Nachrichtendienst des Bundes Papiermühlestrasse 20 3003 Bern 2 ...
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Regierungsrat<br />
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4509 Solothurn<br />
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<strong>Nachrichtendienst</strong> <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong><br />
<strong>Papiermühlestrasse</strong> <strong>20</strong><br />
<strong>3003</strong> <strong>Bern</strong><br />
2. Juli <strong>20</strong>13<br />
Vernehmlassung zum <strong>Nachrichtendienst</strong>gesetz<br />
Sehr geehrter Herr Bun<strong>des</strong>präsident<br />
Sehr geehrte Damen und Herren<br />
Sie haben uns mit Brief vom 08. März <strong>20</strong>13 zur Stellungnahme in titelerwähnter Angelegenheit<br />
eingeladen. Wir danken Ihnen für die Gelegenheit zur Meinungsäusserung zum Vorentwurf für<br />
ein <strong>Nachrichtendienst</strong>gesetz (NDG). Wie gewünscht haben wir den Fragekatalog ausgefüllt (siehe<br />
Beilage). Dieser beschränkt sich primär auf Fragen zur Verständlichkeit der Vorlage, zur<br />
transparenten Darstellung vorgeschlagener Verfahren und Präzision der Formulierungen. Dies<br />
wird der Bedeutung der Vorlage nicht gerecht. Eine fundierte Stellungnahme zu einem derart<br />
bedeutsamen Erlass, welcher Massnahmen in einem sensiblen Bereich und mit Grundrechtsrelevanz<br />
regelt, ist im Rahmen der Beantwortung von sechs standardisierten Fragen nicht möglich.<br />
Aus diesem Grund lassen wir Ihnen neben dem Fragekatalog dieses Schreiben zukommen, worin<br />
wir zu Grundsatzfragen, welche die Vorlage aufwirft, wie folgt Stellung nehmen.<br />
1 Grundsätzliche Bemerkungen<br />
1.1 Grundsätzliche Zustimmung zur einer gesamtheitlichen Gesetzesgrundlage für den NDB<br />
Dem Vorhaben, die bisherige Zweiteilung in das Bun<strong>des</strong>gesetz über die Zuständigkeiten im Bereich<br />
<strong>des</strong> zivilen <strong>Nachrichtendienst</strong>es (ZNDG) und das Bun<strong>des</strong>gesetz über Massnahmen zur Wahrung<br />
der inneren Sicherheit (BWIS) aufzugeben, stimmen wir zu. Die Schaffung einer einheitlichen<br />
formell gesetzlichen Grundlage für die nachrichtendienstliche Tätigkeit zugunsten der inneren<br />
Sicherheit der Schweiz ist zu begrüssen. Ein einziges <strong>Nachrichtendienst</strong>gesetz erhöht die<br />
Transparenz sowie die Rechtssicherheit für die Bevölkerung und verbessert die Legitimation der<br />
staatlichen Behörden, welche in diesem politisch sensiblen Bereich tätig sind.<br />
Auch die Überführung der polizeirechtlichen Bestimmungen <strong>des</strong> BWIS in ein künftiges Polizeiaufgabengesetz<br />
ist zu begrüssen. Die nahtlose Überführung der Rechtsgrundlagen für die Massnahmen<br />
gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen, welche der Bund treffen kann (insbesondere<br />
der Betrieb der entsprechenden Datenbank), ist für die Kantone von grosser Bedeutung.
