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Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach - Bayern

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AN 11 K 11.01665<br />

In der Verwaltungsstreitsache<br />

<strong>Bayerisches</strong> <strong>Verwaltungsgericht</strong> <strong>Ansbach</strong><br />

***********<br />

****************************************<br />

bevollmächtigt:<br />

Rechtsanwalt ************<br />

*****************************<br />

Freistaat <strong>Bayern</strong><br />

vertreten durch:<br />

Landratsamt *******<br />

*******************************<br />

beigeladen:<br />

************************************<br />

*************************************<br />

bevollmächtigt:<br />

Rechtsanwälte *************************<br />

****************************<br />

Im Namen des Volkes<br />

gegen<br />

wegen<br />

Immissionsschutzrechts<br />

(Nachbarklage gegen Genehmigung von neun WEA)<br />

- Kläger -<br />

- Beklagter -<br />

erlässt das Bayerische <strong>Verwaltungsgericht</strong> <strong>Ansbach</strong>, 11. Kammer, durch<br />

den Vorsitzenden Richter am <strong>Verwaltungsgericht</strong> Kohler<br />

den Richter am <strong>Verwaltungsgericht</strong> Klinke<br />

die Richterin Kellner<br />

und durch<br />

die ehrenamtliche Richterin ********<br />

den ehrenamtlichen Richter ***********


auf Grund mündlicher Verhandlung<br />

folgendes<br />

- 2 -<br />

vom 30. November 2011<br />

am 30. November 2011<br />

Urteil:<br />

1. Die Klage wird abgewiesen.<br />

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließ-<br />

lich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.<br />

Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.<br />

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleis-<br />

tung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden,<br />

wenn nicht der betreffende Beteiligte vor Vollstreckung<br />

Sicherheit in gleicher Höhe leistet.<br />

Tatbestand:<br />

Der Kläger, der in der Ortschaft **************/Stadt ***************/Landkreis ******* wohnt, wen-<br />

det sich als Nachbar gegen die der Beigeladenen durch das Landratsamt ******* (Landratsamt)<br />

erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von insge-<br />

samt neun Windenergieanlagen (WEA).<br />

Am 22. Dezember 2010 (Bl. 4 ff. der Behördenakte Schriftverkehr = BS I und entsprechend den<br />

Planunterlagen = PU) beantragte die Beigeladene, die das Projekt Windpark *******/******-<br />

******** plant und baut, die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Er-<br />

richtung und zum Betrieb von insgesamt neun WEA des Typs VESTAS V 90 - 2.0 MW auf<br />

Grundstücken in den Gemarkungen **************/Stadt ***************Landkreis ******* und<br />

*******/Stadt ************/Landkreis ***********************. Aus den Antragsunterlagen ergibt sich,<br />

dass die Nabenhöhe der WEA jeweils 105 m, der Rotordurchmesser jeweils 90 m und die Ge-<br />

samthöhe somit jeweils 150 m betragen soll. Das Vorhaben liegt innerhalb des Vorranggebiets<br />

WK 12 für die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen des Regionalplans der Region


- 3 -<br />

******************* und im Geltungsbereich eines nach Angaben planreifen Vorhaben- und Er-<br />

schließungsplans der Städte ************ und ***************.<br />

Die Anlagenstandorte liegen auf bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen mit geringen Hö-<br />

henunterschieden und werden von den Dörfern bzw. Ortschaften **************, ***********,<br />

********, *******, ***********, ******** und Markt ********* umschlossen. Für das Vorhaben wurde<br />

hinsichtlich des Schallimmissionsschutzes ein Schallschutzgutachten der Fa. ******** ************<br />

GmbH vom 25. Februar 2011 (6. Bl. 132 ff. PU) vorgelegt. Als maßgeblicher Immissionsort für<br />

das Dorf ************** wurde als IP 1 ein Standort im dortigen Neubaugebiet festgelegt (6. Bl.<br />

141, 154,163 und 164 PU). Auf Seite 15 dieses Gutachtens wurde ein maximaler A-bewerteter<br />

Schallleistungspegel von 104,4 dB(A) und unter Berücksichtigung des oberen Vertrauensbe-<br />

reichs von 2,5 dB(A) insgesamt 106,8 dB(A) zugrunde gelegt. Bei den zugrundeliegenden do-<br />

kumentierten Vermessungen hat der dortige Gutachter subjektiv keine impulshaltigen und tona-<br />

len Auffälligkeiten festgestellt. Für neun Immissionspunkte (IP) wurden konkrete Berechnungen<br />

nach einem standardisierten Berechnungsprogramm durchgeführt. Zusammenfassend ergab<br />

sich, dass auch bei Bestimmung des maximal möglichen A-bewerteten Schallleistungspegels<br />

eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte nur am IP 7 - ******** nachts um 0,8 dB(A) er-<br />

rechnet wurde. Den Antragsunterlagen beigefügt war auch eine Schattenwurfprognose der Fa.<br />

********************* GmbH vom 25. Februar 2011 (6. Bl. 306 ff. PU). Danach wurden wiederum<br />

neun Immissionspunkte festgelegt, so als IP 1 wiederum der bereits genannte Punkt im Neu-<br />

baugebiet von ************** (6. Bl. 314, 318 und 327 PU) und hierfür konkrete Berechnungen<br />

bei sowohl einer worst-case Betrachtung als auch einer wahrscheinlichen Schattenwurfbelas-<br />

tung nach dem Softwareprogramm WindPRO erstellt. Ausgehend vom Immissionsrichtwert von<br />

30 Minuten Schatten/Tag und 30 Stunden Gesamtschattenwurf/Jahr wurde eine Überschreitung<br />

nur am IP 2 - ************ festgestellt, weshalb der Einsatz eines Schattenabschaltmoduls für die<br />

betreffenden WEA 1 und 8 empfohlen wurde.<br />

Für den IP 1 ***************Neubaugebiet ergab sich bei der worst-case Betrachtung eine maxi-<br />

male Schattenwurfbelastung von 11:31 h/Jahr und 00:21 h/Tag und eine wahrscheinliche<br />

Schattenwurfbelastung von 2:46 h/Jahr (6. Bl. 315 PU). Hinsichtlich der Eiswurfgefahr ist in den<br />

Planunterlagen (8. Bl. 28 ff. PU) eine Rotorblattvereisungsüberwachung durch ein dort genann-<br />

tes System beschrieben. Das Landratsamt führte dann ein vereinfachtes Genehmigungsverfah-<br />

ren durch, in dessen Verlauf die beteiligten Behörden, Träger öffentlicher Belange und betroffe-<br />

nen Gemeinden angehört wurden. Mit Schreiben vom 17. Mai 2011 (Bl. 272 BS I) nahm der<br />

Umweltschutzingenieur des Landratsamts zum Vorhaben abschließend Stellung. Danach befin-


- 4 -<br />

de sich ca. 900 m südwestlich der geplanten Anlage ein allgemeines Wohngebiet im Ortsteil<br />

**************. Die wesentlichen Umweltauswirkungen der geplanten WEA seien Lärmimmissio-<br />

nen und periodischer Schattenwurf. Ausgehend von einem Schallleistungspegel von 106,8<br />

dB(A) inklusive einem oberen Vertrauensbereich von 2,5 dB(A) für jede WEA sei nach der<br />

Schallimmissionsprognose vom 25. Februar 2011 entsprechend der TA Lärm in Verbindung mit<br />

DIN ISO 9613-2 am IP 1 ************** WA eine Gesamtbelastung von 39,9 dB(A) errechnet<br />

worden. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass an allen Immissionspunkten bis auf den Ortsteil<br />

******** die in der TA Lärm für die Nachtzeit festgelegten IRW eingehalten würden. Schädliche<br />

Umwelteinwirkungen lägen an den umliegenden IP nicht vor. Nach der Schattenwurfprognose<br />

vom 25. Februar 2011 sei der IP 2, ************, der einzige IP, an dem die maximale Schatten-<br />

wurfbelastung über dem Schwellenwert liege. Mit dem Einbau eines Schattenabschaltmoduls<br />

würden schädliche Umwelteinwirkungen durch periodischen Schattenwurf verhindert. Die WEA<br />

würden ferner mit Sensoren zur Erkennung einer Vereisungsgefahr ausgerüstet. Bei festgestell-<br />

ter Gefahr der Vereisung würden die WEA automatisch abgeschaltet. Dementsprechend mach-<br />

te er Vorschläge für Nebenbestimmungen.<br />

Mit Schreiben vom 21. Juni 2011 (Bl. 352 ff. BS I) beantragte die Beigeladene beim Landrats-<br />

amt, die sofortige Vollziehung der von ihr beantragten Genehmigung anzuordnen. Nach dem<br />

Willen des Gesetzgebers sei der zügige Ausbau der Windenergie zum Erreichen der angestreb-<br />

ten Klimaschutzziele und zur langfristig umweltverträglichen Deckung des steigenden Energie-<br />

bedarfs erforderlich. Hierfür seien regionalplanerisch geeignete Standorte festgesetzt worden.<br />

Ferner bedinge die Errichtung von WEA Investitionen, beschere eine lokale Wertschöpfung und<br />

sichere Arbeitsplätze in vielen Bereichen. Auch private Interessen des Betreibers spielten eine<br />

wesentliche Rolle. So seien bereits über 4,3 Millionen EUR investiert worden. Mit den Bauarbei-<br />

ten müsse zeitnah begonnen werden, um die geplante Inbetriebnahme der Anlagen noch im<br />

Jahr 2011 zu gewährleisten. Eine Verzögerung der Bauarbeiten würde zu erheblichen wirt-<br />

schaftlichen Nachteilen wie Verringerung der Einspeisevergütung nach dem EEG, Erhöhung<br />

der Finanzierungskosten, Verlust steuerlicher Abschreibungen und damit Verminderung der<br />

