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C. Raumplanungs- und Baurecht - Verwaltungsgericht des Kantons ...

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<strong>Verwaltungsgericht</strong> <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> Zürich<br />

(www.vgrzh.ch)<br />

Rechenschaftsbericht<br />

an den <strong>Kantons</strong>rat<br />

2004


Auszüge aus den Entscheiden<br />

A. Verwaltungsrechtspflege<br />

Inhaltsverzeichnis Nr.<br />

I. Verwaltungsverfahren 1–8<br />

II. <strong>Verwaltungsgericht</strong>sbarkeit<br />

1. <strong>Verwaltungsgericht</strong>liche Beschwerde 9–17<br />

2. Personalrechtliche Verfahren 18–22<br />

B. Allgemeines Verwaltungsrecht<br />

I. Bürgerrecht 23<br />

II. Niederlassung, Aufenthalt 24–30<br />

III. Straf- <strong>und</strong> Massnahmenvollzug 31–32<br />

IV. Polizei 33–34<br />

V. Abgaben (ohne Steuern) 35–37<br />

VI. Beschaffungswesen 38–45<br />

VII. Administrativmassnahmen SVG 46–47<br />

VIII. Ges<strong>und</strong>heit 48<br />

IX. Fürsorge 49–55<br />

X. Gebäudeversicherung 56<br />

C. <strong>Raumplanungs</strong>- <strong>und</strong> <strong>Baurecht</strong><br />

I. Nutzungsplanungen 57–60<br />

II. Quartierpläne 61<br />

III. Naturschutz <strong>und</strong> Denkmalschutzmassnahmen 62–63<br />

IV. Bewilligungen 64–79<br />

43


D. Umweltrecht 80–85<br />

E. Steuerrecht<br />

I. Staatssteuern<br />

1. Steuerpflicht<br />

a) Allgemeine Bestimmungen 86–87<br />

b) Besteuerung der natürlichen Personen 88–95<br />

c) Besteuerung der juristischen Personen<br />

2. Verfahren<br />

96–97<br />

a) Einschätzungsverfahren 98<br />

b) Rekursverfahren 99<br />

c) Beschwerdeverfahren 100<br />

d) Nachsteuerverfahren 101<br />

e) Steuersicherungsverfahren 102<br />

f) Steuerstrafverfahren 103<br />

g) Revisionsverfahren 104<br />

II. Gr<strong>und</strong>stückgewinn- <strong>und</strong> Handänderungssteuer 105–107<br />

III. Erbschafts- <strong>und</strong> Schenkungssteuer 108–112<br />

F. Personalrecht 113–118<br />

44<br />

Der ungekürzte Text der Entscheide kann in den meisten Fällen auf der<br />

Website <strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgericht</strong>s (www.vgrzh.ch; Rubrik Rechtsprechung/Ausgewählte<br />

Entscheide) eingesehen werden.


A. Verwaltungsrechtspflege<br />

I. Verwaltungsverfahren<br />

1. Anforderungen <strong>des</strong> rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit der Leistung<br />

von Kostenvorschüssen. § 12 VRG.<br />

2.1 Das rechtliche Gehör in einem Verfahren fordert unter anderem, dass die<br />

betroffene Partei sich äussern <strong>und</strong> ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen<br />

kann (vgl. schon Haefliger, Rechtsgleichheit, S. 135 ff), was bedingt, dass die Einstellung<br />

eines Verfahrens durch die Behörde entgegen dem Willen der betroffenen<br />

Person gesetzmässig zu sein hat. Wird die Anhandnahme oder Weiterführung eines<br />

Verfahrens von einem Kostenvorschuss abhängig gemacht, ist der betroffenen Prozesspartei<br />

eine angemessene Frist einzuräumen, um den Kostenvorschuss rechtzeitig<br />

zu bezahlen. Steht die Zahlungsfrist im Ermessen der verfahrensführenden Behörde,<br />

ist nach Massgabe von § 12 Abs. 1 Satz 2 VRG eine Erstreckung der Frist<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich möglich, unter der Voraussetzung, dass das Erstreckungsgesuch vor<br />

Ablauf der Frist gestellt werden muss <strong>und</strong> für die Erstreckung ausreichende Gründe<br />

gegeben sein müssen. Dies bedeutet, dass der Gesuchsteller, welcher sich auf die<br />

Möglichkeit der Fristerstreckung für die Bezahlung einer Kaution innerhalb der<br />

Frist beruft, im ablehnenden Entscheid in die Lage versetzt werden muss, die<br />

Kaution nachzahlen zu können. Stellt er das Gesuch am letzten Tag der Frist <strong>und</strong><br />

wird dieses von der zuständigen Behörde abschlägig beantwortet, muss dem<br />

Schuldner die Möglichkeit eingeräumt werden, die Kaution nach Ablauf der Frist,<br />

unter Ansetzung einer zusätzlichen (Not-)Frist, zu bezahlen. Anders zu entscheiden<br />

würde bedeuten, dass ein Fristerstreckungsgesuch nicht nur vor dem Ablauf der<br />

noch laufenden (<strong>und</strong> zu erstreckenden) Frist gestellt werden müsste, sondern der<br />

Gesuchsteller darüber hinaus die Gewissheit haben müsste, dass die Beantwortung<br />

seines Gesuchs auch vor dem Ablauf dieser (ersten) Frist erfolgt. Diese Gewissheit<br />

ist wesensgemäss nicht möglich, weil der betroffene Bürger auf den Zeitpunkt der<br />

Gesuchsbehandlung durch die Behörde keinen Einfluss hat. Um dem Risiko eines<br />

Rechtsverlusts zu entgehen, müsste die streitige Kaution vorsorglich innert der<br />

ersten Zahlungsfrist bezahlt werden, was jedoch genau mit dem angestrebten<br />

Zahlungsaufschub in Widerspruch stehen kann. Das Problem lässt sich unter<br />

Wahrung der Verfahrensrechte nur auf zweierlei Art lösen: Entweder wird bereits<br />

die Ansetzung einer (ersten) Zahlungsfrist unmissverständlich als nicht erstreckba<br />

bezeichnet <strong>und</strong> wird auf die Folgen einer Nichtbezahlung innert Frist in der Form<br />

1<br />

45


1, 2<br />

eines Rechtsverlusts hingewiesen. Oder aber hat die Behörde eine kurze Nachfrist<br />

anzusetzen, wenn sie die Fristerstreckung als solche verweigert.<br />

46<br />

VB.2004.00015 2. Kammer, 19. Mai<br />

2. Entschädigung <strong>des</strong> unentgeltlichen Rechtsbeistands; Zuständigkeit. Die Höhe<br />

der von der Vorinstanz zugesprochenen Entschädigung für den unentgeltlichen<br />

Rechtsbeistand kann nicht mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache<br />

angefochten werden. § 16 VRG. § 13 Abs. 1 GebV VGr.<br />

1.2 Nicht einzutreten ist hingegen auf die Beschwerde, soweit sie die Höhe<br />

der Entschädigung <strong>des</strong> unentgeltlichen Rechtsbeistands betrifft, welche die Vorinstanz<br />

auf Fr. 3 400.– (statt der verlangten Fr. 5 876.–) festlegte. Als Rechtsmittel<br />

nannte diese den Rekurs an den Regierungsrat. Der Vertreter <strong>des</strong> Beschwerdeführers<br />

hat einen entsprechenden Rekurs in eigenem Namen bereits erhoben. Der<br />

Beschwerdeführer seinerseits lässt prozessökonomische <strong>und</strong> praktische Überlegungen<br />

dafür anführen, dass das <strong>Verwaltungsgericht</strong> die Höhe der Entschädigung seines<br />

Vertreters gleichzeitig mit der Hauptsache beurteilen sollte. Dem ist nicht zu<br />

folgen.<br />

1.2.1 Der Entschädigungsanspruch steht nicht dem unentgeltlich Vertretenen,<br />

sondern dem unentgeltlichen Vertreter zu (Kölz/Bosshart/Röhl, § 16 N. 46). Es ist<br />

diesem verwehrt, für seine Mühewaltung von der durch ihn vertretenen Partei eine<br />

zusätzliche Entschädigung zu verlangen. Ein Rechtsmittel gegen die Festlegung der<br />

Entschädigung für den unentgeltlichen Rechtsbeistand hätte der Vertreter <strong>des</strong><br />

Beschwerdeführers daher in eigenem Namen erheben müssen, was er im Beschwerdeverfahren<br />

unterlassen hat. Dem Beschwerdeführer seinerseits mangelt es dagegen<br />

an einem Rechtsschutzinteresse (§ 70 in Verbindung mit § 21 lit. a VRG; VGr,<br />

3. Februar 2003, VB.2002.00363, E. 2d). Entsprechend ist auf die Beschwerde<br />

nicht einzutreten.<br />

1.2.2 Bei der Festsetzung der Entschädigung <strong>des</strong> unentgeltlichen Rechtsbeistands<br />

handelt es sich nicht um Rechtsprechung, sondern um einen Akt der Justizverwaltung<br />

(Kölz/Bosshart/Röhl, § 16 N. 51; Frank/Sträuli/Messmer, § 89 N. 7; ZR 89<br />

Nr. 42). Die Festsetzung <strong>des</strong> Honorars eines unentgeltlichen Rechtsbeistands entspricht<br />

einem Endentscheid, indem materiell über einen Anspruch entschieden wird.<br />

Dabei entschädigt jede Instanz dem unentgeltlichen Rechtsbeistand den notwendigen<br />

Zeitaufwand nach den Ansätzen <strong>des</strong> Obergerichts nur für ihr Verfahren (§ 13


Abs. 1 GebV VGr). Ein solcher erstinstanzlicher Entscheid ist gr<strong>und</strong>sätzlich anfechtbar<br />

(§ 48 Abs. 1 VRG; Kölz/Bosshart/Röhl, § 48 N. 2 f.), wozu der Gebührenverordnung<br />

<strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgericht</strong>s allerdings nichts zu entnehmen ist.<br />

1.2.3 In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass ein beschwerdeführender<br />

Vertreter mit seinem Begehren betreffend Honorierung als unentgeltlicher<br />

Rechtsbeistand an das innerhalb der entscheidenden Instanz für die Justizverwaltung<br />

zuständige Gremium gelangen muss. Fehlt ein solches, bleibt die Möglichkeit<br />

eines Wiedererwägungsgesuchs oder der Aufsichtsbeschwerde (Kölz/Bosshart/Röhl,<br />

§ 16 N. 51). Nach dem Zivilprozessrecht ist die Beschwerde an die Verwaltungskommission<br />

<strong>des</strong> Obergerichts vorgesehen, die als unabhängiges Gericht im Sinn<br />

von Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention gilt (Frank/Sträuli/<br />

Messmer, § 89 N. 11). Allerdings mangelt es den Verwaltungsbehörden an einem<br />

besonderen Justizverwaltungsorgan (VGr, 3. Februar 2003, VB.2002.00363, E. 2d).<br />

Ausserdem verleihen weder die Aufsichtsbeschwerde noch das Wiedererwägungsgesuch<br />

im Unterschied zu einem förmlichen Rechtsmittel einen Rechtsschutzanspruch<br />

gegenüber der angerufenen Instanz (Häfelin/Müller, Rz. 1742 f.; Kölz/<br />

Bosshart/Röhl, Vorbem. zu §§ 19–28, N. 7, 25 <strong>und</strong> 30 ff.). Daraus erhellt, dass ein<br />

als unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellter Vertreter, der die Höhe seiner Entschädigung<br />

anficht, auf ein ordentliches Rechtsmittel angewiesen ist, soweit der Instanzenzug<br />

dies zulässt.<br />

1.2.4 Dabei fragt sich, ob der ordentliche Rechtsweg der Hauptsache offen<br />

steht, falls dem unentgeltlichen Rechtsbeistand die Entschädigung zu niedrig erscheint.<br />

Das ist zu verneinen (VGr, 28. November 2001, VB.2001.00347, E. 1).<br />

Vorliegend beanstandete der unentgeltliche Rechtsbeistand die Höhe der Entschädigung,<br />

welche ihm für das Verfahren vor Rekursinstanz im Sinn eines erstinstanzlichen<br />

Entschei<strong>des</strong> (vorn 1.2.2) zugesprochen worden war. In der Hauptsache entschied<br />

die Rekursinstanz jedoch als zweite Instanz (Rechtsmittelinstanz), wogegen<br />

die Beschwerde an das <strong>Verwaltungsgericht</strong> zulässig ist. Daraus erhellt, dass die beiden<br />

Entscheide nicht mit demselben Rechtsmittel weitergezogen werden können.<br />

Hinzu kommt, dass der unentgeltliche Rechtsbeistand seine Honoraransprüche in<br />

eigenem Namen geltend machen muss, derweil er in der Hauptsache seine Partei zu<br />

vertreten hat. Zu Recht gab die Vorinstanz daher als Rechtsmittel betreffend die<br />

Entschädigung <strong>des</strong> unentgeltlichen Rechtsbeistands den Rekurs an den Regierungsrat<br />

<strong>und</strong> mit Bezug auf den Entscheid über die probeweise Entlassung die Beschwerde<br />

an das <strong>Verwaltungsgericht</strong> an. Diese Gabelung <strong>des</strong> Rechtsmittelwegs mag zwar<br />

unpraktisch erscheinen, ergibt sich aber aus der Wahrung <strong>des</strong> Instanzenzugs für die<br />

verschiedenartigen Entscheide <strong>und</strong> unterschiedlichen Anspruchsberechtigten. Zu-<br />

2<br />

47


2, 3<br />

dem wäre eine Gabelung <strong>des</strong> Rechtsmittelwegs auch dann nicht zu vermeiden, wenn<br />

der unentgeltliche Rechtsbeistand für seine Honoraransprüche ein Wiedererwägungsgesuch<br />

innerhalb der entscheidenden Instanz stellen müsste, da für einen<br />

Weiterzug der Hauptsache die nächste Rechtsmittelinstanz zuständig wäre. Hätte er<br />

sich aber an ein besonderes, für die Hauptsache nicht zuständiges Justizverwaltungsorgan<br />

zu wenden oder eine Aufsichtsbeschwerde zu erheben, führte auch dies<br />

zur Gabelung <strong>des</strong> Rechtsmittelwegs, da die angerufenen Instanzen in aller Regel<br />

mit der Rechtsmittelinstanz nicht identisch sind.<br />

48<br />

VB.2004.00371 ER 4. Abteilung, 22. Dezember<br />

Eine <strong>Verwaltungsgericht</strong>sbeschwerde gegen diesen Entscheid ist beim B<strong>und</strong>esgericht noch<br />

hängig.<br />

3. Zur Anfechtung einer Strassenaufhebung <strong>und</strong> eines damit verb<strong>und</strong>enen<br />

geänderten Strassenregimes sind Gr<strong>und</strong>eigentümer, deren Gr<strong>und</strong>stücke an<br />

benachbarte Strassen anstossen, dann legitimiert, wenn die mutmasslichen<br />

Auswirkungen deutlich wahrnehmbar sind (d.h. Zunahme um 1 dB[A], entsprechend<br />

ca. 25 % Verkehrszunahme) <strong>und</strong> diese ohne aufwändige Abklärungen<br />

festgestellt sowie von den allgemeinen Strassenimmissionen unterschieden<br />

werden können. Es ist nachvollziehbar darzulegen, dass befürchtete<br />

zukünftige Beeinträchtigungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit<br />

eintreten werden. Die häufige Benutzung einer Strasse schafft für sich allein<br />

keine legitimationsbegründende Beziehungsnähe; der behauptete Nachteil<br />

durch eine Verkehrsbeschränkung muss den Rechtsmittelkläger in besonderer<br />

Weise treffen. § 21 lit. a VRG.<br />

2.3 Bezogen auf die Betroffenheit von Strassenanwohnern, die sich von Luftverunreinigungen<br />

<strong>und</strong> Lärm infolge vermehrten Strassenverkehrs betroffen fühlen,<br />

liegt eine umfangreiche Rechtsprechung aus dem Bereich <strong>des</strong> Planungs- <strong>und</strong> <strong>Baurecht</strong>s<br />

vor, die auch im vorliegenden Fall herangezogen werden kann (vgl. die Hinweise<br />

in VGr, 4. Dezember 2003, VB.2003.00304, E. 2, www.vgrzh.ch, auszugsweise<br />

in RB 2003 Nr. 13). Wird die spezifische Betroffenheit Dritter in einem<br />

Rechtsmittelverfahren aus befürchteten Immissionen abgeleitet, so ist auf Art <strong>und</strong><br />

Intensität dieser Immissionen abzustellen. Die Legitimation ist zu bejahen, wenn<br />

die mutmasslichen Auswirkungen eines Vorhabens deutlich wahrnehmbar sind <strong>und</strong><br />

ohne technisch aufwändige <strong>und</strong> kostspielige Abklärungen festgestellt <strong>und</strong> von den<br />

allgemeinen Immissionen, wie sie der Strassenverkehr mit sich bringt, unterschie-


den werden können. Im Anwendungsbereich von Art. 9 lit. b LSV gelten als wahrnehmbar<br />

stärkere Verkehrslärmimmissionen solche von 1 dB(A), was einer Zunahme<br />

<strong>des</strong> Strassenverkehrs um r<strong>und</strong> 25 % entspricht (Robert Wolf in: Kommentar<br />

USG, Vorbem. Art. 19–25 N. 9). Hieran anknüpfend erachtet die Praxis als nicht<br />

vom allgemeinen Strassenverkehr unterscheidbar <strong>und</strong> daher nicht deutlich wahrnehmbar<br />

eine allgemeine Verkehrszunahme von 5 bis 10 % (VGr, 22. Januar 2004,<br />

VB.2003.00223, E. 3.1.1, www.vgrzh.ch; RB 1985 Nr. 9 = BEZ 1985 Nr. 47). Voraussetzung<br />

der hinreichenden Betroffenheit durch Mehrverkehr bildet überdies<br />

stets, dass der Betroffene mit seinem Gr<strong>und</strong>stück direkt an die belastete Strasse<br />

anstösst.<br />

2.4 In einem Urteil vom 21. März 2002 (VB.2001.00245, www.vgrzh.ch, in<br />

RB 2002 Nr. 74 nicht publizierte E. 3c) äusserte das <strong>Verwaltungsgericht</strong> Zweifel<br />

daran, ob die erwähnte, für die Anfechtung einzelner Bauvorhaben entwickelte<br />

Praxis unbesehen auf die Anfechtung von Plänen, welche die Entstehung einzelner<br />

Vorhaben erst ermöglichen, übertragen werden könne. Eine Gebietsnutzung, wie<br />

sie durch eine Ein- oder Umzonung eingeleitet werde, realisiere sich in der Regel<br />

erst mittel- bis langfristig. Während dieser Zeit könnten die im Zeitpunkt der Plananfechtung<br />

gegebenen Rahmenbedingungen, gerade was die Erschliessung <strong>und</strong><br />

Verkehrsführung anbelange, zahlreichen Änderungen unterworfen sein. Auch was<br />

die Verkehrszunahme betreffe, würden sich die Auswirkungen von Plänen auf die<br />

weitere Nachbarschaft ungleich viel schwerer abschätzen lassen als diejenigen von<br />

einzelnen Bauvorhaben. Das bedeute zwar nicht zwangsläufig, dass an den Nachweis<br />

der Betroffenheit in diesen Fällen generell höhere Anforderungen gestellt werden<br />

müssten, denn gerade die Ungewissheit der künftigen Entwicklung könne<br />

Nachbarn zu einer vorsorglichen Interessenwahrung veranlassen. Die grosse Ungewissheit<br />

der künftigen Entwicklung erfordere aber in diesen Fällen im Rekursverfahren<br />

eine besondere Sorgfalt bei der Substanziierung <strong>und</strong> Glaubhaftmachung<br />

künftiger Beeinträchtigungen. Allgemeine Befürchtungen eher theoretischer Art<br />

genügten gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zur Darlegung der hinreichenden Betroffenheit, vielmehr<br />

müsse nachvollziehbar dargetan werden, dass die gefürchtete Beeinträchtigung<br />

auch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten werde.<br />

2.5 In RB 1991 Nr. 4 E. 2c hat das <strong>Verwaltungsgericht</strong> in Anlehnung an die<br />

Praxis <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esrats erklärt, gegen Verkehrsberuhigungsmassnahmen könne sich<br />

jeder Automobilist zur Wehr setzen, der die betreffende Strasse mehr oder weniger<br />

regelmässig beanspruche. In einem Urteil vom 4. Dezember 2003 (VB. 2003.00304,<br />

www.vgrzh.ch, E. 2.3, RB 2003 Nr. 13) erwog das <strong>Verwaltungsgericht</strong> demgegenüber<br />

– allerdings ohne dass dieser Frage entscheidende Bedeutung zukam –, die<br />

3<br />

49


3<br />

tägliche Benützung einer von einer Verkehrsbeschränkung betroffenen Strasse<br />

schaffe keine legitimationsbegründende Beziehungsnähe. Mit der generellen Rekurszulassung<br />

aller Verkehrsteilnehmer, die eine bestimmte Strasse häufig benützen,<br />

stünde das Rechtsmittel gerade bei wichtigeren Strassenachsen einer nicht eingrenzbaren<br />

Menge von Bewohnern bzw. Pendlern aus der Agglomeration zur Verfügung<br />

<strong>und</strong> käme damit einer unzulässigen Popularbeschwerde gleich. Die damit<br />

angekündigte Praxisänderung ist jedenfalls insofern zu bestätigen, als die fragliche<br />

Verkehrsbeschränkung dem Rechtsmittelkläger einen Nachteil zufügen muss, der<br />

ihn in so besonderer Weise trifft, dass ihm ein schutzwürdiges Interesse an der Rekurserhebung<br />

zuzusprechen ist. Allein die Tatsache, dass eine bisher ungeregelte<br />

Kreuzung neu mit einem Lichtsignal gesteuert werden soll, vermöchte z.B. ein solches<br />

Interesse nicht zu begründen, ebenso wenig die Herabsetzung der zulässigen<br />

Höchstgeschwindigkeit auf einer kürzeren Strecke. Die Legitimationsprüfung bei<br />

Verkehrsberuhigungsmassnahmen setzt somit eine erste inhaltliche Prüfung <strong>und</strong><br />

Gewichtung <strong>des</strong> umstrittenen Eingriffs voraus. Sie konkretisiert den Begriff <strong>des</strong><br />

«schutzwürdigen Interesses» <strong>und</strong> lässt sich namentlich damit rechtfertigen, dass<br />

nach der Praxis eine geltend gemachte Beeinträchtigung nach objektivierter Betrachtungsweise<br />

vorliegen muss, während subjektive Befindlichkeit <strong>und</strong> affektives<br />

Interesse die Legitimation nicht begründen (vgl. Kölz/Bosshart/Röhl, § 21 N. 21;<br />

Tobias Jaag, Verkehrsberuhigung im Rechtsstaat, in: ZBl 87/1986, S. 289 ff., 301 f.;<br />

Isabelle Häner, Die Beteiligten im Verwaltungsverfahren <strong>und</strong> Verwaltungsprozess,<br />

Zürich 2000, Rz. 610; vgl. auch BGE 121 II 176, E. 3a).<br />

2.6 Zur Anfechtung einer Strassenaufhebung sind in erster Linie die unmittelbaren<br />

Anstösser legitimiert (vgl. Jaag, Verkehrsberuhigung, S. 301; Kölz/Bosshart/<br />

Röhl, § 21 N. 33; vgl. auch BGE 126 I 213, E. 1). Gr<strong>und</strong>eigentümer, deren Gr<strong>und</strong>stücke<br />

an benachbarte Strassen anstossen, sind nur unter den zuvor dargelegten<br />

Voraussetzungen zu Rekurs <strong>und</strong> Beschwerde berechtigt.<br />

50<br />

VB.2003.00480 3. Kammer, 8. April<br />

BEZ 2004 Nr. 29


4. Besitzer von Gr<strong>und</strong>stücken, die sich in der Nähe einer Mobilfunkanlage befinden,<br />

sind unter dem Gesichtspunkt <strong>des</strong> Strahlenschutzes nicht zur Erhebung<br />

eines Rechtsmittels legitimiert, wenn das betroffene Gr<strong>und</strong>stück<br />

nicht dem dauernden Aufenthalt dient <strong>und</strong> auch nicht dafür bestimmt ist.<br />

Eine Verletzung in qualifizierten eigenen Interessen <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>stücksbesitzers<br />

ist jedoch insofern zu bejahen, als die umstrittene Ausnahmebewilligung<br />

die Missachtung eines Bauverbots gestattet, das unter anderem spezifisch<br />

zum Schutz der ehemaligen Klosteranlage Kappel am Albis erlassen<br />

wurde. § 21 lit. a VRG. § 338a Abs. 1 PBG.<br />

2.3.4 Im Übrigen liegt hinsichtlich der Legitimation ein Grenzfall vor. Eine<br />

Verletzung in qualifizierten eigenen Interessen <strong>des</strong> Rekurrenten <strong>und</strong> Beschwerdegegners<br />

ist insofern zu bejahen, als die umstrittene Ausnahmebewilligung in der Tat<br />

die Missachtung eines Bauverbots gestattet, das unter anderem spezifisch zum<br />

Schutz der ehemaligen Klosteranlage Kappel am Albis – einem im Inventar der<br />

schützenswerten Ortsbilder der Schweiz erfassten Objekt (vgl. den Anhang der<br />

Verordnung <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esrats vom 9. September 1981 über das B<strong>und</strong>esinventar der<br />

schützenswerten Ortsbilder der Schweiz) – erlassen wurde. So ist den Erwägungen<br />

zur in der Prozessgeschichte erwähnten Schutzverordnung zu entnehmen, die<br />

Landschaft um Kappel am Albis sei entsprechend ihrer historischen <strong>und</strong> naturwissenschaftlichen<br />

Bedeutung bereits 1970 unter Schutz gestellt worden. Die vorliegende<br />

Verordnung passe diesen Erlass den geltenden rechtlichen Gr<strong>und</strong>lagen an.<br />

Zum Schutz <strong>des</strong> Ortsbilds werde die Landschaftsschutzzone auf das Gebiet östlich<br />

der Staatsstrasse Kappel-Hausen ausgedehnt. Das Gebiet westlich der Staatsstrasse<br />

solle von neuen Bauten <strong>und</strong> Anlagen freigehalten werden. Insofern kann sich der<br />

Beschwerdegegner auf ein spezifisches, rechtlich geschütztes Interesse berufen.<br />

Mit dem Argument, die umstrittene Anlage könne zu einem Ausbleiben von<br />

Gästen führen, macht der Beschwerdegegner zudem ein faktisches Interesse geltend,<br />

welches eine spezifische Beziehungsnähe zum Streitgegenstand begründet.<br />

Dieses Argument kann angesichts der speziellen Ausrichtung <strong>des</strong> Hauses der Stille<br />

nicht von vornherein als unmassgeblich verworfen werden. Es mag durchaus sein,<br />

dass unter durchschnittlichen Umständen angesichts der Distanz zwischen dem<br />

Siedlungsgebiet <strong>und</strong> dem Antennenstandort eine legitimationsbegründende räumliche<br />

Nähe <strong>und</strong> eine hinreichende Betroffenheit zu verneinen wäre; vorliegend ist<br />

jedoch der besonderen Interessenlage <strong>des</strong> Beschwerdegegners, die nicht als rein<br />

subjektiver Umstand angesehen werden kann, Rechnung zu tragen. Dabei fällt in<br />

Betracht, dass das Gehölz, in welchem die Antenne errichtet werden soll, vom<br />

Garten <strong>des</strong> Hauses der Stille aus gut zu sehen ist <strong>und</strong> dass das fragliche Gebiet von<br />

den Gästen <strong>des</strong> Hauses unbestrittenermassen als Gebiet für Spaziergänge aufgesucht<br />

wird.<br />

51<br />

4


4, 5<br />

Der Regierungsrat hat daher die Rekurslegitimation <strong>des</strong> Beschwerdegegners<br />

im Ergebnis zu Recht bejaht.<br />

52<br />

VB.2004.00027 3. Kammer, 29. April<br />

BEZ 2004 Nr. 53<br />

5. Rechtsmittellegitimation: Beeinträchtigungen ideeller Art müssen ein erheblich<br />

grösseres Ausmass als materielle Immissionen erreichen, damit ein<br />

Berührtsein in qualifizierten eigenen Interessen zu bejahen ist. § 21 lit. a<br />

VRG. § 338a Abs. 1 PBG.<br />

4. (…) Die Beschwerdeführer stören sich sodann vor allem daran, dass mit<br />

dem Betrieb der Therapiestätte für Drogenabhängige der landwirtschaftliche Zonencharakter<br />

im Gebiet «L» verloren gehe. Es trifft zu, dass bei Rügen, mit denen<br />

die Verletzung von Bestimmungen geltend gemacht wird, denen nach der früheren<br />

Legitimationsumschreibung (entsprechend der Legitimation zur staatsrechtlichen<br />

Beschwerde) nachbarschützende Funktion zuerkannt wurde, ein qualifiziertes Berührtsein<br />

sich zumeist bereits aus der engen räumlichen Beziehung (die hier knapp<br />

zu bejahen ist) ergibt. Bestimmungen über die Nutzung sind in der Regel dieser Kategorie<br />

zuzuordnen, doch ist bei der Beurteilung der Beschwerdelegitimation stets<br />

von den im Einzelfall als verletzt bezeichneten Bestimmungen <strong>und</strong> gegebenen Umständen<br />

auszugehen. Bei den von den Beschwerdeführern angerufenen Urteilen<br />

RB 1962 Nr. 8 <strong>und</strong> 1982 Nr. 19 ging es um die behauptete Verletzung von Zonenvorschriften,<br />

die in Wohnzonen nur mässig störende Betriebe zuliessen, sowie um<br />

die geltend gemachte Missachtung von Vorschriften über die Ausnützung <strong>und</strong> die<br />

Gebäudehöhe. Im vorliegenden Fall stützt sich die streitbetroffene Bewilligung der<br />

Baudirektion auf Art. 24a RPG, wonach nicht mit baulichen Änderungen verb<strong>und</strong>ene,<br />

reine Zweckänderungen an Bauten <strong>und</strong> Anlagen ausserhalb der Bauzonen<br />

zulässig sind, wenn dadurch keine neuen Auswirkungen auf Raum, Erschliessung<br />

<strong>und</strong> Umwelt entstehen. Die Vorinstanzen sind übereinstimmend zum Schluss<br />

gelangt, dem streitbetroffenen Therapiebetrieb in dem schon zuvor im Rahmen <strong>des</strong><br />

früheren Gärtnereibetriebs als Wohnhaus genutzten Gebäude komme gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