1.2 Fehlende ausdrückliche Grundlage in der Verfassung<br />
Der Bericht vom 02. März <strong>20</strong>12 <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>rates in Erfüllung <strong>des</strong> Postulats Malama 10.3045 vom<br />
03. März <strong>20</strong>10 Innere Sicherheit. Klärung der Kompetenzen (nachfolgend Bericht) stellt fest, dass<br />
mangels einer ausdrücklichen Grundlage in der Verfassung hinsichtlich der Tragweite und <strong>des</strong><br />
Umfangs der Bun<strong>des</strong>kompetenz im Bereich <strong>des</strong> Staatsschutzes vieles im Ungewissen liege. Unklar<br />
sei etwa, welche Gefährdungen Staatsschutzrelevanz haben und von der Staatsschutzgesetzgebung<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> erfasst werden sollen. „Soll sich die Staatsschutztätigkeit <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> lediglich<br />
gegen unmittelbare Bedrohungen <strong>des</strong> staatlichen Territoriums, der Bevölkerung und der gesellschaftlichen<br />
und politischen Ordnung richten oder erstreckt sich die Tätigkeit auch auf die Abwehr<br />
von Bedrohungen, welche den Staat mittelbar, z.B. durch Schwächung seiner Wirtschaft, in<br />
seiner Funktionstüchtigkeit treffen?“ (Ziffer 3.2.5 <strong>des</strong> Berichts). Als Fazit wird die Schaffung einer<br />
Verfassungsgrundlage empfohlen, welche Umfang und Tragweite derjenigen Bun<strong>des</strong>kompetenz<br />
im Bereich <strong>des</strong> Staatsschutzes, die auf ungeschriebenem Verfassungsrecht basieren, klar umreisst<br />
(Ziffer 3.2.5.1 <strong>des</strong> Berichts). „Eine ausdrückliche, genügend bestimmte Verfassungsgrundlage,<br />
welche Umfang und Grenzen dieser Bun<strong>des</strong>zuständigkeit aufzeigt, würde die bestehenden Unsicherheiten<br />
beheben und in diesem wichtigen, die Grundrechte stark tangierenden Sachbereich<br />
Transparenz und Klarheit schaffen“ (Ziffer 3.2.5, S. 4582 <strong>des</strong> Berichts).<br />
Wir stellen fest, dass dieser Empfehlung nicht nachgekommen wurde. Die Auseinandersetzung<br />
mit der Thematik der fehlenden ausdrücklichen Verfassungsgrundlage, welche der Bun<strong>des</strong>rat ein<br />
Jahr zuvor festgestellt hat, ist unseres Erachtens unzulänglich (Ziffer 1.9 und 7. Kapitel <strong>des</strong> Erläuternden<br />
Berichts zum Vorentwurf). Ein ausdrücklicher Hinweis auf diese Problematik und insbesondere<br />
auf die Gründe, weshalb die Gelegenheit nicht genutzt wurde, um der Empfehlung <strong>des</strong><br />
Bun<strong>des</strong>rates nachzukommen, fehlt. Vielmehr beantwortet der Vorentwurf implizit die nicht geklärten<br />
Fragen zu Umfang und Grenzen der Aufgaben und Kompetenzen <strong>des</strong> Staatsschutzes,<br />
indem er <strong>des</strong>sen Aufgabenkatalog im Vergleich zu den bisherigen Aufgaben <strong>des</strong> NDB nach BWIS<br />
erweitert. Unabhängig von der Beurteilung der vorgeschlagenen neuen Aufgaben und Kompetenzen<br />
ist dieses Vorgehen zu hinterfragen: Als inkonsistent werten wir es, wenn eigenen Empfehlungen<br />
ohne jegliche vertiefte Auseinandersetzung nicht nachgekommen wird. Als intransparent<br />
beurteilen wir es, wenn die Vorlage auf den impliziten Verzicht, eine Verfassungsgrundlage<br />
zu schaffen, nicht hinweist.<br />
Unter Berücksichtigung der im Bericht festgestellten grossen Grundrechtsrelevanz erachten wir<br />
