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In der Halensiedlung sind Nachbarn nah und der Beton schön

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Einige dieser Knirpse haben unterdessen selbst Kinder, die ebenfalls in der Siedlung leben.
Haus von Heinz Müller, Architekt beim Atelier 5.
Haus von Heinz Müller, Architekt beim Atelier 5.

Hier muss das Paradies sein. «Ja», sagt Fritz Thormann, «es stimmt alles.» Er muss es wissen. Er lebt in der Siedlung Halen seit es diese gibt, seit 50 Jahren also. Thormann war sogar noch früher hier: Er hat als Bauführer das Projekt hochgezogen. Verantwortlich für den Entwurf war die Berner Architektengemeinschaft Atelier 5. Später hat Thormann in dieser fürs Schweizer Bauwesen wichtigen Institution als Architekt und Teilhaber mitgearbeitet.

Ein Paradies mit geraden Linien und rechten Winkeln. Jetzt, an diesem sonnigen Vorfrühlingstag, werfen die noch kahlen Bäume bizarre Schatten auf die Wände. Zu ahnen ist, dass die kahlen Mauern bald grün überwachsen sind. In den frühen Sechzigerjahren war das Grau dominanter. Beton, Flachdächer und nirgends heimelige Ziegel: Die von Corbusier inspirierte Architektur schockierte viele: «Die 79 Wohneinheiten waren zuerst nur schwer zu verkaufen», erinnert sich Thormann.

Raffinierter Sichtschutz

90'000 bis 120'000 Franken kosteten damals die auf Terrassen angelegten Reihenhäuser mit Wohnflächen von rund 90 Quadratmetern. Heute sind sie zwischen 600'000 und 800'000 Franken wert. Im Immobilienmarkt tauchen sie allerdings nur selten auf. Oft geben die Eltern das Heim an ihre Kinder weiter.

«Halen», das war und ist nicht bloss ein Reihenhäuschen im Grünen. Sondern bedeutet anders wohnen, sozialer. Die Architektur ist aufs Zusammenleben ausgerichtet. Sie lebt von einem Dorfplatz, von einem gemeinsam betriebenen Dorfladen, von zusammen genutzten Freizeiteinrichtungen. Ebenso wichtig ist aber die strikt abgegrenzte Privatsphäre. «Trotz verdichteter Bauweise kann niemand dem Nachbarn ins Zimmer schauen», sagt Thormann.

Euphorie verflogen

Anders wohnen, das war in den Sechzigern auch eine politische Aussage. Die Siedlung hatte den Ruf, viele Linke und Intellektuelle zu vereinen. Nonkonformisten nannte man diese Leute damals. «Gehobener Mittelstand war es, keine linke Kommune», relativiert Fritz Thormann. Seither habe sich der Durchschnitt noch weiter Richtung Mitte verschoben.

Der heute 80-Jährige behält den Überblick, auch wenn er rückwärts schaut. Ein bisschen trauert er allerdings schon den Pionierzeiten nach, als man sicher sein konnte, dass man «in einer fröhlichen Runde landete, wenn man die Wohnung verliess und auf den Vorplatz trat». Heute sei diese Anfangseuphorie verflogen, bedauert er. Schon immer habe es allerdings Einzelgänger gegeben, Leute, die den Dorfplatz stets mieden, weil sie niemanden treffen und für sich bleiben wollten.

Bad rauf, Küche runter

Fritz Thormann, der Mann mit dem gemütlichen Seehundschnauz, und seine Frau Esther haben zusammen fünf Kinder. Das Nachbarehepaar zog gleichviele Sprösslinge auf. Die beiden Familien wohnten eine Zeit lang zusammen, teilten sich einen Teil der beiden Wohnungen. Mit den Erwachsenen lebten damit 14 Menschen auf relativ knappem Raum.

«Das funktionierte nur, weil wir immer wieder umbauten», erklärt Fritz Thormann. Möglich ist dies, weil die dreistöckigen Häuser nur zwei tragende Wände haben. Mal zügelte die Familie Thormann das Badezimmer rauf, mal die Küche runter, unantastbar war bloss die Gebäudehülle.

Zerstörerischer Schutz

Das ist nun anders. Seit vier Jahren gilt die Siedlung als schützenswert. Das ist gut fürs Renommee, aber schlecht für die Benützer. Früher durften sie bloss die Fassade nicht verändern. Nun schränkt der Denkmalschutz die Freiheit auch innen ein. Fritz Thormann ärgert sich darüber: «Wir Architekten wollten, dass die Nutzer ihre Wohnungen immer wieder umgestalten können.» Der Denkmalschutz erhalte nicht, sondern zerstöre – das Wesentliche nämlich, die Idee der Halensiedlung.