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  3. Hotspot Greiz: Infektionsherde unter Kindern machen Sorgen

Panorama Beobachtung in Hotspots

„Jetzt stecken sich Erwachsene bei Kindern an“

Lockerungen oder Lockdown? So sieht es in den Bundesländern aus

Die steigende Inzidenz spaltet Deutschland. Einige Bundesländer drängen weiter auf Lockerung und wollen einen neuen Richtwert, andere fordern den Lockdown. Und der wäre ganz im Sinne eines Großteils der Bevölkerung, wie eine Umfrage zeigt.

Quelle: WELT/ Raphael Knop

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Im Vogtlandkreis und in Greiz verbreitet sich das Coronavirus rasant. Die Landräte erklären die exorbitanten Inzidenzen auch mit der hohen Testdichte – und Infektionsherden unter Kindern, wie sie bislang nicht auftraten.

Beim Blick auf die Infektionszahlen im Vogtland ist man sich in Thüringen und Sachsen einig: Die Lage ist ernst. Wie die in dem Ländereck besonders heftig wütende Corona-Pandemie eingedämmt werden soll, darüber gibt es jedoch in Thüringen Streit. Während die rot-rot-grüne Landesregierung auf harten Einschränkungen besteht, will die CDU-Landrätin des Kreises Greiz, Martina Schweinsburg, gezielte Lockerungen und – wie im benachbarten sächsischen Vogtlandkreis – eine Impffreigabe für über 18-Jährigen in der Region.

Der Kreis Greiz im östlichen Zipfel ist schon seit Längerem der Corona-Brennpunkt in dem ohnehin Hotspot-Land Thüringen. Mit einem Wert von aktuell 565,7 weist die Region auch die höchste Zahl an Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von einer Woche in ganz Deutschland auf.

Im benachbarten Vogtlandkreis, dem sächsischen Corona-Brennpunkt, ist die Lage nicht minder dramatisch. Dort liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei 376. „Die dritte Welle ist da“, sagt Landrat Rolf Keil (CDU).

Menschenleer sind die Straßen der Greizer Altstadt. Der Ostthüringer Landkreis ist besonders schwer von Corona betroffen
Menschenleer sind die Straßen der Greizer Altstadt. Der Ostthüringer Landkreis ist besonders schwer von Corona betroffen
Quelle: dpa/Bodo Schackow

Einen Grund für die steigenden Infektionszahlen sehen sowohl Keil als auch seine Thüringer Amtskollegin Schweinsburg in vermehrten Tests. Beide verweisen zudem auf überdurchschnittlich hohe Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen. „Wir haben von Mitte Februar bis Mitte März 935 Kontaktpersonen von Infizierten ohne Symptome getestet – davon war ein Drittel positiv“, so Landrätin Schweinsburg. Von diesen positiv Getesteten seien wiederum 151 Kinder und Jugendliche im Alter von bis zu 18 Jahren gewesen.

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Im Vogtlandkreis, mit vielen Einpendlern aus dem massiv von Corona betroffenen Tschechien, werden laut dem Landrat täglich mehr als 4000 Menschen getestet. An etwa 30 Schulen und 25 Kitas gebe es derzeit Infektionsherde. Und das, obwohl Kitas und Grundschulen seit Anfang März wieder geschlossen seien und nur eine Notbetreuung anböten, berichtet Keil. Sorge bereitet dem Landrat vor allem die rasante Ausbreitung der deutlich infektiöseren Virusvarianten.

„Wir beobachten jetzt, dass sich Erwachsene bei Kindern anstecken, das hatten wir in der ersten Welle kaum“, sagt auch der Jenaer Infektiologe Mathias Pletz. Er ist alarmiert. Das Virus habe sich fortlaufend weiterentwickelt – die neuen Varianten seien schneller übertragbar und hätten eine höhere Viruslast. „Wir sehen ein verändertes Infektionsgeschehen, das nicht nur mit der Pandemiemüdigkeit zusammenhängt“, ist der Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Jenaer Universitätsklinikum überzeugt.

Landrätin wurde mit dienstrechtlichen Konsequenzen gedroht

Die Greizer Landrätin zieht daraus vor allem einen Schluss: „Wir müssen jetzt die mobilen Altersgruppen impfen.“ Sie fordert eine Impffreigabe für Einwohner ab 18 Jahren, wie sie die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) noch vor dem zeitweiligen Impfstopp für das Präparat von AstraZeneca für den Vogtlandkreis angekündigt hatte.

Martina Schweinsburg (CDU), Landrätin des Landkreises Greiz. Ihr Umgang mit der Corona-Krise hat ihr Ärger mit der Landesregierung eingebracht
Martina Schweinsburg (CDU), Landrätin des Landkreises Greiz. Ihr Umgang mit der Corona-Krise hat ihr Ärger mit der Landesregierung eingebracht
Quelle: dpa-infocom GmbH

Im Thüringer Gesundheitsministerium herrscht indes Verärgerung über die Greizer Landrätin. „Es reicht nicht allein der Ruf nach Impfungen für alle. Denn es gibt nicht genügend Impfstoffe“, redet Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) Klartext. „Dieser Ruf muss auch mit entsprechenden Maßnahmen untersetzt werden.“

Landrätin Schweinsburg hatte erst auf Druck und unter Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen diese Woche schärfere Corona-Regeln erlassen. Bewohner im Kreisgebiet dürfen nun nur noch aus triftigen Gründen ihre Wohnungen verlassen.

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Es sei schwer zu vermitteln, wieso es zusätzliche Impfstoffe für Hotspots wie Greiz brauche, wenn vorher nicht alles getan werde, um die Infektionszahlen vor Ort zu verringern, argumentiert die Ministerin. So gebe es nach wie vor auch private Feiern und es halte sich ein gewisser Teil der Menschen nicht an die notwendigen Schutzmaßnahmen.

Trotz nach wie vor knapper Impfstoffe dürfen laut Werner im Landkreis Greiz zusätzlich auch Menschen aus der Priorisierungsgruppe drei geimpft werden. Dazu gehören unter anderem Menschen ab 60 Jahren und alle Lehrer des Landkreises. Ministerin Werner: „Solange wir nicht mehr Impfstoffe zur Verfügung haben, ist das der einzige Weg.“

dpa/säd

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