die Entscheidung als solche, die Aufgaben <strong>des</strong> Staatsschutzes ohne entsprechende ausdrückliche<br />
Verfassungsbestimmung auszudehnen, als staatspolitisch nicht opportun, mithin als einen<br />
Schwachpunkt der Vorlage, welcher politisch die Zustimmung zu den neuen Beschaffungsinstrumenten<br />
(welche wir an sich begrüssen; siehe dazu unten Ziffer 1.3) gefährden kann. Zur Vornahme<br />
der Massnahmen nach Vorentwurf, welche teilweise stark in die Grundrechte eingreifen,<br />
bedarf es unseres Erachtens einer ausdrücklichen Bestimmung in der Bun<strong>des</strong>verfassung, die Ausführungen<br />
auf S. 15 f. <strong>des</strong> Erläuternden Berichts zum Vorentwurf vermögen uns nicht zu überzeugen.<br />
1.3 Zu den neuen Kompetenzen<br />
Im Lichte der seit Einführung <strong>des</strong> BWIS im Jahre 1997 entstandenen neuen Bedrohungsformen<br />
(Terroranschläge durch radikalisierte Einzeltäter, Angriffe auf kritische Infrastrukturen, etc.) wie<br />
auch angesichts der neuen technischen Möglichkeiten einer weltweiten und verdeckten Kommunikation,<br />
ist der notwendige Einsatz von Informationsbeschaffungsinstrumenten für den<br />
nicht öffentlichen Bereich ausgewiesen. Dies in der Überzeugung, dass Einzeltätern oder Gruppierungen<br />
vom Zuschnitt eines Mohammed Merah (Attentäter von Toulouse), einer Zwickauer<br />
Zelle oder auch der Attentäter <strong>des</strong> Boston-Marathons vom 15. April <strong>20</strong>13 mit den eingeschränkten<br />
Mitteln <strong>des</strong> heutigen BWIS nicht mehr beizukommen ist. Allfällige Hinweise einer ausländischen<br />
Regierung auf eine Person mit kritischen, die öffentliche Sicherheit gefährdenden Tendenzen<br />
können mangels Rechtsgrundlage nicht anhand geheimer nachrichtendienstlicher Überwachungsmassnahmen<br />
überprüft werden. Auch der Einsatz geheimer Überwachungsmassnahmen<br />
nach der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) ist in solchen Konstellationen noch nicht<br />
zulässig und kommt demzufolge nicht in Frage. Die derzeit dem NDB zur Verfügung stehenden<br />
2 / 7
Instrumente sind für die heutige veränderte internationale Bedrohungslage nicht geeignet und<br />
ungenügend, weil damit den Sicherheitsherausforderungen <strong>des</strong> 21. Jahrhunderts nicht wirkungsvoll<br />
genug begegnet werden kann.<br />
Die Zustimmung zu den neuen (genehmigungspflichtigen) Informationsbeschaffungsmassnahmen<br />
machen wir jedoch von drei Voraussetzungen - derzeit im Vorentwurf vorhanden - abhängig,<br />
welche für uns essentiell sind:<br />
Erstens begrüssen wir, dass die verschiedenen Bedrohungen und Aufgabenfelder <strong>des</strong> NDB differenziert<br />
betrachtet werden und sich dies auch in <strong>des</strong>sen Kompetenzen niederschlägt. Angesichts<br />
der unterschiedlichen Gefährlichkeit der Bedrohungen in den verschiedenen Aufgabenfeldern<br />
<strong>des</strong> <strong>Nachrichtendienst</strong>es und der unterschiedlichen Schwere von Grundrechtseingriffen für Betroffene<br />
in diesen Aufgabenfeldern erscheint die grundsätzliche Unterscheidung <strong>des</strong> Gesetzes<br />
zwischen gewalttätigem Extremismus mit Bezug zur Schweiz einerseits und den übrigen Bedrohungsfeldern<br />
und Aufgaben andererseits nicht nur sinnvoll, sondern für die politische Akzeptanz<br />
der Vorlage geradezu notwendig.<br />
Zweitens stellen wir bei Datenbearbeitungsvorgängen mit einem derart grossen Gefährdungspotential<br />
