jahre hier ein «Lädeli» befand.

Rüderswil ist eine Emmentaler Gemeinde mit knapp 2400 Einwohnerinnen und Einwohnern. Geschützt sind hier vor allem landwirtschaftliche Gebäude wie Bauernhöfe, Stöckli, Speicher und Scheunen. Im Zuge der Überprüfung des Inventars wurden 59 Bauernhäuser, die als erhaltenswert eingestuft waren, aus dem Inventar entlassen.

Gemeindepräsident Roland Rothenbühler (SVP) begrüsst diese Reduktion. «Das sollte die Entwicklung im ländlichen Raum erleichtern.» Vorher sei die Zahl der geschützten Objekte zu hoch gewesen.

Nicht immer habe sich die Denkmalpflege seiner Erfahrung nach bei Umbauten oder Erneuerungen lösungsorientiert gezeigt. «Bauprojekte können so zu einer Herausforderung werden und nehmen mehr Geld und Zeit in Anspruch.» Beinahe ein «Klassiker» sei, wenn es eine neue Scheune brauche. «Dann steht der alte Speicher im Weg und muss verschoben werden. Doch das verursacht zusätzliche Kosten.»

Im malerischen Weiler Mützlenberg etwa ist ein grösserer Teil der Gebäude nach wie vor geschützt. Umliegende Höfe im Hügelgebiet fielen dagegen aus dem Inventar.

Dass die Denkmalpflege bei Umbauten ein gewichtiges Wort mitredet, empfinden Landwirte in der Gemeinde manchmal als «nid gäbig», wie sich ein Mitglied einer Bauernfamilie ausdrückt. Ein denkmalgeschütztes Haus solle primär den Nutzerinnen und Nutzern dienen. In ihrem Fall geht es um die Frage, ob die neuen Fensterläden an der dem Wetter ausgesetzten Fassade unbedingt aus Holz sein müssen oder ob auch Aluminium infrage käme. Der Entscheid bei diesem Projekt ist noch nicht gefallen.

Die Denkmalpflege vertritt bei Umbauten grundsätzlich eine «offene Haltung», wie sie auf Anfrage dieser Redaktion schreibt: «Die Weiternutzung eines Baudenkmals ist sehr zentral, denn dies ist der beste Schutz des Baus.»

Die Einstufung als Baudenkmal bedeute nicht, dass ein Umbau oder eine Sanierung nicht möglich sei. Einzig der Abbruch, Teilabbruch oder die Aushöhlung seien nicht möglich. «Viele Beispiele zeigen, dass Baudenkmäler problemlos weiterentwickelt werden können.»

Dieses Bauernhaus im Weiler Mützlenberg gilt nicht mehr als geschützt. In Rüderswil fielen 59 Bauernhäuser aus dem Inventar.

Zum Teil wissen kontaktierte Eigentümer nicht, dass ihre Höfe nicht mehr im Inventar sind. Andere haben sich nie darum gekümmert, dass das Gebäude geschützt ist – gemerkt haben sie es erst, als sie einen Umbau planten, weil die Wohnungen schlecht beheizt und zu klein waren und nicht über moderne Küchen sowie Bäder verfügten. In der Vergangenheit erfolgte Umbauten und Eingriffe haben manchmal dazu geführt, dass die Gebäude – aufgrund der Veränderungen – nicht mehr als erhaltenswert gelten.

Lyss – das Büchler-Haus steht dem Seeland-Center nicht mehr im Weg

Das Büchler-Haus darf nun abgerissen werden, damit das benachbarte Einkaufszentrum erweitert werden kann.

Lyss ist in den letzten Jahren stark gewachsen – und es wird weiterwachsen. Mittlerweile zählt die Seeländer Zentrumsgemeinde über 16’000 Einwohnende. Nun soll ihr Kern ein städtisches Gesicht erhalten. Der vorerst prägnanteste Neubau ist ein Hochhaus beim Seeland-Center, das neu das höchste Gebäude von Lyss werden soll. 2022 hätte der Baustart erfolgen sollen, wie es auf der Website der Zuger Investorin ROM Immobilien AG heisst. Nun wird dies laut dem zuständigen Gemeinderat Rolf Christen (Mitte) frühestens 2026 der Fall sein.

Das Hochhaus soll dereinst auf der Rückseite des Seeland-Centers am Juraweg stehen. Auf der Frontseite an der Bielstrasse soll das Einkaufscenter vergrössert und mit einem zusätzlichen, öffentlichen Platz ergänzt werden. Heute steht an jener Stelle das sogenannte Büchler-Haus, in dem einst das Modegeschäft Büchler seine Ware anbot. Weil es im Bauinventar als erhaltenswert aufgeführt war, liess die Gemeinde ein Gutachten erstellen, ob es abgerissen werden darf.