Wohncharakter zu, wobei die neue Nutzung nicht mit mehr oder anderen Immissionen<br />

als die frühere verb<strong>und</strong>en sei, weshalb die Voraussetzungen für eine Bewilligung<br />

nach Art. 24a RPG erfüllt seien. Mit dem Einwand, die streitbetroffene Nutzungsänderung<br />

lasse den landwirtschaftlichen Zonencharakter verloren gehen, wird<br />

diese Beurteilung nicht in Frage gestellt. Die Rüge steht im Zusammenhang mit<br />

den geltend gemachten Nachteilen, welche die Beschwerdeführer darin sehen, dass


sie «das ständige Kommen <strong>und</strong> Gehen der (neuen) Bewohner» wahrnähmen <strong>und</strong><br />

diesbezüglich Konflikte befürchteten. Die Beschwerdeführer machen damit keine<br />

materiellen, sondern ideelle Beeinträchtigungen geltend. Beeinträchtigungen ideeller<br />

Art müssen – wie dargelegt – ein erheblich grösseres Ausmass als materielle<br />

Immissionen annehmen, damit ein Berührtsein in qualifizierten eigenen Interessen<br />

zu bejahen ist. Die von den Beschwerdeführern befürchteten Beeinträchtigungen<br />

erreichen bei objektiver Betrachtungsweise dieses Ausmass nicht.<br />

5, 6<br />

VB.2004.00426 3. Kammer, 11. November<br />

BEZ 2004 Nr. 69<br />

6. Zusammenfassung zur Legitimation der Gemeinde im Rechtsmittelverfahren.<br />

§ 21 lit. b VRG.<br />

1.2.1 Gemäss § 70 in Verbindung mit § 21 lit. a VRG ist zum Rekurs <strong>und</strong> zur<br />

Beschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Anordnung berührt ist <strong>und</strong> ein<br />

schutzwürdiges Interesse an deren Änderung oder Aufhebung hat. Eine gleich lautende<br />

<strong>und</strong> in der Praxis auch gleich ausgelegte Legitimationsvorschrift findet sich<br />

bezüglich <strong>des</strong> Anwendungsbereichs <strong>des</strong> Planungs- <strong>und</strong> Baugesetzes in § 338a Abs. 1<br />

PBG. Rekurs- <strong>und</strong> beschwerdeberechtigt sind ferner gemäss § 21 lit. b VRG, welche<br />

Vorschrift ebenfalls auf dem Gebiet <strong>des</strong> <strong>Raumplanungs</strong>- <strong>und</strong> <strong>Baurecht</strong>s anwendbar<br />

ist (RB 1998 Nr. 12), Gemeinden, andere Körperschaften <strong>und</strong> Anstalten<br />

<strong>des</strong> öffentlichen Rechts zur Wahrung der von ihnen vertretenen schutzwürdigen<br />

Interessen. Mit dieser anlässlich der Revision vom 8. Juni 1997 eingefügten Bestimmung<br />

wurde im Wesentlichen an die Praxis angeknüpft, die zur Beschwerdelegitimation<br />

nach der damals massgebenden Fassung von § 21 VRG (die dem heutigen<br />

§ 21 lit. a entspricht) entwickelt worden ist (Kölz/Bosshart/Röhl, § 21 N. 61 ff.,<br />

insbesondere N. 70). Nach der damaligen Praxis wurde die Rekurs- <strong>und</strong> Beschwerdelegitimation<br />

der Gemeinde namentlich bezüglich drei Fallgruppen bejaht, nämlich<br />

wenn sie sich für die Durchsetzung <strong>und</strong> richtige Anwendung ihres kommunalen<br />

Rechts wehrte, wenn sie einen Eingriff in die ihr bei der Anwendung von kantonalem<br />

Recht zustehende qualifizierte Entscheidungs- <strong>und</strong> Ermessensfreiheit abwehren<br />

wollte, oder wenn sie wie eine Privatperson (z.B. als Bauherrin) betroffen<br />

war. Darüber hinaus wurde der Gemeinde die Beschwerdelegitimation in Quartierplanstreitigkeiten<br />

zuerkannt, dies namentlich im Hinblick auf ihre treuhänderische<br />

Stellung gegenüber den Quartierplanbeteiligten zur Verteidigung eines im Festsetzungsbeschluss<br />

erzielten Interessenausgleichs (RB 1991 Nr. 7).<br />

53


6<br />

Diese Praxis ist seit Inkrafttreten von § 21 lit. b VRG anlehnend an bereits früher<br />

vorhandene punktuelle Ansätze im Sinn einer Öffnung erweitert worden. So<br />

wurde ein schutzwürdiges Interesse der Gemeinde bejaht, sich im Zusammenhang<br />

mit einer vom Kanton geplanten Deponie gegen eine Gefährdung ihrer Trinkwasserversorgung<br />

<strong>und</strong> eine Beeinträchtigung ihres Naherholungsgebiets zu wehren.<br />

Im Leitsatz zu diesem publizierten Entscheid (RB 1998 Nr. 13) wurde verallgemeinernd<br />

festgehalten, die Gemeinden seien (auch) dann rechtsmittellegitimiert,<br />

«wenn Interessen oder Aufgaben betroffen sind, die sie wahrnehmen bzw. erfüllen<br />

müssen, oder wenn sich eine Anordnung auf einen grossen Teil der Einwohnerschaft<br />

auswirkt». Allerdings genügt es nicht, dass der angefochtene Entscheid mit<br />

negativen Auswirkungen für eine grössere Anzahl von Bewohnern auf dem<br />

Gemeindegebiet verb<strong>und</strong>en sein kann (VGr, 22. Januar 2004, VB.2003.00395,<br />

www.vgrzh.ch, betreffend Verlegung eines Recyclingbetriebs). Ferner wurde der<br />

Gemeinde die Berechtigung zum Rekurs gegen einen Entscheid zugesprochen, der<br />

sie zur Übernahme der Kosten für die Schulung eines Hochbegabten an einer<br />

Privatschule verpflichtet; dies in Aufweichung <strong>des</strong> früher geltenden Gr<strong>und</strong>satzes,<br />

dass ein Eingriff in das kommunale Finanz- oder Verwaltungsvermögen für sich<br />

allein die Rekurs- <strong>und</strong> Beschwerdelegitimation nicht zu begründen vermag (RB 2001<br />

Nr. 9 = ZBl 102/2001, S. 525 mit weiteren Hinweisen in E. 2e). Sodann erachtete<br />

das <strong>Verwaltungsgericht</strong> eine Gemeinde als legitimiert, die Verletzung von § 357<br />

Abs. 1 PBG geltend zu machen, welche Bestimmung sich mit den zulässigen Änderungen<br />

an vorschriftswidrigen Bauten befasst (VGr, 8. Oktober 2003, VB.2003.00196,<br />

www.vgrzh.ch, Leitsatz in RB 2003 Nr. 14). Mit Urteil vom 30. September 2004<br />

(VB.2004.00321, www.vgrzh.ch) verneinte das <strong>Verwaltungsgericht</strong> die Legitimation<br />

einer Gemeinde, Beschwerde gegen einen bezirksrätlichen Rekursentscheid zu führen,<br />

womit in Auslegung von § 41 BestattV der ablehnende Beschluss der Gemeinde<br />

betreffend die Exhumierung eines Leichnams aufgehoben worden war. Das Gericht<br />

hielt darin am Gr<strong>und</strong>satz fest, dass sich die Gemeinde in Fällen, in denen ihr<br />

das kantonale Recht keinen qualifizierten – d.h. mit der Gemeindeautonomie zusammenhängenden<br />

– Entscheidungs- <strong>und</strong> Ermessensspielraum belässt, nicht gegen<br />

die ihrer Meinung nach unrichtige Anwendung dieses Rechts durch die Rekursinstanz<br />

wehren kann; der blosse Vollzug von kantonalem Recht <strong>und</strong> von B<strong>und</strong>esrecht<br />

berühre die Gemeinde nicht in ihren eigenen schutzwürdigen Interessen (so<br />

schon RB 1998 Nr. 14 betreffend die im ganzen Kanton einheitlich zu beantwortende<br />

Frage <strong>des</strong> Abfallbegriffs; vgl. auch RB 1996 Nr. 11).<br />

1.2.2 Im vorliegenden Fall lässt sich die Rechtsmittellegitimation der Beschwerdeführerin<br />

nicht schon aus der erwähnten Praxis zur Legitimation der Gemeinden<br />

in Quartierplanstreitigkeiten ableiten, geht es hier doch gerade nicht um<br />

deren treuhänderische Funktion zur Verteidigung <strong>des</strong> im Festsetzungsbeschluss<br />

54


erzielten Interessensausgleichs; vielmehr wehrt sie sich gegen den Entscheid der<br />

Baurekurskommission, wonach die streitbetroffenen Kosten dem Quartierplan<br />

überhaupt nicht belastet werden dürfen <strong>und</strong> daher die Gemeinde (sofern sie nicht<br />

vom Staat zu übernehmen sind) definitiv belasten würden. Den Beschwerdegegnern<br />

ist auch darin zuzustimmen, dass der Beschwerdeführerin bei der in erster<br />

Linie kontroversen Anwendung von § 7 Abs. 2 lit. a StrassG kein erheblicher, der<br />

Gemeindeautonomie entspringender Entscheidungsspielraum zukommt. Hingegen<br />

stehen für die Gemeinde erhebliche eigene finanzielle Interessen auf dem Spiel; insofern<br />

unterscheidet sich der vorliegende Fall vom erwähnten Urteil VB.2004.00321,<br />

in dem ausschliesslich das Kriterium der erheblichen autonomiebezogenen Entscheidungsfreiheit,<br />

die dort verneint wurde, massgebend war. In Anlehnung an das<br />

erwähnte Urteil RB 2001 Nr. 9 ist die Rechtsmittellegitimation im Hinblick auf die<br />

erheblichen eigenen finanziellen Interessen der Gemeinde auch hier zu bejahen.<br />

Das <strong>Verwaltungsgericht</strong> hat denn auch in einem vergleichbaren Fall, in dem in Auslegung<br />

der Bestimmungen <strong>des</strong> kantonalen Strassengesetzes die Aufteilung der Kosten<br />

für einen Verkehrskreisel zwischen Staat <strong>und</strong> Gemeinde streitig war, die Beschwerdelegitimation<br />

der Gemeinde stillschweigend bejaht (VGr, 19. August 2004,<br />

VB.2004.00198, www.vgrzh.ch). Im Übrigen soll nunmehr – im Rahmen der Vorlage<br />

zu einem neuen Volksschulgesetz (vgl. ABl 2004, 927) – § 21 lit. b VRG dahin<br />

geändert werden, dass der legitimationsbegründende Tatbestand «zur Wahrung der<br />

von ihr vertretenen schutzwürdigen Interessen» durch den Zusatz «insbesondere,<br />

wenn der Entscheid oder die Beachtung <strong>des</strong>selben in gleichartigen Fällen für die<br />

Gemeinde besondere finanzielle Auswirkungen hat» ergänzt wird.<br />

VB.2004.00423 3. Kammer, 2. Dezember<br />

7. Die Beschwerde laut Rechtsmittelbelehrung <strong>des</strong> angefochtenen Beschlusses<br />

entfaltet aufschiebende Wirkung auch insofern, als das <strong>Verwaltungsgericht</strong><br />

unzuständig ist. Die Vorinstanz ist auf den Rekurs wegen Verspätung zu<br />

Recht nicht eingetreten: Nach dem ersten Zurückgehen der zu erwartenden,<br />

aber nicht abgeholten erstinstanzlichen Verfügung war, wie der Rekurrent<br />

zumin<strong>des</strong>t wusste, <strong>des</strong>sen Name vom Briefkasten entfernt worden, weshalb<br />

jedenfalls die zweite, ebenso gescheiterte Zustellung als schuldhaft verhindert<br />

<strong>und</strong> mithin als gelungen zu fingieren ist; sollte der Verfügung eine<br />

Rechtsmittelbelehrung gefehlt haben, hätte es gemäss – namentlich bei Beteiligung<br />

Rechtsk<strong>und</strong>iger – strenger Praxis <strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgericht</strong>s dennoch<br />

früher zu rekurrieren gegolten als hier geschehen. § 55 Abs. 1 VRG.<br />

§ 177, § 179, § 181, § 187 GVG.<br />

6, 7<br />

55


7<br />

3. Der angefochtene Entscheid hatte eine vorbehaltlose Rechtsmittelbelehrung<br />

erteilt. Der laufenden Frist für die Beschwerde sowie deren Einreichung kam<br />

<strong>des</strong>halb laut § 55 Abs. 1 VRG unbekümmert um die Zuständigkeit <strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgericht</strong>s<br />

umfassend aufschiebende Wirkung zu (Kölz/Bosshart/Röhl, § 55 N. 2).<br />

Das galt demnach auch insofern, als die Vorinstanz die Beschwerdegegnerin beauftragt<br />

hatte, dem Beschwerdeführer eine neue Frist zum Einstellen der Erwerbstätigkeit<br />

<strong>und</strong> Verlassen <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> Zürich anzusetzen, obwohl es etwa betreffend Wegweisung<br />

kein Rechtsmittel beim <strong>Verwaltungsgericht</strong> gibt (VGr, 30. April 2003,<br />

VB.2003.00124, E. 2 Ingress, mit Hinweis, www.vgrzh.ch).<br />

Darum <strong>und</strong> weil die Beschwerde verschwieg, dass die Beschwerdegegnerin<br />

bereits Frist zum Verlassen <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> gesetzt hatte, wurde zu Rechtsmittelantrag 2<br />

nichts vorgekehrt. Der Beschwerdeführer hat sich beim Gericht auch nicht mehr<br />

gemeldet.<br />

Durch den heutigen Entscheid in der Sache verliert der hier interessierende<br />

Verfahrenspunkt seinen Gegenstand (vgl. VGr, 7. April 2004, PB.2004.00003, E. 5.1<br />

Abs. 1, mit Zitaten, www.vgrzh.ch). Trotzdem drängt sich eine Bemerkung an die<br />

Adresse der Beschwerdegegnerin auf: Sie darf Wegweisungsaufträgen, wie der angefochtene<br />

Beschluss einen enthält, bis zum instanzabschliessenden Entscheid <strong>des</strong><br />

<strong>Verwaltungsgericht</strong>s ohne <strong>des</strong>sen anderweitige Anordnung nicht entsprechen, wenn<br />

die Vorinstanz Rechtsmittelbelehrungen auf vorliegende Art erteilt, das heisst vorbehaltlos<br />

<strong>und</strong> ohne einschlägigen Entzug aufschiebender Wirkung.<br />

4.1 Analog § 187 Abs. 1 in Verbindung mit § 177 Abs. 1 GVG teilen auch<br />

Zürcher Verwaltungsbehörden ihre schriftlichen Anordnungen meist postalisch mit<br />

(VGr, 29. Mai 2002, ZR 101/2002 Nr. 86 E. 3b S. 264). Anwendung finden alsdann<br />

ebenso § 179 GVG, wonach gescheiterte Zustellungen wiederholt werden (Abs. 1)<br />

bzw. bei ihrer schuldhaften Verhinderung als erfolgt gelten (Abs. 2), <strong>und</strong> § 181<br />

GVG, welche Bestimmung einer Partei Änderungen <strong>des</strong> gewöhnlichen Aufenthaltsorts<br />

während <strong>des</strong> Verfahrens unverzüglich anzuzeigen auferlegt, ansonsten Zustellungen<br />

an die letztbekannte Adresse rechtswirksam sind (RB 1999 Nr. 8, 1998 Nr. 2<br />

E. 1 = ZR 98/1999 Nr. 26 E. a).<br />

Schuldhafte Verhinderung liegt vor, wenn der Adressat das Erforderliche für<br />

den Empfang von Post nicht vorkehrt, obwohl er auf Gr<strong>und</strong> eines bestehenden Prozessrechtsverhältnisses<br />

die Sendung eines behördlichen Akts konkret mit gewisser<br />

Wahrscheinlichkeit erwarten muss. Selbst im Fall einer zweiten Zustellung gilt die<br />

erste als geschehen, sofern sich ihre schuldhafte Verhinderung nachweisen lässt.<br />

56


Hierzu genügt zu erhärten, dass etwa eine Abholungseinladung in den Machtbereich<br />

<strong>des</strong> Adressaten gelangte, zum Beispiel in <strong>des</strong>sen Brief- oder Postfach. Ist<br />

die erste Zustellung dargetan, hat eine zweite für den Fristenlauf prinzipiell – unter<br />

Vorbehalt einzig <strong>des</strong> Vertrauensschutzes – keine Bedeutung mehr. Nach zwei erfolglosen<br />

Chargé-Zustellungsversuchen darf man gestützt auf die allgemeine Erfahrung<br />

vermuten, zumin<strong>des</strong>t eine Abholungseinladung sei richtig deponiert worden,<br />

wobei dann freilich zu Gunsten <strong>des</strong> Adressaten erst der zweite Versuch den<br />

Fristenlauf auslöst (zum Ganzen RB 2002 Nr. 114 E. 2b, mit Hinweisen insbesondere<br />

auf OGr, 18. September 1998, ZR 98/1999 Nr. 18, E. II.3e <strong>und</strong> f, <strong>und</strong> 1. Juli 1999,<br />

ZR 98/1999 Nr. 43, sowie BGr, 23. Juli 2002, 1P.209/2002, E. 2.2.1, www.bger.ch).<br />

Nicht nur wissentliche Weigerung, sondern ebenso passive Nichtannahme<br />

von Post bedeutet schuldhafte Verhinderung. Bloss bei wissentlicher Annahmeverweigerung<br />

lässt sich auf einen zweiten Zustellungsversuch verzichten. Bei passiver<br />

Nichtannahme darf die Behörde erst nach zweimaligem vergeblichem Versuch –<br />

widerlegbar – vermuten, eine Abholungseinladung sei korrekt hinterlegt worden<br />

<strong>und</strong> der Adressat hätte die Sendung rechtzeitig abholen können. Im Fall schuldhafter<br />

Vereitelung gilt der letzte Tag der siebentägigen Abholungsfrist als Zustellungsdatum.<br />

Die Empfangspflicht dauert selbst dann fort, wenn über mehrere Monate<br />

keine Verfahrenshandlungen erfolgen, allerdings lediglich noch in abgeschwächter<br />

Form, sofern seit dem letzten verfahrensbezogenen Kontakt sehr lange Zeit verstrichen<br />

ist (zum Ganzen VGr, 19. Mai 2000, VB.2000.00127, E. 2a, mit Hinweisen,<br />

www.vgrzh.ch).<br />

4.1.1 Mit Fug nimmt der angefochtene Entscheid für die beschwerdegegnerische<br />

Verfügung vom 10. September 2003 eine Empfangspflicht <strong>des</strong> Beschwerdeführers<br />

an <strong>und</strong> bestreitet Letzterer eine solche nicht. Diese Pflicht bestand um die<br />

Monatswende September/Oktober 2003 unabgeschwächt, nachdem die Parteien noch<br />

im Juni jenes Jahres wegen der kontroversen Aufenthaltsbewilligung miteinander<br />

korrespondiert hatten (oben 4.1 Abs. 2 f.).<br />

Die Vorinstanz geht davon aus, der Beschwerdeführer habe beim ersten Versuch,<br />

ihm die Verfügung vom 10. September 2003 auszuhändigen, eine Abholungseinladung<br />

erhalten; <strong>des</strong>halb habe er schon seinerzeit die Zustellung schuldhaft verhindert<br />

<strong>und</strong> müsse diese als erfolgt gelten. Der Beschwerdeführer wiederholt vor<br />

<strong>Verwaltungsgericht</strong>, was der angefochtene Entscheid als Schutzbehauptung apostrophiert,<br />

nämlich keine Abholungseinladung bekommen zu haben.<br />

7<br />

57


7<br />

Offen bleiben darf, ob sich die vorinstanzliche Auffassung mit der aufgezeigten<br />

Praxis vereinbaren lasse (oben 4.1). Denn es erweist sich sogleich, dass jedenfalls<br />

der zweite Versuch einer Zustellung zwischen dem 29. September sowie dem<br />

6. Oktober 2003 als geglückt zu fingieren ist. Mithin begann die 30-tägige Rekursfrist<br />

spätestens am 7. Oktober 2003 zu laufen <strong>und</strong> hatte sich längst erschöpft, als<br />

der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel beim Regierungsrat einlegte (§§ 11, 22<br />

Abs. 1 VRG). Dieser ist darauf im Ergebnis zu Recht nicht eingetreten. Wie es um<br />

die Ehe <strong>des</strong> Beschwerdeführers insbesondere angesichts neuerer Beteuerungen der<br />

Gattin steht, spielt hier darum keine Rolle.<br />

4.1.2 Als die Post die Verfügung vom 10. September 2003 erneut zuzustellen<br />

versuchte, fehlte an der L-Strasse in Y im Gegensatz zum ersten Mal unstreitig eine<br />

Briefkastenbeschriftung mit dem Namen A. Der Beschwerdeführer behauptet nirgends,<br />

diese Veränderung nicht gekannt zu haben. In einer solchen liegt ohne weiteres<br />

eine schuldhafte Verhinderung der Zustellung, welche daher als erfolgt gilt<br />

(oben 4.1). Eines dritten Anlaufs der Beschwerdegegnerin bedurfte es alsdann nicht<br />

(Kölz/Bosshart/Röhl, § 10 N. 27 f.). Ebenso wenig muss sich die Post vorwerfen<br />

lassen, sie hätte von vorher wissen sollen, dass der Beschwerdeführer – angeblich<br />

– an der von der Beschwerdegegnerin benützten Adresse wohne.<br />

Auf der beschwerdeführerischen Antwort zum Brief <strong>des</strong> Migrationsamts vom<br />

4. Juni 2003, welchen es an die L-Strasse in Y gesandt hatte, prangte als Geschlechtsname<br />

nur «A» sowie dieselbe Adresse. Die Beschwerdegegnerin durfte<br />

folglich die Verfügung vom 10. September 2003 im Sinn von § 181 GVG dorthin<br />

schicken <strong>und</strong> musste nicht den Allianznamen A–C verwenden. Eine schuldhafte<br />

Vereitelung spätestens der zweiten Zustellung lässt sich annehmen, sodass eine solche<br />

nachträglich am Arbeitsort <strong>des</strong> Beschwerdeführers nicht noch ein drittes Mal<br />

versucht zu werden brauchte (siehe Kölz/Bosshart/Röhl, § 10 N. 29).<br />

Allerdings rügt der Beschwerdeführer, die Beschwerdegegnerin habe seine<br />

Anmeldung in Y hintertrieben, die Verfügung vom 10. September 2003 jedoch<br />

trotzdem dorthin gesandt, wo er nach ihrer Auffassung zudem gar nicht wohne. Wie<br />

es sich damit verhalte, darf in<strong>des</strong> dahin stehen. Denn der kommunale Mel<strong>des</strong>tatus<br />

einer Person hat nichts damit zu schaffen, welche Adresse jene in einem anderen<br />

Verfahren – für Zustellungen bindend – nennt.<br />

4.2 Der Beschwerdeführer behauptet, die Verfügung der Beschwerdegegnerin<br />

vom 10. September 2003 habe beim zweiten Zustellungsversuch einer Rechtsmittelbelehrung<br />

ermangelt. Deshalb habe die Beschwerdefrist weder damals noch bei<br />

58


Akteneinsichtnahme durch seinen Vertreter am 5. November 2003 zu laufen begonnen.<br />

Die Vorinstanz sei auf die gleiche Argumentation in der Rekursschrift nicht<br />

eingegangen. Wegen so missachteter Garantie <strong>des</strong> Anspruchs auf rechtliches Gehör<br />

nach Art. 9 (richtig: 29) Abs. 2 BV müsse der angefochtene Entscheid aufgehoben<br />

werden.<br />

4.2.1 Offensichtlich hat der Beschwerdeführer nur Blatt 1 jener Verfügung zur<br />

Kenntnis genommen <strong>und</strong> kopiert. Es gab bei beiden Zustellungsversuchen in<strong>des</strong><br />

auch ein Blatt 2 mit Rechtsmittelbelehrung. Dass der angefochtene Entscheid dieses<br />

Thema nicht behandelt, lässt sich vor <strong>Verwaltungsgericht</strong> ohne weiteres wettmachen<br />

(vgl. VGr, 28. April 2004, PB.2003.00041, E. 2.4, mit Hinweisen, www.vgrzh.ch).<br />

4.2.2 Ansonsten würde das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung nicht bedeuten,<br />

es hätte sich noch irgendwann rekurrieren lassen (Kölz/Bosshart/Röhl, § 10 N. 51,<br />

auch zum Weiteren). Die Anfechtbarkeit von Anordnungen wird nämlich als allgemein<br />

bekannt vorausgesetzt. Deshalb erwartet man von den Rechtssuchenden, das<br />

statthafte Rechtsmittel zu erfragen sowie es binnen gebührender Frist zu ergreifen,<br />

welche die Rechtsmittelfrist durchaus an Länge übertreffen kann. Die Messlatte ist<br />

dabei für Rechtsk<strong>und</strong>ige höher zu legen. Überhaupt aber verfolgt das <strong>Verwaltungsgericht</strong><br />

insofern eine relativ strenge Praxis: Es trat zum Beispiel auf die Beschwerde<br />

eines Privaten nicht ein, der erst einen Monat nach Zustellung <strong>des</strong> vorinstanzlichen<br />

Entscheids einen Anwalt konsultiert hatte, welcher hinwiederum kurz hierauf<br />

das Rechtsmittel einreichte; <strong>und</strong> einer anderen beschwerdeführenden Partei<br />

hielt es entgegen, deren Vertreter habe das Rechtsmittel etwas mehr als einen Monat<br />

nach seinem Beizug erhoben (zum Ganzen VGr, 23. März 2000, VB.1999.00394,<br />

E. 3b Abs. 3, www.vgrzh.ch).<br />

Die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 10. September 2003 gilt als spätestens<br />

am 6. Oktober 2003 dem Beschwerdeführer zugestellt (oben 4.1.1 Abs. 3).<br />

Dieser suchte am 23. letzteren Monats seinen Vertreter auf, der nach eigener<br />

Angabe von jener Verfügung am 5. November 2003 Kenntnis erhalten hat. Der Rekurs<br />

datiert vom 5. Dezember 2003.<br />

7<br />

59


7, 8<br />

Angesichts <strong>des</strong> im vorvorherigen Absatz Gesagten wäre dieses Rechtsmittel<br />

selbst ohne einschlägige Belehrung verspätet gewesen <strong>und</strong> das Nichteintreten <strong>des</strong><br />

angefochtenen Entscheids folglich auch insofern zu schützen.<br />

60<br />

VB.2004.00105 4. Kammer, 9. Juni<br />

ZR 104/2005 Nr. 5<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine gegen diesen Entscheid erhobene <strong>Verwaltungsgericht</strong>sbeschwerde<br />

abgewiesen (BGr, 31. August 2004, 2A.467/2004, www.bger.ch).<br />

8. Intertemporales Verwaltungsverfahrensrecht. Neues Verfahrensrecht ist<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich sofort anzuwenden, doch richtet sich die Zuständigkeit für<br />

hängige Verfahren nach bisherigem Recht. Hängigkeit tritt mit Erhebung<br />

<strong>des</strong> Rechtsmittels ein. Der weitere Instanzenzug folgt neuem Recht, wobei<br />

ein neugeschaffenes Rechtsmittel nicht mehr ergriffen werden kann, wenn<br />

es als Ersatz für ein altrechtliches, bereits beanspruchtes Rechtsmittel dient.<br />

§ 101, Art. XV Abs. 3 (Übergangsbestimmung) VRG.<br />

3.1 Laut B<strong>und</strong>esgericht gebieten die intertemporalrechtlichen Regeln zum<br />

Verfahrensrecht, neues Prozessrecht in analoger Anwendung von Art. 2 Schlusstitel<br />

ZGB sofort anzuwenden, sofern einschlägige Übergangsbestimmungen nicht etwas<br />

anderes vorsehen <strong>und</strong> die Kontinuität <strong>des</strong> bisherigen (materiellen) Rechts dadurch<br />

nicht gefährdet wird (BGE 126 III 431 E. 2b; vgl. auch Rhinow/Krähenmann,<br />

Nr. 15 B III f mit weitern Hinweisen). Was die Zuständigkeit betrifft, wandte das<br />

B<strong>und</strong>esgericht allerdings Art. 81 VwVG sowie Art. 171 OG <strong>und</strong> Ziff. III Abs. 2 der<br />

Schlussbestimmungen der Änderung <strong>des</strong> Letzteren vom 20. Dezember 1968 analog<br />

an, als es eine diesbezügliche Gesetzeslücke zu füllen galt. Gestützt darauf entschied<br />

es, die betreffenden neuen Zuständigkeitsbestimmungen gälten nur dann,<br />

wenn der angefochtene Entscheid nach ihrem Inkrafttreten ergangen sei (BGE 115 II<br />

97 E. 2c; vgl. zum B<strong>und</strong>esrechtspflegegesetz auch Ziff. 3 Abs. 1 der Schlussbestimmungen<br />

der Änderung vom 4. Oktober 1991). In der Lehre gilt insbesondere als<br />

sinnvoll, dass das Gesetz als massgebenden Zeitpunkt die Eröffnung <strong>des</strong> angefochtenen<br />

Rechtsakts durch die jeweilige Vorinstanz festlege, wenn es vorsehe, dass das<br />

neue Prozessrecht keine Anwendung auf die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens bei<br />

bestimmten Rechtsmittelinstanzen hängigen Streitigkeiten finde (Alfred Kölz,<br />

Intertemporales Verwaltungsrecht, ZSR 102/1983 II, S. 101 ff., 222 f.; Kölz/Häner,<br />

Rz. 79). Das <strong>Verwaltungsgericht</strong> hat das Weitergelten der bisherigen Zuständigkeit<br />

zu den «allgemeinen übergangsrechtlichen Gr<strong>und</strong>sätzen» gezählt, allerdings bei


der Anwendung von B<strong>und</strong>esrecht, das eine solche Regelung in den Verfahrensgesetzen<br />

ausdrücklich vorsieht (VGr, 3. Juli 1997, VB.96.00103, E. 1).<br />

3.2 Das Bildungsgesetz enthält keine Übergangsbestimmungen; [...] Die<br />

Lücke ist im Sinn <strong>des</strong> allgemeinen Rechtsgr<strong>und</strong>satzes, <strong>des</strong>sen Ausdruck Art. 1 Abs.<br />

2 ZGB ist, nach gesetzgeberischer Methode auszufüllen. Dabei liegt es nahe, die<br />

intertemporalrechtlichen Bestimmungen <strong>des</strong> Verwaltungsrechtspflegegesetzes heranzuziehen<br />

(vgl. BGE 115 II 97 E. 2c S. 100).<br />

3.2.1 Der heutige § 101 VRG besagt, dass die beim Inkrafttreten <strong>des</strong> Gesetzes<br />

vor bestimmten Instanzen anhängigen Streitigkeiten aufgr<strong>und</strong> der bisherigen Zuständigkeitsvorschriften<br />

zu beurteilen <strong>und</strong> weiterzuziehen seien. Nach Art. XV Abs. 3<br />

der Schluss- <strong>und</strong> Übergangsbestimmungen der Gesetzesrevision vom 8. Juni 1997<br />

zum Verwaltungsrechtspflegegesetz bestimmt sich die Zuständigkeit in den im<br />