aufgrund der erheblichen Grundrechtseingriffe hohe Anforderungen an die Normdichte.<br />
Das NDG weist, mit einer Ausnahme (siehe unten Ziffer 2.1), diesen geforderten hohen Detaillierungsgrad<br />
auf, was zu begrüssen ist.<br />
Drittens ist für uns das zweifache Genehmigungsverfahren, welches die Zulässigkeit der konkreten<br />
Massnahme aus juristischer und politischer Optik prüft, zentral.<br />
1.4 Entschädigung der Kantone<br />
Eine besondere Regelung erfahren sollte die finanzielle Abgeltung der Leistungen der Kantone<br />
im vorliegenden Bereich. Im Erläuternden Bericht zum Vorentwurf (S. 16) wird der zusätzliche<br />
Personalbedarf für die Umsetzung der neu vorgeschlagenen Beschaffungsmassnahmen auf 16<br />
Stellen veranschlagt, wobei diese Mittel offensichtlich nur die Bun<strong>des</strong>verwaltung betreffen. Die<br />
Finanzierung der voraussichtlich nötigen, zusätzlichen Stellen bei den kantonalen Vollzugsbehörden<br />
ist vorliegend nicht geregelt, obwohl die Instrumente und Verfahren <strong>des</strong> neuen NDG<br />
auch den kantonalen Vollzugsbehörden deutlich mehr Aufwand bescheren (vgl. Art. 25 Abs. 1<br />
lit. d: Auch die kantonalen Vollzugsbehörden werden mit der Durchführung genehmigungspflichtiger<br />
Beschaffungsmassnahmen betraut werden können; ebenso Art. 30 Abs. 1). Hier sollte<br />
der Bund präzisieren, dass er bereit ist, diese zusätzlichen Aufwendungen der kantonalen Vollzugsbehörden<br />
für konkrete Einzelfälle entsprechend zu entschädigen.<br />
Ansonsten nehmen wir den Beibehalt der pauschalen Abgeltung der Kantone für erbrachte Leistungen<br />
mit Befriedigung zur Kenntnis. Dabei gehen wir davon aus, dass die neu aufgenommene<br />
Relativierung „im Rahmen der bewilligten Kredite“ zu keiner Reduktion der Pauschale führen<br />
wird. Nicht klar ist ferner, ob der Vorentwurf bewusst auf Artikel 28 Absatz 3 BWIS, der dem<br />
Schweizerischen Polizeiinstitut Neuenburg Finanzhilfen für die im Interesse <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> erbrachten<br />
Leistungen gewährt, verzichtet.<br />
2 Zu einzelnen Artikeln<br />
2.1 Artikel 2: Verpflichtete Behörden und Personen<br />
Nicht befriedigend gelöst scheint die Regelung der Tätigkeit der kantonalen Vollzugsbehörden.<br />
Nach den ausdrücklichen Bestimmungen <strong>des</strong> Vorentwurfs werden diese - wie bis anhin - durch<br />
die Bun<strong>des</strong>behörden beauftragt (Art. 7 Abs. 2) und bezahlt (Art. 73 Abs. 5), arbeiten künftig für<br />
den Bereich der beauftragten Tätigkeit neu ausschliesslich auf Bun<strong>des</strong>datenbanken (Art. 41 Abs.<br />
1) und werden durch verschiedene Bun<strong>des</strong>stellen - bis hin zur Geschäftsprüfungsdelegation der<br />
Eidgenössischen Räte - kontrolliert (Art. 65 ff). Die nachrichtendienstliche Weiterbildung erfolgt<br />
ebenfalls durch den NDB (Art. 73 Abs. 3).<br />
3 / 7
Die statuierte Regelung entspricht im Wesentlichen der heutigen Situation, wonach die Mittel<br />
der kantonalen Nachrichtenbeschaffungsdienste mehrheitlich zugunsten der Aufgaben nach<br />
dem BWIS eingesetzt werden (so erfolgen Auftragserteilung, fachliche Führung, Kontrolle, Verantwortung<br />
und Steuerung der Dienste im Wesentlichen durch den NDB). Daneben sind die kantonalen<br />
Vollzugsbehörden auch im Rahmen der sicherheitspolizeilichen Aufklärung im Vorfeld<br />