Wirtschaftlichkeit, führen.<br />

Mit Bescheid vom 3. August 2011 (Bl. 1 ff. BS II) erteilte das Landratsamt der Beigeladenen die<br />

immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach Maßgabe der nachstehenden Nebenbestim-<br />

mungen unter Nr. IV für die Errichtung und den Betrieb von insgesamt neun WEA auf den<br />

Grundstücken FlNrn. ***, ***, ***, *** und *** der Gemarkung ******* sowie FlNrn. ***, ***, ***, ***,


- 5 -<br />

*** und *** der Gemarkung ************** gemäß §§ 4, 19 BImSchG. Nach Nr. V dieses Be-<br />

scheids sind in dieser Genehmigung auch die Baugenehmigung nach der BayBO, die luftrecht-<br />

liche Zustimmung nach dem LuftVG und die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis nach dem<br />

DSchG enthalten. In Nr. IV Nebenbestimmungen Ziffer 2 wurde aus immissionsschutzrechtli-<br />

cher Sicht Folgendes festgesetzt:<br />

2.1 Lärmschutz<br />

2.1.1 Hinsichtlich des Lärmschutzes sind die Bestimmungen der TA Lärm vom 26.8.1998 ein-<br />

zuhalten.<br />

2.1.2 Der Summenbeurteilungspegel der Windenergieanlagen und der Biogasanlage in *******<br />

** darf folgende Immissionsrichtwerte nachts (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) nicht überschrei-<br />

ten<br />

a. im Misch- bzw. Dorfgebiet 45 dB(A) bzw. 46 dB(A) in ********.<br />

Immissionsorte sind die Wohngebäude ************ (Stadt ***************), *********<br />

und **, ************** (Stadt ************) und ********** (Markt *********).<br />

b. im Allgemeinen Wohngebiet 40 dB(A).<br />

Immissionsort ist das Neubaugebiet im Osten von ************** (Stadt **********<br />

*****************<br />

Beurteilungszeitraum ist die ungünstigste Nachtstunde.<br />

2.1.3 Der Schallleistungspegel der Windenergieanlagen inklusive dem Oberen Vertrauensbe-<br />

reich von 2,5 dB(A) darf den Wert von 106,8 dB(A) nicht überschreiten.<br />

2.2 Periodischer Schattenwurf<br />

2.2.1 Die Windenergieanlagen sind mit einem Schattenabschaltmodul auszustatten, das den<br />

periodischen Schattenwurf in ********** von WEA 1 und WEA 8 auf maximal 8 Stun-<br />

den/Jahr begrenzt.<br />

2.2.2 Das Schattenabschaltmodul muss über eine Protokollfunktion über einen Zeitraum von<br />

mindestens einem Jahr verfügen.<br />

2.3 Eisabwurf<br />

Die Windenergieanlagen sind mit einem Eiserkennungssystem auszustatten, das die An-<br />

lagen bei Eisansatz automatisch abschaltet.<br />

Unter VIII wurde die sofortige Vollziehung dieses Bescheids angeordnet.<br />

Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt: Die von der Beigeladenen beantragten WEA seien<br />

nach § 4 BImSchG i.V.m. Nr. 1.6 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV im vereinfachten Ver-<br />

fahren entsprechend §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der 4. BImSchV, 19 BImSchG immissionsschutz-


- 6 -<br />

rechtlich genehmigungsbedürftig. Die Genehmigung sei zu erteilen gewesen, da bei Einhaltung<br />

der Nebenbestimmungen dieses Bescheids die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6<br />

BImSchG vorlägen. Durch eine schalltechnische Immissionsprognose sowie durch ein Schat-<br />

tenwurfgutachten sei nachgewiesen worden, dass an den maßgeblichen Immissionsorten keine<br />

schädlichen Umwelteinwirkungen durch Lärm oder Schattenwurf zu erwarten seien. Der Schutz<br />

vor Schattenwurfbeeinträchtigungen werde außerdem durch eine Abschaltautomatik sicherge-<br />

stellt, die den Schattenwurf an den relevanten Immissionsorten auf maximal 8 Stunden/Jahr<br />

begrenzt. Bei den Windkraftanlagen handele es sich um im Außenbereich privilegierte Vorha-<br />

ben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Im Regionalplan der Region ********************) seien die<br />

Baustandorte als Vorranggebiet WK 12 für den Bau und die Nutzung raumbedeutsamer Wind-<br />

kraftanlagen ausgewiesen. Die Städte *************** und ************ hätten einen vor-<br />

habenbezogenen Bebauungsplan „Interkommunaler Windpark *******/**************“ für den be-<br />

troffenen Bereich aufgestellt, der zwischenzeitlich materielle Planreife nach § 33 BauGB erreicht<br />

habe. Die Festsetzung der im Bescheid enthaltenen Auflagen beruhe auf § 12 Abs. 1 Satz 1<br />

BImSchG.<br />

Es bestehe ein öffentliches Interesse und ein privates Interesse der Beigeladenen am geneh-<br />

migten Vorhaben, das das Suspensivinteresse etwaiger Kläger überwiege. Es bestehe ein brei-<br />

ter gesellschaftlicher und politischer Konsens für den raschen Ausbau erneuerbarer Energien<br />

im Interesse des Klimaschutzes. Wie im EEG zum Ausdruck komme, sei eine nachhaltige<br />

Energieversorgung ein zentrales Politikziel auf Bundes- und Landesebene, die eine deutliche<br />

Steigerung erneuerbarer Energien bedinge (wurde weiter ausgeführt). Es bestehe aber auch<br />

ein überwiegendes privates Interesse der Beigeladenen. Für eine wirtschaftliche Betriebsweise<br />

sei es aufgrund der Regelungen im EEG wichtig, dass das Vorhaben noch im Jahr 2011 umge-<br />

setzt werde. Dies würde durch Erhebung von Klagen aufgrund deren aufschiebender Wirkung<br />

verhindert, wodurch möglicherweise die Wirtschaftlichkeit des gesamten Vorhabens und damit<br />

seine Durchführung insgesamt in Frage gestellt würden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass<br />

bereits bisher erhebliche Investitionen getätigt worden seien. Durch die jährliche Teuerung und<br />

einem Zinsverlust entstünden zusätzliche wirtschaftliche Nachteile.<br />

Dieser Bescheid wurde am 10. bzw. 13 August 2011 öffentlich bekanntgemacht.<br />

Nachdem sich der Kläger mit Schreiben vom 14. und 28. Juni 2011 persönlich bzw. als Vorstand<br />

einer Bürgerinitiative gegen das streitgegenständliche Vorhaben gewandt hatte, ließ er mit


- 7 -<br />

Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29. August 2011, übermittelt mit Telefax vom 30. August<br />

2011, hiergegen Klage erheben und beantragen<br />

die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts<br />

vom 3. August 2011 aufzuheben.<br />

Gleichzeitig ließ er mit Telefax seines Bevollmächtigten ebenfalls vom 30. August 2011 Eilan-<br />

trag nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO mit dem Ziel stellen, die aufschiebende Wirkung der<br />

Klage vom 29. August 2011 gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 3. Au-<br />

gust 2011 wiederherzustellen.<br />

Der zulässige Antrag sei begründet. Der Beklagte habe zu Unrecht die Voraussetzungen des<br />

§ 80 Abs. 2 Ziffer 4 VwGO angenommen. Der Sofortvollzug liege weder im öffentlichen Interes-<br />

se noch im überwiegenden Interesse der Beigeladenen. Der Kläger sei Eigentümer des Anwe-<br />

sens ******************. Das Hausgrundstück des Klägers liege in einer Entfernung von ca. 1100<br />

m zur nächstgelegenen streitgegenständlichen WEA. Aufgrund der relativ geringen Entfernung<br />

der WEA zum Wohnhaus des Klägers sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit da-<br />

von auszugehen, dass erhebliche unzumutbare Belastungen auf den Kläger zukämen. Von den<br />

WEA gingen Beeinträchtigungen aus, die im Ergebnis ihre Zulassung in dem hier in Rede ste-<br />

henden Nahbereich zum Wohngebäude des Klägers generell ausschließe. Die TA Lärm sei als<br />

Regelwerk für Windindustrieanlagen nicht heranziehbar, da dies den heutigen Anforderungen<br />

nicht mehr gerecht werde. Bei WEA liege die Besonderheit vor, dass diese permanent Tag und<br />

Nacht in Betrieb seien und die betroffenen Anwohner diesen Immissionen ständig und ohne Un-<br />

terbrechung ausgesetzt seien. Deshalb sei eine differenzierende Betrachtungsweise und recht-<br />

liche Beurteilung unumgänglich. Zur Ermittlung der Transmission und der Dämpfung des<br />

Schalls im Freien stünden in der Regel die DIN, DIN-ISO oder VDI-Vorschriften zur Verfügung.<br />

Hinsichtlich des Anwesens des Klägers lägen keine gesicherten und vom Beklagten überprüften<br />

Berechnungen vor. Angesichts der geringen Entfernung der neun WEA mit einer jeweiligen Ge-<br />

samthöhe von ca. 150 m zum Wohnhaus des Klägers sei davon auszugehen, dass der höchst-<br />

zulässige Nachtwert in unzulässiger Weise überschritten werde. Die seitens des Investors vor-<br />

gelegten Prognosen würden insoweit als nicht zutreffend bestritten. Der Gesamtschallleistungs-<br />

pegel sei zu niedrig bemessen. Hieraus resultiere ein zu niedrig bemessener Beurteilungspegel<br />

am Hausgrundstück des Klägers. Entsprechende Prognosen müssten auf der sicheren Seite<br />

liegen. Der Beklagte habe es unterlassen, diese durch Sachverständige überprüfen zu lassen.