«Die Gutachter kamen zum Schluss, dass dies möglich ist», sagt Christen. Skeptisch hingegen habe sich die kantonale Kommission zur Pflege der Orts- und Landschaftsbilder gezeigt. «Aber bevor das Ganze wirklich zur Diskussion werden konnte, beantragte die kantonale Denkmalpflege, das Haus im Rahmen der Revision aus dem Inventar zu streichen», sagt Christen.

Das erweiterte Seeland-Center mit öffentlichem Platz, im Hintergrund das Hochhaus.

Dies ist nun geschehen – das Büchler-Haus darf definitiv abgerissen werden. Allerdings verzögerte sich der Bau des Hochhauses beim Seeland-Center nicht aufgrund der Denkmalpflege, sondern wegen der übergeordneten Planung. «Wir mussten unseren städtebaulichen Richtplan überarbeiten, weil die Setzung von so hohen Bauten zuvor ungenügend geregelt war», sagt Christen. So schrumpften die Dimensionen des Baus im Rahmen der Mitwirkung: Anstatt 53 bis 62 Meter soll er nun höchstens 45 Meter hoch werden. In Bahnhofsnähe könnten später auch Häuser von bis zu 55 Metern Höhe entstehen.

So könnte das Hochhaus dereinst aussehen.

Das Hochhaus wird im Erdgeschoss eine Erweiterung des Seeland-Centers sein und somit Flächen für das lokale Gewerbe bieten. In den oberen Etagen sind Wohnungen vorgesehen. Laut Christen hat der Kanton kürzlich die Vorprüfung der für den Neubau nötigen Überbauungsordnung abgeschlossen. «Wir gehen davon aus, dass wir die Überbauungsordnung im Sommer öffentlich auflegen können», sagt er.

Am Ziel ist das Projekt deshalb aber noch nicht. Auch weil das Baurecht – gerade für Ideen dieser Grössenordnung – einige Hürden bereithält. So wird das Lysser Gemeindeparlament das Baureglement anpassen und der Gemeinderat die neue bauliche Grundordnung absegnen müssen. Darauf folgen Baugesuch und mögliche Einsprachen. Erst dann könnte das Büchler-Haus der neuen Lysser «Skyline» weichen.

Rapperswil – Stauffers Haus gehört nicht mehr zum geschützten Ortsbild

Romeo Stauffer (Mitte) will in der alten Metzgerei im Hintergrund Wohnungen einbauen. Unterstützt wurde er dabei von Adrian Stäheli und Katja Köhler Schneider von der kantonalen Denkmalpflege.

Bei der alten Metzgerei in Rapperswil sind im obersten Stockwerk ein paar Scheiben kaputt. Seit über 15 Jahren steht das Haus leer. «Es ist aber in gutem Zustand», sagt Romeo Stauffer, der im Seeländer Dorf ein familieneigenes Architekturbüro sowie eine Immobilienfirma leitet. Der Architekt hat das Gebäude an der Hauptstrasse im Jahr 2021 ersteigert. «Ausser uns hatte niemand Interesse daran», erinnert er sich, während direkt vor dem Haus die Autos auf der Hauptverkehrsachse zwischen Büren an der Aare und Bern vorbeifahren.

Stauffer will im alten Gewerbebetrieb neue Wohnungen einbauen. Den Schlachthaus-Anbau will er ganz abbrechen, um Platz zu bekommen für eine Überbauung: Auf der Wiese hinter dem Haus sind zwei Mehrfamilienhäuser geplant. Insgesamt sollen 15 neue Wohnungen entstehen. Das Baugesuch soll demnächst publiziert werden.

Was laut Stauffer im Dorf am meisten zu reden gibt: ein Autolift, der in die Tiefgarage führt. «Viele fragen mich, weshalb wir das so lösen», sagt der Architekt und gibt die Antwort: «Wir hätten schlicht zu wenig Platz, um eine Einfahrt zu bauen.» Mit der Denkmalpflege, wie manche vermuten, habe das nichts zu tun.

Die kantonale Denkmalpflege musste Stauffer in den vergangenen Jahren jedoch durchaus beiziehen. In einem Workshopverfahren zeigte er einem Fachgremium und dem bei der Denkmalpflege für die Ortsbildpflege zuständigen Adrian Stäheli seine Pläne – was heute nicht mehr nötig wäre. Denn das Haus ist zwar auch nach der Revision des Bauinventars noch als erhaltenswert eingetragen, gehört aber nicht mehr zur Baugruppe, die das Dorf Rapperswil ausmacht und dessen Charakter prägt.