polizeilicher Ordnungsdiensteinsätze tätig, welche der Steuerung der entsprechenden Kantonspolizei<br />
unterliegen. Obwohl die kantonalen Vollzugsbehörden wichtige Instrumente <strong>des</strong> NDB<br />
darstellen, sind diese im neuen Gesetz kaum erwähnt. Vielmehr wird mehrheitlich nur vom NDB<br />
gesprochen. Als Beispiele hierfür sind zu nennen: Grundsätze der Informationsbeschaffung (Art.<br />
3), Aufgaben (Art. 4), Beobachten an öffentlichen und allgemein zugänglichen Orten (Art. 12),<br />
Ausschreibung von Personen und Fahrzeugen zwecks Aufenthaltsfeststellung (Art. 14) etc. Dieser<br />
Widerspruch wird weder durch Artikel 2 (Verpflichtete Behörden und Personen) noch durch Artikel<br />
73 (Vollzug durch die Kantone) befriedigend gelöst.<br />
Das NDG sieht erhebliche Grundrechtseingriffe vor, weshalb hohe Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot<br />
zu stellen sind (vgl. auch geforderte Normdichte in Ziffer 1.3., oben). Nachdem<br />
die Bun<strong>des</strong>kompetenz zur Legiferierung im Bereich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit der<br />
Kantone im Rahmen der inneren Sicherheit der Schweiz unbestritten ist (vgl. Erläuternder Bericht<br />
zum Vorentwurf, S. 18), steht der Klärung dieser Kompetenzfrage nichts im Wege. Es sollte<br />
zwingend geklärt werden, dass nicht nur der in Artikel 14 genannte NDB als berechtigte Stelle<br />
gilt, sondern auch die kantonale Vollzugsbehörde (vgl. auch Bemerkungen zu Art. 25, unten).<br />
In diesem Sinn wäre der Vorentwurf mit einem neuen Artikel 7 Absatz 3 wie folgt zu ergänzen:<br />
„Die kantonalen Vollzugsbehörden haben im Rahmen ihrer Tätigkeit für dieses Gesetz die analogen<br />
Befugnisse zur Informationsbeschaffung nach Art. 11 bis Art. 21 wie der NDB.“<br />
2.2 Artikel 8: Information der Kantone<br />
Für die Lagebeurteilungen bei ausserordentlichen sicherheitspolizeilichen Lagen - insbesondere<br />
im Rahmen <strong>des</strong> unfriedlichen Ordnungsdienstes - sind die Polizeikorps auf umfassende Informationen<br />
zu den bevorstehenden Ereignissen angewiesen. Dies gilt nun nicht nur für die Ereignisse<br />
wie das WEF oder den 1. Mai, sondern ebenso für Ereignisse mit kantonaler oder sogar lokaler<br />
Bedeutung (Tanz dich frei, reclaim the street-Aktionen, etc.). Regelmässig nehmen Vertreter der<br />
Vollzugsbehörden der Kantone an den entsprechenden Lagebeurteilungen teil. Mit ihrem Wissen<br />
tragen sie zu einem umfassenden Lagebild bei, ohne dass sie dabei heikle Daten wie Personendaten,<br />
Angaben zu Operationen oder andere nicht für die unmittelbare Bewältigung <strong>des</strong><br />
Ereignisses notwendige Angaben preisgeben müssen. Da es sich dabei dennoch um qualifizierte<br />
Informationen handelt, wäre eine gesetzliche Ermächtigung für die Verwendung der Informationen<br />
aus der nachrichtendienstlichen Tätigkeit im Auftrag <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> zu begrüssen. Artikel 48<br />
erwähnt zwar das Informationssystem zur elektronischen Lagedarstellung. Die Nutzung von<br />
nachrichtendienstlichen Informationen zur Steuerung und Umsetzung von sicherheitspolizeilichen<br />
Massnahmen (der Kantone) sollte als Aufgabe bereits im 2. Kapitel <strong>des</strong> NDG beschrieben<br />
sein, weshalb Artikel 8 entsprechend zu ergänzen ist.<br />
2.3 Artikel 12: Beobachtungen an öffentlichen und allgemein zugänglichen Orten<br />
Artikel 12 Absatz 1 erlaubt Beobachtungen von Vorgängen und Einrichtungen an öffentlichen<br />