- 8 -<br />

Die Problematik des Impulszuschlags sei ebenfalls nicht geprüft worden. Es seien ungeprüft die<br />

Angaben des Investors bzw. Herstellers übernommen worden. Eine erforderliche sachverstän-<br />

dige Überprüfung sei nicht erfolgt. Es sei nicht geprüft worden, ob die prognostizierten Werte<br />

überhaupt eingehalten werden könnten. Da der Kläger unzumutbaren Umwelteinwirkungen<br />

ausgesetzt sei, sei auch das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Zwar betrage<br />

der Abstand zwischen Hausgrundstück und WEA etwas mehr als das Dreifache der Anlagen-<br />

höhe. Aufgrund der hier besonderen Anordnung der zum Schlafen und Wohnen gewidmeten<br />

Räume des Wohnhauses des Klägers müsse aber eine Einzelfallprüfung vorgenommen wer-<br />

den. Auch liege die WEA im direkten Blickfeld vom Wohnhaus des Klägers aus gesehen und<br />

nehme den gesamten Horizont ein. Darüber hinaus zögen die sich bewegenden Rotoren auto-<br />

matisch den Blick des Betrachters auf sich, was zu einer nachhaltigen psychischen und in der<br />

Folge auch physischen Belastung und Gesundheitsstörung führe. Hier sei keine ordnungsge-<br />

mäße Rechtsgüter- und Interessenabwägung vorgenommen worden. Diese vorgenannten<br />

Gründe führten zur Rechtswidrigkeit des Genehmigungsbescheids. Dies führe dann im Eilver-<br />

fahren zur Fehlerhaftigkeit der Interessenabwägung. Ein öffentliches Interesse an der sofortigen<br />

Vollziehung scheide aus, insbesondere könne dieses nicht mit einer Notwendigkeit zur Nutzung<br />

alternativer Energien begründet werden. Es liege aber auch kein besonderes Interesse der Bei-<br />

geladenen vor. Die von ihr vorgetragenen finanziellen Nachteile im Fall einer späteren Bauaus-<br />

führung fielen allein in ihr unternehmerisches Risiko. Im Ergebnis überwiege daher das Interes-<br />

se des Klägers, von der Errichtung und der Inbetriebnahme der WEA verschont zu bleiben.<br />

Mit Beschlüssen vom 30. August 2011 wurde die Anlagenbetreiberin im Klage- und Eilverfahren<br />

notwendig beigeladen.<br />

Mit Schriftsätzen ihrer Bevollmächtigten vom 8. September 2011 ließ die Beigeladene im Klage-<br />

verfahren beantragen,<br />

die Klage abzuweisen<br />

und im Eilverfahren beantragen, den Antrag zurückzuweisen.<br />

Der Eilantrag sei unzulässig, jedenfalls unbegründet, weil die streitgegenständliche immissions-<br />

schutzrechtliche Genehmigung rechtmäßig sei und den Kläger schon bei summarischer Prüfung


- 9 -<br />

offensichtlich nicht in eigenen Rechten verletze. Die Vorgaben der TA Lärm seien bezogen auf<br />

das Grundstück des Klägers mehr als großzügig eingehalten. Das Gegenteil behaupte auch der<br />

Kläger nicht. In der Rechtsprechung sei seit langem anerkannt, dass die TA Lärm hier maßgeb-<br />

lich sei. Bei den Nachtwerten sei bei einer Entfernung von mehr als 1650 m ein Verstoß gegen<br />

die TA Lärm nicht gegeben. Das angebliche Wohnhaus des Klägers liege in einem allgemeinen<br />

Wohngebiet. Gemäß der Schallprognose seien selbst in einer Entfernung zum Wohnhaus von<br />

etlichen hundert Metern maximale Nachtschallimmissionswerte von rund 38,5 dB(A) zu erwar-<br />

ten, wohingegen dort 40 dB(A) zulässig seien. Ein Verstoß gegen die Lärmschutzvorgaben sei<br />

daher nicht ansatzweise zu erwarten. Auch das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt. Nach<br />

den eigenen Angaben des Klägers betrage der Abstand zwischen seinem Wohnhaus und der<br />

nächstgelegenen WEA 1100 m, mithin etwa das sieben- bis achtfache der Gesamthöhe der<br />

WEA. Damit sei nach der Rechtsprechung auszuschließen, dass vom Windpark eine optisch<br />

bedrängende Wirkung auf das Wohnhaus des Klägers ausgehe. Dies gelte erst recht, wenn der<br />

maßgebliche Abstand entsprechend einem überreichten Lageplan tatsächlich über 1650 m<br />

betrage. Deshalb dürfte eine Rechtsverletzung des Klägers von vorneherein ausgeschlossen<br />

sein und schon keine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO vorliegen. Der beantragte Sofort-<br />

vollzug der streitgegenständlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sei zutreffend<br />

angeordnet worden. Auch nach der jüngsten Novelle des EEG diene das hiesige umweltfreund-<br />

liche Energievorhaben der dortigen politischen Zielsetzung, rasch den Anteil der erneuerbaren<br />

Energie betreffend die Stromversorgung zu erhöhen.<br />

Mit Schreiben vom 4. Oktober 2011 nahm das Landratsamt Stellung und beantragte,<br />

die Klage und den Eilantrag abzuweisen.<br />

Die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei rechtmäßig und verletze Rech-<br />

te des Klägers nicht, insbesondere verstoße das Vorhaben nicht gegen das Gebot der Rück-<br />

sichtnahme und verursache keine schädlichen Umwelteinwirkungen, sonstige Gefahren, erheb-<br />

liche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Kläger bzw. für dessen Wohnanwesen.<br />

Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Bescheid vom 3. August 2011 verwiesen. Die<br />

im Verfahren vorgelegten Schallgutachten und Schattenwurfgutachten seien von den zuständi-<br />

gen Fachkräften für Immissionsschutz der Landratsämter ******* und ************************ auf<br />

Plausibilität geprüft und ausgewertet worden. Danach lägen unzulässige Lärmimmissionen an


- 10 -<br />

den Immissionspunkten nicht vor. Diese Beurteilung habe dabei nach Nr. 6.8 TA-Lärm und ent-<br />

sprechend ihrem Anhang nach dem Entwurf der DIN ISO 9613-2 vom September 1997 zu er-<br />

folgen. Studien der Fakultät für Physik und Geowissenschaften der Universität Leipzig zum Ein-<br />

fluss hoher Schallquellen auf die Schallausbreitung sowie des Instituts für Meteorologie Leipzig<br />

zum Einfluss des variablen Atmosphärenzustands auf die Schallausbreitung von höherliegen-<br />

den Schallquellen stellten dies nicht in Frage. Als Immissionsort im Ortsteil ************** sei die<br />

geplante Wohnbaufläche am nordöstlichen Ortsrand angenommen worden. Das Wohnhaus des<br />

Klägers liege ca. 760 m westlich davon, sodass dort bei freier Schallausbreitung mit ca. 5 dB(A)<br />

geringeren Beurteilungspegeln zu rechnen sei. Außerdem gelte am Wohnhaus des Klägers der<br />

IRW nach TA-Lärm für ein Dorfgebiet von nachts 45 dB(A). Der Schallleistungspegel der WEA<br />

sei durch Messungen an baugleichen Anlagen ermittelt worden. Dabei seien im Nahbereich<br />

keine impulshaltigen Geräusche aufgetreten, sodass ein Impulszuschlag nicht erforderlich sei.<br />

Ein solcher sei auch nach den vorläufigen Hinweisen des Umweltministeriums im Regelfall nicht<br />

gerechtfertigt. Die vorgelegte Immissionsprognose sei auch nicht vom Investor erstellt worden,<br />

sondern von einem nach § 26 BImSchG zugelassenen Gutachter, der Fa. ******** ************<br />

GmbH, und daher im Verfahren auch grundsätzlich verwertbar. Die Berechnungen nach dem<br />

Entwurf DIN ISO 9613-2 seien stichprobenartig rechnerisch durch die zuständigen Umwelt-<br />

schutzingenieure überprüft worden. Die Prognoseunsicherheit sei durch den Zuschlag von 2,5<br />

dB(A) zum Schallleistungspegel als sog. oberer Vertrauensbereich berücksichtigt worden. Bei<br />

den vorhandenen großen Abständen des Anwesens des Klägers zu den Windkraftanlagen sei<br />

außerdem mit keiner Blendwirkung durch das Befeuerungssystem zu rechnen. Es werde auch<br />

nicht gegen das in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme verstoßen.<br />

Für die hier erforderliche Einzelfallprüfung habe das OVG Münster Anhaltswerte aufgestellt, die<br />

der Bayerische <strong>Verwaltungsgericht</strong>shof übernommen habe. Die dem Wohnanwesen des Klä-<br />

gers (***************Haus Nr. ***) nächstliegende Windkraftanlage WEA 4 befinde sich in einer<br />

Entfernung von ca. 1650 m und somit bei einer Gesamtanlagenhöhe von 150 m in einer über<br />

10fachen Entfernung. Von einem Abstand von nur etwas mehr als dem Dreifachen wie in der<br />

Antragsbegründung angeführt, könne daher keine Rede sein. Eine optische bedrängende Wir-<br />

kung sei daher nicht indiziert und ergebe sich auch nicht aufgrund einer durchgeführten Einzel-<br />

fallprüfung (Bl. 389 BS I). Das Wohnhaus des Klägers liege zentral inmitten des Ortes<br />

**************, der planungsrechtlich Dorfgebiet sei. In Blickrichtung zu den WEA befänden sich<br />

zwischen dem Wohnhaus des Klägers und den WEA zahlreiche weitere Gebäude, überwiegend<br />

landwirtschaftliche Anwesen mit massigen, großteils zweistöckigen Wohnhäusern, Stallbauten,


- 11 -<br />

Scheunen und Hallen. Diese böten bereits einen Sichtschutz zu den WEA. Das Wohnhaus des<br />

Klägers überrage auch die Umgebungsbebauung nicht. Eine weitere Abschirmung sei durch<br />

hohe Bäume im Ortsbereich und am Ortsrand von ************** gegeben. Dies sei auf beigeleg-<br />

ten Fotos nachvollziehbar. Hinzu komme die topographische Situation, wonach die WEA nur<br />

geringfügig höher lägen und sich zu ************** hin eine Geländekuppe befinde. Bei örtlich<br />