Das Dorf Rapperswil ist nach wie vor als Ortsbild von regionaler Bedeutung geschützt. Allerdings wurde die Baugruppe verkleinert.

Das Dorf entstand erst Mitte des 19. Jahrhunderts entlang der damals neuen Strasse und ist als Ortsbild von regionaler Bedeutung im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz verzeichnet sowie als historisch gewachsenes Ensemble – eben als Baugruppe – im kantonalen Bauinventar. Rund ein Viertel dieser Baugruppen hat die kantonale Denkmalpflege bei der Revision aufgelöst. Jene in Rapperswil jedoch hat sie bloss verkleinert.

Jetzt, da Stauffers Haus nicht mehr zu dieser Baugruppe gehört, müsste die Gemeinde als Bewilligungsbehörde die Denkmalpflege bei Um- oder Neubauten nicht mehr beiziehen. «Ich habe aber bei diesem und auch bei anderen Projekten sehr gute Erfahrungen mit der kantonalen Denkmalpflege gemacht», sagt Stauffer. «Das Workshopverfahren sorgt für Planungssicherheit und gut abgestützte Lösungen, deshalb habe ich daran festgehalten.»

Er betrachte alte Häuser von solch guter Qualität als sehr wertvoll. «Als Architekt habe ich schon oft erlebt, dass einige Eigentümer dafür überhaupt kein Gespür haben. Sie möchten oft am liebsten alles abreissen und neu bauen, damit das Haus voll und ganz ihren Bedürfnissen entspricht.»

Ittigen – unklare Auswirkungen bei früherer Genossenschaftssiedlung

Beispiele für das «sachliche Bauen» nach dem Zweiten Weltkrieg in Ittigen. Gebaut wurden die Häuser einst als Genossenschaftssiedlung.

Die Gebäude am Neuhausweg in Ittigen sind zwar nicht mehr als Einzelobjekte im Bauinventar. Die 1947/48 erbaute Siedlung ist aber dafür seit 2019 als Strukturgruppe aufgeführt, weil sie das «sachliche Bauen» nach dem Krieg darstelle und an das Prinzip der Gartenstadt anknüpfe. «Ein guter Vertreter einer Genossenschaftssiedlung und als solcher auch von sozialhistorischem Interesse», resümiert die Denkmalpflege. 

Ein Ehepaar, das anonym bleiben möchte, besitzt zwei Liegenschaften am Neuhausweg. Im Laufe der Zeit gab es einige Umbauten, beispielsweise wurden im Jahr 2000 deutliche Veränderungen an der Fassade, etwa neue Ausbrüche für Fenster, vorgenommen und 2010 und 2020 auf den Dächern Solaranlagen installiert.

«Der Aufwand für die Bewilligung der Anlagen war gross», sagt der Ehemann. Er ist Inhaber eines Treuhandbüros. Zuletzt ging es um einen Umbau im Innern, der in die Zeit der Revision des Bauinventars fiel. «Der Wechsel der Zuständigkeiten hat vieles komplizierter gemacht und Unklarheiten ausgelöst.» So sei etwa durch die Gemeinde Ittigen ein vorübergehender Baustopp auferlegt worden.

Das Ehepaar hat von der Aufnahme als Strukturgruppe im Inventar eher skeptisch Kenntnis genommen. «Unserer Ansicht nach haben sich dadurch die Bestimmungen eher verschärft», sagen die beiden. Die genauen Auswirkungen würden sich aber erst bei zukünftigen Projekten zeigen.

Bei den Reiheneinfamilienhäusern am Neuhausweg in Ittigen stellt sich auch die Frage der energetischen Sanierung.

Der Ittiger Gemeindepräsident Marco Rupp (BVI) sagt, es sei wichtig, mit dem Baubestand respektvoll umzugehen: «Es ist eine Überbauung, die durchaus ihren Charme hat.» Aber die Bewohnerinnen und Bewohner seien auch mit Herausforderungen konfrontiert. «Die Wohnungen sind klein, und es stellt sich die Frage der energetischen Sanierung.» Eine gewisse Modernisierung und Entwicklung sei hier sicher notwendig.

Die Reduktion des Inventars durch die Denkmalpflege bezeichnet er insgesamt als «richtigen und mutigen Schritt». Das bedeute aber nicht, dass Objekte, die nicht mehr als erhaltenswert aufgeführt seien, nun einfach abgerissen und durch Neubauten ersetzt würden, so Rupp.

Der Raum ist ein knappes Gut in diesem Land. Dörfer und Städte richten sich nach innen, Lücken verschwinden, Parzellen werden enger bebaut. Das neue Inventar bietet den Gemeinden wie auch künftigen Bauherren daher vor allem eines: Marco Rupp nennt es «Spielraum im Zuge einer Nachverdichtung».

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