und allgemein zugänglichen Orten sowie das Aufnehmen auf Bild- und Tonträger. Dazu können<br />
Flugzeuge und Satelliten eingesetzt werden. Nicht erwähnt wird der eventuell gängigere Einsatz<br />
technischer Mittel zur Beobachtung (Peilsender). Absatz 1 übernimmt hier die bestehende Regelung<br />
von Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe f BWIS. Der Einsatz technischer Mittel zur Beobachtung<br />
(Peilung) sollte ebenfalls in das NDG aufgenommen werden.<br />
Die StPO und die neueren kantonalen Polizeigesetze zeigen, dass systematische und länger dauernde<br />
Beobachtungen (Observationen) besonderen Voraussetzungen und Einschränkungen unterliegen.<br />
Dies basiert auf der Überlegung, dass Observationen Grundrechtseinschränkungen<br />
darstellen. Dabei präzisiert zwar das Bun<strong>des</strong>gericht, dass der Eingriff in die Rechte der Betroffenen<br />
jedenfalls dann gering sei, wenn sich die Observation auf den öffentlichen Raum beschränke.<br />
Angesichts dieser Entwicklung im Polizei- und im Strafprozessrecht muss vorliegend die Frage<br />
gestellt werden, ob nicht auch an die nachrichtendienstliche Observation gewisse Anforderun-<br />
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gen gestellt werden müssen. Analog der polizeigesetzlichen Regelung, welche insbesondere zur<br />
Gefahrenabwehr eingesetzt werden kann, sollte eine Aktion, deren Dauer ein gewisses Mass<br />
überschreitet, durch eine vorgesetzte Stelle genehmigt werden. Diese Stelle müsste zwingend im<br />
NDB auf einer hohen Führungsebene angesiedelt sein.<br />
2.4 Artikel 15 und 16: Legendierung<br />
Die beiden Artikel sehen den Einsatz von Angehörigen der kantonalen Vollzugsbehörden im<br />
verdeckten Einsatz vor, welcher durch den Bund angeordnet werden kann (zumin<strong>des</strong>t wird für<br />
eine solche Möglichkeit die gesetzliche Grundlage geschaffen). Aus Sicht <strong>des</strong> Kantons ist es<br />
zwingend, dass als Bedingung das Einverständnis <strong>des</strong> kantonalen Vorgesetzten <strong>des</strong> fraglichen<br />
Mitarbeiters vorausgesetzt wird, denn denkbar ist, dass dieser Mitarbeiter im Einsatz einem nicht<br />
unerheblichen Risiko ausgesetzt wird.<br />
2.5 Artikel 17 ff.: Auskunftsrechte und -pflichten<br />
Wie oben dargestellt, erwähnt der Gesetzesentwurf die Vollzugsbehörden der Kantone nur in<br />
den wenigsten Ermächtigungsnormen explizit als Berechtigte. Im Gegensatz zur heutigen Bestimmung<br />
(Art. 13 ff. BWIS) kommt diesem Umstand im Bereich der Auskunfts- und Meldepflicht<br />
von Behörden und Privaten (Art. 17 ff.) besondere Brisanz zu. Das Einholen von Auskünften bei<br />
anderen Behörden und gewissen Privaten (Einwohnerkontrolle, Steueramt, Post, etc.) gehört zur<br />
normalen Arbeit der Mitarbeitenden der kantonalen Vollzugsbehörden. In den vergangenen<br />
Jahren wurden diese von den angesprochenen Stellen immer häufiger nach der gesetzlichen<br />
Grundlage für die gewünschte Datenherausgabe gefragt. Eine entsprechende, ausdrückliche<br />
Kompetenznorm drängt sich <strong>des</strong>halb auf und sollte eingefügt werden.<br />
2.6 Artikel 17 Absatz 1: Auskunftspflicht bei konkreten Bedrohungen<br />
Vorgeschlagen wird die ausnahmslose Begründung je<strong>des</strong> Auskunftsersuchens. Dies erscheint uns<br />
äusserst heikel, da Fälle denkbar sind, in denen entsprechende Begründungen eine notwendige<br />