Zeitpunkt <strong>des</strong> Inkrafttretens der Gesetzesnovelle hängigen Rechtsmittelverfahren<br />

nach bisherigem Recht.<br />

3.2.2 Der Begriff <strong>des</strong> «hängigen Rechtsmittelverfahrens» in Art. XV Abs. 3<br />

VRG meint nach – soweit ersichtlich – konstanter Rechtsprechung jene Verfahren,<br />

die vor dem Stichtag vor die betreffende Rechtsmittelinstanz gebracht wurden (VGr,<br />

27. Mai 2003, VB.2003.00039, E. 1, www.vgrzh.ch; 19. März 1998, VB.98.00018,<br />

E. 2a [Leitsatz in RB 1998 Nr. 43]; RB 1960 Nr. 9; Kölz/Bosshart/Röhl, Art. XV<br />

N. 3). Auf die Regelung der Zivilprozessordnung, wonach der Zeitpunkt der Fällung<br />

bzw. Eröffnung <strong>des</strong> angefochtenen Entscheids relevant ist, wurde nicht zurückgegriffen<br />

(vgl. § 3 der dortigen Einführungs- <strong>und</strong> Übergangsbestimmungen, § 2 der<br />

Übergangsbestimmungen zur Gesetzesänderung vom 24. September 1995). Massgeblich<br />

ist demnach nicht der Zeitpunkt <strong>des</strong> Erlasses oder der Eröffnung <strong>des</strong> angefochtenen<br />

Entscheids, sondern jener von <strong>des</strong>sen Anfechtung. Es besteht kein Anlass,<br />

von dieser dem Gesetzeswortlaut entsprechenden Praxis abzuweichen. Insbesondere<br />

können dabei auch keine Unklarheiten in Bezug auf die Rechtsmittelfrist<br />

entstehen, weil diese ohnehin einheitlich 30 Tage beträgt.<br />

3.2.3 Zu prüfen bleibt, ob gemäss Art. XV Abs. 3 in Verbindung mit § 101 VRG<br />

sich der gesamte Rechtsweg nach altem Recht richten würde, wenn ein Verfahren<br />

im Zeitpunkt <strong>des</strong> Inkrafttretens <strong>des</strong> neuen Rechts bei der ersten Rekursinstanz hängig<br />

war. Das <strong>Verwaltungsgericht</strong> hat unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien<br />

festgehalten, dass mit Art. XV Abs. 3 VRG eine zu § 101 VRG analoge Bestimmung<br />

geschaffen werden sollte (VGr, 19. März 1998, VB.98.00018, E. 2b; Weisung<br />

<strong>des</strong> Regierungsrats vom 3. Mai 1995 zum Verwaltungsrechtspflegegesetz, ABl 1995<br />

8<br />

61


8<br />

II 1520, 1559). Es hat demgemäss an die frühere Praxis zum heutigen § 101 VRG<br />

angeknüpft, wonach die Verbindung der altrechtlichen mit den neurechtlichen<br />

Zuständigkeiten ausgeschlossen sei (VGr, 19. März 1998, VB.09.00018, E. 2b;<br />

RB 1960 Nr. 9). Dies gilt unter dem Vorbehalt einer anderweitigen Regelung durch<br />

höherrangiges Recht (vgl. VGr, 4. Dezember 2003, VB.2003.00304, E. 1; 13. November<br />

2003, VB.2003.00333, E. 1 [je unter www.vgrzh.ch]).<br />

3.2.4 Diese Praxis hat allerdings nur einen beschränkten Anwendungsbereich.<br />

Im Kern geht es darum, dass die Rechtsmittel nach altem <strong>und</strong> nach neuem Recht<br />

nicht kumulativ gegeben sein sollen, wenn durch das neue Recht die Zuständigkeit<br />

der einen Behörde durch diejenige einer andern abgelöst wird. Wer den Rechtsweg<br />

nach altem Recht vollständig beschritten hat, soll nicht ein weiteres Rechtsmittel<br />

nach dem neuen Recht in Anspruch nehmen können, wenn dieses als Ersatz für ein<br />

von der betreffenden Person bereits benutztes altrechtliches Rechtsmittel geschaffen<br />

wurde. Diesen Gr<strong>und</strong>satz wandte das <strong>Verwaltungsgericht</strong> jeweils an, soweit das<br />

neu in Kraft getretene Recht den Rekurs an den Regierungsrat durch die Beschwerde<br />

an das <strong>Verwaltungsgericht</strong> ersetzt hatte: Es trat nicht auf Beschwerden gegen<br />

Beschlüsse ein, die der Regierungsrat noch nach altem Recht als zweite Rekursinstanz<br />

gefällt hatte (RB 1998 Nr. 43; vgl. auch RB 1960 Nr. 9). Der Rechtsprechung<br />

zu Art. XV Abs. 3 VRG kann demnach nicht entnommen werden, dass der gesamte<br />

Rechtsmittelweg nach altem Recht bestehen bleibt, wenn im Zeitpunkt <strong>des</strong> Inkrafttretens<br />

<strong>des</strong> neuen Rechts ein Verfahren vor einer (ersten) Rekursinstanz hängig<br />

war. Insofern ist die Analogie zu § 101 VRG beschränkt. Dies ergibt sich bereits<br />

aus dem unterschiedlichen Wortlaut der beiden Bestimmungen, da Art. XV Abs. 3<br />

VRG im Gegensatz zu § 101 VRG den Weiterzug nicht dem alten Recht unterstellt.<br />

Sodann folgt es aus dem in den Materialien genannten Zweck von Art. XV Abs. 3<br />

VRG: Gemäss der Weisung vom 3. Mai 1995 sollte mit dieser Bestimmung einzig<br />

«ein 'Herumschieben' von Prozessen vermieden» werden, «das erheblichen Aufwand<br />

<strong>und</strong> bedeutende Verzögerungen bewirken würde» (ABl 1995 II 1559).<br />

Diesem Ergebnis widerspricht im Übrigen auch nicht, dass das <strong>Verwaltungsgericht</strong><br />

auf eine Beschwerde in einem Fall eingetreten war, der im Zeitpunkt <strong>des</strong> Inkrafttretens<br />

<strong>des</strong> neuen Rechts vor der Vorinstanz – dem Regierungsrat – hängig gewesen<br />

war. In diesem Spezialfall hatte das neue B<strong>und</strong>esrecht das kantonale Verfahren<br />

überhaupt beseitigt. Dies war der Gr<strong>und</strong>, weshalb das <strong>Verwaltungsgericht</strong><br />

das Verfahren gemäss der altrechtlichen, kantonalen Zuständigkeit noch zu Ende<br />

führte (VGr, 3. Juli 1997, VB.96.00103, E. 1).<br />

62


8, 9, 10<br />

Letztlich stellen die genannten Entscheide somit Ausnahmen zum Gr<strong>und</strong>satz<br />

auf, dass der Rechtsweg sich nach neuem Recht richtet, wenn ein Entscheid nach<br />

<strong>des</strong>sen Inkrafttreten angefochten wird (vgl. auch RB 1998 Nr. 43, wo als Rechtsmittel<br />

gegen erstinstanzliche Rekursentscheide der Baurekurskommissionen, die<br />

beim Inkrafttreten <strong>des</strong> neuen Rechts noch nicht an den Regierungsrat weitergezogen<br />

worden waren, die Beschwerde an das <strong>Verwaltungsgericht</strong> gemäss dem neuen<br />

Recht bezeichnet wurde).<br />

VB.2004.00046 4. Kammer, 7. April<br />

II. <strong>Verwaltungsgericht</strong>sbarkeit<br />

1. <strong>Verwaltungsgericht</strong>liche Beschwerde<br />

9. Hat ein Richter in einem früheren Verfahren bereits zu Vorfragen Stellung<br />

genommen, die sich im neuen Verfahren wiederum stellen, begründet dies<br />

noch keinen Ausstandsgr<strong>und</strong>. Gegen eine zu strenge Handhabung der Unvereinbarkeit<br />

spricht neben praktischen Schwierigkeiten, die sich für die<br />

Gerichtsorganisation <strong>und</strong> den Verfahrensablauf ergeben können, auch die<br />

Gefahr unkoordinierter, widersprüchlicher Entscheide. Allein aus der Tatsache,<br />

dass das Gericht zwei Verfahren, die es ohne weiteres gleichzeitig hätte<br />

beurteilen dürfen, nicht gemeinsam, sondern nacheinander behandelt,<br />

lässt sich keine unzulässige Vorbefassung ableiten. § 5a Abs. 2, § 86 VRG.<br />

VK.2004.00002 1. Kammer, 8. Dezember<br />

BEZ 2005 Nr. 4<br />

10. Wurde das Beschwerdeverfahren in erster Linie durch eine mangelhafte<br />

Ausschreibung ausgelöst, können die Verfahrenskosten der Vergabebehörde<br />

auch dann auferlegt werden, wenn die Beschwerde abgewiesen wird. § 13<br />

Abs. 2 Satz 2 VRG.<br />

VB.2004.00195 1. Kammer, 27. Oktober<br />

BEZ 2005 Nr. 5<br />

63


11, 12, 13<br />

11. Eine gesetzmässige Kautionierung <strong>des</strong> Gesuchstellers durch den Abteilungspräsidenten<br />

stellt keinen Ausstandsgr<strong>und</strong> dar. § 15 Abs. 2 lit. b VRG.<br />

64<br />

RG.2004.00003 2. Kammer, 5. Mai<br />

12. Die für die Rekurs- <strong>und</strong> Beschwerdelegitimation erforderliche Betroffenheit<br />

<strong>des</strong> Anfechtenden muss unmittelbar sein, das heisst der geltend gemachte<br />

Nachteil darf nicht bloss eine Folge <strong>des</strong> dem Adressaten durch die Verfügung<br />

gebotenen Handelns sein. § 21 lit. a VRG. § 338 a Abs. 1 PBG.<br />

VB.2004.00146 1. Kammer, 14. Juli<br />

VB.2004.00147 BEZ 2004 Nr. 50<br />

13. Der Klärschlamm-Entsorgungsplan <strong>des</strong> Regierungsrats enthält individuellkonkrete<br />

Anordnungen, die beim <strong>Verwaltungsgericht</strong> angefochten werden<br />

können. Die betroffenen Gemeinden sind insoweit zur Beschwerde legitimiert.<br />

§ 21 lit. b, § 41 VRG.<br />

1.2 Der Überprüfung durch das <strong>Verwaltungsgericht</strong> entzogen ist [...] die abstrakte<br />

Normenkontrolle. Nicht anfechtbar sind <strong>des</strong>halb generell-abstrakte Erlasse.<br />

Diesbezüglich ist bloss eine akzessorische Kontrolle möglich (vgl. Kölz/Bosshart/<br />

Röhl, § 41 N. 8, § 50 N. 117).<br />

1.2.1 Gemäss Art. 31 Abs. 1 USG erstellen die Kantone eine Abfallplanung,<br />

ermitteln insbesondere ihren Bedarf an Abfallanlagen, vermeiden Überkapazitäten<br />

<strong>und</strong> legen die Standorte der Abfallanlagen fest. Siedlungsabfälle, Abfälle aus dem<br />

öffentlichen Strassenunterhalt <strong>und</strong> der öffentlichen Abwasserreinigung werden von<br />

den Kantonen entsorgt (Art. 31b Abs. 1 USG). Die Kantone legen für diese Abfälle<br />

Einzugsgebiete fest <strong>und</strong> sorgen für einen wirtschaftlichen Betrieb der Abfallanlagen.<br />

Der Inhaber muss die Abfälle den von den Kantonen vorgesehenen Sammlungen<br />

oder Sammelstellen übergeben (Abs. 2 <strong>und</strong> 3; vgl. ferner Art. 18 Abs. 1 TVA).<br />

1.2.2 Auf diesen Rechtsgr<strong>und</strong>lagen legte der Regierungsrat in Dispositiv-<br />

Ziffer I.1 <strong>des</strong> angefochtenen Beschlusses fest, dass der gesamte in zürcherischen<br />

Abwasserreinigungsanlagen anfallende Klärschlamm ab 1. Oktober 2006 über zürcherische<br />

Kehricht-, Klärschlammverbrennungsanlagen oder in der Zementindu-


strie entsorgt werde. Dazu würden die Abwasserreinigungsanlagen verschiedenen<br />

Einzugsgebieten zur Schlammentsorgung zugewiesen. Diese Zuweisung erfolge für<br />

zehn Jahre (Dispositiv-Ziffer I.6). Sodann enthält Dispositiv-Ziffer I zahlreiche<br />

weitere ergänzende Bestimmungen betreffend Notfallkonzept, Planung, Kontrolle<br />

<strong>und</strong> dergleichen. Für einzelne Abwasserreinigungsanlagen, welche vom vorliegenden<br />

Beschwerdeverfahren nicht berührt sind, werden schliesslich Sonderregelungen<br />

getroffen.<br />

Soweit es in dieser Dispositiv-Ziffer nicht um die letztgenannten Sonderregelungen<br />

für einzelne Abwasserreinigungsanlagen geht, liegt keine konkrete Anordnung<br />

vor. Es werden vielmehr die Gr<strong>und</strong>züge <strong>des</strong> Entsorgungskonzepts <strong>und</strong> die<br />

Pflichten der betroffenen Gemeinden <strong>und</strong> Gemeindeverbände in allgemeiner Weise<br />

festgelegt. Die Dispositiv-Ziffer richtet sich insofern auch gleichermassen an sämtliche<br />

Inhaber von öffentlichen Abwasserreinigungsanlagen. Jedenfalls mit Bezug<br />

auf die Beschwerdeführerin handelt es sich bei den Regelungen in Dispositiv-Ziffer<br />

I somit um generell-abstrakte Anordnungen. Soweit die Beschwerde auf eine Änderung<br />

bzw. Ergänzung dieser allgemeinen Bestimmungen abzielt, ist darauf nicht<br />

einzutreten.<br />

1.2.3 In den Dispositiv-Ziffern II ff. erfolgt die individuelle Zuordnung der<br />

einzelnen kommunalen Abwasserreinigungsanlagen zu jeweils einer bestimmten<br />

Aufbereitungs- oder Entsorgungsanlage. Die Inhaber der Abwasserreinigungsanlagen<br />

werden ausdrücklich verpflichtet, den anfallenden Klärschlamm über die bezeichneten<br />

Anlagen zu entsorgen <strong>und</strong> die Verträge zur Sicherstellung der Entsorgungsoptionen<br />

<strong>und</strong> zur Festlegung angemessener finanzieller Beteiligung bis<br />

31. März 2004 abzuschliessen.<br />

Wohl wird die Festsetzung eines Einzugsgebiets für die Abfallentsorgung<br />

(Art. 31b Abs. 2 USG) gewöhnlich als eine generell-abstrakte Regelung aufgefasst<br />

(Pierre Tschannen in: Kommentar USG, Art. 31b N. 20). In<strong>des</strong> stehen vorliegend<br />

nicht allgemein Siedlungsabfälle einer unbestimmten Vielzahl von Personen oder<br />

eine unbestimmte Vielzahl von Lebenssachverhalten zur Diskussion. Vielmehr geht<br />

es um die konkrete Verpflichtung der namentlich aufgeführten Inhaber der Abwasserreinigungsanlagen,<br />

ihren Klärschlamm über die ihnen jeweils zugewiesene Anlage<br />

zu entsorgen. Mit Bezug auf die Dispositiv-Ziffern II ff. erscheint der angefochtene<br />

Beschluss – in Übereinstimmung mit der vorinstanzlichen Rechtsmittelbelehrung<br />

– demzufolge als anfechtbare individuell-konkrete Anordnung.<br />

1.3.2 Mit der an die Gemeinden <strong>und</strong> Gemeindeverbände gerichteten Anordnung,<br />

den bei ihren Abwasserreinigungsanlagen anfallenden Klärschlamm einer<br />

13<br />

65


13, 14, 15<br />

bestimmten Entsorgungs- oder Aufbereitungsanlage zuzuführen, sind finanzielle<br />

Pflichten verb<strong>und</strong>en. Es liegt auf der Hand, dass die getroffene Zuordnung für die<br />

einzelnen Körperschaften unterschiedliche Kosten zur Folge hat (vgl. namentlich<br />

Dispositiv-Ziffer V <strong>des</strong> angefochtenen Entscheids). Es lässt sich daher durchaus sagen,<br />

dass die beschwerdeführende Gemeinde mit ihrem Rechtsmittel die teilweise<br />

Abwehr finanzieller Verpflichtungen bezweckt. Im Zusammenhang mit diesen Folgekosten<br />

erscheint die Beschwerdeführerin auch im Interesse ihrer Einwohnerschaft<br />

als legitimiert: Die Einwohner haben als die ursprünglichen Verursacher zu<br />

gelten <strong>und</strong> daher letztlich die Kosten für die Entsorgung der Abfälle aus der Abwasserreinigung<br />

zu tragen (vgl. dazu Art. 60a Abs. 1 GSchG; Ursula Brunner in: Kommentar<br />

USG, Art. 32 N. 21).<br />

66<br />

VB.2004.00016 4. Kammer, 26. Mai<br />

VB.2004.00029<br />

VB.2004.00044<br />

14. Wird wegen ungerechtfertigter Kündigung eine angemessene Entschädigung<br />

verlangt, ohne dass deren Höhe spezifiziert wird, ist zur Bestimmung<br />

<strong>des</strong> Streitwerts gr<strong>und</strong>sätzlich auf die in den anwendbaren Erlassen vorgesehenen<br />

Obergrenzen abzustellen. § 38 Abs. 2 VRG. § 3 Abs. 1 GebV VGr.<br />

PB.2003.00036 4. Kammer, 24. März<br />

15. Die wegen Arbeitsverweigerung erfolgte Disziplinierung eines Strafgefangenen<br />

durch bloss vorübergehende Verschärfung der Haftbedingungen<br />

stützt sich nicht auf öffentliches Recht <strong>des</strong> B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> stellt auch keine<br />

strafrechtliche Anklage im Sinn von Art. 6 Abs. 1 EMRK dar, weshalb sich<br />

nicht Beschwerde beim <strong>Verwaltungsgericht</strong> erheben lässt. Art. 6 Abs. 1<br />

EMRK. § 43 Abs. 1 lit. g VRG.<br />

VB.2004.00229 ER 4. Abteilung, 24. Juni<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht ist auf eine staatsrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid nicht eingetreten<br />

(BGr, 2. August 2004, 6A.46/2004, www.bger.ch).


16. Voraussetzung für die Gültigkeit der Beschwerde ist der Beschwerdewille.<br />

Ein nachträglicher Verzicht auf die Erhebung eines Rechtsmittels ist gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

– unter Vorbehalt von Willensmängeln – verbindlich. Der Beschwerdewille<br />

muss im Zeitpunkt <strong>des</strong> Ablaufs der Beschwerdefrist vorhanden<br />

sein. Eine vorsorgliche Beschwerdeerhebung ist nur in den gesetzlich<br />

geregelten Fällen zulässig. Die Möglichkeit, den Beschluss <strong>des</strong> verbandsintern<br />

zuständigen Organs, auf die Beschwerde zu verzichten, verbandsintern<br />

anzufechten, führt zu keiner anderen Beurteilung (Gestaltungsplan «Stadion<br />

Zürich», Beschwerde <strong>des</strong> Verkehrsclubs der Schweiz [VCS]). § 54 VRG.<br />

2.1 Primäre Voraussetzung für die Gültigkeit je<strong>des</strong> Rechtsmittels ist der Beschwerdewille<br />

<strong>des</strong> Betroffenen, der eine diesbezügliche Rechtsschrift einreicht.<br />

Das bedeutet, dass ein Rekurs oder eine Beschwerde vorbehaltlos erhoben werden<br />

muss. Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist muss Klarheit herrschen, ob der ergangene<br />

Entscheid angefochten oder anerkannt worden ist (Kölz/Bosshart/Röhl, § 23 N. 8<br />

<strong>und</strong> 9).<br />

2.2 In Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung wird nicht ausgeschlossen, dass auch in der<br />

Verwaltungsrechtspflege ein im Nachhinein, das heisst nach Inempfangnahme <strong>des</strong><br />

begründeten Entscheids erklärter Verzicht auf die Erhebung eines Rechtsmittels<br />

wirksam in dem Sinn sei, als der Verzicht gr<strong>und</strong>sätzlich verbindlich ist <strong>und</strong> auf ihn<br />

nur unter besonderen Voraussetzungen, etwa bei Vorliegen von Willensmängeln im<br />

Sinn von Art. 23 ff. OR, zurückgekommen werden kann (Kölz/Bosshart/Röhl,<br />

Vorbem. zu §§ 19–28 N. 56 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall hat die erweiterte<br />

UVP-Kommission <strong>des</strong> VCS Schweiz wie erwähnt an ihrer Sitzung vom 21. Mai 2004<br />

auf eine Beschwerdeerhebung ausdrücklich verzichtet, welcher Beschluss in der<br />

Öffentlichkeit bekannt gegeben worden ist. Wenn die VCS-Sektion Zürich als eine<br />

Sektion <strong>des</strong> allein beschwerdeberechtigten VCS Schweiz nunmehr geltend macht,<br />

der genannte Beschluss der erweiterten UVP-Kommission sei infolge von Statutenverletzungen<br />

nichtig oder fehlerhaft zustande gekommen, so macht er damit keine<br />

Willensmängel geltend. Ob der am 21. Mai 2004 beschlossene <strong>und</strong> kommunizierte<br />

Verzicht auf Beschwerdeerhebung ungeachtet der verbandsinternen Anfechtung<br />

wirksam <strong>und</strong> verbindlich im vorstehend dargelegten Sinn sei <strong>und</strong> die von der VCS-<br />

Sektion Zürich namens <strong>des</strong> VCS Schweiz beim <strong>Verwaltungsgericht</strong> erhobene Beschwerde<br />

schon aus diesem Gr<strong>und</strong> ungültig sei, ist in<strong>des</strong>sen fraglich. Während die<br />

Wirksamkeit einer solchen Verzichtserklärung im Zivilprozess ausdrücklich geregelt<br />

ist (§ 190 Abs. 2 Satz 2 ZPO), fehlt in der Verwaltungsrechtspflege eine diesbezügliche<br />

gesetzliche Normierung. Zudem ist im vorliegenden Fall die Verzichtserklärung<br />

der erweiterten UVP-Kommission nicht in schriftlicher Form gegenüber<br />

16<br />

67


16<br />

einer hierfür als Adressatin in Betracht fallenden Behörde (dem Regierungsrat als<br />

Rekursbehörde, die den fraglichen Entscheid gefällt hat, oder dem <strong>Verwaltungsgericht</strong><br />

als Beschwerdeinstanz) erfolgt (vgl. demgegenüber RB 1983 Nr. 61). Die<br />

Frage der Wirksamkeit der Verzichtserklärung vom 21. Mai 2004 kann in<strong>des</strong>sen aus<br />

den nachfolgenden Erwägungen offen gelassen werden.<br />

2.3 Mit dem Gr<strong>und</strong>satz, dass nach Ablauf der Rechtsmittelfrist der Beschwerdewille<br />

feststehen muss, hat sich die Rechtsprechung vor allem im Zusammenhang<br />

mit unter Bedingungen oder Vorbehalten erhobenen Rechtsmitteln befasst, <strong>und</strong><br />

dazu erkannt, dass derartige Bedingungen, sofern sie nicht binnen der Rechtsmittelfrist<br />

eintreten oder nicht von «ausserhalb <strong>des</strong> Verfahrens liegenden Umständen»<br />

abhängen, unzulässig seien. Mit «Bedingungen, deren Eintritt von ausserhalb <strong>des</strong><br />

Verfahrens liegenden Umständen abhängt», sind jedoch stets bedingt erhobene<br />

Rechtsmittel gemeint, bei denen der Schluss möglich ist, sie hätten ebenso gut<br />

bedingungslos erhoben <strong>und</strong> später zurückgezogen werden können (vgl. etwa<br />

BGE 100 Ib 351 E. 1; Gadola, S. 267 f.; Michael Merker, Rechtsmittel, Klage <strong>und</strong><br />

Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege,<br />

Zürich 1998, § 39 N. 9). Denn Rechtsmittel, in denen der Rückzug bei<br />

Eintritt einer Bedingung in Aussicht gestellt wird, sind ohne weiteres zulässig. Bei<br />

dieser Unterscheidung ist entscheidend, dass die Verfahrensherrschaft der Rechtsmittelbehörde<br />

gewahrt bleibt: So kann sie etwa ein Rechtsmittel, deren Rückzug für<br />

den Fall eines zugleich gestellten Wiedererwägungsgesuchs in Aussicht gestellt<br />

wird, aus verfahrensökonomischen Gründen sistieren. Sie kann aber ohne weiteres<br />

auf eine solche Sistierung zurückkommen, wenn sie findet, überwiegende andere<br />

Interessen sprächen für eine möglichst rasche Entscheidung.<br />

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob mit Rücksicht auf die interne<br />

Willensbildung bei einer Organisation oder einem Verband vom Erfordernis abgesehen<br />

werden könne, dass bei Ablauf der Beschwerdefrist der Beschwerdewille<br />

feststehen müsse. Dabei geht es nicht um ein «bedingt» erhobenes Rechtsmittel im<br />

Sinn der vorstehend dargelegten Rechtsprechung. Diese betrifft nicht Fälle, in<br />

denen die verbands- oder organisationsinterne Willensbildung in Frage stand.<br />

Gleichwohl ist die erwähnte Rechtsprechung durchaus auch zur Beantwortung der<br />

vorliegenden Frage heranzuziehen. Der in den erwähnten Fällen massgebende<br />

Gr<strong>und</strong>satz, dass bei Ablauf der Beschwerdefrist klar sein muss, ob der angefochtene<br />

Entscheid anerkannt ist oder angefochten werden soll, ist nicht nur bei Rechtsmitteln<br />

wegleitend, welche unter einer Bedingung erhoben werden. Auch im Zusammenhang<br />

mit Rechtsmitteln von Organisationen <strong>und</strong> Verbänden, deren Beschwerdeerhebung<br />

eine interne Willensbildung erfordert, ist eine vorsorgliche<br />

68


Rekurs- bzw. Beschwerdeerhebung zwecks Fristwahrung gr<strong>und</strong>sätzlich unzulässig<br />

(Kölz/Bosshart/Röhl, § 22 N. 9). Das muss auch hinsichtlich der Willensbildung<br />

privatrechtlich organisierter Verbände, denen das Recht zur ideellen Verbandsbeschwerde<br />

zusteht, gelten. Der VCS Schweiz ist ein im Handelsregister eingetragener<br />

Verein im Sinn von Art. 60 ff. ZGB.<br />

2.4 Vorbehalten bleibt eine vorsorgliche Beschwerdeerhebung aufgr<strong>und</strong> von<br />

speziellen gesetzlichen Regelungen, die ein solches Vorgehen ausdrücklich für zulässig<br />

erklären. Dies trifft etwa auf den Weiterzug eines Rekursentscheids über Beschlüsse<br />

der Gemeinde oder <strong>des</strong> Grossen Gemeinderats zu; hier sieht das Gesetz<br />

selber vor, dass der für diesen Weiterzug erforderliche Beschluss der Gemeindeversammlung<br />

oder <strong>des</strong> Grossen Gemeinderats nachgebracht werden kann, wenn die<br />

Gemeindevorsteherschaft das Rechtsmittel bereits ergriffen hat (§ 155 Abs. 4<br />

GemeindeG; dazu Thalmann, § 155 N. 4.2). Dieser Spezialregelung liegt gerade der<br />

Gedanke zugr<strong>und</strong>e, dass ohne sie eine derartige vorsorgliche Beschwerdeerhebung<br />

ohne feststehenden Beschwerdewillen nach allgemeinen prozessrechtlichen Gr<strong>und</strong>sätzen<br />

nicht zulässig wäre. Darüber hinaus hat die Praxis eine Ausnahme gemacht<br />

mit Bezug auf die Konkursverwaltung, die sich selber zwar einem finanziellen Anspruch<br />

<strong>des</strong> Gemeinwesens nicht widersetzt, diese Möglichkeit aber den Gläubigern im<br />

Hinblick auf deren Rechte nach Art. 260 SchKG offen halten will (VGr, 2. März 1977,<br />

ZBl 78/1977, S. 329 = ZR 76/1977 Nr. 49). Diese Rechtsprechung betreffend vorsorgliche<br />

Beschwerdeerhebung durch die Konkursverwaltung lässt sich aber mit<br />

dem vorliegenden Sachverhalt nicht gleichsetzen. Ausnahmen in diesem Sinn sind<br />

nur dort zu rechtfertigen, wo aufgr<strong>und</strong> der für die betreffende Organisation (etwa<br />

ein Gemeinwesen oder eine Konkursmasse) geltenden Regelung vernünftigerweise<br />

davon auszugehen ist, dass eine Beschlussfassung <strong>des</strong> innerhalb dieser Organisation<br />

zuständigen Organs binnen der Rechtsmittelfrist nicht möglich ist (zur Prozessführungsbefugnis<br />

der Konkursmasse <strong>und</strong> der Gläubiger im Konkursverfahren vgl.<br />

Kölz/Bosshart/Röhl, § 21 N. 16).<br />

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Hier geht es vielmehr darum, dass der<br />

vom zuständigen Organ innerhalb der Rechtsmittelfrist gefasste Beschluss, auf eine<br />

Beschwerde zu verzichten, verbandsintern von der VCS-Sektion Zürich sowie von<br />

Vorstandsmitgliedern <strong>und</strong> Mitgliedern dieser Sektion angefochten worden ist. Die<br />

Möglichkeit, dass derartige Beschlüsse verbandsintern anfechtbar sind, wie auch<br />

im einzelnen Fall der Umstand, dass davon Gebrauch gemacht worden ist, bildet<br />

keinen Gr<strong>und</strong>, vom Prinzip abzuweichen, dass bei Ablauf der Rechtsmittelfrist der<br />

Beschwerdewille <strong>des</strong> Verbands – als eine Gültigkeitsvoraussetzung der Beschwerde<br />

– feststehen muss. Demnach wäre die Gültigkeit der Beschwerde selbst dann zu<br />

16<br />

69


16, 17, 18, 19<br />

verneinen, wenn diese vorsorglich von der Geschäftsleitung im Hinblick darauf eingereicht<br />

würde, dass eine Beschlussfassung durch das zuständige verbandsinterne<br />

Organ aus irgendwelchen Gründen nicht möglich gewesen wäre. Um so mehr muss<br />

dies im vorliegenden Fall gelten, in welchem das zuständige Verbandsorgan innerhalb<br />

der Beschwerdefrist ausdrücklich beschlossen hat, keine Beschwerde zu erheben.<br />