überwiegend vorherrschendem Westwind sei auch die häufigste Rotorstellung nicht frontal,<br />

sondern seitlich zum Anwesen des Klägers. Der alleinige Hinweis auf die Anordnung der<br />

Schlaf- und Wohnräume im Anwesen des Klägers vermag daher an dieser Beurteilung nichts zu<br />

ändern. Zur Begründung des Sofortvollzugs wurde auf die Begründung im angefochtenen Be-<br />

scheid und auf den Schriftsatz der Beigeladenenbevollmächtigten vom 8. September 2011 ver-<br />

wiesen. Jedenfalls fehle mangels wahrscheinlichen Erfolgs der Klage in der Hauptsache ein<br />

Überwiegen des Suspensivinteresses des Klägers.<br />

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 10. Oktober 2011 ließ der Kläger die Klage be-<br />

gründen und nahm dabei im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen Bezug. Mit Telefax<br />

ihrer Bevollmächtigten vom 28. Oktober 2011 ließ die Beigeladene hierzu mitteilen, dass ein öf-<br />

fentlich bestellter Vermesser beauftragt worden sei, die Entfernung zwischen dem Wohnhaus<br />

des Klägers und der Windkraftanlage einzumessen. Dieses Ergebnis wurde mit Telefax vom<br />

3. November 2011 dann mitgeteilt. Danach betrage der Abstand zwischen der nächstgelegenen<br />

WEA und dem Haus des Klägers 1667 m. Somit fehle es bereits an einer Betroffenheit des Klä-<br />

gers in eigenen Rechten. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 4. November 2011 ließ<br />

der Kläger vortragen, die Verfahrenshinweise des Umweltministeriums dürften nicht zu einer<br />

Aushöhlung des Immissionsschutzrechts führen. Verschiedentlich sei festgestellt worden, dass<br />

selbst bei Abständen von ca. 700 m der Nachtimmissionswert von 45 dB(A) nicht einzuhalten<br />

sei und es je nach Lage und Windrichtung auch bei Entfernungen über 1000 m zur Nichteinhal-<br />

tung der höchstzulässigen Werte kommen könne.<br />

Mit Beschluss vom 16. November 2011 AN 11 S 11.01666 wurde der Eilantrag des Klägers ab-<br />

gelehnt. Auf die Gründe wird verwiesen.<br />

Wegen der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2011 wird auf die Sitzungsniederschrift<br />

und wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Gerichtsakte und die bei-<br />

gezogenen Behördenakten Bezug genommen.


- 12 -<br />

Entscheidungsgründe:<br />

Die hier erhobene Anfechtungsklage mit dem Antrag, den Bescheid des Landratsamts vom<br />

3. August 2011 aufzuheben, ist zwar statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere kann<br />

- allerdings bei großzügiger Auslegung wegen der doch verhältnismäßig großen Entfernung des<br />

Wohnanwesens des Klägers zur nächstgelegenen WEA von wohl mehr als 1500 m (vgl. auch<br />

Nr. 5 der vorläufigen Hinweise des BayStMUG vom 2.9.2011) - auch noch eine Klagebefugnis<br />

angenommen werden, da das Klage- und Antragsvorbringen jedenfalls auch Aspekte enthält,<br />

die eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften, auf die hier allein abzustellen ist (Jarass<br />

§ 6 BImSchG RdNrn. 6 ff.), als möglich und nicht als völlig ausgeschlossen erscheinen lassen.<br />

Im Bereich der hier vorliegenden Nachbarklage ist die Erfolgsaussicht der Hauptsacheklage<br />

daran zu messen, ob der Dritte durch den von ihm angefochtenen Verwaltungsakt in seinen<br />

Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt wird (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietz-<br />

ner § 80 a VwGO RdNr. 65). Beim (baurechtlichen) Nachbarschutz ist darauf abzustellen, ob<br />

nachbarschützende Vorschriften beachtet wurden, das Gebot der Rücksichtnahme eingehalten<br />

und das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG nicht schwer und unerträglich beeinträch-<br />

tigt wurde (Kopp/Schenke § 42 VwGO RdNr. 98 ff.). Maßgeblich für die Beurteilung der Sach-<br />

und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung (Kopp/Schenke § 80 VwGO<br />

RdNr. 147). Für das hier anzuwendende Immissionsschutzrecht ist zu beachten, dass Nachbarn<br />

nur Personen sind, die eine besondere persönliche oder sachliche Bindung zu einem Ort im<br />

Einwirkungsbereich der Anlage aufweisen; hierzu zählen zunächst die Grundstückseigentümer<br />

und sonstige Bewohner, aber auch Eigentümer von Tieren, Pflanzen oder Sachen dort sowie<br />

alle Personen, die im Einwirkungsbereich der Anlage arbeiten, letztere unter der Vorausset-<br />

zung, dass sich der Arbeitsplatz selbst und nicht nur ein beliebiger Teil des Betriebs im Einwir-<br />

kungsbereich der Anlage befindet (Jarass § 3 BImSchG RdNrn. 34 ff.). In diesem Zusammen-<br />

hang ist weiter zu berücksichtigen, dass (nur) die Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht des § 5<br />

Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (mit ihren Konkretisierungen) für den Nachbarn drittschützend ist (Jarass<br />

§ 5 BImSchG RdNr. 120). Verstöße gegen das Verwaltungsverfahrensrecht begründen eine


- 13 -<br />

Rechtsverletzung von Nachbarn nur, wenn sog. absolute Verfahrensrechte betroffen sind<br />

(Kopp/Schenke § 113 VwGO RdNr. 58 und § 42 VwGO RdNr. 95 ff.).<br />

Die mit der Verletzung von Nachbarrechten begründete Anfechtungsklage auf Aufhebung der<br />

der Beigeladenen vom Landratsamt erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 3.<br />

August 2011, auf deren Ausführungen sowie auf die Ausführungen in der Klage- und Antrags-<br />

erwiderung des Landratsamts vom 4. Oktober 2011 nach § 117 Abs. 5 VwGO verwiesen wird,<br />

erweist sich als unbegründet, weil der angefochtene Bescheid nicht als rechtswidrig erscheint<br />

und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.<br />

Dies wurde bereits im ablehnenden Eilbeschluss vom 16. November 2011 AN 11 S 11.01666<br />

ausführlich begründet. In der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2011 wurde kläger-<br />

seits keine neue oder ergänzende Argumentation hierzu vorgebracht.<br />

Die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung bezüglich der insgesamt neun<br />

WEA - der in der Genehmigung auch liegende baurechtliche Tatbestand ist mitumfasst - verletzt<br />

somit keine solche den Kläger als Nachbarn schützende Vorschriften, und zwar weder des Im-<br />

missionsschutzrechts, noch des - wegen der Konzentrationswirkung in § 13 BImSchG bzw. we-<br />

gen der Verweisung in § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG auf andere öffentlich-rechtliche Vorschriften -<br />

zu beachtenden Baurechts, und sie verstößt auch weder gegen das Gebot der Rücksichtnahme<br />

noch stellt sie einen schweren und unerträglichen Eigentumseingriff dar.<br />

Die eine Genehmigungsvoraussetzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesimmissionsschutzge-<br />

setzes (BImSchG) bildende nachbarschützende Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht des § 5<br />

Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (Jarass § 5 BImSchG RdNr. 120; Landmann/Rohmer § 5 BImSchG<br />

RdNr. 114; Kopp/Schenke § 42 VwGO RdNr. 105), wonach genehmigungsbedürftige Anlagen<br />

so zu errichten und zu betreiben sind, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für<br />

die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche<br />

Nachteile und erhebliche Belästigungen nicht hervorgerufen werden können, ist nicht verletzt.<br />

Dabei können schädliche Umwelteinwirkungen durch den Normalbetrieb der Anlage ebenso wie<br />

durch Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs oder durch Störfälle verursacht werden<br />

(Jarass § 5 BImSchG RdNr. 12; einschränkender Landmann/Rohmer § 5 BImSchG RdNr. 96).<br />

Dem Immissionsbegriff entsprechend ist auf eine Gesamtbelastung am Einwirkungsort abzu-<br />

stellen, sofern der Mitverursachungsanteil mehr als unerheblich ist (Landmann/Rohmer § 3


- 14 -<br />

BImSchG RdNr. 20 c und § 5 BImSchG RdNr. 57). Schädliche Umwelteinwirkungen im vorge-<br />

nannten Sinn sind nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BImSchG dabei solche Immissionen,<br />

die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche<br />

Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (für Geräusche Nr.<br />

2.1 TA Lärm). Auch die Licht-Schatten-Wirkung von Windkraftanlagen, nämlich der periodische<br />

Schattenwurf und der sog. Disco-Effekt, dürften als (positive und nicht nur negative) Immission<br />

einzustufen sein, da es nicht nur um die reine Verschattung geht, sondern vielmehr durch den<br />

Rhythmus der Rotorbewegungen vorgegeben eine qualitative Veränderung der natürlichen<br />

Lichtverhältnisse stattfindet (Jarass § 3 BImSchG RdNr. 7a; Landmann/Rohmer § 3 BImSchG<br />

RdNr. 20 o und § 22 BImSchG RdNr. 13 f; OVG NRW vom 8.5.1996, OVG MV vom 8.3.1999,<br />

Nds OVG vom 15.3.2004, zitiert nach juris). Niederfrequente Schwingungen fester Körper wie<br />

insbesondere der sog. Infraschall stellen - soweit sie hörbar sind - Geräusche und im Übrigen<br />

Erschütterungen (Jarass § 3 BImSchG RdNr. 3; Landmann/Rohmer § 3 BImSchG RdNr. 20i)<br />

oder ähnliche Erscheinungen dar und können daher schädliche Umwelteinwirkungen sein. Die<br />

Gefährdung durch Eiswurf zählt zu den sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder Beläs-<br />

tigungen für die Nachbarschaft (RhPf OVG vom 12.5.2011, zitiert nach juris). Welche Beein-<br />

trächtigungen dabei als erheblich einzustufen sind, bemisst sich danach, was die Betroffenen<br />

an Immissionen nicht mehr hinzunehmen brauchen, weil sie unzumutbar sind (Jarass § 3<br />