Massnahme vereiteln könnten. Dementsprechend sollte eine Ausnahmeregelung vorgesehen<br />
werden, welche eine nachträgliche Mitteilungspflicht vorsieht (analog zu genehmigungspflichtigen<br />
Überwachungsmassnahmen gemäss Art. 29 Abs. 2). Ausserdem sollte in der Botschaft ergänzt<br />
werden, dass an die Begründung keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen,<br />
weil die kantonalen Vollzugsbehörden, welche im Auftrag <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> Auskünfte einholen (müssen),<br />
selber kaum je über umfassende Fallkenntnisse verfügen.<br />
2.7 Artikel 18 Absatz 1: Besondere Auskunfts- und Meldepflichten<br />
Den Behörden der Finanzmarktaufsicht und der Mel<strong>des</strong>telle für Geldwäscherei kommt bei der<br />
Bekämpfung <strong>des</strong> Terrorismus grosse Bedeutung zu. Der entsprechenden Ergänzung <strong>des</strong> Katalogs<br />
der auskunfts- und meldepflichtigen Behörden und Amtsstellen (Art. 18 Abs. 1 lit. j) ist <strong>des</strong>halb<br />
zuzustimmen. Auch Steuerbehörden und Sozialversicherungen sollten in diesen Katalog aufgenommen<br />
werden.<br />
2.8 Artikel 22: Genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahmen<br />
Die neu vorgesehenen genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen erachten wir als<br />
notwendig und zweckdienlich. Aus Sicht <strong>des</strong> Kantons respektive der kantonalen Vollzugsorgane<br />
ergibt sich allerdings ein Klärungsbedarf betreffend Beteiligung der Kantone an der Umsetzung<br />
der durch den NDB angeordneten Massnahmen.<br />
Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe d eröffnet dem NDB die Möglichkeit, kantonale Vollzugsbehörden<br />
mit der Durchführung der von ihm angeordneten genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen<br />
zu beauftragen. Weder der Gesetzestext noch der Erläuternde Bericht zum Vorentwurf<br />
geben Auskunft über den Umfang dieser Verpflichtung der Kantone und über die Entschädigung.<br />
Wir machen beliebt, an dieser Stelle zu klären, ob genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahmen<br />
grundsätzlich nur durch den NDB oder auch durch die kantonalen Vollzugsbehörden<br />
durchgeführt werden dürfen. Wir stehen dieser Möglichkeit durchaus offen gegenüber,<br />
erachten allerdings eine zusätzliche finanzielle Entschädigung für besonders aufwendige Beschaffungsmassnahmen<br />
als gerechtfertigt.<br />
5 / 7
2.9 Artikel 41: Datenbearbeitung in den Kantonen<br />
Die Bestimmung stipuliert, dass die kantonalen Vollzugsbehörden keine eigenen Datensammlungen<br />
in Anwendung <strong>des</strong> NDG mehr führen dürfen; dies ist zu begrüssen. Zum einen wird damit<br />
klargestellt, dass es sich bei den durch die Vollzugsbehörden im Auftrag <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> bearbeiteten<br />
Daten um Bun<strong>des</strong>daten handelt. Damit wird die lang ersehnte Klarheit über Zuständigkeit<br />
betreffend Datenschutzkontrolle bei den kantonalen Vollzugsbehörden geschaffen. Zum anderen<br />
wird damit die Datensicherheit im Bereich <strong>des</strong> <strong>Nachrichtendienst</strong>es erhöht.<br />
Gerade in Bereichen wie vorliegend, welche Bun<strong>des</strong>- und Kantonskompetenzen betreffen, ist die<br />
operative Tätigkeit der kantonalen Vollzugsbehörden nicht unnötig zu beschränken und zu<br />