70<br />

VB.2004.00233 3. Kammer, 16. Juni<br />

BEZ 2004 Nr. 51<br />

17. Trifft ein Rechtsmittel beim <strong>Verwaltungsgericht</strong> ein, so ist bei Bestehen eines<br />

Beschwerdewillens – selbst bei Vorliegen gravierender, das heisst nicht verbesserungsfähiger<br />

Mängel – durch das Gericht unverzüglich ein entsprechen<strong>des</strong><br />

Geschäft zu eröffnen. Von diesem Zeitpunkt an ist ein formloser<br />

Rückzug nicht mehr möglich. § 56 VRG. § 157 Abs. 4 StG.<br />

RG.2004.00007 2. Kammer, 17. Juni<br />

2. Personalrechtliche Verfahren<br />

18. Ob gegen erstinstanzliche Personalentscheide von Organen selbständiger<br />

öffentlichrechtlicher kantonaler Anstalten, die sich anstaltsintern nicht anfechten<br />

lassen, Rekurs beim Regierungsrat zu erheben ist, zeigt die jeweilige<br />

gesetzliche Regelung. Gegen erstinstanzliche personalrechtliche Entscheide<br />

<strong>des</strong> Universitätsrats muss an den Regierungsrat rekurriert werden.<br />

Die direkte Beschwerde an das <strong>Verwaltungsgericht</strong> ergibt sich weder aus<br />

einer Analogie zwischen Universitätsrat <strong>und</strong> Bildungsrat noch daraus, dass<br />

das Universitätsgesetz die entsprechende Zuständigkeit <strong>des</strong> Universitätsrats<br />

als «abschliessend» bezeichnet. § 74 Abs. 1 VRG. § 46 Abs. 1 UniversitätsG.<br />

PB.2003.00010 4. Kammer, 23. Januar<br />

19. Im Gegensatz zu unwesentlichen Änderungen <strong>des</strong> Tätigkeitsbereichs <strong>und</strong><br />

kleinräumigen Versetzungen stellt die auf angeblich fehlerhaftes Verhalten<br />

eines Arbeitnehmers zurückgehende Versetzung in eine andere Funktion,


19, 20<br />

die zudem keine Führungsaufgaben mehr enthält, eine anfechtbare Verfügung<br />

dar. § 74 Abs. 1 VRG.<br />

PB.2003.00041 4. Kammer, 28. April<br />

20. Überleitung in neues Personalrecht einer Gemeinde; Anfechtung der Funktionsstufeneinreihung<br />

durch Inventarsachbeamte <strong>des</strong> Steueramts. Der Ausschluss<br />

der Beschwerde in Besoldungsstreitigkeiten nach § 74 Abs. 2 VRG<br />

kommt nicht zum Tragen, wenn höherrangiges Recht eine gerichtliche<br />

Beurteilung schon im Kanton verlangt (Art. 6 Abs. 1 EMRK). Die Inventarisierung<br />

durch Sachbearbeiter <strong>des</strong> Steueramts bildet eine wesentliche<br />

Gr<strong>und</strong>lage für Steuereinschätzungen bei To<strong>des</strong>fällen, was zumin<strong>des</strong>t mittelbar<br />

eine Ausübung öffentlicher Gewalt darstellt <strong>und</strong> überdies der Interessenwahrung<br />

<strong>des</strong> Gemeinwesens dient. Es liegt mithin kein «civil right» vor.<br />

Art. 6 Abs. 1 EMRK. § 74 Abs. 2 VRG.<br />

2.2 […] Art. 6 Abs. 1 EMRK sodann findet – so lange es sich wie hier nicht<br />

um Pensionsangelegenheiten dreht – keine Anwendung auf staatlich Beschäftigte,<br />

deren Tätigkeit im Licht ihnen übertragener Aufgaben sowie Verantwortlichkeiten<br />

eine unmittelbar oder mittelbare Teilhabe an der öffentlichen Gewalt darstellt <strong>und</strong><br />

das allgemeine Interesse <strong>des</strong> Gemeinwesens wahren soll; das trifft regelmässig auf<br />

Angestellte der Steuerverwaltung zu, etwa dortige Inspektorinnen oder Inspektoren<br />

(BGE 129 I 207, E. 4.3; VGr, 28. Mai 2003, PB.2002.00049, E. 2a/dd,<br />

www.vgrzh.ch; EGMR, 1. Juli 2003, Sidabras <strong>und</strong> Dziautas, 55480/00 <strong>und</strong> 59330/00,<br />

hudoc.echr.coe.int). Weil die Inventarisierungen durch den Beschwerdeführer wesentliche<br />

Gr<strong>und</strong>lage für Steuereinschätzungen bei To<strong>des</strong>fällen bilden, muss dieser<br />

im Sinn der eben aufgezeigten Praxis den Garantien von Art. 6 Abs. 1 EMRK entzogen<br />

bleiben, übt er doch insbesondere zumin<strong>des</strong>t mittelbar öffentliche Gewalt zu<br />

generellen Gunsten von Beschwerdegegnerin, Kanton Zürich <strong>und</strong> B<strong>und</strong> aus. Endlich<br />

handelt es sich beim Streit der Parteien um einen solchen betreffend Saläreinreihung,<br />

wo § 74 Abs. 2 VRG die Beschwerde ausschliesst (vgl. VGr, 28. Mai 2003,<br />

PB.2002.00049, E. 2a/bb, mit Hinweisen, www.vgrzh.ch).<br />

PB.2004.00012 4. Kammer, 7. Juli<br />

PB.2004.00013<br />

PB.2004.00018<br />

PB.2004.00010 ER 4. Abteilung, 7. Juli<br />

71


21<br />

21. Die Beschwerde an das <strong>Verwaltungsgericht</strong> betreffend Besoldung eines<br />

Amtsvorm<strong>und</strong>s ist zulässig, da ein zivilrechtlicher Anspruch vorliegt. Art. 6<br />

Abs. 1 EMRK. § 74 Abs. 2 VRG.<br />

1.1.1 Die Beschwerde richtet sich gegen einen Rekursentscheid <strong>des</strong> Bezirksrats<br />

über eine personalrechtliche Anordnung gemäss § 74 Abs. 1 VRG. Nach § 74<br />

Abs. 2 VRG ist allerdings das <strong>Verwaltungsgericht</strong> unter anderm nicht zuständig zur<br />

Behandlung von Beschwerden gegen Anordnungen <strong>und</strong> Rekursentscheide über die<br />

Einreihung <strong>und</strong> Beförderung in Besoldungsklassen <strong>und</strong> -stufen.<br />

1.1.2 Die Anwendung von § 74 Abs. 2 VRG kann durch höherrangiges Recht<br />

ausgeschlossen werden. Vorliegend könnte dies der Fall sein, wenn ein Anspruch<br />

auf eine gerichtliche Beurteilung aufgr<strong>und</strong> von Art. 6 Abs. 1 EMRK besteht. Nach<br />

der neueren Praxis <strong>des</strong> Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte <strong>und</strong> <strong>des</strong><br />

B<strong>und</strong>esgerichts, der sich das <strong>Verwaltungsgericht</strong> angeschlossen hat, stellen Vermögensansprüche<br />

aus dem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

zivilrechtliche Streitigkeiten im Sinn von Art. 6 Abs. 1 EMRK dar. Besoldungsstreitigkeiten<br />

sind hiervon nur ausgenommen, wenn die betreffenden Angestellten<br />

<strong>des</strong> Gemeinwesens allgemeine Staatsinteressen zu wahren haben <strong>und</strong> an der Ausübung<br />

der öffentlichen Gewalt teilhaben. Dies trifft namentlich auf die Angehörigen<br />

von Armee <strong>und</strong> Polizei zu (vgl. EGMR, 8. Dezember 1999, Pellegrin, 28541/95, § 66<br />

in Verbindung mit §§ 37–41, Rec. 1999-VIII, hudoc.echr.coe.int; VGr, 11. Juni 2003,<br />

PB.2003.00009, E. 1c, www.vgrzh.ch; RB 2002 Nr. 24 mit weiteren Hinweisen).<br />

1.1.3 Die Vorm<strong>und</strong>schaft ist ein Institut zum Schutz von Hilfsbedürftigen<br />

(Peter Tuor et al., Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 12. A., Zürich etc. 2002,<br />

S. 479). Sie ist zwar im Zivilgesetzbuch geregelt (Art. 360 ff. ZGB), weist aber eine<br />

Doppelnatur auf, da sie materiell zwischen dem Privatrecht <strong>und</strong> dem öffentlichen<br />

Recht anzusiedeln ist. Von den Normen <strong>des</strong> Vorm<strong>und</strong>schaftsrechts können einige<br />

dem einen, andere dem andern Rechtsbereich zugeordnet werden (Tuor et al.,<br />

S. 479 f.; BGE 98 V 230 E. 4a [je mit weiteren Hinweisen]; vgl. auch BGE 100 Ib<br />

113 E. 1 S. 114). Beim Amt <strong>des</strong> Vorm<strong>und</strong>s handelt es sich um eine öffentliche Funktion,<br />

die der Verwirklichung materiellen Zivilrechts dient (BGE 98 V 230 E. 4a).<br />

Der Vorm<strong>und</strong> vertritt allgemein die Interessen <strong>des</strong> Mündels nach aussen <strong>und</strong> wahrt<br />

sie nach innen sowohl in persönlicher als auch in vermögensrechtlicher Hinsicht<br />

(Tuor et al., S. 484). Die Amtsvorm<strong>und</strong>schaft ist in § 82 EG ZGB vorgesehen, wonach<br />

(für Unmündige) subsidiär zur Berufung einer der in Art. 380 f. ZGB genannten<br />

Personen <strong>und</strong> zur Bestellung eines Einzelvorm<strong>und</strong>s ein besonderer Vorm<strong>und</strong>schaftsverwalter<br />

(Amtsvorm<strong>und</strong>) eingesetzt werden soll.<br />

72


1.1.4 Die Frage, ob die Besoldung <strong>des</strong> Amtsvorm<strong>und</strong>s einen zivilrechtlichen<br />

Anspruch nach Art. 6 Abs. 1 EMRK darstellt, wurde – soweit ersichtlich – noch<br />

nicht entschieden. Das B<strong>und</strong>esgericht bejahte zwar die Anwendbarkeit von Art. 6<br />

Abs. 1 EMRK auf Angestellte <strong>des</strong> «Office du tuteur général» <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> Waadt,<br />

dies aber hauptsächlich wegen deren subalterner Stellung <strong>und</strong> rein administrativer<br />

Aufgaben (BGr, 24. Oktober 2001, 2P.198/2001 <strong>und</strong> 2P.216/2001, je E. 3a,<br />

www.bger.ch). Die Frage ist aufgr<strong>und</strong> einer autonomen Auslegung von Art. 6 Abs. 1<br />

EMRK zu lösen; die Behandlung im innerstaatlichen Recht steht nicht im Vordergr<strong>und</strong><br />

(Jens Meyer-Ladewig, Konvention zum Schutz der Menschenrechte <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>freiheiten, Handkommentar, Baden-Baden 2003, Art. 6 Rn. 7). Massgeblich<br />

ist, ob die Tätigkeit <strong>des</strong> Amtsvorm<strong>und</strong>s die Wahrung allgemeiner Staatsinteressen<br />

bezweckt <strong>und</strong> eine Ausübung öffentlicher Gewalt darstellt. Daher ist nicht entscheidend,<br />

dass Streitigkeiten um die Entschädigung <strong>des</strong> Vorm<strong>und</strong>s nicht mit der<br />

zivilrechtlichen Berufung vor das B<strong>und</strong>esgericht gebracht werden können (BGr,<br />

25. August 2003, 5C.139/2003, E. 1, www.bger.ch) <strong>und</strong> dass das B<strong>und</strong>esgericht den<br />

Streit um die Absetzung eines Beistands nicht als zivilrechtliche Angelegenheit<br />

angesehen hat (BGr, 10. Juli 2002, E. 2.2, zitiert bei: Giorgio Malinverni/Michel<br />

Hottelier, La pratique suisse relative aux droits de l'homme 2002, SZIER 2003,<br />

S. 301 ff., 312 f.). Die letztere Frage dürfte im Übrigen kaum abschliessend beantwortet<br />

worden sein; das Obergericht <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> Zürich hat jedenfalls das<br />

Vorschlagsrecht der Eltern bei der Bezeichnung eines Vorm<strong>und</strong>s nach Art. 381 ZGB<br />

als zivilrechtlichen Anspruch im Sinn von Art. 6 Abs. 1 EMRK betrachtet (21. Juni<br />

1996, ZR 96 Nr. 34, E. 1c; vgl. auch Weisung <strong>des</strong> Regierungsrats vom 22. September<br />

1999 zum Gesetz betreffend Anpassung <strong>des</strong> Prozessrechts im Personen- <strong>und</strong><br />

Familienrecht [vom 27. März 2000; OS 56, 187], ABl 1999 II 1232 ff., 1232 f.,<br />

1289 f.).<br />

1.1.5 Zwar stellt eine vorm<strong>und</strong>schaftliche Massnahme einen hoheitlichen<br />

Eingriff dar (vgl. Bernhard Schnyder/Erwin Murer, Berner Kommentar, 1984, Systematischer<br />

Teil zu den Art. 360–397 ZGB N. 54, 81 ff.). Die Anordnung vorm<strong>und</strong>schaftlicher<br />

Massnahmen gehört aber gerade nicht zur Tätigkeit <strong>des</strong> Beschwerdeführers;<br />

diese umfasst vielmehr – wie sich aus den gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong><br />

auch aus der Stellenbeschreibung ergibt – im Wesentlichen die Betreuung der Mündel,<br />

die Wahrung von deren Interessen <strong>und</strong> deren rechtsgeschäftliche Vertretung. Im<br />

Kern unterscheidet sich die Tätigkeit <strong>des</strong> Amtsvorm<strong>und</strong>s nicht von derjenigen einer<br />

als Vorm<strong>und</strong> bestellten Privatperson. Soweit diese Tätigkeit dem Verwaltungsrecht<br />

zuzuordnen ist, weist sie Ähnlichkeiten mit der Leistungsverwaltung auf (Schnyder/<br />

Murer, Systematischer Teil zu den Art. 360–397 ZGB N. 83 mit Hinweis). Der<br />

Amtsvorm<strong>und</strong> ist in erster Linie den Interessen <strong>des</strong> Mündels verpflichtet, nicht<br />

jenen <strong>des</strong> Staats, auch wenn seine Tätigkeit allgemein der Rechtssicherheit sowie<br />

21<br />

73


21, 22<br />

Treu <strong>und</strong> Glauben im Geschäftsverkehr zugute kommt. Somit ist zu verneinen, dass<br />

der Amtsvorm<strong>und</strong> allgemeine Staatsinteressen wahre <strong>und</strong> öffentliche Gewalt ausübe.<br />

§ 74 Abs. 2 VRG steht also der Anhandnahme der vorliegenden Beschwerde<br />

nicht entgegen.<br />

74<br />

PB.2004.00009 4. Kammer, 18. August<br />

22. Wegen der Subsidiarität <strong>des</strong> Feststellungsbegehrens ist auf eine Beschwerde,<br />

die nur die Feststellung der Unrechtmässigkeit einer Kündigung <strong>und</strong><br />

nicht auch eine Entschädigung verlangt, nicht einzutreten, es würden denn<br />

anderweitige schutzwürdige Interessen dargelegt. § 80 Abs. 2 VRG.<br />

PB.2003.00040 4. Kammer, 25. Februar<br />

PB.2004.00001 12. Mai<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine staatsrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid abgewiesen,<br />

soweit darauf einzutreten war (BGr, 14. Januar 2005, 2P.208/2004, www.bger.ch).<br />

PB.2004.00006 9. Juni<br />

PB.2004.00024 18. August<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht ist auf eine staatsrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid am 18.<br />

November 2004 nicht eingetreten.


B. Allgemeines Verwaltungsrecht<br />

I. Bürgerrecht<br />

23, 24<br />

23. Kommunale Einbürgerung; rechtliches Gehör: Zur Beschwerdelegitimation<br />

der Gemeinde. – Unbescholtener Ruf gemäss § 21 GemeindeG ist nicht mit<br />

Eignung zu vermischen. Er setzt kein generell positives Verhalten voraus.<br />

Vielmehr geht es allein um den straf- <strong>und</strong> den betreibungsrechtlichen<br />

Leum<strong>und</strong>. – Nach Praxis der Kammer hängt die Einbürgerung ausländischer<br />

Personen bei Anspruchsfällen nur in B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Kanton von der Eignung<br />

ab, nicht aber in der Gemeinde. Die 1997 erfolgte Änderung von § 21<br />

GemeindeG berührte die durch Abs. 2 erfassten, in der Schweiz geborenen<br />

Ausländer bezüglich <strong>des</strong> hier Interessierenden nicht. Die regierungsrätliche<br />

Weisung zu dieser Revision wirkt unklar <strong>und</strong> verwirrend, indem sie festhält,<br />

schlecht beleumdete <strong>und</strong> offensichtlich nicht integrierte Bewerber könnten<br />

auch unter den neuen Bestimmungen nach wie vor abgelehnt werden. Der<br />

Text von § 21 GemeindeG verlangte schon immer unbescholtenen Ruf, aber<br />

noch nie Eignung. Eine historische Auslegung von § 21 GemeindeG führt<br />

zum Schluss, dass sich die kommunale Einbürgerung nicht mangels<br />

Integration verweigern lasse. – Betreffend wirtschaftliche Erhaltungsfähigkeit,<br />

die es bei Angewiesensein auf Fürsorge zu verneinen gälte, hat die<br />

Vorinstanz den Anspruch der Gemeinde auf Gewährung rechtlichen Gehörs<br />

verletzt, was das <strong>Verwaltungsgericht</strong> wegen seiner gegenüber der Rekursbehörde<br />

eingeschränkten Kognition nicht zu heilen vermag. § 21 VRG. § 20,<br />

§ 21 GemeindeG. § 21, § 22 BürgerrechtsV.<br />

VB.2003.00450 4. Kammer, 15. Dezember<br />

II. Niederlassung, Aufenthalt<br />

24. Erneutes Gesuch um Aufenthaltsbewilligung <strong>des</strong> wegen Drogenhandels zu<br />

26 Monaten Gefängnis verurteilten Ehegatten einer Schweizerin. Das Gesuch<br />

ist materiell zu prüfen, weil das Wohlverhalten <strong>des</strong> Beschwerdeführers<br />

während vier Jahren angesichts der Umstände (unbegründeter Strafent-<br />

75


24<br />

76<br />

scheid, kein besonders hohes Strafmass, keine von vornherein unbegründeten<br />

Rechtsmittelerhebungen zur Verlängerung der Anwesenheit in der<br />

Schweiz) ein anderes Ergebnis in der Gesamtabwägung zeitigen könnte.<br />

Art. 8 EMRK. Art. 7 Abs. 1 ANAG.<br />

2.5.3 Die seit dem begangenen Delikt vergangene Zeit <strong>und</strong> das Verhalten <strong>des</strong><br />

Betreffenden in diesem Zeitraum sind jedenfalls bei der Abwägung, ob eine<br />

Anwesenheitsberechtigung beendet werden kann, zu berücksichtigen (EGMR,<br />

2. August 2001, Boultif, 54273/00, §§ 48 <strong>und</strong> 51, hudoc.echr.coe.int). Entsprechend<br />

wurden sie in verschiedenen, nach dem Leitentscheid <strong>des</strong> Europäischen Gerichtshofs<br />

für Menschenrechte im Fall Boultif gefällten Urteilen mitberücksichtigt<br />

(vgl. etwa BGr, 21. April 2004, 2A.615/2002, E. 4.4; 9. Juli 2003, 2A.539/2002,<br />

E. 3.4, 4.1; 25. Juni 2003, 2A.73/2003, E. 3.1.3 [alle unter www.bger.ch]; VGr,<br />

16. Dezember 2003, VB.2003.00277, E. 3d/aa, www.vgrzh.ch; 8. Januar 2003,<br />

VB.2002.00301, E. 3a/cc; 25. September 2002, VB.2002.00200, E. 1b/ee). Die Vorinstanz<br />

scheint sich auf die frühere Praxis zu stützen, wonach Wohlverhalten im<br />

Strafvollzug, in der Probezeit <strong>und</strong> auch während allfälliger Verfahren betreffend die<br />

weitere Anwesenheit in der Schweiz unerheblich sei, da die Bemühungen um deliktfreies<br />

Verhalten unter diesen Umständen eine Selbstverständlichkeit darstellten<br />

(vgl. als Beispiel VGr, 24. Februar 1999, VB.98.00343, E. 3f mit Hinweis auf BGr,<br />

19. Januar 1999, 2A.15/1999). Im Licht der Rechtsprechung <strong>des</strong> Europäischen Gerichtshofs<br />

für Menschenrechte lässt sich diese Praxis jedoch nicht uneingeschränkt<br />

aufrechterhalten (vgl. VGr, 16. Dezember 2003, VB.2003.00277, E. 3d/aa,<br />

www.vgrzh.ch; Spescha/Sträuli, S. 50 ff.; Andreas Zünd in: Peter Uebersax et al.<br />

[Hrsg.], Ausländerrecht, Basel etc. 2002, Rz. 6.56). Immerhin muss eine unterschiedliche<br />

Gewichtung <strong>des</strong> Wohlverhaltens entsprechend der Verschiedenheit der<br />

Umstände zulässig sein, weshalb insbesondere dem untadeligen Verhalten <strong>des</strong><br />

Beschwerdeführers 1 im Strafvollzug, aber auch jenem während der Probezeit<br />

wenig Bedeutung beizumessen ist (vgl. auch BGr, 25. Juni 2003, 2A.73/2003,<br />

E. 3.1.3; 22. Oktober 2001, 2A.296/2001, E. 3c/cc, dd [je unter www.bger.ch]).<br />

2.5.4 Am 5. Juli 2000, als der Regierungsrat mit später rechtskräftig gewordenem<br />

Beschluss die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung <strong>des</strong> Beschwerdeführers<br />

1 verweigerte, befand sich dieser bereits etwas mehr als ein Jahr in Freiheit,<br />

ohne weitere Straftaten verübt zu haben, was dem Regierungsrat bewusst war. Im<br />

vorliegenden Verfahren kann von vornherein nur massgebend sein, dass bis zur<br />

Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 17. September 2003 über das neue Gesuch<br />

um eine Aufenthaltsbewilligung wiederum etwas mehr als drei Jahre (bzw. bis<br />

zum vorliegenden Entscheid knapp vier Jahre) vergangen sind, ohne dass sich der


Beschwerdeführer 1 etwas hätte zuschulden kommen lassen, wobei er sich bis zum<br />

14. Mai 2001 noch in der Probezeit befand. Sein Aufenthalt in der Schweiz beruht<br />

auf der aufschiebenden Wirkung der eingelegten Rechtsmittel im Verfahren betreffend<br />

den Vollzug der Wegweisung <strong>und</strong> im vorliegenden neuen Verfahren um eine<br />

Aufenthaltsbewilligung. Anzumerken ist, dass ihm das Fehlen einer beruflichen<br />

Integration [...] nicht zur Last gelegt werden kann, weil ein Stellenantritt infolge<br />

seiner ungesicherten ausländerrechtlichen Situation nicht bewilligt wurde. [...]<br />

2.5.5 Nicht uneingeschränkt gefolgt werden kann dem Vorwurf der Beschwerdeführenden<br />

an die Adresse der Vorinstanz, diese habe den Wegfall massgeblicher<br />

Entscheidungsgründe – vorliegend der Rückfallgefahr – nicht gleich behandelt wie<br />

das Eintreten neuer Tatsachen: Es ist nicht so, dass ein massgeblicher Gr<strong>und</strong>, der<br />

den Regierungsrat dazu bewog, im Entscheid vom 5. Juli 2000 die Aufenthaltsbewilligung<br />

nicht zu verlängern, weggefallen wäre. Vielmehr hatte der Regierungsrat<br />

in jenem Beschluss die Gefahr, die vom Beschwerdeführer 1 für die öffentliche<br />

Ordnung <strong>und</strong> Sicherheit ausging, unter anderem anhand der Rückfallgefahr beurteilt,<br />

was in der folgenden Formulierung zum Ausdruck kommt: «Zum Schutze der<br />

öffentlichen Ordnung <strong>und</strong> Sicherheit ist von einem erheblichen Fernhalteinteresse<br />

auszugehen, zumal die Gefahr eines Rückfalls nicht ausgeschlossen werden kann.»<br />

Dass der Beschwerdeführer 1 bis heute noch nicht rückfällig geworden ist, bedeutet<br />

nun nicht, dass die Rückfallgefahr weggefallen wäre. Zu deren Beurteilung ist<br />

namentlich auch auf das Verschulden abzustellen (vgl. VGr, 16. Dezember 2003,<br />

VB.2003.00277, E. 3d/aa, www.vgrzh.ch). Immerhin hat sie sich relativiert.<br />

2.5.6 Zu fragen ist demnach, ob die Rückfallprognose in der Interessenabwägung<br />

derart bedeutsam ist, dass ihre Relativierung einen andern Entscheid herbeiführen<br />

könnte. Dabei fällt ins Gewicht, dass ein massgeben<strong>des</strong> Kriterium, das Verschulden<br />

<strong>des</strong> Beschwerdeführers 1, im Strafurteil nicht festgestellt wurde. Das Urteil<br />

<strong>des</strong> Bezirksgerichts X vom 3. Dezember 1998 ist nämlich nach § 160a Abs. 1<br />

GVG unbegründet; allerdings bezeichnete der Regierungsrat im Beschluss vom<br />

5. Juli 2000 das Verschulden als schwer. Sodann liegt die auferlegte Strafe von 26<br />

Monaten Gefängnis nur wenig über dem Richtwert einer Freiheitsstrafe von zwei<br />

Jahren, bei <strong>des</strong>sen Überschreiten in der Regel keine Bewilligung mehr erteilt wird,<br />

wenn eine mit einer Schweizerin oder einem Schweizer verheiratete ausländische<br />

Person erstmals um eine Aufenthaltsgenehmigung oder nach kurzer Aufenthaltsdauer<br />

um die Verlängerung einer solchen ersucht (BGr, 22. Oktober 2001, 2A.296/2001,<br />

E. 3a/aa, www.bger.ch; BGE 120 Ib 6 E. 4b; Spescha/Sträuli, S. 45). Schliesslich<br />

ist zu beachten, dass sich der Aufenthalt <strong>des</strong> Beschwerdeführers 1 in der Schweiz<br />

zwar seit r<strong>und</strong> dreieinhalb Jahren einzig auf die aufschiebende Wirkung bzw. die<br />

24<br />

77


24, 25, 26<br />

vorsorglichen Massnahmen in den von ihm angestrengten Wiedererwägungsverfahren<br />

stützt. Doch darf ihm die lange Dauer <strong>des</strong> Verfahrens vor dem EJPD nicht<br />

zum Vorwurf gemacht werden. Auch kann angesichts der am 21. Oktober 1993 verfügten<br />

<strong>und</strong> infolge der Heirat gemäss Art. 14b Abs. 2 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1<br />

ANAG erloschenen vorläufigen Aufnahme sowie der Situation in Afghanistan nicht<br />

angenommen werden, die Anhebung <strong>des</strong> Wiedererwägungsverfahrens zur Überprüfung<br />

<strong>des</strong> Wegweisungsvollzugs sei von vornherein unbegründet gewesen (vgl.<br />

BGr, 9. Juli 2003, 2A.539/2003, E. 4.1, www.bger.ch). Unter diesen Umständen<br />

stellt die im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Verfügung über dreijährige <strong>und</strong> mittlerweile<br />

bald vierjährige neuerliche Bewährung in der Freiheit – wobei in den letzten<br />

drei Jahren keine Probezeit mehr lief – eine Tatsache dar, die zu einem andern<br />

Ergebnis der Gesamtabwägung führen könnte (vgl. auch BGr, 9. Juli 2003,<br />

2A.539/2002, Sachverhalt H <strong>und</strong> E. 4.1, www.bger.ch). Die Beschwerdegegnerin<br />

hat demnach das Gesuch vom 5. September 2003, es sei dem Beschwerdeführer 1<br />

eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, materiell zu prüfen.<br />

78<br />

VB.2004.00047 4. Kammer, 12. Mai<br />

25. Aus dem Gr<strong>und</strong>satz <strong>des</strong> rechtlichen Gehörs fliesst kein Anspruch <strong>des</strong><br />

Rechtsvertreters, an einer im Rahmen <strong>des</strong> Ausweisungsverfahrens durchgeführten<br />

persönlichen Befragung seines Mandanten teilzunehmen; es genügt,<br />

wenn er nachträglich die Möglichkeit erhält, zu den Antworten Stellung<br />

zu nehmen. Art. 29 Abs. 2 BV.<br />

VB.2004.00043 2. Kammer, 19. Mai<br />

26. Der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger nach dem Freizügigkeitsabkommen<br />

setzt voraus, dass diese sich bereits rechtmässig in einem Vertragsstaat<br />

aufhalten. Eine Ausübung <strong>des</strong> Freizügigkeitsrechts als solche löst somit<br />

keinen Nachzugsanspruch für Drittstaatsangehörige aus. Wurde aber<br />

der Aufenthalt der Drittstaatsangehörigen durch einen Vertragsstaat im<br />

Rahmen <strong>des</strong> Familiennachzugs bewilligt, so spielt seine Rechtsgr<strong>und</strong>lage<br />

keine Rolle. Insbesondere ist nicht entscheidend, ob der Familiennachzug<br />

nach nationalem Recht oder gestützt auf das Freizügigkeitsabkommen erfolgte.<br />

Der Aufenthalt als Familienmitglied im Gebiet eines Vertragsstaats<br />

gilt also auch dann als Anspruchsgr<strong>und</strong>lage nach Art. 3 Anhang I FZA bei


26, 27, 28, 29<br />

der (Rück-) Übersiedlung in die Schweiz, wenn er im Rahmen eines Familiennachzugs<br />

gestützt auf denselben Art. 3 Anhang I FZA bewilligt wurde.<br />

Vorbehalten bleiben Fälle von Rechtsmissbrauch. Art. 3 Anhang I FZA.<br />

VB.2003.00465 4. Kammer, 7. April<br />

27. Will eine ausländische Person sich mehr als nur vorübergehend in einem<br />

anderen als dem die Bewilligung erteilenden Kanton aufhalten <strong>und</strong> dort erwerbstätig<br />

werden, ist sie verpflichtet, im neuen Kanton um eine Bewilligung<br />

nachzusuchen. Wird dort eine solche erteilt, erlischt die Bewilligung<br />

<strong>des</strong> Wegzugskantons, ohne dass es dafür eines besonderen Rechtsakts bedürfte.<br />