BImSchG RdNr. 47). Dabei sind auch die Gebietsart und Vorbelastungen von Bedeutung (Ja-<br />

rass § 3 BImSchG RdNrn. 55 und 58). Insoweit ist auf die bauplanungsrechtlich geprägte objek-<br />

tive Grundstücksituation abzustellen. Technische Regelwerke bieten für die Zumutbarkeit von<br />

erheblich schädlichen Belästigungen Orientierungswerte oder Richtwerte (Jarass § 48<br />

BImSchG RdNr. 14). Auch die durch den Betrieb von Windenergieanlagen hervorgerufenen Ge-<br />

räusche sind nach den allgemeinen immissionsschutzrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen,<br />

insbesondere ist die auf der Ermächtigungsgrundlage in § 48 BImSchG beruhende TA-Lärm<br />

vom 26. August 1998 (GMBl S. 503) als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift grundsätz-<br />

lich anwendbar (Landmann/Rohmer aaO; OVG NRW vom 13.7.2006, Nds OVG vom 6.12.2006<br />

und vom 20.3.2007, BVerwG vom 29.8.2007, OVG NRW vom 7.1.2008, BayVGH vom<br />

31.10.2008 und vom 14.1.2009, zitiert nach juris; Ohms DVBl 2003,958/960; Middeke DVBl<br />

2008, 292/ 296). In den Hinweisen zum Schallimmissionsschutz bei Windenergieanlagen des<br />

Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) von März 2005 werden die Anforderungen der<br />

TA-Lärm an die Durchführung von Immissionsprognosen weiter konkretisiert und Empfehlungen<br />

für Nebenbestimmungen der Genehmigung gegeben (vgl. auch Nr. 5.1.1 des Windenergieer-


- 15 -<br />

lasses NRW vom 21.10.2005, MBl. NRW 2005, 1288). Bezüglich des anlagetypischen periodi-<br />

schen Schattenwurfs und des Licht-Effekts können die Hinweise zur Ermittlung und Beurteilung<br />

der optischen Immissionen von Windenergieanlagen (WEA-Schattenwurf-Hinweise) des LAI<br />

von Mai 2002 (vgl. auch Nr. 5.1.2 des Windenergieerlasses NRW) zur Orientierung herangezo-<br />

gen werden (OVG MV vom 8.3.1999 und Nds OVG vom 15.3.2004, zitiert nach juris; Middeke<br />

aaO S. 297; Ohms aaO S. 962). Wird aber durch Einhaltung der vorstehend maßgeblichen Im-<br />

missionswerte der Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG genügt,<br />

steht aus immissionsschutzrechtlicher Sicht gleichzeitig fest, dass insoweit auch kein Verstoß<br />

gegen ein bauplanungsrechtlich zu verstehendes Rücksichtnahmegebot vorliegt, da sie nur<br />

dessen spezialgesetzliche Ausformung darstellt; der öffentliche Belang, dass ein privilegiertes<br />

Vorhaben wie die Nutzung der Windenergie im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 des Bau-<br />

gesetzbuchs (BauGB) keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufen darf, bemisst sich<br />

seinerseits nämlich gerade nach § 3 Abs. 1 BImSchG (BVerwG vom 2.8.2005 und vom<br />

29.8.2007, zitiert nach juris). Unter die drittschützende Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1<br />

BImSchG fallen auch betriebsbedingte Gefahren (Jarass § 5 BImSchG RdNrn. 13 und 27), also<br />

Gefahren, deren Auswirkungen im direkten Umfeld sich der Anlage konkret zuordnen lassen,<br />

wozu Gefahren aus abgebrochenen Rotorblättern oder auch durch Eisabwurf gehören (Recta-<br />

nus NVwZ 2009, 871/873; OVG RhPf vom 19.1.2006, zitiert nach juris). Ein Vorhaben, das die-<br />

se immissionsschutzrechtlichen Grenzen einhält, ist also weder rücksichtslos noch stellt es ei-<br />

nen schweren und unerträglichen Eigentumseingriff auch nicht unter dem Aspekt des eingerich-<br />

teten und ausgeübten Gewerbetriebs oder des Eigentumsgrundrechts dar. Weiter sind aus bau-<br />

rechtlicher Sicht die bauordnungsrechtlich auch bei der Errichtung von Windenergieanlagen<br />

einzuhalten-den Abstandsflächenvorschriften drittschützend. Schließlich dürfen Windenergiean-<br />

lagen als Ausfluss des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots eine benachbarte Wohnbebau-<br />

ung auch nicht optisch unzumutbar bedrängen oder gar erdrückend wirken (OVG NRW vom<br />

9.8.2006 und 22.3.2007, BVerwG vom 11.12.2006, BayVGH vom 29.5.2009, zitiert nach juris;<br />

Middeke DVBl 2008, 292/297).<br />

Hiervon ausgehend ist es unter Berücksichtigung des Klage- und Antragsvorbringens und auch<br />

sonst ersichtlich nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt bei seiner im Fall der Errichtung<br />

und des Betriebs der insgesamt neun WEA veranlassten prognostischen Entscheidung davon<br />

ausgegangen ist, dass insbesondere bei Einhaltung der erteilten Nebenbestimmungen Rechte<br />

des Klägers wegen unzumutbarem Lärms nicht verletzt werden und auch schädliche Umwelt-


- 16 -<br />

einwirkungen durch sog. Infraschall nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit glaubhaft<br />

gemacht wurden oder ersichtlich vorliegen (1). Ferner ist nicht ersichtlich, dass vom Vorhaben<br />

unzulässiger Schattenwurf und Lichteffekt (2) oder unzulässige Eisgefahr (3) für den Kläger<br />

ausgingen oder dass Abstandsflächenvorschriften bezüglich Grundstücke im Eigentum des<br />

Klägers nicht eingehalten würden (4). Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass das Vorhaben<br />

eine unzulässige optisch bedrängende oder gar erdrückende Wirkung für das Wohnanwesen<br />

des Klägers hervorrufen würde (5).<br />

1.<br />

Hinsichtlich der Beurteilung von Lärm durch den Betrieb von Windenergieanlagen gilt wie be-<br />

reits ausgeführt grundsätzlich die TA-Lärm mit Modifikationen für die Schallimmissionsprognose<br />

entsprechend Nr. 2 der Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windenergieanlagen des LAI<br />

von März 2005 (vgl. auch Nr. 5.1.1 des Windenergieerlasses NRW). Nach Nr. 3.2.1 TA Lärm ist<br />

durch eine Prüfung im Regelfall festzustellen, ob die vorgenannte Schutzpflicht sichergestellt<br />

ist, was grundsätzlich dann der Fall ist, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissi-<br />

onsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 nicht überschreitet. Nach Nr. 3.2.1 Abs. 6 TA Lärm<br />

setzt die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen in der Regel eine Prognose der Ge-<br />

räuschimmissionen der zu beurteilenden Anlage voraus. Die Schallimmissionsprognose ist nach<br />

Anhang A 2 TA-Lärm durchzuführen. Da die der Schallimmissionsprognose zu Grunde zu le-<br />

genden Emissionswerte Schätzwerte sind, ist auf die Sicherstellung der Nichtüberschreitung der<br />

Immissionsrichtwerte abzustellen. Dieser Nachweis soll mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 %<br />

geführt werden. Die Sicherstellung der Nichtüberschreitung ist insbesondere dann anzuneh-<br />

men, wenn die unter Berücksichtigung der Unsicherheit der Emissionsdaten und der Unsicher-<br />

heit der Ausbreitungsrechnung bestimmte obere Vertrauensbereichsgrenze des prognostizier-<br />

ten Beurteilungspegels den Immissionsrichtwert unterschreitet. Nach A.1.2 des Anhangs der TA<br />

Lärm sind die Geräuschimmissionen für die von den zuständigen Behörden vorgegebenen<br />

maßgeblichen Immissionsorte nach A.1.3 zu ermitteln. Maßgeblicher Immissionsort ist dabei<br />

nach Nr. 2.3 TA Lärm der Ort, wo die Überschreitung der Immissionsrichtwerte am ehesten zu<br />

erwarten ist, unter Berücksichtigung der Vorgaben nach A 1.3 des Anhangs zur TA Lärm. Von<br />

diesem so bestimmten Immissionsort ist der Abstand zum Mast der Windenergieanlage zu<br />

Grunde zu legen (Nds OVG vom 22.8.2003, zitiert nach juris). Die ermittelten Lärmpegel wer-<br />

den dann über die nach Nr. 6.4 TA Lärm bestimmte Beurteilungszeit gemittelt und dieser Mitte-<br />

lungspegel wird ggfs. nach A.3.3.5 und 3.3.6 des Anhangs der TA Lärm um Zuschläge für Ton-


- 17 -<br />

und Informationshaltigkeit sowie Impulshaltigkeit erhöht (vgl. auch Nr. 2 Abs. 3 und 4 der ge-<br />

nannten LAI-Hinweise und Nr. 7 der vorläufigen Hinweise des BayStMUG vom 2.9.2011). Letz-<br />

terer trägt dem Umstand Rechnung, das in ihrer Lautstärke kurzzeitig stark zu- und wieder ab-<br />

nehmende Geräusche als deutlich störender empfunden werden als Geräusche mit weitgehend<br />

gleichbleibender Lautstärke, wobei eine zu enge Begriffsauslegung dem Ziel der Erfassung des<br />

außergewöhnlichen Grads an Störungen infolge besonders hoher Pegeländerung nicht gerecht<br />

würde, aber im Einzelfall den Tatsachengerichten obliegt (BVerwG aaO). Ein Impulszuschlag<br />

wird gewährt, wenn die Voraussetzungen nach Nr. 2 der genannten LAI-Hinweise erfüllt sind;<br />

danach ist auch ein Tonzuschlag bei einer Entfernung von über 300 m zur Anlage nicht (mehr)<br />

gerechtfertigt. Daraus berechnet sich nach A.3.3.4 des Anhangs der TA Lärm der Beurteilungs-<br />

pegel. Bei tatsächlichen Messungen erfolgt ein Messabschlag von 3 dB(A) nach Nr. 6.9. TA<br />