komplizieren. Es sollte <strong>des</strong>halb eine Lösung gefunden werden, wie die niederschwellige Erfassung<br />
und Auswertung sogenannter Vorfelddaten durch die kantonalen Vollzugsbehörden möglich<br />
bleiben. Ansonsten drohen wertvolle Informationen zur Lageeinschätzung verloren zu gehen.<br />
Der Bund sollte eine Regelung schaffen, so dass die kantonalen Vollzugsbehörden auf die<br />
Lageeinschätzungen eines Kantons zugreifen können.<br />
2.10 Artikel 49: OSINT-Portal<br />
Im dritten Abschnitt <strong>des</strong> Gesetzes sind die nachrichtendienstlichen Informationssysteme und die<br />
entsprechenden Zugriffsberechtigungen geregelt. Die kantonalen Vollzugsbehörden werden nur<br />
beim INDEX NDB (Art. 46) als Zugriffsberechtigte erwähnt, nicht aber bei den anderen Systemen.<br />
In den entsprechenden Bestimmungen werden nur die Mitarbeitenden <strong>des</strong> NDB als zugriffsberechtigt<br />
aufgeführt. Aufgrund dieser Tatsache und dem Umstand, dass abweichend von den übrigen<br />
Bestimmungen <strong>des</strong> Gesetzesentwurfs nicht mehr vom „NDB“, sondern von „den Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern <strong>des</strong> NDB“ die Rede ist, muss davon ausgegangen werden, dass entgegen<br />
dem Wortlaut von Artikel 2 (Verpflichtete Behörden und Personen) die kantonalen Vollzugsbehörden<br />
keinen Zugang zu diesen Systemen erhalten sollen. Aus Sicht <strong>des</strong> Kantons ist dies<br />
zu beanstanden.<br />
Insbesondere das Zugangsportal öffentliche Informationsquelle (OSINT-Portal) sollte den kantonalen<br />
Vollzugsbehörden offen stehen. Oftmals sind die Mitarbeitenden der kantonalen Vollzugsbehörden<br />
im Auftrag <strong>des</strong> NDB mit Abklärungen in öffentlich zugänglichen Informationsquellen<br />
beschäftigt. Bei der vorliegenden Regelung besteht die Gefahr, dass unter Umständen<br />
Informationen erhoben werden, welche in der Datenbank bereits erfasst sind. Da es sich hier um<br />
jedermann zugängliche Daten handelt, erscheint die Zugriffsberechtigung für die kantonalen<br />
Vollzugsbehörden als unkritisch.<br />
2.11 Artikel 70: Kantonale Aufsicht<br />
Mit dieser Regelung hält der Bun<strong>des</strong>rat am bisherigen Konzept der geteilten Aufsicht von Bund<br />
und Kantonen über die kantonalen Vollzugsbehörden fest. Dies ist zu begrüssen, hat sich die<br />
Regelung nach Art. 35 V-NDB doch bewährt. Eine integrale Bun<strong>des</strong>lösung mit der Übernahme<br />
der Mitarbeitenden der kantonalen Vollzugsbehörden in die Bun<strong>des</strong>verwaltung wäre mit gravierenden<br />
Nachteilen behaftet und würde unserem Verständnis der verfassungsmässigen Aufgabenteilung<br />
im Sicherheitsbereich nicht gerecht.<br />
Aufgrund unserer Ausführungen zu verschiedenen Artikeln sind wir der Ansicht, dass namentlich<br />
die Zusammenarbeit <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> mit den kantonalen Vollzugsbehörden wie auch deren Tätigkeit<br />
im Einzelnen noch besser geregelt werden sollte.<br />
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Wir danken Ihnen für die angemessene Berücksichtigung unserer Überlegungen bei der weiteren<br />
Behandlung <strong>des</strong> Geschäftes.<br />
IM NAMEN DES REGIERUNGSRATES<br />
sig. Esther Gassler<br />
Frau Landammann<br />
sig. Andreas Eng<br />
Staatsschreiber<br />
Beilage<br />
Fragekatalog<br />
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