Art. 8 ANAG.<br />

VB.2003.00378 2. Kammer, 17. Juni<br />

28. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung für eine gut 18-jährige Ausländerin,<br />

die im Alter von 14? Jahren als angebliche Tochter einer eingebürgerten<br />

Schweizerin hierher nachgezogen wurde, ist rechtmässig. Das<br />

Erschleichen der Niederlassungsbewilligung durch Machenschaften, welche<br />

die blosse Nichte als Tochter der Schweizerin auswiesen, muss sich Erstere<br />

auch entgegenhalten lassen, wenn sie sich nur mittelbar an der Täuschung<br />

beteiligte, da sie von dieser wusste oder zumin<strong>des</strong>t wissen musste.<br />

Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG.<br />

VB.2003.00392 4. Kammer, 7. Januar<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine gegen diesen Entscheid erhobene <strong>Verwaltungsgericht</strong>sbeschwerde<br />

abgewiesen (BGr, 16. März 2004, 2A.148/2004, www.bger.ch).<br />

29. Bei der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung findet für die Bestimmung<br />

<strong>des</strong> Verschuldens eines strafrechtlich Verurteilten unter anderem die Höhe<br />

der ausgesprochenen Freiheitsstrafen Berücksichtigung. Dabei ist gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

auf die Summe der bisher ausgesprochenen Strafen abzustellen.<br />

Art. 11 Abs. 3 ANAG. Art. 16 Abs. 3 ANAV.<br />

79


29<br />

2.4 Ausgangspunkt der Abwägung ist die Schwere <strong>des</strong> durch die Verurteilung<br />

zu einer Freiheitsstrafe ausgedrückten Verschuldens. Nach der Gerichtspraxis liegt<br />

die Grenze, von der an in der Regel keine Bewilligung mehr erteilt wird, bei zwei<br />

Jahren Freiheitsstrafe, wenn die betroffene ausländische Person, die mit einem<br />

schweizerischen Ehegatten verheiratet ist, um die erstmalige Erteilung oder nach<br />

einem kurzen Aufenthalt in der Schweiz um die Erneuerung der Aufenthaltsbewilligung<br />

nachsucht (zum Beispiel BGE 120 Ib 6 E. 4b). Massgebend ist dabei nicht<br />

zuletzt, dass der neu zugezogene oder noch nicht lange in der Schweiz weilende<br />

Ausländer mit einem schweizerischen Ehepartner eine Ehe führen will bzw. durch<br />

die Ausweisung oder Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung an der Führung<br />

einer Ehe mit dem schweizerischen Partner gehindert würde (BGr, 10. Oktober<br />

2001, 2A.288/2001, E. 3b, www.bger.ch).<br />

3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die ersten beiden Verurteilungen<br />

bereits zehn bzw. neun Jahre zurücklägen, weshalb sie heute weniger ins Gewicht<br />

fielen. Ausserdem dürften bei der dynamischen Auslegung der Zweijahresregel<br />

durch das B<strong>und</strong>esgericht die ausgefällten Strafen nicht einfach zusammengezählt<br />

werden, denn bei einer einzigen Verurteilung wegen mehrerer Straftaten würden<br />

im Rahmen der Strafzumessung die Strafen der einzelnen Taten nach Art. 68 StGB<br />

auch nicht einfach zusammengezählt, sondern führten nur zu einer angemessenen<br />

Erhöhung <strong>des</strong> Strafmasses. Es sei <strong>des</strong>halb klar, dass mehrere unabhängige Verurteilungen<br />

zusammengezählt eine höhere Strafe ergäben, als wenn alle Straftaten in<br />

einem einzigen Urteil erledigt worden wären.<br />

3.2 Der Auffassung <strong>des</strong> Beschwerdeführers ist nicht zu folgen. Es besteht weder<br />

ein Anlass noch eine Rechtsgr<strong>und</strong>lage dafür, im vorliegenden Verfahren retrospektiv<br />

eine neuerliche strafrechtliche Beurteilung seines Verhaltens vorzunehmen.<br />

Noch weniger besteht ein Anspruch darauf, die strafrechtliche Beurteilung trotz<br />

zeitlich weit auseinander liegender Deliktsbegehung retrospektiv auf der Basis eines<br />

einzigen hypothetischen Urteils erfolgen zu lassen, wobei die später begangenen<br />

Delikte nur zu einer Erhöhung <strong>des</strong> Strafmasses führen dürften. Es ist von den<br />

Strafurteilen, wie sie gefällt wurden, <strong>und</strong> damit von insgesamt 26 Monaten Freiheitsstrafe<br />

auszugehen.<br />

3.3 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass die Strafurteile von<br />

1993 <strong>und</strong> 1994 aus zeitlichen Gründen heute weniger ins Gewicht fielen, ist immerhin<br />

zu bemerken, dass aufgr<strong>und</strong> seines Verhaltens der Strafrest von 113 Tagen Freiheitsstrafe<br />

erst im Sommer 2003 verbüsst wurde <strong>und</strong> die Straftaten insofern bis<br />

dahin nachwirkten.<br />

80


29, 30<br />

3.4 Beim Strafmass von zwei Jahren Gefängnis (vorn E. 2.4) handelt es sich<br />

nicht um einen festen Wert, <strong>des</strong>sen Unterschreitung etwa einen unbedingten Anspruch<br />

auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung bewirkte. Vielmehr hängt die<br />

Abwägung von öffentlichen <strong>und</strong> privaten Interessen wesentlich von den Umständen<br />

<strong>des</strong> Einzelfalls ab (BGr, 4. März 2002, 2A.473/2001, E. 3a, <strong>und</strong> 18. November 2002,<br />

2A.438/2002, E. 2.2.2 – bei<strong>des</strong> unter www.bger.ch). Das B<strong>und</strong>esgericht hat entsprechend<br />

in verschiedenen Entscheiden die Ausweisung oder Nichterteilung/<br />

Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung aufgr<strong>und</strong> einer Gesamtwürdigung<br />

der Verhältnisse geschützt, obwohl der Betreffende im Einzelfall zu einer geringeren<br />

Strafe verurteilt worden war (29. April 2002, 2A.571/2001, E. 3; 4. März 2002,<br />

2A.473/2001, E. 3a; 10. Oktober 2001, 2A.288/2001, E. 3b; 18. November 2002,<br />

2A.438/2002, E. 2.2, wo der Beschwerdeführer zwar mit genau zwei Jahren<br />

Gefängnis bestraft worden war, sich aber schon seit 13 Jahren in der Schweiz aufhielt<br />

– alle Entscheide unter www.bger.ch).<br />

VB.2003.00342 4. Kammer, 4. April<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine gegen diesen Entscheid erhobene <strong>Verwaltungsgericht</strong>sbeschwerde<br />

abgewiesen (BGr, 27. August 2004, 2A.253/2004, E. 3.3, www.bger.ch).<br />

30. Familiennachzugsgesuch eines in der Schweiz Niedergelassenen. Die b<strong>und</strong>esgerichtliche<br />

Rechtsprechung schuf mit dem Anspruch verwitweter Eltern<br />

auf Familiennachzug neben den beiden Kategorien der zusammen <strong>und</strong><br />

der getrennt lebenden Eltern eine dritte Kategorie von Berechtigten. Der<br />

Anspruch verwitweter Elternteile auf Nachzug ihrer Kinder ist nach der<br />

Rechtsprechung «bedingungslos», sofern folgende Kriterien erfüllt sind:<br />

Bestehen einer tatsächlich gelebten Familiengemeinschaft, nur vorübergehende<br />

Fremdbetreuung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> nach dem Versterben <strong>des</strong> einen Elternteils<br />

<strong>und</strong> Wahrnehmen der Elternrolle durch den überlebenden Elternteil,<br />

Anstreben <strong>des</strong> Zusammenlebens mit dem nachzuziehenden Kind bzw. erkennbares<br />

Vorbehalten dieser Möglichkeit durch die persönliche Lebensgestaltung.<br />

Sonst gelten die von der Rechtsprechung für getrennt lebende<br />

Elternteile entwickelten Voraussetzungen: Vorrangige Beziehung zwischen<br />

dem Elternteil <strong>und</strong> dem Kind, Notwendigkeit <strong>des</strong> Nachzugs. Art. 8 Abs. 1<br />

EMRK. Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG.<br />

VB.2004.00194 4. Kammer, 18. August<br />

81


31<br />

82<br />

III. Straf- <strong>und</strong> Massnahmenvollzug<br />

31. Bei der Beurteilung der Aktualität eines psychiatrischen Gutachtens ist <strong>des</strong>sen<br />

Anlass mitzuberücksichtigen. Ein Anspruch auf Neubegutachtung setzt<br />

einen erheblichen Aktualitätsverlust <strong>des</strong> früheren Gutachtens voraus, wenn<br />

die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug verlangt wird, ohne dass bereits<br />

Vollzugslockerungen stattgef<strong>und</strong>en hätten. Art. 38 Ziff. 1 StGB.<br />

4.2 Bei der Frage, ob eine neue Begutachtung zu erfolgen hat, ist gemäss der<br />

neueren Rechtsprechung <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esgerichts nicht an das formale Kriterium eines<br />

bestimmten Alters <strong>des</strong> bereits vorhandenen Gutachtens anzuknüpfen. Es kann auf<br />

ein älteres Gutachten abgestellt werden, wenn sich die Verhältnisse seit <strong>des</strong>sen Erstellung<br />

nicht verändert haben. Soweit allerdings frühere Gutachten mit Ablauf der<br />

Zeit <strong>und</strong> zufolge veränderter Verhältnisse an Aktualität eingebüsst haben, sind neuere<br />

Abklärungen unabdingbar. Gelegentlich dürfe es aber genügen, statt eines<br />

neuen umfassenden Gutachtens bei einem bereits tätig gewordenen Sachverständigen<br />

oder bei einer anderen Fachperson ein Ergänzungsgutachten einzuholen. Nach<br />

Auffassung <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esgerichts gilt es ferner zu beachten, dass nach neuerer forensisch-psychiatrischer<br />

Lehre Gefährlichkeitsprognosen lediglich für den Zeitraum<br />

eines Jahres zuverlässig gestellt werden können (BGE 128 IV 241 E. 3.4).<br />

4.3 Diesen Schwierigkeiten bei Gefährlichkeitsprognosen ist Rechnung zu<br />

tragen: Bei psychiatrischen Gutachten, welche sich mit der Gefährlichkeit eines<br />

Verurteilten befassen, sind an das Kriterium der Aktualitätseinbusse keine allzu<br />

hohen Anforderungen zu stellen. Dabei liegt die Annahme ungenügender Aktualität<br />

naturgemäss umso näher, je länger die Erstellung eines Gutachtens zurückliegt.<br />

4.4 Weiter ist in<strong>des</strong>sen auch relevant, für welche Fragen ein Straftäter die<br />

Neubeurteilung der Fremdgefährlichkeit verlangt. Geht es um erste Vollzugslockerungen<br />

eines Verurteilten (zum stufenmässigen Strafvollzug vgl. etwa Jörg<br />

Rehberg, Strafrecht II, 7. A., Zürich 2001, S. 27 ff.; Günter Stratenwerth, Schweizerisches<br />

Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Bern 1989, N. 32 ff. mit Hinweisen), so<br />

bleibt es dabei, dass an die Aktualitätseinbusse verhältnismässig geringe Anforderungen<br />

zu stellen sind.<br />

Die bedingte Entlassung dagegen – als vierte Stufe <strong>des</strong> Strafvollzugs –<br />

schliesst jedenfalls bei bislang als fremdgefährlich eingestuften Tätern in der Regel<br />

an vorangegangene <strong>und</strong> erfolgreich verlaufene Vollzugslockerungen an. Auch wen-


31, 32, 33<br />

det das B<strong>und</strong>esgericht bei der Frage nach einer bedingten Entlassung von Gewalttätern,<br />

die eine lebenslängliche Freiheitsstrafe verbüssen, besonders strenge Kriterien<br />

an (vgl. BGE 125 IV 113 E. 2a). Ist in solchen Fällen über die bedingte Entlassung<br />

zu entscheiden, ohne dass bisher Vollzugslockerungen erfolgt waren, so<br />

setzt der Anspruch auf Neubegutachtung einen Aktualitätsverlust <strong>des</strong> früheren Gutachtens<br />

von erheblichem Gewicht voraus.<br />

VB.2004.00011 ER 4. Abteilung, 22. April<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine <strong>Verwaltungsgericht</strong>sbeschwerde gegen diesen Entscheid abgewiesen<br />

(BGr, 1. Oktober 2004, 6A.34/2004, www.bger.ch).<br />

32. Die Besuchsregelung im Strafvollzug muss nicht in allen Einzelheiten auf<br />

Vorschriften beruhen. Sie wird durch das Interesse an einem ordnungsgemässen<br />

Anstaltsbetrieb gerechtfertigt, zumal sie im Einzelfall Ausnahmen<br />

vorsieht. Die anstaltsinterne Praxis, wonach sich nicht beanspruchte Besuchsst<strong>und</strong>en<br />

bis zu einem gewissen Mass aufrechnen <strong>und</strong> für längere Besuche<br />

von im Ausland wohnhaften Angehörigen verwenden lassen, ist rechtmässig.<br />

§ 99 JVV.<br />

VB.2003.00459 ER 4. Abteilung, 24. März<br />

ähnlich VB.2003.00457<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine <strong>Verwaltungsgericht</strong>sbeschwerde gegen den letzteren Entscheid<br />

abgewiesen, soweit es darauf eingetreten ist (BGr, 9. August 2004, 6A.27/2004, www.bger.ch).<br />

IV. Polizei<br />

33. Die Veranstalterin, welche an drei verschiedenen Standorten Open-Air-Kinos<br />

organisiert, bei denen es sich um organisatorisch selbständige Veranstaltungen<br />

handelt, benötigt keine Reisendengewerbebewilligung. Art. 2<br />

Abs. 1 lit. c RGG.<br />

3.1 Umstritten ist in erster Linie, ob auf die Tätigkeit der Beschwerdeführerin<br />

das Reisendengewerbegesetz anwendbar ist. Gemäss Art. 1 Abs. 1 RGG will das<br />

Gesetz das Gewerbe von Reisenden regeln. Darunter werden Berufe verstanden, die<br />

83


33, 34<br />

Personen im Umherziehen ausüben (BBl 2000, 4187). RGG <strong>und</strong> die Reisendengewerbeverordnung<br />

(RGV) unterscheiden zwischen der Bewilligung für Reisende<br />

(Art. 4 RGG; Art. 3 ff. RGV) <strong>und</strong> der Bewilligung für Schausteller <strong>und</strong> Zirkusse<br />

(Art. 5 RGG; Art. 19 ff. RGV). Gemäss Art. 2 lit. c <strong>und</strong> lit. d RGV handelt es sich<br />

bei Schaustellern <strong>und</strong> Zirkusbetreibern um natürliche oder juristische Personen, die<br />

gewerbsmässig <strong>und</strong> an häufig wechselnden Standorten das Publikum unterhalten,<br />

indem sie ihm Anlagen zur Verfügung stellen resp. das Publikum in oder auf Anlagen<br />

mit Darbietungen unterhalten. Damit präzisiert der Verordnungsgeber, dass<br />

auch auf Schausteller <strong>und</strong> Zirkusbetreiber RGG <strong>und</strong> RGV nur anwendbar sind, falls<br />

diese ihre Tätigkeiten «im Umherziehen» ausüben. Dies ergibt sich schon aus der<br />

b<strong>und</strong>esrätlichen Botschaft, wonach als Schausteller Unternehmen, welche im<br />

Umherziehen auf Chilbiplätzen, Jahrmärkten, Messen usw. Fahrgeschäfte, Schiessbuden,<br />

Karussells <strong>und</strong> andere Schaustellungen, Belustigungen <strong>und</strong> Attraktionen für<br />

die Besucher betreiben, <strong>und</strong> als Zirkusse Wanderzirkusse, befristete Zirkusvorstellungen,<br />

wandernde Variétés <strong>und</strong> Wandertheater gelten (BBl 2000, 4208).<br />

3.2 Vorliegend stellt sich die Frage, ob die für die drei Open-Air-Kinos notwendigen<br />

Gitterrohrtribühnen mit einer Höhe von 8.75 m, 6.53 m <strong>und</strong> 4.64 m sowie<br />

einer Platzzahl von 1548, 1058 <strong>und</strong> 392 Personen eine Reisendengewerbebewilligung<br />

benötigen. Die Beschwerdeführerin hat überzeugend dargetan, dass es sich<br />

bei den drei Open-Air-Kinos um organisatorisch selbständige Veranstaltungen handelt,<br />

die auch von den eingesetzten Anlagen her nichts miteinander zu tun haben.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Erfordernisse der drei Standorte Zürich, Basel <strong>und</strong><br />

Bern kommen an den drei Standorten nämlich zwangsläufig unterschiedliche Materialien<br />

zum Einsatz. Somit ergibt sich aber auch, dass die Beschwerdeführerin<br />

keine Tätigkeit im Umherziehen ausführt, sondern drei voneinander unabhängige<br />

Einzelveranstaltungen organisiert. Dies wird auch von der Vorinstanz anerkannt.<br />

Insoweit sie jedoch darlegt, dass sich eine Bewilligungspflicht gestützt auf das<br />

RGG aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Gefahrenpotenzials der eingesetzten Anlagen ergeben soll, kann<br />

ihr nicht gefolgt werden. Das RGG will nämlich einzig das Reisendengewerbe der<br />

Bewilligungspflicht unterstellen.<br />

84<br />

VB.2003.00458 3. Kammer, 26. Februar<br />

34. Fahrende haben in der Regel dort ihre polizeiliche Niederlassung, wo sie<br />

über einen festen Standplatz für längere Aufenthalte (z.B. über den Winter)<br />

verfügen. § 32 Abs. 1 GemeindeG.<br />

VB.2004.00153 3. Kammer, 3. August


V. Abgaben (ohne Steuern)<br />

35. Eine Konzessionsgebühr von Fr. 28 700.– für ein Sondernutzungsrecht zur<br />

Benützung <strong>des</strong> öffentlichen Luftraums für ein (an der Fassade angebrachtes)<br />

Sonnenstorenelement <strong>des</strong> dort betriebenen Boulevardcafés, welches<br />

eine Teilfläche von 2,15 m 2 beschlägt, verletzt das Äquivalenzprinzip. § 231<br />

PBG. Art. 1, Art. 3 GebR Stadt Zürich.<br />

3.2 Nach dem Äquivalenzprinzip muss die Höhe der Gebühr im Einzelfall in<br />

einem vernünftigen Verhältnis zum Wert stehen, den die staatliche Leistung für den<br />

Abgabepflichtigen hat (Häfelin/Müller, Rz. 2641 ff.). Mit Bezug auf Gebühren für<br />

die Inanspruchnahme öffentlichen Gr<strong>und</strong>es wird dieses Prinzip in § 231 Abs. 3<br />

PBG konkretisiert, wonach bei der Bemessung insbesondere das Ausmass <strong>und</strong> die<br />

Dauer der Beanspruchung, der wirtschaftliche Nutzen für den Konzessionär <strong>und</strong><br />

die allfälligen Nachteile für das Gemeinwesen zu berücksichtigen sind. Der Konkretisierung<br />

<strong>des</strong> Äquivalenzprinzips dienen sodann die in Art. 3 Abs. 2 lit. c <strong>und</strong> d<br />

GebR genannten Bemessungskriterien, nämlich die Art der Benützung <strong>und</strong> der daraus<br />

erwachsende Vorteil für den Konzessionär bzw. die für die zugestandene Benützung<br />

erforderliche bauliche Vorrichtung (lit. c) sowie die mit der Sondernutzung<br />

verb<strong>und</strong>ene Einschränkung <strong>des</strong> Gemeingebrauchs (lit. d). Das Äquivalenzprinzip<br />

ist seinerseits Ausfluss verfassungsrechtlich geschützter Prinzipien, nämlich <strong>des</strong><br />

Gleichheitsgebots, <strong>des</strong> Willkürverbots <strong>und</strong> <strong>des</strong> Verhältnismässigkeitsgr<strong>und</strong>satzes<br />

(Art. 5 Abs. 2, Art. 8 <strong>und</strong> Art. 9 BV). Das bedeutet, dass, gestützt auf das Äquivalenzprinzip,<br />

unter Umständen vom Ergebnis einer Gebührenberechnung selbst dann<br />

abgewichen werden muss, wenn diese Berechnung an sich den massgebenden Reglementbestimmungen<br />

entspricht. Ferner ist das Äquivalenzprinzip bei der Anwendung<br />

relativ unbestimmter Reglementbestimmungen im Sinn einer verfassungskonformen<br />

Auslegung zu berücksichtigen. Bezogen auf die hier massgebenden Bestimmungen<br />

<strong>des</strong> Gebührenreglements kann dies nach zutreffender Auffassung der<br />

Vorinstanz dazu führen, dass zur Wahrung <strong>des</strong> Äquivalenzprinzips von den (rechnerisch<br />

unmittelbar umsetzbaren) Berechnungsregeln von Art. 3 Abs. 2 lit. a <strong>und</strong> b<br />

in Verbindung mit Art. 7 GebR abgewichen <strong>und</strong> die Bemessungsregeln von Art. 3<br />

Abs. 2 lit. c <strong>und</strong> d GebR heranzuziehen sind.<br />

3.3 Auf ein offensichtliches Missverhältnis zwischen der veranlagten Gebühr<br />

von Fr. 28700.– <strong>und</strong> dem Nutzen der Konzession für die Beschwerdegegnerin<br />

schliesst die Baurekurskommission <strong>des</strong>wegen, weil bezüglich der Teilfläche von<br />

2,15 m 2 unterhalb <strong>des</strong> an der Fassade angebrachten Sonnenstorenelements nach den<br />

35<br />

85


35<br />

für die periodisch erhobene Benutzungsgebühr massgebenden Ansätzen lediglich<br />

ein kapitalisierter Wert von Fr. 5 350.– resultiere <strong>und</strong> weil der an der Fassade angebrachte<br />

Sonnenstorenkasten den Gemeingebrauch kaum zusätzlich einschränke<br />

<strong>und</strong> der Beschwerdegegnerin nur geringfügige zusätzliche Vorteile bringe.<br />

Die Beschwerde führende Stadt Zürich weist zwar zutreffend darauf hin, dass<br />

mit der streitbetroffenen Gebühr eine – konzessionspflichtige – Sondernutzung abgegolten<br />

wird, während die von der Beschwerdegegnerin ebenfalls zu entrichtende<br />

periodische Gebühr für die Inanspruchnahme <strong>des</strong> öffentlichen Gr<strong>und</strong>es lediglich<br />

den damit verb<strong>und</strong>enen gesteigerten Gemeingebrauch abgilt. Der Betrieb eines<br />

Boulevardcafés bzw. die damit einhergehende Nutzung <strong>des</strong> öffentlichen Gr<strong>und</strong>es<br />

stellt gesteigerten Gemeingebauch dar; das gilt jedenfalls insoweit, als eine solche<br />

Nutzung, wie dies hier abgesehen vom streitbetroffenen Sonnenstorenelement<br />

zutrifft, nicht mit baulichen Vorkehren verb<strong>und</strong>en ist (vgl. VGr, 9. April 1998,<br />

VB.1998.00050; 16. Dezember 1999, VB.1999.00266; zu wenig differenzierend:<br />

VGr, 21. Juni 2001, VB.2000.00419). Für zeitlich unbegrenzt bewilligte bauliche<br />

Vorrichtungen im, auf oder über dem öffentlichen Gr<strong>und</strong> – wie hier das streitige<br />

Sonnenstorenelement – bedarf es einer Sondernutzungskonzession (Art. 1 GebR;<br />

RB 1989 Nr. 81; vgl. allgemein Häfelin/Müller, Rz. 2607 in Verbindung mit<br />

Rz. 2423 ff.). Dieser Unterschied in den rechtlichen Gr<strong>und</strong>lagen der den Gebühren<br />

zugr<strong>und</strong>e liegenden Bewilligungen bedeutet aber nicht, dass der praktische Nutzen<br />

einer konzessionspflichtigen Vorrichtung ungeachtet von deren Art <strong>und</strong> Funktion<br />

nur wegen dieser besonderen rechtlichen Ausgestaltung um ein Vielfaches höher<br />

als der Nutzen eines bloss bewilligungspflichtigen gesteigerten Gemeingebrauchs<br />

sein muss. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass zwischen den beiden<br />

Erscheinungsformen nicht mehr gemeinverträglicher Nutzungen <strong>des</strong> öffentlichen<br />

Gr<strong>und</strong>es fliessende Übergänge bestehen (vgl. etwa VGr, 9. April 1998,<br />

VB.1998.00050, E. 3 bezüglich eines – immerhin baubewilligungspflichtigen –<br />

Po<strong>des</strong>ts für ein Boulevardcafé). Damit zusammen hängt auch, dass die Rechtsnatur<br />

von Gebühren für die Sondernutzung von öffentlichen Sachen, welche eine<br />

Konzession erfordert, in Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung umstritten ist; teils werden derartige<br />

Abgaben als Konzessionsgebühren, teils als Benutzungsgebühren bezeichnet<br />

(vgl. Häfelin/Müller, Rz. 2630). Bei der hier streitigen Sonnenstorenvorrichtung<br />

dürfte es sich um einen Grenzfall einer konzessionspflichtigen Anlage handeln.<br />

Nach der durch die Beschwerdeführerin nicht entkräfteten Beurteilung der<br />

Vorinstanz schränkt das an der Fassade unmittelbar unterhalb eines ohnehin bestehenden<br />

baulichen Vorsprungs angebrachte Sonnenstorenelement den Gemeingebrauch<br />

auf dem öffentlichen Gr<strong>und</strong> nicht ein <strong>und</strong> bringt es der Beschwerdegegnerin<br />

86


35, 36<br />

als Konzessionärin – gegenüber der durch die periodische Benutzungsgebühr abgegoltenen<br />

Bewilligung <strong>des</strong> Boulevardcafés auf öffentlichem Gr<strong>und</strong> – nur geringfügige<br />

zusätzliche Vorteile. Unter diesen Umständen liefert der von der Vorinstanz<br />

ermittelte Vergleichswert – kapitalisierter Wert der Benutzungsgebühr, die im vorliegenden<br />

Fall für die Teilfläche von 2,15 m 2 unterhalb <strong>des</strong> an der Fassade angebrachten<br />

Sonnenstorenelements zu entrichten wäre – durchaus einen schlüssigen<br />

Anhaltspunkt dafür, dass die veranlagte Konzessionsgebühr von Fr. 28 700.– mit<br />

dem Äquivalenzprinzip nicht mehr vereinbar ist. Die diesbezügliche Beurteilung<br />

der Vorinstanz überzeugt, beruht sie doch auf einer plausiblen Gewichtung der aus<br />

der streitigen Vorrichtung für die Beschwerdegegnerin resultierenden Vorteile <strong>und</strong><br />

der für die Beschwerdeführerin bzw. den Gemeingebrauch resultierenden Nachteile.<br />

Daran vermag auch der für sich genommen zutreffende Einwand der Beschwerdeführerin,<br />

dass in Art. 3 Abs. 2 lit. c GebR Vorteile, die der Konzessionärin<br />

zugute kommen, <strong>und</strong> nicht solche für das betreffende Gebäude gemeint sind, nichts<br />

zu ändern.<br />

Ist demnach davon auszugehen, dass die ursprünglich veranlagte Gebühr von<br />

Fr. 28 700.– in einem offensichtlichen Missverhältnis zum Wert der staatlichen<br />

Leistung für die Beschwerdegegnerin steht, so erweist sich der Vorwurf der<br />

Beschwerdeführerin, die Baurekurskommission habe mit der Aufhebung <strong>und</strong> Neubemessung<br />

dieser Gebühr in unzulässiger Weise in die ihr bei der Anwendung kommunalen<br />

Rechts zustehende Beurteilungs- <strong>und</strong> Entscheidungsfreiheit eingegriffen,<br />

als unbegründet.<br />

VB.2004.00003 ER 3. Abteilung, 30. März<br />

36. Eine Konzessionsgebühr von Fr. 214 000.– für ein Sondernutzungsrecht zur<br />

Benützung <strong>des</strong> öffentlichen Gr<strong>und</strong>es für Treppenstufen, die an bester<br />

Passantenlage 20,55 m 2 <strong>des</strong> Trottoirs in Anspruch nehmen, verletzt das<br />

Äquivalenzprinzip. § 231 PBG. Art. 1, Art. 3 GebR Stadt Zürich.<br />

VB.2004.00154 3. Kammer, 19. August<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine staatsrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid am 14. Juni<br />

2005 gutgeheissen.<br />

87


37, 38<br />

37. Nachbezug von Anschlussgebühren für Wasser <strong>und</strong> Abwasser: Anwendbar<br />

ist jenes Recht, welches im Zeitpunkt der Verwirklichung <strong>des</strong> die Gebührenpflicht<br />

auslösenden Sachverhalts in Kraft stand. Bei Neubauten entsteht die<br />

Anschlussgebührenpflicht mit dem Anschluss an das betreffende Versorgungsnetz,<br />

nicht mit der Schätzung der Liegenschaft durch die Gebäudeversicherungsanstalt.<br />

«Anschluss» bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der<br />

behördlichen Abnahme der Anschlussleitung oder nach jenem der tatsächlichen<br />

Benutzungsmöglichkeit. Bei Um- <strong>und</strong> Erweiterungsbauten gelten die<br />

gleichen Gr<strong>und</strong>sätze. Die Pflicht zur Leistung einer Anschlussgebühr trifft<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich den Gr<strong>und</strong>eigentümer im Zeitpunkt <strong>des</strong> Anschlusses. § 45 EG<br />

GSchG. § 29 WasserwirtschaftsG.<br />

88<br />

VB.2004.00162 ER 3. Abteilung, 26. August<br />

VI. Beschaffungswesen<br />

38. Ortskenntnisse dürfen von einem Anbieter nur verlangt werden, wenn sie<br />

wegen der Eigenart <strong>des</strong> zu vergebenden Auftrags von besonderem Nutzen<br />

sind <strong>und</strong> damit als sachlich gerechtfertigtes Kriterium erscheinen. Angesichts<br />

der damit verb<strong>und</strong>enen Gefahr der Diskriminierung auswärtiger Anbieter<br />

sind an den Nachweis, dass für den betreffenden Auftrag Ortskenntnisse<br />

erforderlich sind, hohe Anforderungen zu stellen. Art. 5 Abs. 1<br />

BGBM. Art. 1 Abs. 3 lit. b IVöB.<br />

5.1 Die Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen<br />

bezweckt unter anderem, die Gleichbehandlung aller Anbietenden zu gewährleisten<br />

(Art. 1 Abs. 3 lit. b IVöB). Auch gemäss Art. 5 Abs. 1 BGBM dürfen ortsfremde<br />

Anbietende bei einer öffentlichen Beschaffung nicht benachteiligt werden. Zulässig<br />

sind ihnen gegenüber nach Art. 3 Abs. 1 BGBM nur Beschränkungen, welche<br />

gleichermassen auch für ortsansässige Personen gelten (lit. a), zur Wahrung überwiegender<br />