Lärm; dieser Messabschlag gilt aber nur bei Überwachungsmessungen und daher nicht im Ge-<br />

nehmigungsverfahren und zwar dort auch dann nicht, wenn die Vorbelastung durch Messungen<br />

ermittelt wird (Landmann/Rohmer Nr. 6 TA Lärm RdNr. 36; Nr. 4 der genannten LAI-Hinweise)<br />

und auch nicht im Gerichtsverfahren (BVerwG aaO). Dieser Beurteilungspegel (vgl. Nr. 2.10 TA<br />

Lärm) ist dann mit dem Immissionsrichtwert für den Immissionsort nach Nr. 6 TA Lärm zu ver-<br />

gleichen, wobei nach Gebietskategorien und für die Lage außerhalb von Gebäuden und für sel-<br />

tene Ereignisse unterschiedliche Werte gelten (zu alledem Jarass § 48 BImSchG RdNrn. 19<br />

und 20).<br />

Bei einer Lage des Immissionsorts im Dorf- bzw. Mischgebiet, wobei der Ort ************** ak-<br />

tenkundig als solches einzustufen ist, beträgt der IRW entsprechend Nr. 6.1 c) TA-Lärm tags 60<br />

dB(A) und nachts 45 dB(A).<br />

Nach Nr. 7.3 TA Lärm sind tieffrequente Geräusche, d.h. solche, die vorherrschende Energiean-<br />

teile im Frequenzbereich unter 90 Hz besitzen, im Einzelfall nach den örtlichen Verhältnissen zu<br />

beurteilen. Dabei haben die örtlichen Verhältnisse sowohl für die Übertragung der Geräusche<br />

als auch für die Schutzbedürftigkeit des Immissionsorts Bedeutung (Landmann/Rohmer Nr. 7<br />

TA Lärm RdNr. 31). Schädliche Umwelteinwirkungen können dabei insbesondere auftreten,<br />

wenn bei deutlich wahrnehmbaren tieffrequenten Geräuschen in schutzbedürftigen Räumen bei<br />

geschlossenen Fenstern die nach A.1.5 des Anhangs ermittelte Differenz LCeq - LAeq den Wert<br />

20 dB überschreitet. Hinweise zur Ermittlung und Bewertung tieffrequenter Geräusche enthält<br />

A.1.5 des Anhangs (Landmann/Rohmer aaO RdNrn. 30 ff.; Feldhaus Nr. 7 TA Lärm RdNrn. 29<br />

ff.), der wiederum auf DIN 45680, Ausgabe März 1997, und das zugehörige Beiblatt 1 verweist.<br />

Danach sind schädliche Umwelteinwirkungen nicht zu erwarten, wenn die in Beiblatt 1 genann-


- 18 -<br />

ten Anhaltswerte nicht überschritten werden (hierzu Landmann/Rohmer aaO RdNr. 33). Die TA<br />

Lärm erfasst daher auch die Probleme tieffrequenter Geräusche und der Körperschallübertra-<br />

gung, wie sich für Letzteres aus Nrn. A.1.1.4 und A.1.3 des Anhangs ergibt (OVG NRW vom<br />

13.5.2002 und vom 23.8.2006, zitiert nach juris), soweit sie menschlich wahrnehmbar sind, ins-<br />

besondere durch Hören oder Fühlen. Gefahren durch Infraschall aufgrund des Betriebs von<br />

WEA wurden in der Rechtsprechung bisher nicht angenommen (Ohms aaO; OVG NRW aaO;<br />

BayVGH vom 14.9.2004 und vom 31.10.2008, zitiert nach juris). Ab einem Abstand von 250 m<br />

sollen keine erheblichen Belästigungen durch Infraschall mehr zu erwarten sein (Nr. 8 der vor-<br />

läufigen Hinweise des BayStMUG vom 2.9.2011).<br />

Wegen der messtechnischen Schwierigkeiten können in der Genehmigung als Nebenbestim-<br />

mung neben den einzuhaltenden Immissionswerten auch maximal zulässige Emissionswerte<br />

festgelegt werden (Nr. der LAI-Hinweise von März 2005). In diesem Sinne sind die Festsetzung<br />

des maximal zulässigen Schallimmissionspegels und der maximal zulässigen elektrischen Leis-<br />

tung der Windenergieanlage aber auch ausreichend (OVG NRW aaO).<br />

Eine differenzierte Immissionsprognose ist in Fällen erheblicher Vorbelastung oder eines erheb-<br />

lichen Immissionsbeitrags zu verlangen (Landmann/Rohmer § 4 der 9. BImSchV RdNr. 7), je-<br />

denfalls bei einem Abstand der Wohnnutzung zur Anlage von nur 500 m (OVG MV vom<br />

20.6.2006, zitiert nach juris).<br />

Nach diesen Grundsätzen wurde nach der maßgeblichen in den Antragsunterlagen befindlichen<br />

Schallimmissionsprognose der Fa. ********************* GmbH vom 25. Februar 2011, die nach §<br />

13 Abs. 2 der 9. BImSchV als sonstige Unterlage vom Landratsamt zu prüfen ist, wobei Sach-<br />

verständigengutachten notwendigerweise nur dann einzuholen sind, wenn die Behörde nicht in<br />

der Lage ist, die Genehmigungsvoraussetzungen von sich aus abschließend und sachkundig zu<br />

prüfen (Landmann/Rohmer § 13 der 9. BImSchV RdNr. 3; OVG Saarland vom 10.12.2010, zi-<br />

tiert nach juris; Nr. 4 der vorläufigen Hinweise des BayStMUG vom 2.9.2011), was hier ersicht-<br />

lich nicht der Fall ist, und auf den sich das Landratsamt im angefochtenen Genehmigungsbe-<br />

scheid vom 3. August 2011 stützt, davon ausgegangen, dass die insgesamt neun WEA nach<br />

den vorgelegten Messprotokollen unter Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags von 2,5<br />

dB(A) einen maximalen Schallleistungspegel von 106,8 dB(A) erreichen (6. Bl. 146 PU). Als in<br />

Bezug auf das Wohnanwesen des Klägers nächstgelegener Immissionspunkt wurde als IP 1<br />

das Neubaugebiet in ************** angenommen (6. Bl. 140, 141, 147, 154 und 173 PU). Als<br />

Vorbelastung wurde die bestehende Biogasanlage in ******** berücksichtigt. Davon ausgehend


- 19 -<br />

wird nach der vorgelegten und vom Landratsamt überprüften Schallimmissionsprognose der<br />

IRW (auch) nachts am IP 1 **************, Neubaugebiet eingehalten. Bei einer prognostizierten<br />

Gesamtbelastung dort von 39,9 dB(A) wird der IRW nachts von 40 dB(A) eingehalten (6. Bl. 147<br />

und 173 PU). Dabei ist zu berücksichtigen, wie das Landratsamt im Schreiben vom 4. Oktober<br />

2011 zutreffend ausführt, dass das Wohnanwesen des Klägers in Ortsmitte von **************<br />

etwa 760 m westlich von diesem IP 1 liegt und der dortige Bereich planungsrechtlich als Dorf-<br />

bzw. Mischgebiet einzustufen wäre, wodurch nachts der noch zulässige IRW bei 45 dB(A) liegt.<br />

Der Beurteilungspegel dort dürfte nach Ansicht des Landratsamts weiter um 5 dB(A) niedriger<br />

sein, also etwa 35 dB(A) betragen. Nach Aktenlage ist jedenfalls mit einem Beurteilungspegel<br />

zu rechnen, der deutlich unter 40 dB(A) liegen dürfte. Der Umweltschutzingenieur des Land-<br />

ratsamts hat in seiner Stellungnahme keine Zuschläge für Impulshaltigkeit oder Tonhaltigkeit<br />

vergeben. Solche erscheinen nach vorstehenden Grundsätzen aufgrund entsprechender akten-<br />

kundiger Messungen auch als nicht berechtigt. Dies beruht darauf, dass Gutachter bei entspre-<br />

chenden Vermessungen typgleicher Anlagen subjektiv keine impulshaltigen und keine tonalen<br />

Auffälligkeiten festgestellt haben (6. Bl. 191 und 192, 234 und 235, 273 und 274 PU).<br />

Die Verfahrensweise der Schallimmissionsprognose entspricht daher insgesamt den vorge-<br />

nannten Vorgaben insbesondere technischer Art. Sie wurde vom Landratsamt überprüft und<br />

dabei zu Recht als geeignet und zutreffend angesehen. Für den nach eigenen Angaben ca.<br />

1100 m, nach Ermittlung des Landratsamts sogar 1650 m von der nächstgelegenen WEA ent-<br />

fernt wohnenden Kläger, bestätigt durch eine beigeladenenseits vorgelegte Abstandsmessung,<br />

werden daher die IRW für ein Dorf- bzw. Mischgebiet auch nachts eingehalten und schädliche<br />

Lärmeinwirkungen sind daher nicht zu erwarten.<br />

Solche sind auch nicht unter dem Aspekt des sog. Infraschalls mit der erforderlichen Wahr-<br />

scheinlichkeit für einen Schaden an der menschlichen Gesundheit vorgetragen oder ersichtlich.<br />

Die betreffende Schallemission großer Anlagen kann dabei eine - mit empfindlichen Geräten<br />

messbare - Reichweite von über 10 km haben; die menschliche Wahrnehmungsgrenze endet<br />

hingegen bereits nach etwa 300 bis 500 m Abstand zu Anlage (Bundesanstalt für Geowissen-<br />

schaften und Rohstoffe, Hannover: Der unhörbare Lärm von Windkraftanlagen). Gesicherte<br />

wissenschaftliche Erkenntnisse über Messtechnik und -verfahren liegen aber ersichtlich nicht<br />

vor, geschweige denn die notwendigerweise politische Grundentscheidung, welches Maß an<br />