öffentlicher Interessen unerlässlich sind (lit. b) <strong>und</strong> dem Gr<strong>und</strong>satz der<br />

Verhältnismässigkeit entsprechen (lit. c). Im Rahmen eines Einladungsverfahrens<br />

ist eine gewisse Bevorzugung ortsansässiger oder regionaler Anbieter gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

auch insofern zulässig, als es der Vergabebehörde erlaubt ist, für einen bestimmten<br />

Auftrag nur einheimische Unternehmen zur Offertstellung einzuladen. Werden aber<br />

auch Anbieter aus anderen Regionen <strong>und</strong> Kantonen eingeladen, ist die Vergabe-


38, 39<br />

behörde ihnen gegenüber an das Gebot der Gleichbehandlung bzw. das Verbot der<br />

Diskriminierung geb<strong>und</strong>en.<br />

Das Abstellen auf Ortskenntnisse eines Bewerbers ist unter dem Gesichtspunkt<br />

der Gleichbehandlung auswärtiger Anbieter ausgesprochen problematisch;<br />

die generelle Anwendung eines solchen Vergabekriteriums würde den vom Binnenmarktgesetz<br />

angestrebten freien <strong>und</strong> gleichberechtigten Zugang zum Markt auf<br />

dem ganzen Gebiet der Schweiz (Art. 1–3 BGBM) stark einschränken. Ortskenntnisse<br />

dürfen daher nur verlangt werden, wenn sie wegen der Eigenart <strong>des</strong> zu vergebenden<br />

Auftrags von besonderem Nutzen sind <strong>und</strong> damit als sachlich gerechtfertigt<br />

erscheinen (VGr, 6. Juni 2001, VB.2000.00391, E. 3d/aa, www.vgrzh.ch; VGr AG,<br />

AGVE 1998, S. 375 E. 6c). Angesichts der mit diesem Kriterium verb<strong>und</strong>enen Gefahr<br />

der Diskriminierung auswärtiger Anbieter sind an den Nachweis, dass für den<br />

betreffenden Auftrag Ortskenntnisse erforderlich sind, hohe Anforderungen zu stellen.<br />

VB.2004.00305 1. Kammer, 24. November<br />

39. Nicht jeder Beitrag im Rahmen der Vorbereitung einer Submission führt<br />

zwingend zum Ausschluss <strong>des</strong> betreffenden Anbieters oder der mit ihm verb<strong>und</strong>enen<br />

Unternehmen. § 9, § 16 Abs. 4 SubmV.<br />

3.3.2 Nicht zu beanstanden ist ein Wissensvorsprung, der nicht dem Submissionsverfahren,<br />

sondern der bisherigen Tätigkeit <strong>des</strong> Submittenten entspringt (VGr,<br />

13. August 2003, VB.2003.00161, E. 3a, www.vgrzh.ch; RB 2001 Nr. 44 = BEZ 2001<br />

Nr. 24 E. 4c; Galli/Moser/Lang, Rz. 516). So kann einem Anbieter nicht verwehrt<br />

werden, Vorwissen auszunützen, das er sich durch frühere Arbeiten für denselben<br />

Auftraggeber – allenfalls sogar am selben Objekt – erworben hat. So wird z.B. bei<br />

der Erweiterung eines Spitalgebäu<strong>des</strong> auch der ursprüngliche Erbauer zum Angebot<br />

zugelassen, <strong>und</strong> bei der Neuausschreibung eines Dauerauftrags (etwa für die<br />

Kehrichtsammlung oder die Leistungen eines Gemeindegeometers) wird der bisherige<br />

Inhaber <strong>des</strong> Auftrags nicht wegen Vorbefassung ausgeschlossen.<br />

Auch im Rahmen der Vorbereitung einer Submission führt nicht jeder Beitrag<br />

zwingend zum Ausschluss <strong>des</strong> betreffenden Anbieters oder der mit ihm verb<strong>und</strong>enen<br />

Unternehmen (VGr, 13. August 2003, VB.2003.00161, E. 3a, www.vgrzh.ch).<br />

Zwar kommt es nach dem Gesagten nicht in Frage, dass interessierte Unternehmungen,<br />

die später als Anbieter an der Submission teilnehmen wollen, direkt oder indi-<br />

89


39, 40, 41<br />

rekt an der Ausarbeitung der Ausschreibungsunterlagen mitwirken. Dagegen müssen<br />

Vorarbeiten, mit denen nur Gr<strong>und</strong>lagen für die spätere Projektierung <strong>und</strong> Ausschreibung<br />

bereitgestellt werden (z.B. Machbarkeitsstudien) nicht zwingend zum<br />

Ausschluss der damit befassten Personen oder Unternehmen führen. Als wesentlicher<br />

Gesichtspunkt fällt dabei in Betracht, dass die Mitarbeiter der Vergabestelle,<br />

welche in der Folge die eigentlichen Ausschreibungsunterlagen erstellen, in der<br />

Lage sind, die vorbereitenden Studien aus eigener Sachkenntnis kritisch zu würdigen,<br />

<strong>und</strong> diese nicht ungeprüft in die Ausschreibung einfliessen lassen. Ferner ist<br />

darauf zu achten, dass bei den Vorarbeiten anfallende Informationen auch den<br />

andern Anbietern umfassend <strong>und</strong> frühzeitig zugänglich gemacht werden.<br />

90<br />

VB.2004.00304 1. Kammer, 8. Dezember<br />

BEZ 2005 Nr. 5<br />

40. Die allgemeine verwaltungsrechtliche Weiterleitungs- <strong>und</strong> Überweisungspflicht<br />

gelangt im Fall der Einreichung einer Offerte bei der falschen Amtsstelle<br />

nicht zur Anwendung. Nur eine strikte Respektierung von Eingabefrist<br />

<strong>und</strong> Eingabeort kann eine effiziente Abwicklung <strong>des</strong> Vergabeverfahrens<br />

sicherstellen <strong>und</strong> die Gleichbehandlung der Antragsteller wahren.<br />

§ 5 Abs. 2 VRG. § 13 Abs. 1 lit. j, § 25 SubmV.<br />

VB.2004.00331 1. Kammer, 24. November<br />

41. Wenn die Jury bei einem Gesamtleistungswettbewerb keinen Gewinner ermittelt<br />

hat, sind die Voraussetzungen für eine freihändige Vergabe <strong>des</strong> Auftrags<br />

nicht gegeben. § 11 Abs. 1 lit. k aSubmV.<br />

1.2 Im vorliegenden Fall wurde ein Gesamtleistungswettbewerb durchgeführt<br />

<strong>und</strong> in Aussicht gestellt, mit dem Anbieter <strong>des</strong> vom Preisgericht für die Realisierung<br />

empfohlenen Lösungsvorschlags einen Totalunternehmervertrag abzuschliessen.<br />

Vorbehalten blieb nach Ziff. 1.6 <strong>des</strong> Wettbewerbsprogramms die Ablehnung<br />

oder Rückweisung <strong>des</strong> Projekts bzw. <strong>des</strong> Baukredits durch die Gemeinde.<br />

Die im Wettbewerbsprogramm vorgesehene Wettbewerbsorganisation entspricht<br />

nach der übereinstimmenden <strong>und</strong> zutreffenden Auffassung der Parteien den<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>des</strong> aIVöB-BeitrittsG <strong>und</strong> der aSubmV. Insbesondere wurde das


Verfahren zweistufig durchgeführt, <strong>und</strong> die anonym eingereichten Arbeiten wurden<br />

durch eine unabhängige Jury beurteilt.<br />

Nach Ziff. 1.1 <strong>des</strong> Wettbewerbsprogramms war sodann neben den Vorschriften<br />

der aIVöB <strong>und</strong> der aSubmV zum selektiven Verfahren subsidiär die SIA-Ordnung<br />

142 (Ausgabe 1998) anwendbar.<br />

2.1 § 11 Abs. 1 lit. k aSubmV lässt für die in ihrem Anwendungsbereich liegenden<br />

Aufträge eine freihändige Vergabe nach durchgeführtem Wettbewerb nur<br />

zu, wenn die Vergabe an den Gewinner <strong>des</strong> Wettbewerbs erfolgt. Auch Art. XV Ziff.<br />

1 lit. j GPA, welcher Gr<strong>und</strong>lage von § 11 Abs. 1 lit. k aSubmV bildet, lässt die freihändige<br />

Vergabe nach durchgeführtem Wettbewerb nur an den Wettbewerbsgewinner<br />

zu. Umgekehrt kann ein Auftrag, der einem anderen als dem Wettbewerbsgewinner<br />

erteilt werden soll, gr<strong>und</strong>sätzlich nicht freihändig, sondern nur nach Durchführung<br />

eines neuen Vergabeverfahrens vergeben werden (vgl. Galli/Moser/Lang,<br />

S. 227 f.; Galli/Lehmann/Rechsteiner, Rz. 637).<br />

2.2 Ein auf der SIA-Ordnung 142 basierender Juryentscheid setzt sich in der<br />

Regel aus drei Elementen zusammen: der Festlegung der Rangfolge (Art. 21), der<br />

Zusprechung der Preise <strong>und</strong> Ankäufe (Art. 22) <strong>und</strong> der Empfehlung (Art. 23).<br />

Diese Elemente sind vergaberechtlich nur insoweit relevant, als sie der Bestimmung<br />

<strong>des</strong> Wettbewerbsgewinners im Sinn von § 11 Abs. 1 lit. k aSubmV dienen. Der Gewinner<br />

<strong>des</strong> Wettbewerbs lässt sich dann ohne Probleme feststellen, wenn die Jury<br />

eine bestimmte Arbeit sowohl in den ersten Rang setzt, ihr den ersten Preis zuspricht<br />

<strong>und</strong> auch die Vergabe an den entsprechenden Anbieter empfiehlt. Weniger<br />

eindeutig fällt das Ergebnis aus, wenn die einzelnen Elemente <strong>des</strong> Juryentscheids<br />

in Widerspruch zueinander treten, sei es etwa, weil die Empfehlung nicht der Rangierung<br />

entspricht oder weil ein Preis für das erstrangierte Projekt wegen Programmwidrigkeit<br />

ausser Betracht fällt (vgl. Art. 52 Abs. 2 <strong>und</strong> 3 VoeB, Art. 22.3<br />

SIA-Ordnung 142).<br />

Voraussetzung einer freihändigen Vergabe im Sinn von § 11 Abs. 1 lit. k aSubmV<br />

ist in jedem Fall, dass die Jury einen Gewinner ermittelt hat. Dies setzt zumin<strong>des</strong>t<br />

eine eindeutige Festlegung der Rangfolge voraus, wobei eine gleichrangige Bewertung<br />

zweier Projekte nach der SIA-Ordnung 142 problematisch ist (vgl. Art. 22.1,<br />

der jedenfalls Ex-aequo-Preise verbietet). Eine Empfehlung der Jury zuhanden der<br />

Auftraggeberin ist vergaberechtlich nur insoweit relevant, als sie dazu dient, den<br />

Gewinner <strong>des</strong> Wettbewerbs zu ermitteln. Andere Empfehlungen wie etwa betreffend<br />

die Weiterbearbeitung eines oder mehrerer Projekte sind vergaberechtlich<br />

ohne Belang.<br />

41<br />

91


41<br />

2.3 Wie weit die Behörde nach der Durchführung eines Planungs- <strong>und</strong> Gesamtleistungswettbewerbs<br />

an den Juryentscheid geb<strong>und</strong>en ist, wird durch das zürcherische<br />

Recht nicht ausdrücklich geregelt. Auf B<strong>und</strong>esebene ist die Auftraggeberin<br />

zwar in der Regel an die Empfehlung <strong>des</strong> Preisgerichts geb<strong>und</strong>en, kann sich<br />

von dieser Verpflichtung jedoch ausnahmsweise durch eine Abgeltung befreien<br />

(Art. 53 in Verbindung mit Art. 55 Abs. 1 lit. c VoeB). Auch Art. 27.1 SIA-Ordnung<br />

142 räumt dem Wettbewerbsgewinner einen Anspruch auf den Auftrag ein, wobei<br />

sich die Auftraggeberin auch hier durch eine Abgeltung sowie durch den generellen<br />

Verzicht auf die Realisierung <strong>des</strong> Vorhabens (Art. 27.2 <strong>und</strong> 27.3) befreien kann.<br />

In seiner bisherigen Rechtsprechung ist das <strong>Verwaltungsgericht</strong> von einer gewissen<br />

Bindung der Vergabebehörde an den Juryentscheid ausgegangen, ohne sich<br />

aber im Einzelnen dazu zu äussern (vgl. VGr, 13. Februar 2002, BEZ 2002 Nrn. 28<br />

<strong>und</strong> 33 mit Hinweisen). Dieser Entscheid wurde in der Lehre teilweise kritisiert<br />

(vgl. Christian Pfammatter, Concours et marchés publics, in: RDAF 2002, S. 439 ff.,<br />

455; Denis Esseiva in: BR 4/2003, S. 150 f.). Das Konzept der freihändigen Vergabe<br />

spricht in der Tat eher gegen das Bestehen einer Verpflichtung der Behörde,<br />

nach durchgeführtem Wettbewerb überhaupt einen Zuschlag zu erteilen. § 11 Abs. 1<br />

aSubmV zählt verschiedene Fälle auf, die es der Vergabebehörde erlauben, Aufträge,<br />

die an sich im offenen oder selektiven Verfahren auszuschreiben wären, ohne<br />

ein solches Verfahren freihändig zu vergeben. Damit wird durchwegs eine Handlungsmöglichkeit,<br />

nicht aber eine Handlungspflicht aufgezeigt. Anders als im ordentlichen<br />

Vergabeverfahren verlangt auch die Vielfalt möglicher Lösungen im<br />

Rahmen von Planungs- <strong>und</strong> Gesamtleistungswettbewerben eine gewisse Freiheit<br />

der Vergabebehörde im Entscheid über die Realisierung. Dem trägt die SIA-Ordnung<br />

142 mit ihrem Art. 27.2 auch Rechnung. Eine Vergabebehörde soll nicht<br />

gegen ihren Willen dazu gezwungen werden, ein Projekt zu realisieren, dem sie –<br />

aus welchen Gründen auch immer – ablehnend gegenübersteht. Die Bindung der<br />

Behörde an den Juryentscheid ist somit in erster Linie eine negative, indem es ihr<br />

versagt ist, die freihändige Vergabe an einen andern Anbieter als den Gewinner <strong>des</strong><br />

Wettbewerbs vorzunehmen (vorn E. 2.1; vgl. VGr, 12. März 2003, BEZ 2003<br />

Nr. 26 E. 2c).<br />

Anzumerken ist, dass der Vertragsschluss selbst im Anschluss an einen rechtskräftigen<br />

Zuschlag nicht im öffentlichrechtlichen Vergabeverfahren erzwungen<br />

werden könnte. Der Verzicht auf den Vertragsschluss hat letztlich ebenso wie ein<br />

unzulässiger Verfahrensabbruch, ein späterer Rücktritt vom Werkvertrag (Art. 377 OR)<br />

oder eine Kündigung <strong>des</strong> Auftrags zur Unzeit (Art. 404 Abs. 2 OR) nur privatrechtliche<br />

Schadenersatzansprüche zur Folge, über die im Zivilprozess <strong>und</strong> nicht<br />

92


durch das <strong>Verwaltungsgericht</strong> zu entscheiden ist (vgl. auch BGr, 20. November 2003,<br />

2P.155/2003, www.bger.ch).<br />

3.1 Das Preisgericht setzte sich aus zwei Sachpreisrichtern der Schulverwaltung<br />

<strong>und</strong> drei Fachpreisrichtern, zwei Architekten <strong>und</strong> einem Bauingenieur, zusammen.<br />

Zusätzlich gehörten der Jury verschiedene Interessenvertreter vorwiegend aus<br />

der Gemeinde als nicht stimmberechtigte Experten (vgl. Art. 11 SIA-Ordnung 142)<br />

an. Bei der Beurteilung der vorgelegten Projekte in vorerst zwei Bewertungsr<strong>und</strong>en<br />

gaben alle Jurymitglieder ihre Bewertungen ab, ohne dass zwischen den stimmberechtigten<br />

<strong>und</strong> den nicht stimmberechtigten Mitgliedern unterschieden worden<br />

wäre. Dabei zeigte sich, dass alle Jurymitglieder zusammen dem Projekt «N» die<br />

meisten Punkte gaben, gefolgt vom Projekt «O». Die stimmberechtigten Mitglieder<br />

hingegen hatten umgekehrt dem Projekt «O» die höchste <strong>und</strong> dem Projekt «N» die<br />

zweithöchste Punktzahl gegeben. Im dritten Durchgang kam die Jury zum Schluss,<br />

dass beide Projekte nicht ohne Überarbeitung realisiert werden könnten <strong>und</strong> empfahl<br />

beide zur Weiterbearbeitung. Demgemäss sprach das Preisgericht in seinem<br />

Bericht unter dem Titel «Festlegung der Rangfolge» die Empfehlung zur Weiterbearbeitung<br />

von «O» <strong>und</strong> «N» aus.<br />

3.2 Aufgr<strong>und</strong> dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Jury keinen<br />

Wettbewerbsgewinner im Sinn von § 11 Abs. 1 lit. k aSubmV ermittelt hat. Weder<br />

enthielt der Entscheid eine Rangfolge, noch wurde die Vergabe an einen bestimmten<br />

Bewerber empfohlen. Zwar hatten die stimmberechtigten Jurymitglieder im<br />

zweiten Durchgang das Projekt «O» an erste Stelle gesetzt, jedoch verzichteten sie<br />

in der Folge offenbar bewusst auf eine definitive Rangierung der Projekte im dritten<br />

Durchgang. Dieser wohl aus Rücksicht auf die Mehrheitsmeinung der nicht<br />

stimmberechtigten Jurymitglieder getroffene Verzicht verbietet es, dem Preisgericht<br />

eine bestimmte Rangfolge als mutmasslichen Entscheid im dritten Durchgang<br />

zu unterstellen. Die zuvor abgegebene Bewertung erfolgte noch unter Mitwirkung<br />

der nicht stimmberechtigten Mitglieder <strong>und</strong> kann daher nur als konsultative Stimmabgabe<br />

der Stimmberechtigten angesehen werden. Damit blieb offen, ob die stimmberechtigten<br />

Jurymitglieder ihre Beurteilung mit Rücksicht auf die von den anderen<br />

Mitgliedern abgegebenen Bewertungen im dritten Durchgang allenfalls noch<br />

angepasst hätten.<br />

3.3 Da die Jury somit keinen Gewinner <strong>des</strong> Wettbewerbs ermittelt hat, sind die<br />

Voraussetzungen von § 11 Abs. 1 lit. k aSubmV für eine freihändige Vergabe <strong>des</strong><br />

Auftrags nicht gegeben, <strong>und</strong> die angefochtene Verfügung ist aufzuheben. Der Ver-<br />

41<br />

93


41, 42, 43<br />

gabebehörde steht es frei, nunmehr entweder ein ordentliches Vergabeverfahren zu<br />

eröffnen oder einen neuen Gesamtleistungswettbewerb auszuschreiben.<br />

94<br />

VB.2003.00234 1. Kammer, 28. Januar<br />

BEZ 2004 Nr. 35<br />

42. Als Zuschlagskriterien können auch Eigenschaften <strong>des</strong> Anbieters verwendet<br />

werden, die bereits als Eignungskriterien benutzt wurden. § 22 aSubmV.<br />

VB.2003.00236 1. Kammer, 28. Januar<br />

BEZ 2004 Nr. 13<br />

43. Die Aufzählung der Anfechtungsobjekte im Vergabeverfahren ist nicht abschliessend.<br />

Auch gegen den Entscheid zur Wiederholung einer Submission<br />

ist die Beschwerde zulässig. In besonderen Fällen kann auch die Nichteinladung<br />

im Einladungsverfahren angefochten werden.Art. 30 Abs. 2 VoeB. § 4<br />

aIVöB-BeitrittsG. § 35 aSubmV.<br />

2.1 Die Beschwerde richtet sich zunächst gegen die Verfügung <strong>des</strong> Hochbauamts<br />

vom 31. Januar 2003, gemäss welcher das Vergabeverfahren «abgebrochen<br />

<strong>und</strong> neu durchgeführt» wurde. Da der Beschwerdegegner nicht auf die strittige Beschaffung<br />

zu verzichten gedenkt, sondern das ursprüngliche Projekt nach seinen<br />

Angaben weit gehend unverändert weiter verfolgt, handelt es sich bei dieser Anordnung<br />

nicht um einen definitiven Abbruch (§ 35 Abs. 1 aSubmV), sondern um die<br />

Wiederholung <strong>des</strong> Vergabeverfahrens (§ 35 Abs. 2 aSubmV).<br />

Der Entscheid zur Wiederholung <strong>des</strong> Verfahrens wird in § 4 aIVöB-BeitrittsG<br />

im Gegensatz zum Abbruch nicht ausdrücklich als anfechtbarer Entscheid erwähnt.<br />

Dabei ist allerdings nicht deutlich, ob die Wiederholung vom Gesetzgeber nur als<br />

Unterart bzw. Folge eines Abbruchs betrachtet wurde (vgl. dazu die Regelung in<br />

Art. 30 Abs. 2 VoeB sowie in der revidierten Submissionsverordnung vom 23. Juli<br />

2003). Die Aufzählung <strong>des</strong> Gesetzes ist in<strong>des</strong>sen ohnehin nicht abschliessend, da<br />

gemäss Art. 9 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 BGBM das kantonale Rechtsmittel gegen alle «Beschränkungen<br />

<strong>des</strong> freien Zugangs zum Markt» im Rahmen eines Vergabeverfahrens<br />

zur Verfügung stehen muss (vgl. Evelyne Clerc, Kommentar zu Art. 5 <strong>und</strong> 9 BGBM,<br />

in: Pierre Tercier/Christian Bovet [Hrsg.], Droit de la concurrence, Genf/Basel/


München 2002, zu Art. 9 N. 46 f.; Galli/Lehmann/Rechsteiner, N. 532). Eine unterschiedliche<br />

Behandlung der beiden Entscheide mit Bezug auf die Anfechtbarkeit<br />

wäre denn auch nicht gerechtfertigt.<br />

2.2 Das <strong>Verwaltungsgericht</strong> hat in seinem zwischen denselben Parteien ergangenen<br />

Entscheid vom 18. Dezember 2002 (RB 2002 Nr. 42 = BEZ 2003 Nr. 12)<br />

erklärt, dass dem Beschwerdegegner die Möglichkeit offen stehe, das Verfahren<br />

vollständig zu wiederholen, da angesichts der erkannten Mängel der Vergabeunterlagen<br />

<strong>und</strong> <strong>des</strong> reduzierten Teilnehmerfel<strong>des</strong> ausreichende Gründe im Sinn von § 35<br />

Abs. 2 aSubmV für eine Wiederholung sprächen. Diese Feststellung entfaltet entgegen<br />

der Meinung <strong>des</strong> Beschwerdegegners keine materielle Rechtskraft, da das<br />

Gericht an seine im ersten Rechtsgang vertretene Rechtsauffassung nicht geb<strong>und</strong>en<br />

ist (Kölz/Bosshart/Röhl, § 64 N. 13). Sie erweist sich jedoch aus den damals genannten<br />

Gründen auch heute als zutreffend. Der Entscheid zur Wiederholung <strong>des</strong><br />

Verfahrens war daher zulässig. Soweit sich die Beschwerde gegen diesen richtet, ist<br />

sie unbegründet.<br />

3.1 Die Beschwerde richtet sich <strong>des</strong> weitern gegen den Entscheid <strong>des</strong> Beschwerdegegners,<br />

die Beschwerdeführerin bei der Wiederholung <strong>des</strong> Einladungsverfahrens<br />

nicht mehr in dieses einzubeziehen.<br />

Ein formeller Entscheid über die erneute Durchführung <strong>des</strong> Einladungsverfahrens<br />

bzw. über die Auswahl der einzuladenden Anbieter liegt dem Gericht nicht<br />

vor. Der Beschwerdegegner hat jedoch bestätigt, dass das Verfahren erneut durchgeführt<br />

wurde, ohne die Beschwerdeführerin zu einem Angebot einzuladen. Dieser<br />

Entscheid ist nicht mit jenem betreffend die Wiederholung <strong>des</strong> Verfahrens gleichzusetzen.<br />

Falls die beiden Entscheide zusammen getroffen wurden, sind sie dennoch<br />

mit Bezug auf ihren Inhalt <strong>und</strong> die Möglichkeit einer Anfechtung auseinander<br />

zu halten.<br />

3.2 Es stellt sich damit die Frage, ob ein nicht eingeladener Interessent befugt<br />

ist, die Einleitung eines Einladungsverfahrens anzufechten, um geltend zu machen,<br />

dass auch er hätte eingeladen werden müssen.<br />

Das <strong>Verwaltungsgericht</strong> hat zugelassen, dass ein Interessent die Durchführung<br />

einer freihändigen Vergabe mit der Begründung anfocht, es hätte anstelle <strong>des</strong> freihändigen<br />

ein Einladungsverfahren durchgeführt werden müssen; vorausgesetzt<br />

wurde lediglich, dass der Beschwerdeführer offensichtlich zum Kreis der für eine<br />

Einladung in Frage kommenden Anbieter zählte (RB 2001 Nr. 20 = ZBl 104/2003,<br />

43<br />

95


43<br />

S. 57 = BEZ 2001 Nr. 55). Dass der erfolgreiche Beschwerdeführer auch die Einleitung<br />

<strong>des</strong> anschliessenden Einladungsverfahrens hätte anfechten können, falls er<br />

nicht in dasselbe einbezogen wurde, ergibt sich daraus jedoch nicht ohne weiteres.<br />

Da ein Interessent gr<strong>und</strong>sätzlich keinen Anspruch darauf hat, zum Einreichen eines<br />

Angebots eingeladen zu werden, <strong>und</strong> die Vergabebehörde bei der Auswahl der Anbieter<br />

weit gehend frei ist, erscheint es tatsächlich als fraglich, ob der nicht Eingeladene<br />

im Regelfall ein ausreichen<strong>des</strong> rechtliches Interesse für die Anfechtung <strong>des</strong><br />

Auswahlentscheids besitzt.<br />

Ausnahmsweise können jedoch Umstände vorliegen, die den Einbezug eines<br />

bestimmten Anbieters in das Verfahren gebieten (hinten E. 3.4). Wo ein Interessent<br />

solche Gründe geltend macht, muss er daher mit der Beschwerde gegen die Einladung<br />

zugelassen werden. Dass er sein Anliegen allenfalls noch mit der Beschwerde<br />

gegen den Zuschlag vorbringen könnte, vermag die vorgängige Beschwerdemöglichkeit<br />

nicht zu ersetzen, da er bei einem Einladungsverfahren, an welchem er<br />

nicht beteiligt ist, keine Gewähr besitzt, rechtzeitig vom Zuschlag zu erfahren.<br />

Auch für den Ablauf <strong>des</strong> Vergabeverfahrens erscheint es als zweckmässiger, wenn<br />

der Interessent, der von der Einleitung <strong>des</strong> Verfahrens Kenntnis erhält, frühzeitig<br />

gegen seinen Nichteinbezug vorgehen kann.<br />

3.3 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass bei der Wiederholung<br />

<strong>des</strong> Verfahrens nur noch der ursprüngliche Zuschlagsempfänger <strong>und</strong> sie selber am<br />

neuen Verfahren zu beteiligen seien. Sie beruft sich dabei auf die Rechtsprechung<br />

der Eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen<br />

<strong>und</strong> anderer kantonaler Gerichte, welche in diesem Sinn entschieden hätten. Die erwähnten<br />

Entscheide beziehen sich jedoch nicht auf die eigentliche Wiederholung<br />

<strong>des</strong> Verfahrens, sondern auf die Frage, welche Anbieter nach der Aufhebung eines<br />

Vergabeentscheids durch die Rechtsmittelinstanz in die danach erforderliche neue<br />

Beurteilung einzubeziehen sind; auch in dieser Frage befolgt das Zürcher <strong>Verwaltungsgericht</strong><br />

im Übrigen eine andere Praxis als die Eidgenössische Rekurskommission<br />

(vgl. Robert Wolf, Die Beschwerde gegen Vergabeentscheide – Eine Übersicht<br />

über die Rechtsprechung zu den neuen Rechtsmitteln, ZBl 104/2003, S. 27 Fn. 142).<br />

Bei einer eigentlichen Wiederholung <strong>des</strong> Verfahrens kann die Beschränkung auf die<br />

bisherigen Teilnehmer schon <strong>des</strong>halb nicht richtig sein, weil die Gründe, welche die<br />

Wiederholung rechtfertigen (§ 35 Abs. 2 aSubmV; vgl. Art. 30 Abs. 2 VoeB), unter<br />

Umständen eine Erweiterung <strong>des</strong> Anbieterkreises geradezu erfordern. Von vornherein<br />

nicht begrenzen lässt sich der Teilnehmerkreis bei der Wiederholung eines<br />

offenen oder selektiven Verfahrens mit erneuter Ausschreibung.<br />

96


3.4.1 Bei der Durchführung eines Einladungsverfahrens hat gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

kein Interessent einen Anspruch, zur Abgabe eines Angebots eingeladen zu werden<br />

(RB 2002 Nr. 45; RB 2001 Nr. 20 E. 2c = ZBl 104/2003, S. 57 = BEZ 2001 Nr. 55).<br />

Die Vergabebehörde ist vielmehr bei der Auswahl der Anbieter weit gehend frei.<br />

Im vorliegenden Fall liegen jedoch besondere Umstände vor, welche die Freiheit<br />

der Vergabebehörde einschränken. Die Beschwerdeführerin wurde bei der erstmaligen<br />

Durchführung <strong>des</strong> Verfahrens zum Angebot eingeladen <strong>und</strong> hat ein solches<br />

abgegeben. Nachdem der Zuschlag in jenem Verfahren an eine andere Anbieterin<br />

ergangen war, focht sie diese Verfügung mit Beschwerde beim <strong>Verwaltungsgericht</strong><br />

an. Mit Entscheid vom 18. Dezember 2002 (VB.2002.00263) hiess das Gericht die<br />

Beschwerde gut, hob den Zuschlag auf <strong>und</strong> wies die Sache zu neuer Beurteilung an<br />

die Baudirektion zurück. Wie das Gericht in jenem Entscheid festhielt, hatte der<br />

Beschwerdegegner anschliessend die Möglichkeit, das Vergabeverfahren auf der<br />

bisherigen Gr<strong>und</strong>lage fortzusetzen (unter Ausschluss der ursprünglichen Zuschlagsempfängerin)<br />

oder es aber vollständig zu wiederholen. Bei der Fortsetzung<br />

<strong>des</strong> Verfahrens auf der bisherigen Gr<strong>und</strong>lage hätte die Beschwerdeführerin, welche<br />

das preislich günstigste Angebot eingereicht hatte <strong>und</strong> gute Qualifikationen besass,<br />

gute Aussichten auf die Erteilung <strong>des</strong> Zuschlags gehabt.<br />

Wenn sich der Beschwerdegegner statt<strong>des</strong>sen dafür entschied, das Verfahren<br />

zu wiederholen, was ihm erlaubt war (vorn E. 2.2), so war er gr<strong>und</strong>sätzlich auch befugt,<br />

die einzuladenden Anbieter neu zu bestimmen. In einer Situation wie der vorliegenden,<br />

da die Wiederholung auf die erfolgreiche Beschwerde eines Anbieters<br />

der ersten Submission zurückzuführen ist, kann die Vergabebehörde jedoch nicht<br />

ohne triftige Gründe darauf verzichten, diesen Anbieter auch im neuen Verfahren<br />

wieder zum Angebot einzuladen. Sie hätte es sonst in der Hand, den Erfolg der Beschwerde<br />

nachträglich zunichte zu machen <strong>und</strong> den Beschwerdeführer für die Anfechtung<br />

<strong>des</strong> ursprünglichen Vergabeentscheids zu «bestrafen». Beschwerden gegen<br />

das Ergebnis eines Einladungsverfahrens würden damit ihrer Wirksamkeit weit<br />

gehend beraubt. Eine derartige Schwächung der gesetzlichen Anfechtungsmöglichkeiten<br />

ist nicht zuzulassen.<br />

3.4.2 Die Durchführung <strong>des</strong> neuen Einladungsverfahrens ohne Beteiligung<br />

der Beschwerdeführerin war dem Beschwerdegegner demnach nur gestattet, wenn<br />

triftige Gründe gegen ihre Teilnahme sprachen. Um einer rechtsmissbräuchlichen<br />

Benachteiligung erfolgreicher Beschwerdeführer entgegen zu wirken, sind dabei an<br />

die Gründe für den Verzicht auf eine Einladung hohe Anforderungen zu stellen.<br />

43<br />

97


43<br />

Der Beschwerdegegner macht geltend, dass objektive Gründe bestanden hätten,<br />

die gegen eine Teilnahme der Beschwerdeführerin sprachen. Diese sei mit ihrer<br />

Offerte in der ersten Submission teilweise weit von den planerischen Vorgaben der<br />

Behörde abgewichen, <strong>und</strong> sie habe im Rahmen <strong>des</strong> damaligen Beschwerdeverfahrens<br />

ausgeführt, dass sie an der blossen Ausführung eines fertig durchgeplanten<br />

Projekts kein Interesse besitze.<br />

Nach den Erkenntnissen <strong>des</strong> ersten Beschwerdeverfahrens (VB.2002.00263)<br />

trifft diese Sachdarstellung teilweise zu. Das Gericht stellte damals aber auch fest,<br />

dass die Vergabeunterlagen kaum funktionale Anforderungen, dafür aber in vielen<br />

Punkten sehr detaillierte Angaben zur Konstruktion enthielten, was für eine Vergabe<br />

dieser Art eher ungewöhnlich sei; sie entsprächen daher wohl nicht der Anforderung<br />

von § 18 Abs. 1 lit. a aSubmV, wonach technische Spezifikationen eher in<br />

Bezug auf die Leistung als in Bezug auf die Konstruktion umschrieben werden sollen.<br />

Die Frage wurde damals offen gelassen. Auch mit Bezug auf das neue Verfahren<br />

lässt sie sich nicht beurteilen, da aus der Stellungnahme <strong>des</strong> Beschwerdegegners<br />

nicht ersichtlich wird, mit welchen Vorgaben die Submission diesmal<br />

durchgeführt wurde, <strong>und</strong> er auch keine diesbezüglichen Unterlagen eingereicht hat.<br />

Ein Gr<strong>und</strong> für die Nichtteilnahme der Beschwerdeführerin am neuen Verfahren<br />

lässt sich daraus jedenfalls nicht ableiten. Dass die Beschwerdeführerin nach<br />

Meinung <strong>des</strong> Beschwerdegegners nicht am Auftrag interessiert gewesen sei, genügte<br />

ebenfalls nicht zur Begründung <strong>des</strong> Verzichts auf ihre Einladung, denn ob sie tatsächlich<br />

ein Angebot einreichen wollte, konnte ihr selber überlassen bleiben. Mit<br />

ihrem Vorgehen gegen die Wiederholung <strong>des</strong> Verfahrens hat sie denn auch deutlich<br />

zum Ausdruck gebracht, dass sie den Auftrag weiter anstrebte, <strong>und</strong> in der Replik<br />

äusserte sie sich im gleichen Sinn.<br />

3.4.3 Da somit keine ausreichenden Gründe gegen eine Teilnahme der Beschwerdeführerin<br />

am wiederholten Einladungsverfahren vorlagen, hätte sie nach<br />

dem Gesagten zum Einreichen einer Offerte eingeladen werden müssen. Der Entscheid,<br />

das Einladungsverfahren ohne die Beschwerdeführerin durchzuführen, war<br />

daher nicht zulässig.<br />

Dieser Entscheid kann im heutigen Zeitpunkt nicht mehr aufgehoben werden,<br />

da das Vergabeverfahren inzwischen beendet <strong>und</strong> der Vertrag mit dem ausgewählten<br />

Anbieter abgeschlossen ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin<br />

hat der Beschwerdegegner mit diesem Vorgehen nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt;<br />

denn nachdem der vorliegenden Beschwerde keine aufschiebende Wirkung<br />

zukam <strong>und</strong> keine vorsorglichen Massnahmen angeordnet wurden, war er zur Wei-<br />

98


43, 44, 45<br />

terführung <strong>des</strong> Verfahrens <strong>und</strong> zum Abschluss <strong>des</strong> Vertrags befugt. In Anwendung<br />

von Art. 9 Abs. 3 BGBM <strong>und</strong> Art. 18 Abs. 2 aIVöB ist daher lediglich festzustellen,<br />

dass der Entscheid, das neue Einladungsverfahren ohne Beteiligung der Beschwerdeführerin<br />

durchzuführen, rechtswidrig war. Da der Entscheid dem Gericht<br />

nicht schriftlich vorliegt <strong>und</strong> auch das Entscheiddatum nicht bekannt ist, ist er im<br />

Dispositiv inhaltlich zu umschreiben.<br />

VB.2003.00058 1. Kammer, 11. Februar<br />

BEZ 2004 Nr. 37<br />

44. Im Rahmen eines Beschaffungsverfahrens ist es nicht Sache der Vergabebehörde,<br />

die Zulässigkeit <strong>des</strong> Exports von Sonderabfällen zu prüfen. Es<br />

muss ihr vielmehr genügen, dass die Anbieterin, deren Offerte einen Export<br />

von Sondermüll vorsieht, über die notwendige Berechtigung zur Ausfuhr<br />

verfügt bzw. mit einer solchen rechnen kann. Das BUWAL gestattet den<br />

Export von Sonderabfällen nur, wenn dieser den Anforderungen der Verordnung<br />

über den Verkehr mit Sonderabfällen entspricht. Mit der Zulassung<br />

der Ausfuhr durch die dafür zuständige Stelle <strong>des</strong> B<strong>und</strong>es ist auch die Frage<br />

einer allfälligen Priorität der Inlandentsorgung beurteilt. Art. 30 Abs. 3<br />

USG. § 31 SubmV.<br />

VB.2004.00112 1. Kammer, 10. September<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine staatsrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid am 9. Februar<br />

2005 abgewiesen (BGr, 9. Februar 2005, 2P.264/2004, www.bger.ch).<br />

45. Wählt die Vergabebehörde eine Variante, die gegenüber den Anforderungen<br />

in den Vergabekriterien eine Minderleistung vorschlägt, müssen die übrigen<br />

Anbieter Gelegenheit zur Anpassung ihrer Offerten erhalten. Auf dieses Erfordernis<br />

kann verzichtet werden, wenn eine Aufrechnung <strong>des</strong> Preisvorteils<br />

zu keinem anderen Ergebnis führt. § 31 Abs. 1 SubmV.<br />

VB.2004.00006 1. Kammer, 20. Juli<br />

BEZ 2004 Nr. 70<br />

99


46<br />

100<br />

VII. Administrativmassnahmen SVG<br />

46. Die gesetzliche Min<strong>des</strong>tentzugsdauer <strong>des</strong> Warnungsentzugs muss in der Regel<br />

unterschritten werden, wenn die Zurechnungsfähigkeit <strong>des</strong> Fahrzeuglenkers<br />

stark vermindert war. Art. 17 Abs. 1 SVG. Art. 33 Abs. 2 VZV.<br />

2.1 Die Behörde muss demjenigen, der sich vorsätzlich einer Blutprobe entzieht,<br />

den Führerausweis für min<strong>des</strong>tens einen Monat entziehen (Art. 16 Abs. 3 lit.<br />

g SVG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG; BGE 121 II 134 E. 3c). Die<br />

Beschwerdegegnerin legte die Dauer <strong>des</strong> Entzugs auf diese gesetzliche Min<strong>des</strong>tdauer<br />

fest. Der Regierungsrat hielt im angefochtenen Entscheid dafür, dass die Beschwerdegegnerin<br />

dadurch dem «unbelasteten automobilistischen Leum<strong>und</strong>» <strong>des</strong><br />

Beschwerdeführers genügend Rechnung getragen habe. Die Rüge der fehlenden<br />

Berücksichtigung der stark verminderten Zurechnungsfähigkeit behandelte die Vorinstanz<br />

mit keinem Wort. Diese Beurteilung ist hier nachzuholen. – Aufgr<strong>und</strong> von<br />

Art. 33 Abs. 2 VZV verfügt die Behörde bei der Bemessung der Dauer <strong>des</strong> Ausweisentzugs<br />

über Ermessen. Aufgr<strong>und</strong> von § 50 Abs. 2 lit. c VRG dürfte das <strong>Verwaltungsgericht</strong><br />

diesen Ermessenspielraum an sich nicht frei überprüfen <strong>und</strong> nur<br />

bei Ermessensmissbrauch, -überschreitung oder -unterschreitung einschreiten. Bei<br />

einem Warnentzug handelt es sich jedoch um eine strafrechtliche Anklage im Sinn<br />

von Art. 6 Abs. 1 EMRK (BGE 121 II 22 E. 3b). Art. 6 Abs. 1 EMRK verlangt, dass<br />

das Strafmass entweder erstinstanzlich von einem Gericht festgelegt wird oder aber<br />

– wenn das Strafmass zunächst von einer Administrativ- oder Disziplinarbehörde<br />

festgelegt wurde – von einem Gericht frei überprüft werden kann (BGE 115 Ia 406<br />

E. 3b; vgl. § 50 Abs. 3 VRG). Die Festsetzung der Dauer <strong>des</strong> Ausweisentzugs ist<br />

hinsichtlich <strong>des</strong> Ermessensspielraums <strong>und</strong> der dabei anzuwendenden Kriterien<br />

(Art. 33 Abs. 2 VZV) <strong>und</strong> mit der Festsetzung <strong>des</strong> Strafmasses (Art. 63 ff. StGB)<br />

vergleichbar. Deshalb hat das <strong>Verwaltungsgericht</strong> als erste richterliche Instanz die<br />

Angemessenheit der Dauer von Warnungsentzügen frei zu überprüfen (BGE 121 II<br />

219 E. 2b; RB 1997 Nr. 124).<br />

2.2 Die Dauer <strong>des</strong> Warnungsentzugs richtet sich unter anderem nach der<br />

Schwere <strong>des</strong> Verschuldens <strong>und</strong> dem automobilistischen Leum<strong>und</strong> (Art. 33 Abs. 2<br />

VZV). Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass das Verschulden <strong>des</strong> Beschwerdeführers<br />

äusserst gering wog. Zwar entfernte er sich vom Unfallort, obwohl<br />

er sich bewusst sein musste, dass er frem<strong>des</strong> Eigentum beschädigt hatte. Andererseits<br />

war seine Zurechnungsfähigkeit in diesem Zeitpunkt durch die Hirnerschütterung<br />

stark vermindert. Hinzu kommt, dass er die Hirnerschütterung in keiner


Weise selbst verschuldete (etwa indem er die Treppe hinunter gefallen wäre). – Ist<br />

die Zurechnungsfähigkeit, wie hier, derart stark vermindert, bildet die Unterschreitung<br />

der gesetzlichen Min<strong>des</strong>tentzugsdauer die Regel (BGr, 9. März 2000,<br />

6A.56/1999, E. 3b, www.bger.ch). Ausnahmen von dieser Regel können in besonderen<br />

Fällen gerechtfertigt sein (so etwa wegen eines stark beeinträchtigten automobilistischen<br />

Leum<strong>und</strong>es). Ist die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit jedoch<br />

unverschuldet, bleibt für ein Abweichen von dieser Regel kein Raum. Weshalb<br />

die Beschwerdegegnerin dennoch am gesetzlichen Minimum festhielt, geht aus der<br />

angefochtenen Verfügung nicht hervor. In ihrer Rekursantwort deutete sie an, dass<br />

eine Unterschreitung der gesetzlichen Min<strong>des</strong>tentzugsdauer nur bei vollständiger<br />

Unzurechnungsfähigkeit in Betracht zu ziehen sei. Eine solche Praxis erweist sich<br />

jedoch aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> soeben zitierten Urteils <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esgerichts als unangemessen.<br />

Als angemessen erscheint im vorliegenden Fall die Unterschreitung der gesetzlichen<br />

Min<strong>des</strong>tdauer um min<strong>des</strong>tens zwei Wochen. Damit fragt sich, ob die erstinstanzliche<br />

Verfügung entsprechend zu berichtigen ist.<br />

2.3 Besonderen Umständen wie stark verminderter Zurechnungsfähigkeit kann<br />

in der Regel ohne weiteres durch ein Unterschreiten der gesetzlichen Min<strong>des</strong>tentzugsdauer<br />

Rechnung getragen werden (BGr, 9. März 2000, 6A.56/1999, E. 3b,<br />

www.bger.ch). Beträgt die Min<strong>des</strong>tentzugsdauer beispielsweise sechs Monate (Art. 17<br />

Abs. 1 lit. c SVG), kann ein Warnungsentzug von nur vier Monaten verfügt werden<br />

usw. Im vorliegenden Fall beträgt die Min<strong>des</strong>tentzugsdauer in<strong>des</strong>sen lediglich einen<br />

Monat (Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG). Dabei handelt es sich um die tiefste der in Art. 17<br />

Abs. 1 SVG vorgesehenen Grenzen. Damit fragt sich, ob eine Entzugsdauer von<br />

weniger als einem Monat anzuordnen oder ob von einem Führerausweisentzug<br />

gänzlich abzusehen ist. Das B<strong>und</strong>esgericht hat die Frage offen gelassen (BGE 123<br />

II 225, 231). In der kantonalen Rechtsprechung wurde die Zulässigkeit eines<br />

Führerausweisentzugs von nur zwei oder drei Wochen verneint (Obergerichtskommission<br />

<strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> Obwalden, 9. April 1999, SJZ 97/2001, S. 524 f.). Auch in der<br />

Literatur wird ein Führerausweisentzug von weniger als einem Monat mehrheitlich<br />

abgelehnt (Schaffhauser, Band III, Rz. 2419; Hans Giger, SVG, Kommentar zu Art. 17<br />

Abs. 1; a.M. dagegen Philippe Weissenberger, Die Zumessung <strong>des</strong> Warnungsentzugs<br />

von Führerausweisen nach der neueren Praxis <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esgerichts, SJZ 95/1999,<br />

S. 457, 513, 514). – Ein Warnungsentzug von weniger als einem Monat dürfte wohl<br />

nur in seltenen Fällen die von Art. 30 Abs. 2 VZV bezweckte Besserung <strong>des</strong> Fahrzeugführers<br />

bewirken. Einem einwöchigen Entzug könnte der Betroffene beispielsweise<br />

ohne weiteres mit einem kurzen Ferienaufenthalt «ausweichen». Auch ein<br />

Entzug von nur zwei Wochen dürfte von den meisten Automobilisten kaum als einschneidend<br />

empf<strong>und</strong>en werden. Ein Entzug wird in den meisten Fällen nur dann<br />

das notwendige Gewicht aufweisen, wenn er für einen Monat festgelegt wird. Ob<br />

46<br />

101


46, 47<br />

im vorliegenden Fall dennoch eine kürzere Dauer (von nur einer oder zwei Wochen)<br />

anzuordnen ist, kann in<strong>des</strong>sen offen gelassen werden, da der angefochtene Entscheid<br />

<strong>und</strong> die Entzugsverfügung bereits aus einem anderen Gr<strong>und</strong> [unangemessene<br />

Verfahrensdauer] aufzuheben sind.<br />

102<br />

VB.2004.00089 1. Kammer, 24. März<br />

47. Die Dauer <strong>des</strong> Warnungsentzugs ist zu reduzieren oder auf einen Entzug ist<br />

ganz zu verzichten, wenn zwischen dem massnahmeauslösenden Ereignis<br />

<strong>und</strong> dem Rekursentscheid relativ viel Zeit verstrichen ist, ohne dass der<br />

Fahrzeuglenker dafür verantwortlich ist, <strong>und</strong> wenn er sich in der Zwischenzeit<br />

wohl verhalten hat. Art. 6 Abs. 1 EMRK. Art. 29 Abs. 1 BV. Art. 17 Abs. 1<br />

SVG. Art. 30 Abs. 2, Art. 33 Abs. 2 VZV. § 4a, § 27a Abs. 1 VRG.<br />

3.1 Die Parteien haben im Verfahren vor Gerichts- <strong>und</strong> Verwaltungsinstanzen<br />

Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist (Art. 29 Abs. 1 BV; § 4a VRG).<br />

Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist zunächst zu berücksichtigen,<br />

dass mit dem Warnungsentzug eine Besserung <strong>des</strong> Fahrzeugführers bzw.<br />

eine Bekämpfung der Rückfallgefahr erreicht werden soll (Art. 30 Abs. 2 VZV).<br />

Aufgr<strong>und</strong> seines präventiven <strong>und</strong> erzieherischen Charakters muss der Warnungsentzug<br />

gemäss b<strong>und</strong>esgerichtlicher Rechtsprechung mit der Verkehrsregelverletzung<br />

in einem angemessenen zeitlichen Zusammenhang stehen (BGE 120 Ib 504 E.<br />

4b). Ist dieser Zusammenhang nicht mehr gegeben, muss die gesetzliche Min<strong>des</strong>tentzugsdauer<br />

unterschritten (BGE 127 II 297 E. 3b; BGE 120 Ib 504, 510 E. 4e)<br />

oder sogar gänzlich von einer Massnahme abgesehen werden (vgl. den Sachverhalt<br />

in BGE 115 Ia 159, 162). Für eine Reduktion der Entzugsdauer bzw. einen gänzlichen<br />

Verzicht müssen aufgr<strong>und</strong> der zitierten Rechtsprechung folgende Voraussetzungen<br />

erfüllt sein:<br />

– Zwischen dem massnahmeauslösenden Ereignis <strong>und</strong> dem Entscheid der letzten<br />

Instanz ist relativ viel Zeit verstrichen;<br />

– den Beschwerdeführer trifft an dieser langen Verfahrensdauer keine Schuld<br />

(oder positiv ausgedrückt: das Prozessverhalten <strong>des</strong> Beschwerdeführers muss<br />

nachvollziehbar sein; vgl. EGMR, 26. Oktober 1988, Martins Moreira, 11371/85,<br />

§ 49, hudoc.echr.coe.int: «natural and <strong>und</strong>erstandable»);<br />

– der Beschwerdeführer hat sich in der Zwischenzeit wohl verhalten.


Die Beschwerdegegnerin hat in ihrer Beschwerdeantwort nicht geltend gemacht,<br />

dass es an der letztgenannten Voraussetzung fehlt. Die zweite Voraussetzung<br />

ist ebenfalls erfüllt. Zwar wurde die Länge <strong>des</strong> Strafverfahrens vom Beschwerdeführer<br />

teilweise «mitverursacht» (BGE 127 II 297, 301 E. 3d), indem er den Entscheid<br />

<strong>des</strong> Einzelrichters ans Obergericht weiterzog. Dies darf jedoch gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

nicht zum Nachteil <strong>des</strong> Beschwerdeführers berücksichtigt werden (EGMR, 23. April<br />

1987, Poiss, 9816/82, § 57, hudoc.echr.coe.int). Hinzu kommt, dass sein Rechtsmittel<br />

vorliegend begründet war (vgl. den analogen Fall in BGE 120 Ib 504, 506 E. 3):<br />

Der Einzelrichter verurteilte ihn noch wegen einer ganzen Reihe von Strassenverkehrsdelikten<br />

(insbesondere Fahren in angetrunkenem Zustand) zu einer bedingten<br />

Gefängnisstrafe von 10 Tagen. Das Obergericht sprach ihn demgegenüber von<br />

Fahren in angetrunkenem Zustand frei <strong>und</strong> verurteilte ihn nur noch wegen einer<br />

Vereitelung einer Blutprobe zu einer Busse von Fr. 2 000.– (die übrigen Übertretungstatbestände<br />

waren inzwischen verjährt). Gegen dieses Urteil wurde nach Eröffnung<br />

<strong>des</strong> Dispositivs kantonale Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet. Nach Vorliegen<br />

<strong>des</strong> begründeten Entscheids zog sie der Beschwerdeführer jedoch zurück.<br />

Das Verhalten <strong>des</strong> Beschwerdeführers im Strafverfahren ist damit ohne weiteres<br />

nachvollziehbar. Er ist auch für die Dauer <strong>des</strong> übrigen Verfahrens nicht verantwortlich.<br />

So war der Beschwerdeführer insbesondere nicht gehalten, das<br />

Administrativverfahren durch eigene Handlungen – gleichsam «gegen sich selbst»<br />

(BGE 127 II 297, 301 E. 3d) – voranzutreiben. Damit ist im Folgenden zu prüfen,<br />

ob die Voraussetzung der überlangen Verfahrensdauer erfüllt ist.<br />

3.2 Zwischen dem massnahmeauslösenden Ereignis (29. November 1998)<br />

<strong>und</strong> dem angefochtenen Entscheid (21. Januar 2004) liegen knapp 5 Jahre <strong>und</strong> 2<br />

Monate. Ob diese Verfahrensdauer als überlang zu gelten hat, bemisst sich zunächst<br />

aufgr<strong>und</strong> der anwendbaren Verfahrensordnung. Enthält diese eine Behandlungsfrist,<br />

ist in erster Linie darauf abzustellen (vgl. etwa BGE 108 Ia 165 E. 2b). Bestehen<br />

keine gesetzlichen Behandlungsfristen, sind die konkreten Umstände <strong>des</strong><br />

Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. BGE 127 II 297, 300 E. 3d). Da der Warnungsentzug<br />

eine strafrechtliche Anklage im Sinn von Art. 6 Abs. 1 EMRK darstellt<br />

(BGE 121 II 22 E. 3b), sind für die Bestimmung der Angemessenheit der Verfahrensdauer<br />

die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entwickelten<br />

Kriterien zu berücksichtigen: Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer,<br />

Komplexität <strong>des</strong> Falls, Verhalten <strong>des</strong> Beschwerdeführers sowie Behandlung<br />

<strong>des</strong> Falls durch die Behörden (EGMR, 28. Juni 1978, König, 6232/73, § 99,<br />

hudoc.echr.coe.int; Übersicht bei Villiger, Rz. 459 ff.). Dabei ist zunächst (E. 3.3)<br />

die Dauer der einzelnen Verfahrensabschnitte <strong>und</strong> anschliessend (E. 3.4) die Dauer<br />

<strong>des</strong> Verfahrens als Ganzes zu beurteilen:<br />

47<br />

103


47<br />

3.3 Vom Selbstunfall bis zur Anklageerhebung vergingen etwas mehr als 11<br />

Monate; zwischen Anklagerhebung <strong>und</strong> Fällung <strong>des</strong> Urteils durch das Obergericht<br />

verstrichen 1 Jahr <strong>und</strong> 5 Monate. Im Strafverfahren mussten zahlreiche Festteilnehmer<br />

als Zeugen einvernommen <strong>und</strong> ein neurologisches Gutachten eingeholt werden.<br />

Das Strafverfahren wurde von den Ermittlungs- <strong>und</strong> den gerichtlichen Behörden<br />

mit der notwendigen Beförderlichkeit vorangetrieben. Es erweist sich damit<br />

nicht als übermässig lang. Dass das Administrativverfahren so lange sistiert bleiben<br />

musste, ist nach der Rechtsprechung <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esgerichts in Kauf zu nehmen, da das<br />

Strafverfahren dank der umfassenden Verteidigungsrechte <strong>und</strong> den spezialisierten<br />

Ermittlungsorganen zu zuverlässigen Ergebnissen führt (BGE 119 Ib 158,162 E. 2c/cc).<br />

Das Strassenverkehrsamt erhielt am 30. Juli 2001 vom Rückzug der Nichtigkeitsbeschwerde<br />

gegen das Urteil <strong>des</strong> Obergerichts Kenntnis. Bis zur Zustellung<br />

der Entzugsverfügung vergingen drei Monate. Auch diese Dauer erweist sich nicht<br />

übermässig lang, da dem Beschwerdeführer nach Abschluss <strong>des</strong> Strafverfahrens zunächst<br />

das rechtliche Gehör eingeräumt werden musste.<br />

Vom Abschluss <strong>des</strong> Schriftenwechsels (Rekursvernehmlassung vom 7. Dezember<br />

2001) bis zum Entscheid <strong>des</strong> Regierungsrats vergingen etwas mehr als 2<br />

Jahre <strong>und</strong> 1 Monat. Diese Dauer ist zunächst an der Behandlungsfrist in der anwendbaren<br />

Verfahrensordnung (§ 27a Abs. 1 VRG) zu messen. Danach entscheiden<br />

Rekursinstanzen innert 60 Tagen seit Abschluss der Sachverhaltsermittlungen. Im<br />

vorliegenden Fall hatte der Regierungsrat vollumfänglich auf die eingehende<br />

Ermittlung <strong>des</strong> Sachverhalts durch Strafverfolgungsbehörden <strong>und</strong> Strafgerichte<br />

abzustellen. Eigene Sachverhaltsermittlungen waren aufgr<strong>und</strong> der Rechtsprechung<br />

(BGE 119 Ib 158 E. 3c/aa) klarerweise nicht mehr erforderlich. Bei der Frist in<br />

§ 27a Abs. 1 VRG handelt es sich zwar um eine Ordnungs- <strong>und</strong> nicht um eine Verwirkungsfrist<br />

(Kölz/Bosshart/Röhl, § 27a N. 10). Gerade in komplizierteren Verfahren<br />

wird sich die Frist in aller Regel als zu kurz erweisen, weshalb der Rekursbehörde<br />

denn auch die Möglichkeit eingeräumt wird, den Parteien die Nichteinhaltung<br />

der Frist anzuzeigen (§ 27a Abs. 2 VRG). Die Frist ist jedoch als eines der<br />

hauptsächlichen Kriterien zu berücksichtigen, wenn es um die Bestimmung der<br />

angemessenen Verfahrensdauer im Sinn von Art. 29 Abs. 1 BV <strong>und</strong> Art. 6 Abs. 1<br />

EMRK geht. Deshalb ist zunächst festzuhalten, dass die Behandlungsfrist vorliegend<br />

um mehr als das 12fache überschritten wurde.<br />

Für die Beurteilung der Verfahrensdauer ist weiter die Bedeutung der Sache<br />

für den Beschwerdeführer zu berücksichtigen. Der Führerausweisentzug wurde für<br />

eine vergleichsweise kurze Dauer angeordnet. Diese Massnahme tangiert zwar die<br />

104


persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV), bedeutet jedoch etwa im Vergleich zu<br />

einer Haftstrafe oder einem Berufsverbot einen eher leichten Eingriff. Allein aufgr<strong>und</strong><br />

dieses Kriteriums wäre eine zweijährige Verfahrensdauer an sich noch nicht<br />

zu beanstanden. Als weiteres Kriterium ist in<strong>des</strong>sen die Komplexität <strong>des</strong> Falls zu<br />

berücksichtigen. Hier fällt auf, dass der Regierungsrat nicht nur in Bezug auf den<br />

Sachverhalt, sondern auch in Bezug auf die rechtliche Würdigung auf das Urteil<br />

<strong>des</strong> Obergerichts abzustellen hatte (BGE 119 Ib 158 E. 3c). Hinsichtlich <strong>des</strong><br />

Tatbestands der Vereitelung der Blutprobe konnte der Regierungsrat ohne weiteres<br />

von der strafrechtlichen (Art. 91 Abs. 3 SVG) auf die verwaltungsrechtliche Qualifikation<br />

(Art. 16 Abs. 3 lit. g SVG) schliessen. Der Regierungsrat hätte sich somit<br />

nur noch mit den Rügen der rechtsungleichen Behandlung <strong>und</strong> der Unverhältnismässigkeit<br />

der angeordneten Massnahme auseinander setzen müssen (was er dann<br />

allerdings unterliess; […]). Der Fall erwies sich damit nach Abschluss <strong>des</strong> Strafverfahrens<br />

weder in Bezug auf Sachverhalt noch rechtliche Beurteilung als sonderlich<br />

komplex. Die Verfahrensdauer steht daher in einem Missverhältnis zur Komplexität<br />

<strong>des</strong> Falls. Weiter hatte der Beschwerdeführer, wie bereits erwähnt (E. 3.1), an der<br />

Verfahrensdauer keinerlei Verschulden. Als Letztes ist schliesslich die Behandlung<br />

<strong>des</strong> Falls durch die Rekursinstanz zu berücksichtigen. Hier fällt in Betracht, dass für<br />

die Zeit zwischen Abschluss <strong>des</strong> Schriftenwechsels <strong>und</strong> Entscheid der Vorinstanz<br />

aus den Akten keinerlei Verfahrenshandlungen hervorgehen. Unter Berücksichtigung<br />

der genannten Kriterien erweist sich die Dauer <strong>des</strong> Rekursverfahrens als zu<br />

lang.<br />

3.4 Betrachtet man das Verfahren in seiner Gesamtheit, ist eine Verletzung <strong>des</strong><br />

Beschleunigungsgebots festzustellen. Die Sistierung <strong>des</strong> Administrativverfahrens<br />

bis zum Abschluss <strong>des</strong> Strafverfahrens dient der sorgfältigen – <strong>und</strong> in aller Regel<br />

für die Entzugsbehörde verbindlichen – Abklärung <strong>des</strong> Sachverhalts durch die<br />

Strafbehörden. Steht das Resultat jedoch erst einmal fest, haben Verwaltungsbehörde<br />

<strong>und</strong> Rechtsmittelinstanzen das Administrativverfahren mit der notwendigen<br />

Beförderlichkeit zu erledigen (vgl. BGE 127 II 297, 301 E. 3d; vgl. auch BGE 120<br />