Belastung dem Einzelnen insoweit zumutbar ist und ob und ggfs. welche Grenz- oder Richtwer-<br />

te anzusetzen sind. Bis zu einer etwaigen verbindlichen Festlegung kann daher eine Verwal-<br />

tungspraxis nicht beanstandet werden, die entsprechend der Lebenserfahrung davon ausgeht,


- 20 -<br />

dass jenseits der Wahrnehmungsschwelle eine gesundheitsschädliche Wirkung grundsätzlich<br />

nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Nach Auffassung des BayLfU<br />

ist in einem Abstand von 100 m mit einer Hörschwelle von 60 dB(A) zu rechnen, die dem nor-<br />

malen Grundinfraschallpegel entspricht und somit unter der Wahrnehmungsschwelle liegt<br />

(BayVGH vom 7.2.2011, zitiert nach juris; Nrn. 4 und 8 der vorläufigen Hinweise des BayStMUG<br />

vom 2.9.2011). Eine Ausnahmesituation hat auch der Kläger hier nicht substantiiert und eine<br />

solche ist auch angesichts des vorgenannten erheblichen Abstands zur nächstgelegenen WEA<br />

nicht ersichtlich.<br />

2.<br />

Zur Ermittlung und Beurteilung der optischen Immissionen von Windenergieanlagen können die<br />

vorgenannten WEA-Schattenwurf-Hinweise des LAI von Mai 2002 (vgl. auch Nr. 5.1.2 des<br />

Windenergieerlasses NRW) als Ansatz und als Orientierung herangezogen werden. Sie umfas-<br />

sen sowohl den durch den Rotor der Windenergieanlage verursachten periodischen Schatten-<br />

wurf als auch die Lichtblitze und den Lichtreflex (sog. Disco-Effekt) und enthalten Angaben für<br />

die Prognose, das Berechnungsverfahren, die Beurteilung, die maßgeblichen Immissionsricht-<br />

werte und Vorschläge für Auflagen. Ziel ist die sichere Vermeidung von Belästigungen, die<br />

durch periodische Lichteinwirkungen (optische Immissionen) für die schutzwürdige Nutzung von<br />

Räumen insbesondere durch Wohnen entstehen können. Einwirkungen durch periodischen<br />

Schattenwurf können dann sicher ausgeschlossen werden, wenn der in Frage kommende Im-<br />

missionsort außerhalb des möglichen Beschattungsbereichs der Windenergieanlage liegt. In-<br />

nerhalb des Beschattungsbereichs wird eine Einwirkung durch zu erwartenden periodischen<br />

Schattenwurf dann als nicht erheblich belästigend angesehen, wenn die astronomisch maximal<br />

mögliche Beschattungsdauer am maßgeblichen Immissionsort in einer Bezugshöhe von 2 m<br />

über dem Erdboden nicht mehr als 30 Stunden pro Kalenderjahr und darüber hinaus nicht mehr<br />

als 30 Minuten pro Kalendertag beträgt. Dies ist kumulativ zu verstehen, also dürfen beide Im-<br />

missionsrichtwerte, nämlich sowohl der für die jährliche als auch der für die tägliche Beschat-<br />

tungsdauer nicht überschritten werden. Diese Werte beruhen auf Studien, die aus Vorsorge-<br />

gründen noch entsprechend vermindert wurden.<br />

Störenden Lichtblitzen soll durch Verwendung mittelreflektierender Farben und matter Glanz-<br />

grade bei der Rotorbeschichtung vorgebeugt werden. Hierdurch können die Intensität möglicher<br />

Lichtreflexe und die verursachten Belästigungswirkungen (Disco-Effekt) minimiert werden. Auf-


- 21 -<br />

grund der matten Beschichtung der WEA stellen sie kein Problem mehr dar (Nr. 9 der vorläufi-<br />

gen Hinweise des BayStMUG vom 2.9.2011).<br />

Nach diesen Grundsätzen ist nach der Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs des Land-<br />

ratsamts vom 17. Mai 2011 (Bl. 272 BS I) durch die Antragsunterlagen auch nachgewiesen,<br />

dass die Anforderungen hinsichtlich Schattenwurfs im Bereich der dort festgelegten Immissi-<br />

onspunkte sicher eingehalten werden. Umso mehr gilt dies für das Anwesen des Klägers, das<br />

nach Angaben des Landratsamts etwa 760 m westlich der geplanten WEA liegt. Nach der in<br />

den Antragsunterlagen enthaltenen Schattenwurfprognose der Fa. **********************GmbH<br />

vom 25. Februar 2011 (6. Bl. 306 ff. PU) ergibt sich eine Überschreitung der vorgenannten<br />

Richtwerte lediglich für den IP 2,*************, worauf durch die Nebenbestimmung 2.2 des Be-<br />

scheids reagiert wurde, nicht jedoch an den übrigen IP. Für den IP 1 ************** wurde eine<br />

maximale Schattenwurfbelastung von 11:31 h/Jahr bzw. 00:21 h/Tag und eine wahrscheinliche<br />

Schattenwurfbelastung von 2:46 h/Jahr prognostiziert (6. Bl. 315 PU). Damit sind auch im Be-<br />

reich des von den geplanten WEA noch weiter entfernt liegenden Anwesens des Klägers die<br />

vorgenannten Richtwerte unterschritten und somit eingehalten.<br />

3.<br />

Nach Nr. 5.3.3 des Windenergieerlasses NRW darf eine Windenergieanlage (neben der Wohn-<br />

nutzung auch) den Verkehr auf Straßen und Wegen und den Erholungsverkehr nicht gefährden.<br />

Soweit eine Gefährdung in eisgefährdeten Gebieten nicht auszuschließen ist, sind wegen der<br />

Gefahr des Eisabwurfs entweder entsprechende Abstände zu Gebäuden, Verkehrs- und Erho-<br />

lungseinrichtungen einzuhalten oder funktionssichere technische Einrichtungen zur Gefahren-<br />

abwehr erforderlich. Entsprechende Eissensoren an den Rotorflächen und technische Einrich-<br />

tungen zur Unwuchtkontrolle sowie zur Überwachung von Leistungskennlinien bei Vereisungs-<br />

gefahr führen zu einer automatischen Abschaltung der Windenergieanlage, weshalb die eine<br />

gleichwohl nicht völlig auszuschließende Gefährdung dann nur mehr dem allgemeinen Lebens-<br />

risiko zuzuordnen wäre (Middeke aaO S. 300). Als Ergebnis durchgeführter Simulationen und<br />

der bisherigen Beobachtungen empfiehlt das sog. WECU-Gutachten für Standorte, an denen<br />

mit hoher Wahrscheinlichkeit an mehreren Tagen im Jahr mit Vereisung gerechnet werden<br />

muss, einen Abstand von 1,5 x (Nabenhöhe + Durchmesser) zu den nächsten gefährdeten Ob-<br />

jekten einzuhalten. Können keine ausreichend großen Sicherheitsabstände zu gefährdeten Ob-<br />

jekten eingehalten werden, müssen geeignete betriebliche bzw. technische Vorkehrungen ge-


- 22 -<br />

gen Eiswurf wie z.B. Eiserkennungssysteme getroffen werden (Nr. 10 der vorläufigen Hinweise<br />

des BayStMUG vom 2.9.2011).<br />

Vorliegend ist bereits in den Antragsunterlagen ein technisches Rotorblattvereisungsüberwa-<br />

chungssystem vorgesehen (8. Bl. 29 ff. PU), dessen Eignung durch das Landratsamt überprüft<br />

wurde. Dies hat das Landratsamt als zwingende Forderung übernommen. Im angefochtenen<br />

Bescheid wurde dies durch die Nebenbestimmung 2.3 des Bescheids umgesetzt, wonach die<br />

Windenergieanlagen mit einem Eiserkennungssystem auszustatten sind, das die Anlagen bei<br />

Eisansatz automatisch abschaltet. Dies erscheint unter dem Aspekt der Gefahrbeherrschung<br />

auch als ausreichend (BayVGH vom 8.10.2002 und 31.10.2008, RhPf OVG vom 12.5.2011, zi-<br />

tiert nach juris). Das Verlangen nach Einbau einer kompletten Zustandsüberwachung (so Rec-<br />

tanus NVwZ 2009, 871/ 875) ist daher im Regelfall wohl nicht veranlasst und vorliegend auch<br />

im konkreten Einzelfall nicht geboten, zumal der Kläger nach eigenen Angaben etwa 1100 m<br />

und nach Angaben des Landratsamts etwa 1650 m entfernt wohnt. Der nach dem WECU-<br />

Gutachten empfohlene Sicherheitsabstand von 292,50 m ist hier allemal eingehalten.<br />

4.<br />

Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Bayerischen Bauordnung (BayBO), wonach vor den Außenwänden von<br />

Gebäuden Abstandsflächen freizuhalten sind, gilt entsprechend auch für Windenergieanlagen,<br />

da von diesen im Sinne von Satz 2 dieser Vorschrift Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen<br />

(Koch/Molodovsky Art. 6 BayBO RdNr. 11; Jäde/Dirnberger u.a. Art. 6 BayBO RdNr. 159;<br />

BayVGH vom 28.7.2009, zitiert nach juris). Nach Abs. 5 Satz 1 und Absatz 4 Sätze 1 und 2 die-<br />

ser Vorschrift beträgt die Tiefe der Abstandsfläche (grundsätzlich) 1 H und bemisst sich nach<br />

der Wandhöhe, die wiederum von der Geländeoberfläche bis zum oberen Abschluss der Wand<br />

gemessen wird. Dies ist bei Windenergieanlagen der höchste Punkt der vom Rotor bestriche-<br />

nen Fläche, also die Gesamthöhe gebildet aus Nabenhöhe und Rotorradius (BayVGH aaO).<br />

Das Schmalseitenprivileg des Art. 6 Abs. 6 BayBO kommt dagegen nicht zur Anwendung<br />

(BayVGH aaO). Es ist daher bei Windenergieanlagen eine Abstandsfläche ab einem Kreis um<br />

die Mittelachse der Anlage einzuhalten, dessen Radius durch den Abstand des senkrecht ste-<br />

henden Rotors vom Mastmittelpunkt (fiktive Außenwand) bestimmt wird (BayVGH aaO). Kann<br />

diese Abstandsfläche auf dem Baugrundstück selbst nicht eingehalten werden, kann eine Ab-<br />

weichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO zugelassen werden. Dies setzt voraus, dass die<br />

Zulassung der Abweichung unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und


- 23 -<br />

unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentli-<br />

chen Belangen vereinbar ist. Insoweit liegt also auch eine nachbarschützende Wirkung vor<br />

(Koch/Molodovsky Art. 70 BayBO aF Erl. 4.4). Es muss also der Fall nach den objektiven Ge-<br />

gebenheiten Besonderheiten aufweisen, die ihn deutlich vom Regelfall unterscheiden, also als<br />

atypisch erscheinen lassen (Koch/Molodovsky Art. 70 BayBO aF Erl. 4.3.3). Dabei kann insbe-<br />

sondere bei Windenergieanlagen die die Zulassung einer Abweichung voraussetzende atypi-<br />

sche Fallgestaltung in der Eigenart der zu errichtenden Anlage und dem mangelnden Angebot<br />

an geeigneten Grundstücken im Außenbereich für die dort privilegiert zulässige Anlage liegen<br />

(BayVGH aaO).<br />

Hier kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Verletzung von ihn schützenden Vorschriften<br />

des Abstandsflächenrechts berufen, weil selbst bei Nichtanwendung der unter Nr. VII des ange-<br />

fochtenen Bescheids zugelassenen Abweichungen die nach vorgenannter Rechtsprechung zu<br />

berechnende Tiefe der Abstandsfläche aktenkundig jedenfalls nicht auf Grundstücken des Klä-<br />

gers zu liegen käme. Nach den Antragsunterlagen beträgt die Gesamthöhe der insgesamt neun<br />

WEA jeweils 150 m und bildet ggfs. mit dem zusätzlichen Abstand von Rotor und Mastmittel-<br />

punkt daher 1 H als Tiefe der Abstandsfläche. Bei einer Entfernung zu den Anlagen von ca.<br />

1100 m nach eigenen Angaben bzw. sogar von etwa 1650 m nach Angaben des Landratsamts<br />

sind gesetzliche Abstandsflächen in Bezug auf das Anwesen des Klägers zweifelsfrei nicht<br />

mehr tangiert.<br />

5.<br />

Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme stellt nach der vorgenannten Recht-<br />

sprechung einen über das Bauordnungsrecht, insbesondere das Abstandsflächenrecht hinaus-<br />

gehenden unbenannten öffentlichen Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB dar und<br />

gilt über seine besondere immissionsschutzrechtliche Ausprägung in Nr. 3 hinaus auch für<br />

sonstige nachteilige Auswirkungen eines Vorhabens auf Dritte, wozu auch Belastungen psychi-<br />

scher Art gehören sollen. Unter diesem Aspekt ist eine optische bedrängende Wirkung auf be-<br />

wohnte Nachbargrundstücke relevant. Ob eine derartige Wirkung anzunehmen ist, beurteilt sich<br />

nach den Umständen des Einzelfalls (insbesondere Höhe und Standort der Windenergieanlage,<br />

Größe des Rotordurchmessers, Blickwinkel, Hauptwindrichtung, Topographie, Abschirmung,<br />

Lage der Aufenthaltsräume und Fenster). Ausgehend vom Ansatz, dass der in der Höhe wahr-<br />

zunehmenden Drehbewegung des Rotors dabei eine entscheidende Bedeutung zukommt, las-


- 24 -<br />

sen sich für diese Einzelfallprüfung indiziell grobe Anhaltswerte prognostizieren. Beträgt danach<br />

der Abstand zwischen der Wohnnutzung und der Windenergieanlage mindestens das Dreifache<br />

der Gesamthöhe der geplanten Anlage (Nabenhöhe einschließlich Rotorradius), dürfte keine<br />

optisch bedrängende Wirkung dieser Anlage zu Lasten der Wohnnutzung anzunehmen sein.<br />

Bei einem solchen Abstand treten nämlich die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der<br />

Anlage so weit in den Hintergrund, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und<br />

keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnnutzung (mehr) zukommt (OVG NRW<br />

vom 9.8.2006 und BayVGH vom 29.5.2009, zitiert nach juris).<br />

Nach diesen Grundsätzen ist hier der vorgenannte Abstand, der eine optisch bedrängende Wir-<br />

kung indiziert, eindeutig überschritten. Das Dreifache der Gesamthöhe der insgesamt neun<br />

WEA von ca. 150 m wird bei einer Entfernung zum Anwesen des Klägers von ca. 1100 m nach<br />

den eigenen Angaben des Klägers und von ca. 1650 m nach den Angaben des Landratsamts<br />

vorliegend um das Doppelte bzw. das Dreifache überschritten. Konkrete Umstände, die im Ein-<br />

zelfall gleichwohl eine optische Bedrängung begründen würden, sind weder ersichtlich noch<br />

vorgetragen. Die Anordnung der Schlaf- und Wohnräume, die der Kläger in diesem Zusam-<br />

menhang nennt, ist hier schon deshalb irrelevant, weil er aktenkundig inmitten der Ortslage von<br />

************** wohnt, von Wohngebäuden bzw. landwirtschaftlichen Anwesen und der Kirche<br />

umgeben ist und von daher nicht zuletzt auch aufgrund der dortigen topografischen Verhältnis-<br />

se eine völlig freie Sichtbeziehung zu den WEA schon nicht besteht.<br />

Nach alledem ist die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1<br />

VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO erstat-<br />

tungsfähig, weil diese einen eigenen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko ausge-<br />

setzt hat. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr.<br />

11, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO sind weder<br />

ersichtlich noch vorgetragen.


- 25 -<br />

Rechtsmittelbelehrung<br />

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen <strong>Verwaltungsgericht</strong>shof<br />

zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach<br />

Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen <strong>Verwaltungsgericht</strong> <strong>Ansbach</strong>,<br />

Hausanschrift: Promenade 24 - 28, 91522 <strong>Ansbach</strong>, oder<br />

Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 <strong>Ansbach</strong>,<br />

schriftlich zu beantragen.<br />

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung<br />

des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen<br />

ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim<br />

Bayerischen <strong>Verwaltungsgericht</strong>shof,<br />

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder<br />

Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,<br />

Hausanschrift in <strong>Ansbach</strong>: Montgelasplatz 1, 91522 <strong>Ansbach</strong>,<br />

einzureichen.<br />

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn<br />

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,<br />

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,<br />

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,<br />

4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen <strong>Verwaltungsgericht</strong>shofs, des Bundesverwaltungsgerichts,<br />

des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes<br />

oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht<br />

oder<br />

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend<br />

gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.<br />

Vor dem Bayerischen <strong>Verwaltungsgericht</strong>shof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten<br />

vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein<br />

Verfahren vor dem Bayerischen <strong>Verwaltungsgericht</strong>shof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte<br />

sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule<br />

eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens<br />

über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt<br />

oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen<br />

zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich<br />

der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können<br />

sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte<br />

mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen<br />

Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse<br />

vertreten lassen.


- 26 -<br />

Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.<br />

gez.: gez.: gez.:<br />

Kohler Klinke Kellner<br />

Beschluss:<br />

Der Streitwert wird auf 15.000 EUR festgesetzt,<br />

§ 52 Abs. 1 GKG, Nr. 19.2 i.V.m. Nr. 2.2.2 des Streitwert-<br />

katalogs (da eine konkretere Einstufung der Beeinträchti-<br />

gungsquote nicht ersichtlich ist).<br />

Rechtsmittelbelehrung<br />

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen <strong>Verwaltungsgericht</strong>shof<br />

zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- EUR übersteigt oder<br />

die Beschwerde zugelassen wurde.<br />

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache<br />

Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen <strong>Verwaltungsgericht</strong><br />

<strong>Ansbach</strong>,<br />

Hausanschrift: Promenade 24 - 28, 91522 <strong>Ansbach</strong>, oder<br />

Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 <strong>Ansbach</strong>,<br />

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.<br />

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die<br />

Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des<br />

Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.<br />

Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.<br />

gez.: gez.: gez.:<br />

Kohler Klinke Kellner


Gericht: VG <strong>Ansbach</strong><br />

Aktenzeichen: AN 11 K 11.01665<br />

Sachgebiets-Nr.: 1021<br />

Rechtsquellen:<br />

§ 42 Abs. 2 VwGO,<br />

§§ 6 Abs. 1, 5 Abs. 1, 3 Abs. 1 BImSchG;<br />

TA-Lärm;<br />

Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei WEA des LAI von März 2005;<br />

WEA-Schattenwurf-Hinweise des LAI von Mai 2002;<br />

Windenergieerlass NRW vom 21.10.2005<br />

vorläufige Hinweise des BayStMUG vom 2.9.2011<br />

Hauptpunkte:<br />

schon zweifelhafte Klagebefugnis für Nachbarklage gegen die immissionsschutzrechtliche Ge-<br />

nehmigung von neun Windenergieanlagen;<br />

jedenfalls im Einzelfall unbegründet;<br />

weder unzumutbarer Lärm, Beeinträchtigung durch Infraschall, Verstoß gegen Rücksichtnah-<br />

megebot, unzumutbarer Schattenwurf, Lichteffekt oder Eisgefahr zu erwarten;<br />

kein Verstoß gegen Abstandsflächenvorschriften;<br />

auch keine optisch be- oder erdrückende Wirkung;<br />

Leitsätze:<br />

---<br />

veröffentlicht in:<br />

---<br />

rechtskräftig:<br />

_________________________________________________________________________<br />

Urteil der 11. Kammer vom 30. November 2011<br />

--/<br />

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