Ib 504 E. 5: Dauer von insgesamt fünfeinhalb Jahren; zwei Entscheide <strong>des</strong> kantonalen<br />

Rekursgerichts wurden jeweils vom B<strong>und</strong>esgericht aufgehoben). Anderenfalls<br />

führt der Dualismus von Straf- <strong>und</strong> Entzugsverfahren zu einer überlangen<br />

Verfahrensdauer (vgl. Andreas Kley, Die Anwendung der Garantien <strong>des</strong> Art. 6<br />

EMRK auf Verfahren betreffend den Führerausweisentzug, in: René Schaffhauser<br />

[Hrsg.], Aktuelle Fragen <strong>des</strong> Straf- <strong>und</strong> Administrativmassnahmenrechts im Strassenverkehr,<br />

St. Gallen 1995, S. 99, 122). Die Pflicht zur Verfahrensbeschleunigung<br />

wurde im vorliegenden Fall durch die Vorinstanz verletzt. Damit sind alle von der<br />

b<strong>und</strong>esgerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen (E. 3.1) für<br />

eine Unterschreitung der Min<strong>des</strong>tdauer oder gar einen gänzlichen Verzicht auf den<br />

47<br />

105


47, 48<br />

Ausweisentzug erfüllt. Damit ist im Folgenden zu prüfen, welche der beiden Möglichkeiten<br />

zu wählen ist.<br />

3.5 Ob ein Ausweisentzug von nur ein bis drei Wochen überhaupt zulässig ist,<br />

kann offen gelassen werden. Entscheidend ist vorliegend, dass seit dem Selbstunfall<br />

über 5 Jahre verstrichen sind. Der Warnungsentzug könnte hier seinen Zweck nicht<br />

mehr erreichen: Der Beschwerdeführer würde den Ausweisentzug unabhängig von<br />

<strong>des</strong>sen Dauer kaum mehr mit der Vereitelung der Blutprobe in Verbindung bringen.<br />

Von einem Ausweisentzug ist <strong>des</strong>halb gänzlich abzusehen. Aus denselben Gründen<br />

ist auch auf die Rückweisung der Sache an die Beschwerdegegnerin zu verzichten,<br />

damit diese eine Verwarnung gemäss Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG ausspricht. Eine<br />

solche Rückweisung würde sich etwa dann aufdrängen, wenn von einem Entzug<br />

aus besonderen Gründen (z.B. analog Anwendung von Art. 66bis Abs. 1 StGB, besondere<br />

Massnahmeempfindlichkeit) abzusehen wäre. Hier würde jedoch auch<br />

eine Verwarnung angesichts der überlangen Verfahrensdauer nicht mehr mit dem<br />

Unfallereignis in Verbindung gebracht <strong>und</strong> folglich nicht mehr zur erwünschten<br />

Besserung <strong>des</strong> Beschwerdeführers beitragen.<br />

106<br />

VB.2004.00089 1. Kammer, 24. März<br />

VIII. Ges<strong>und</strong>heit<br />

48. Das Verbot <strong>des</strong> Hinweises auf therapeutische Eigenschaften gilt gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

für alle Kosmetikprodukte. Art. 3 GebrV.<br />

3. Die Beschwerdeführerin anerkennt gr<strong>und</strong>sätzlich zu Recht die Anwendbarkeit<br />

von Art. 3 Abs. 2 GebrV. Das B<strong>und</strong>esgericht hat das in der Lebensmittelgesetzgebung<br />

enthaltene Verbot der Heilanpreisung für Lebensmittel <strong>und</strong> Gebrauchsgegenstände<br />

in der Vergangenheit bereits mehrfach für zulässig erklärt (BGE 127 II<br />

91 E. 3 betreffend Kuh-Lovely-Werbung; BGr, 23. Juni 2000, ZBl 103/2002, S. 30,<br />

E. 2 betreffend Schlank-Crème; BGr, 19. Juni 2002, sic!/Zeitschrift für Immaterialgüter-,<br />

Informations- <strong>und</strong> Wettbewerbsrecht 8/2002, S. 615 betreffend Schlechtwetter<br />

Bad <strong>und</strong> Muskel Vital Bad).<br />

Auch scheint die Beschwerdeführerin zu anerkennen, dass mit der Bezeichnung<br />

«Aroma Therapy» dem reinen Wortsinn nach auf eine krankheitsheilende


Wirkung <strong>des</strong> Produkts verwiesen wird. Zu Recht erachtet sie es offenbar auch selber<br />

nicht als entscheidend, dass dieser Hinweis ohne konkreten Bezug zu einer<br />

bestimmten Krankheit erfolgt. Nach den zutreffenden Ausführungen der Ges<strong>und</strong>heitsdirektion<br />

wird der Begriff Therapie im Allgemeinen als Kranken- <strong>und</strong> Heilbehandlung<br />

verstanden, <strong>und</strong> soll die Aromatherapie im Besonderen dank dem Einsatz<br />

ätherischer Öle heilende Wirkung versprechen. Die von der Vorinstanz hierzu angerufenen<br />

Internetseiten sprechen sogar ausdrücklich von bestimmten Krankheitszuständen<br />

wie Angstzuständen, psychosomatischen Erkrankungen wie Krämpfen,<br />

Verstopfung, Durchfall, Asthma (www.sro.ch/a/fk/Aromat_823.asp), Erkältung,<br />

Wechseljahrbeschwerden <strong>und</strong> nervösen Magen-Darm-Beschwerden (www.hotsport.ch/sportlexikon.ch<br />

unter Therapien/Aromatherapie). Die Aromatherapie wird<br />

denn auch teilweise in öffentlichen Spitälern praktiziert, worauf bereits das<br />

Kantonale Labor hingewiesen hat. So bietet etwa das Universitätsspital entsprechende<br />

Kurse für die Pflegefachleute an <strong>und</strong> setzt die Aromatherapie zur Linderung<br />

von Tumorschmerzen ein.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> überzeugt der Einwand der Beschwerdeführerin hinsichtlich<br />

der Bedeutung der Aromatherapie im Verständnis <strong>des</strong> Durchschnittskonsumenten<br />

nicht. Es spielt gr<strong>und</strong>sätzlich keine Rolle, welcher Stellenwert der Aromatherapie<br />

als Therapiemethode der Naturheilk<strong>und</strong>e im gesamten Bereich medizinischer<br />

Therapien zukommt. Auch kommt es nicht darauf an, dass der Begriff<br />

Aromatherapie nur im Zusammenhang mit einem Duschgel verwendet wird. Das<br />

Verbot <strong>des</strong> Hinweises auf therapeutische Eigenschaften gilt gr<strong>und</strong>sätzlich für alle<br />

Kosmetikprodukte. Von solchen Produkten wird sich der Durchschnittskonsument<br />

zwar dank deren spezifischen äusserlichen Anwendung <strong>und</strong> angesichts <strong>des</strong> in Art.<br />

21 Abs. 2 GebrV enthaltenen Verbots, innere Wirkung zu entfalten, generell keinen<br />

allzu grossen medizinisch-therapeutischen Nutzen versprechen. Zu Recht hat die<br />

Ges<strong>und</strong>heitsdirektion aber in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die<br />

Bezeichnung kosmetischer Produkte mit einem Begriff wie «Therapie» zu einer<br />

Verwässerung der Grenze zwischen Kosmetika <strong>und</strong> Arzneimittel führe. Da auch<br />

Arzneimittel in Formen angeboten werden, die rein äusserlich auf der Haut angewendet<br />

oder – wie die ätherischen Öle der Aromatherapie – inhaliert werden, müssen<br />

mögliche Verwechslungen zwischen Arzneimitteln <strong>und</strong> kosmetischen Produkten<br />

durch eine klare Abgrenzung vermieden werden.<br />

VB.2004.00346 3. Kammer, 11. November<br />

48<br />

107


49<br />

108<br />

IX. Fürsorge<br />

49. Auf nur vorübergehend unterstützte Personen (während bis zu drei Monaten)<br />

können die SKOS-Richtlinien lediglich sinngemäss <strong>und</strong> entsprechend<br />

der individuellen Situation angewendet werden. Angesichts <strong>des</strong>sen, dass<br />

dem Sozialhilfebezüger seitens der Arbeitslosenversicherung wegen selbstverschuldeter<br />

Arbeitslosigkeit der Anspruch auf Taggelder gekürzt wird,<br />

besteht ein sachlicher, legitimer Gr<strong>und</strong>, kurzfristige, als Überbrückung zu<br />

leistende Sozialhilfe auf ein Minimum zu begrenzen. Die Streichung <strong>des</strong><br />

Gr<strong>und</strong>bedarfs II erweist sich somit als zulässig. § 15 SHG. § 17 SHV.<br />

3.1 Die Praxis <strong>und</strong> weit gehend auch die Lehre unterscheiden zwischen dem<br />

absoluten <strong>und</strong> dem sozialen Existenzminimum. Diese Unterscheidung findet sich<br />

insbesondere in den SKOS-Richtlinien (Ziff. A.1 <strong>und</strong> A.6). Dort wird als absolutes<br />

Existenzminimum das zum Überleben absolut notwendige Minimum (Ernährung,<br />

Kleidung, Obdach <strong>und</strong> medizinische Gr<strong>und</strong>versorgung) bezeichnet, während das<br />

soziale Existenzminimum nicht nur die Existenz <strong>und</strong> das Überleben der Bedürftigen,<br />

sondern auch ihre Teilhabe am Sozial- <strong>und</strong> Arbeitsleben umfasst. Sozialhilfe<br />

bezweckt die Gewährleistung <strong>des</strong> sozialen Existenzminimums. […]<br />

3.3 Die SKOS-Richtlinien gelten gemäss ihrer Einleitung für alle längerfristig<br />

unterstützten Personen. Auf nur vorübergehend unterstützte Personen können sie lediglich<br />

sinngemäss <strong>und</strong> entsprechend der individuellen Situation angewendet werden.<br />

Zur Berechnung <strong>des</strong> Unterstützungsbudgets bei kurzfristigen Unterstützungen<br />

mit Überbrückungscharakter (während bis zu drei Monaten) <strong>und</strong> einer realistischen<br />

Chance für Wiederherstellung der materiellen Unabhängigkeit wird ausgeführt,<br />

hier könne das soziale Existenzminimum sowohl unterschritten als auch überschritten<br />

werden, wobei das absolute Existenzminimum in jedem Fall gewährleistet sein<br />

müsse (SKOS-Richtlinien, Ziff. A.6). […]<br />

4. Vorliegend steht keine Kürzung von Leistungen im Sinn von § 24 SHG zur<br />

Diskussion. Die Frage ist vielmehr, ob sich die Verfügung der Sozialhilfebehörde<br />

auf § 15 Abs. 1 SHG <strong>und</strong> § 17 SHV stützen lässt. Das ist zu bejahen. Wie zuvor<br />

ausgeführt, lassen die SKOS-Richtlinien bei kurzfristigen Unterstützungen Unterschreitungen<br />

<strong>des</strong> sozialen Existenzminimums zu. Es darf angenommen werden,<br />

dass die SKOS-Richtlinien konkretisieren, was die «üblichen Aufwendungen für<br />

den Lebensunterhalt» im Sinn von § 15 Abs. 1 SHG umfassen. Zudem ist von Bedeutung,<br />

dass gemäss dieser Bestimmung individuelle Bedürfnisse angemessen<br />

berücksichtigt werden sollen.


49, 50<br />

Ein erklärtes Ziel der Sozialhilfe besteht darin, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten<br />

<strong>und</strong> die berufliche Integration zu fördern. Dieses Ziel steht im Zusammenhang mit<br />

dem Gr<strong>und</strong>satz der Subsidiarität, nach welchem Sozialhilfe nur so weit zu leisten<br />

ist, als die Hilfe suchende Person die Notlage nicht aus eigenen Kräften abwenden<br />

oder beheben kann (SKOS-Richtlinien, Ziff. A.1 <strong>und</strong> A.4.1; Wolffers, S. 71 f.). Die<br />

Sanktionen der Arbeitslosenversicherung sollen dazu beitragen, dass Versicherte<br />

sich ernsthaft bemühen, eine Anstellung zu finden oder zu behalten. Dieser wirtschaftliche<br />

Anreiz stellt einen bedeutsamen Beitrag zur Förderung der Selbsthilfe<br />

<strong>und</strong> zur wirtschaftlichen Integration dar. Es erscheint gr<strong>und</strong>sätzlich geboten, dafür<br />

zu sorgen, dass Sozialhilfe derartige Anreize nicht unterläuft. Wenn wie vorliegend<br />

die Einstellung von Taggeldern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu<br />

erwarten ist, <strong>und</strong> erst recht, wenn sie bereits verfügt ist, so besteht ein sachlicher,<br />

legitimer Gr<strong>und</strong>, kurzfristige, als Überbrückung zu leistende Sozialhilfe auf ein<br />

Minimum zu begrenzen, sofern nicht konkrete Umstände dagegen sprechen.<br />

Solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere hat der<br />

Beschwerdegegner keine Unterhaltspflichten gegenüber Dritten zu erfüllen. Die<br />

Einschränkungen, die sich hinsichtlich der Teilhabe am sozialen Leben ergeben<br />

mögen, wenn ihm der Gr<strong>und</strong>bedarf II vorübergehend abhanden kommt, sind angesichts<br />

der beschränkten Dauer dieser Einschränkung von höchstens drei Monaten,<br />

aber auch <strong>des</strong> Zwecks, der den entsprechenden Sanktionen der Arbeitslosenversicherung<br />

zukommt, ohne weiteres verhältnismässig. Schliesslich teilt das <strong>Verwaltungsgericht</strong><br />

die Auffassung der Arbeitslosenversicherung <strong>und</strong> der Beschwerdeführerin,<br />

dass es dem Beschwerdegegner zumutbar gewesen wäre, sich an seiner<br />

Arbeitsstelle um eine interne Versetzung zu bemühen, statt die Stelle zu kündigen.<br />

VB.2004.00250 3. Kammer, 22. Oktober<br />

50. Einer Sozialhilfebezügerin, der die Hilfe mangels Mitwirkung bei der Abklärung<br />

<strong>des</strong> massgebenden Sachverhalts bzw. mangels Nachweises der<br />

Bedürftigkeit zulässigerweise entzogen worden ist <strong>und</strong> die erst im Rechtsmittelverfahren<br />

die fehlenden Unterlagen nachreicht, steht kein Anspruch<br />

zu, dass die Sozialhilfe nahtlos – rückwirkend auf den Zeitraum der verfügten<br />

Einstellung – wieder aufgenommen wird. § 18 SHG.<br />

VB.2004.00412 ER 3. Abteilung, 2. Dezember<br />

109


51, 52<br />

51. Wer Vermögenswerte verschweigt <strong>und</strong> damit unter unwahren oder unvollständigen<br />

Angaben wirtschaftliche Hilfe erwirkt hat, kann sich gegenüber<br />

der Rückerstattungsforderung der Gemeinde nicht darauf berufen, dass die<br />

Realisierung der Vermögenswerte nicht möglich oder nicht zumutbar sei.<br />

§ 20, § 26 SHG.<br />

110<br />

VB.2004.00033 3. Kammer, 18. März<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine staatsrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid am 21. Mai 2004<br />

abgewiesen (BGr, 21. Mai 2004, 2P.120/2004, www.bger.ch).<br />

52. Die Weisung an einen Sozialhilfebezüger, eine zumutbare Erwerbsarbeit<br />

anzunehmen, ist auch dann zulässig, wenn dieser ein zurzeit noch hängiges<br />

Gesuch um Ausrichtung einer Rente der Invalidenversicherung gestellt hat.<br />

§ 21 SHG.<br />

3.3.2 Soweit der Beschwerdeführer geltend machen will, allein die<br />

Verpflichtung, sich um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen, würde das Gesuch um<br />

Ausrichtung einer Rente der Invalidenversicherung als hinfällig erscheinen lassen,<br />

ist ihm ebenfalls nicht zu folgen. Weder das B<strong>und</strong>esgesetz über die Invalidenversicherung<br />

noch die Verordnung über die Invalidenversicherung sehen den Verlust<br />

<strong>des</strong> Rentenanspruchs vor, wenn ein Versicherter während seines hängigen Gesuchs<br />

um Ausrichtung einer IV-Rente sich vermitteln lässt oder erwerbstätig ist. Vielmehr<br />

richtet sich der Anspruch auf eine Invalidenrente nach dem Grad der festgestellten<br />

Invalidität (Art. 28 IVG) <strong>und</strong> nicht nach dem geleisteten Arbeitspensum. Vom Beschwerdeführer<br />

wird mit der beanstandeten Anordnung der Beschwerdegegnerin<br />

denn auch in keiner Weise verlangt, mittels seiner Bemühungen um eine Erwerbsarbeit<br />

zu beweisen, dass er einer IV-Rente nicht bedürfte. Auch Dr. D erachtete<br />

überdies eine Erwerbstätigkeit <strong>des</strong> Beschwerdeführers trotz Anmeldung bei der IV<br />

nicht als ausgeschlossen. Der Entscheid über das Ausmass einer möglichen Erwerbsunfähigkeit<br />

<strong>und</strong> daraus abgeleitet den Grad der Invalidität bleibt damit entgegen<br />

der Ansicht <strong>des</strong> Beschwerdeführers den dafür zuständigen Instanzen vorbehalten<br />

<strong>und</strong> wird vom angefochtenen Beschluss nicht tangiert. Entsprechend braucht<br />

das Verfahren auch nicht bis zum Abschluss <strong>des</strong> invalidenrechtlichen Verfahrens<br />

sistiert zu werden, noch sind die Akten jenes Verfahrens beizuziehen.<br />

VB.2004.00125 3. Kammer, 10. Juni


53. Voraussetzungen, unter denen Leistungen wegen mangelnder Mitwirkung<br />

der Sozialhilfebezügerin bei der Abklärung der Bedürftigkeit oder wegen<br />

Missachtung einer Weisung gänzlich eingestellt werden dürfen. § 21, § 24 SHG.<br />

3.1 […] Die «Anordnungen», deren Missachtung gemäss § 24 SHG zu einer<br />

Leistungskürzung führen können, knüpfen, wie die in dieser Bestimmung nicht<br />

abschliessend genannten Anwendungsfälle zeigen, an zwei verschiedene Aspekte<br />

der den Sozialhilfeempfänger treffenden Mitwirkungspflicht an. Zum einen hat er<br />

über seine Verhältnisse Auskunft zu erteilen, soweit dies für die Beurteilung seiner<br />

Hilfebedürftigkeit – ob überhaupt ein Anspruch bestehe <strong>und</strong> wie die Hilfe zu<br />

bemessen sei – erforderlich <strong>und</strong> zweckmässig ist (vgl. § 18 SHG <strong>und</strong> § 28 SHV).<br />

Diese Pflicht zur Mitwirkung bei der Abklärung <strong>des</strong> Sachverhalts trifft den Hilfesuchenden<br />

nicht nur bei der Einreichung eines Unterstützungsgesuchs, sondern<br />

auch während der Dauer der Unterstützung. Denn bei der Gewährung von wirtschaftlicher<br />

Hilfe handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der einen Dauersachverhalt<br />

betrifft; die Hilfeleistung steht daher unter dem Vorbehalt sich ändernder<br />

Verhältnisse; der Hilfebezüger ist verpflichtet, solche Änderungen von sich aus zu<br />

melden (§ 28 SHV), <strong>und</strong> ebenso hat die Behörde alle hängigen Hilfefälle von Amts<br />

wegen min<strong>des</strong>tens einmal jährlich zu überprüfen. Eine Mitwirkungspflicht trifft<br />

den Hilfeempfänger sodann im Hinblick auf das Ziel der Sozialhilfe, das soziale<br />

Existenzminimum (<strong>und</strong> nur dieses) zu gewährleisten sowie die Wiederintegration<br />

in den Arbeitsmarkt <strong>und</strong> damit die Loslösung von dieser Hilfe zu erreichen. Zu diesem<br />

Zweck kann gemäss § 21 SHG die wirtschaftliche Hilfe mit Auflagen <strong>und</strong> Weisungen<br />

verb<strong>und</strong>en werden, die sich auf die richtige Verwendung der Beiträge beziehen<br />

oder geeignet sind, die Lage <strong>des</strong> Hilfeempfängers zu verbessern (vgl. § 23 SHV,<br />

welcher § 21 SHG konkretisiert). Während derartige auf ein bestimmtes Verhalten<br />

<strong>des</strong> Hilfeempfängers abzielende Auflagen direkt mit Rekurs anfechtbar sind, trifft<br />

dies auf Auflagen zur Abklärung der Hilfebedürftigkeit in der Regel nicht zu (vgl.<br />

RB 1998 Nr. 34 <strong>und</strong> Nr. 35).<br />

3.2 Aus § 24 SHG <strong>und</strong> § 24 SHV kann nicht abgeleitet werden, die wirtschaftliche<br />

Hilfe dürfe bei der Missachtung von Anordnungen lediglich gekürzt,<br />

das heisst unter keinen Umständen vollständig eingestellt werden. Geht es um die<br />

Missachtung von Anordnungen, die geeignet sind, die Lage <strong>des</strong> Hilfeempfängers zu<br />

verbessern, ist eine vollständige Einstellung der Leistungen allenfalls zulässig,<br />

wenn sich der Hilfeempfänger beharrlich weigert, eine ihm zumutbare Arbeitsstelle<br />

zu suchen <strong>und</strong> anzutreten; diesfalls rechtfertigt sich der Schluss, es liege keine<br />

Notlage im Sinn von § 14 SHG, jedenfalls keine Notlage im Sinn von Art. 12 BV,<br />

vor; denn zur Annahme einer solchen Notlage, die den verfassungsrechtlichen<br />

53<br />

111


53, 54, 55<br />

Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe auslöst, genügt es nicht, dass die betroffene Person<br />

in Not gerät; der verfassungsrechtliche Anspruch auf Nothilfe setzt zusätzlich<br />

voraus, dass sie nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen (vgl. BGr, 4. März 2003,<br />

2P.147/2002, E. 3.2, www.vgrzh.ch). Geht es um die Missachtung von Anordnungen,<br />

die auf die Abklärung der für die Gewährung <strong>und</strong> Bemessung von Sozialhilfe<br />

massgebenden Verhältnisse abzielen (also prozessrechtlich um so genannte verfahrensleitende<br />

Anordnungen zur Klärung <strong>des</strong> anspruchbegründenden Sachverhalts),<br />

kann sich die Verweigerung oder die Einstellung von Sozialhilfe allenfalls dann<br />

rechtfertigen, wenn wegen der Missachtung der verfahrensleitenden Anordnung bestehende<br />

erhebliche Zweifel an der Bedürftigkeit nicht beseitigt werden können<br />

(SKOS-Richtlinien, Ziff. A.8.4; Sozialhilfe-Behördenhandbuch, hrsg. von der Abteilung<br />

Öffentliche Fürsorge <strong>des</strong> Sozialamts <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> Zürich, Zürich 1994,<br />

Fassung vom Januar 2004, Ziff. 2.1.3 S. 3; VGr, 10. Juli 2003, VB.2003.00049, E. 4c).<br />

Wenn Sozialhilfeleistungen unter den dargelegten engen Voraussetzungen nicht nur<br />

gekürzt, sondern gänzlich eingestellt werden, erweist sich dies – namentlich bei<br />

Missachtung von der Abklärung der Verhältnisse dienenden Auflagen – auch insofern<br />

als verfassungsrechtlich unbedenklich, als es die betroffene Person unter solchen<br />

Umständen in der Hand hat, die Wiederaufnahme der Sozialhilfe durch ein<br />

kooperatives Verhalten herbeizuführen. In diesem Sinn ist denn auch im vorliegenden<br />

Fall die am 16. Dezember 2003 «mangels Nachweis der wirtschaftlichen Notlage»<br />

verfügte Einstellung der wirtschaftlichen Hilfe per 31. Dezember 2003 mit<br />

der weiteren Anordnung verb<strong>und</strong>en worden, auf ein neues Unterstützungsgesuch<br />

werde (erst) wieder eingetreten, wenn die Beschwerdeführerin näher bezeichnete<br />

Unterlagen vorlege.<br />

112<br />

VB.2004.00412 ER 3. Abteilung, 2. Dezember<br />

54. Eine Weisung an einen Sozialhilfebezüger, sich an einem Beschäftigungsprogramm<br />

zu beteiligen, ist zulässig, wenn es sich dabei um eine zumutbare<br />

Arbeit handelt. § 21 SHG.<br />

VB.2004.00333 ER 3. Abteilung, 6. Dezember<br />

55. Die Sozialbehörde darf die Übernahme der Kosten einer zahnärztlichen Behandlung<br />

nicht einzig <strong>des</strong>wegen ablehnen, weil der Sozialhilfebezüger keinen<br />

Kostenvoranschlag eingereicht hat. Vielmehr muss untersucht werden,


ob die Sozialbehörde die Kosten der zahnärztlichen Behandlung übernommen<br />

hätte, wenn der Sozialhilfebezüger sein Gesuch rechtzeitig eingereicht<br />

hätte. § 19 SHV.<br />

VB.2004.00019 ER 3. Abteilung, 5. März<br />

X. Gebäudeversicherung<br />

55, 56<br />

56. Die Rekurskommission der Gebäudeversicherung ist kein unabhängiges<br />

Gericht. Art. 6 Abs. 1 EMRK. Art. 30 Abs. 1 BV. § 75 Abs. 4 GebäudeversG.<br />

Zwar wird in § 75 Abs. 4 GebäudeversG der Rekurskommission Unabhängigkeit<br />

in der Rechtsprechung garantiert. Doch werden das juristische Sekretariat <strong>und</strong><br />

die Kanzlei der Kommission von der Direktion der Justiz <strong>und</strong> <strong>des</strong> Innern bestellt,<br />

bei der sich auch der Sitz der Rekurskommission befindet. Die Direktion übt<br />

zudem die administrative Aufsicht über die Rekurskommission aus (§ 1 Abs. 3 <strong>und</strong><br />

§ 2 der Verordnung über die Rekurskommission der Gebäudeversicherung vom<br />

1. März 2000). Angesichts dieser Verflechtung mit der zuständigen Direktion ist die<br />

Rekurskommission der Gebäudeversicherung kein unabhängiges Gericht im Sinn<br />

von Art. 30 Abs. 1 BV <strong>und</strong> Art. 6 Abs. 1 EMRK (vgl. auch BGr, 3. November 2003,<br />

2P.252/2003, E. 3.4.1, www.bger.ch, zur ähnlich organisierten Rekurskommission<br />

der Universität; BGE 123 I 87 E. 4a).<br />

VB.2003.00434 4. Kammer, 25. Februar<br />

113


57<br />

114<br />

C. <strong>Raumplanungs</strong>- <strong>und</strong> <strong>Baurecht</strong><br />

I. Nutzungsplanungen<br />

57. Wird die Festsetzung eines Nutzungsplans nicht genehmigt <strong>und</strong> diese Nichtgenehmigung<br />

nicht angefochten, so fehlt es im Rechtsmittelverfahren gegen<br />

die Festsetzung an einem Anfechtungsobjekt. Dieses Rechtsmittelverfahren<br />

ist <strong>des</strong>halb infolge Gegenstandslosigkeit abzuschreiben. § 43 Abs. 1 lit. d<br />

VRG. § 89, § 329 Abs. 4 PBG.<br />

2.1 Aus § 329 Abs. 4 PBG ergibt sich, dass in Fällen, in denen eine kommunale<br />

Zonenplanfestsetzung angefochten wird, der Genehmigungsentscheid der<br />

Baudirektion bzw. <strong>des</strong> Regierungsrats erst nach Vorliegen <strong>des</strong> Rekursentscheids der<br />

Baurekurskommission zu treffen ist. Wird der Rekursentscheid an das <strong>Verwaltungsgericht</strong><br />

weiter gezogen, hat dieses den Genehmigungsentscheid der Baudirektion<br />

bzw. <strong>des</strong> Regierungsrats einzuholen <strong>und</strong> dementsprechend auch die erforderliche<br />

Koordination zwischen dem Rechtsmittelverfahren über die Nutzungsplanung <strong>und</strong><br />

dem genehmigungsrechtlichen Entscheid sicherzustellen (zur Rechtsbeständigkeit<br />

von § 329 Abs. 4 PBG vgl. BGr, 22. November 2000, ZBl 102/2001, S. 383; damit<br />

ist die frühere Praxis <strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgericht</strong>s, die von der B<strong>und</strong>esrechtswidrigkeit<br />

der genannten Vorschrift ausging <strong>und</strong> eine entsprechende Koordination bereits im<br />

Rekursverfahren vor Baurekurskommission für erforderlich hielt, hinfällig geworden;<br />

zu dieser früheren Praxis vgl. Kölz/Bosshart/Röhl, § 19 N. 38 <strong>und</strong> 106).<br />

Gemäss § 43 Abs. 1 lit. d VRG ist die Beschwerde gegen Entscheide betreffend<br />

die Genehmigung von Erlassen gr<strong>und</strong>sätzlich ausgeschlossen, jedoch (im Sinn<br />

einer Gegenausnahme) gegen Nichtgenehmigungen auf dem Gebiet <strong>des</strong> <strong>Raumplanungs</strong>-,<br />

Bau- <strong>und</strong> Strassenrechts zulässig. Demnach ist bei genehmigungsrechtlichen<br />

Entscheiden der Baudirektion bzw. <strong>des</strong> Regierungsrats betreffend Bau- <strong>und</strong><br />

Zonenordnungen (§ 89 in Verbindung mit § 2 lit. a <strong>und</strong> b PBG) zwischen Genehmigungen<br />

einerseits <strong>und</strong> Nichtgenehmigungen bzw. nicht vorbehaltlosen Genehmigungen<br />

anderseits zu unterscheiden; ersteren kommt kein Verfügungscharakter zu,<br />

während letztere ein selbständiges Anfechtungsobjekt bilden (Kölz/Bosshart/Röhl,<br />

§ 43 N. 12; vgl. auch § 19 N. 37). Von diesen Gr<strong>und</strong>sätzen ist auch bei der gestützt<br />

auf § 329 Abs. 4 PBG erforderlichen Koordination auszugehen. Nach der in Anwendung<br />

dieser Bestimmung massgebenden Praxis <strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgericht</strong>s wird<br />

ein Beschwerdeverfahren betreffend eine kommunale Bau- <strong>und</strong> Zonenordnung


57, 58<br />

gegenstandslos, soweit der Regierungsrat die streitbetroffene Festlegung nicht<br />

genehmigt <strong>und</strong> sofern die davon betroffene Prozesspartei gegen die Nichtgenehmigung<br />

nicht fristgerecht Beschwerde erhebt.<br />

VB.2002.00249 3. Kammer, 9. September<br />

58. Begriff der Erschliessung in der Richt- <strong>und</strong> Nutzungsplanung: Unterschieden<br />

werden muss zwischen einem weiten Erschliessungsbegriff der Richtplanung<br />

<strong>und</strong> einem engeren Erschliessungsbegriff der Nutzungsplanung<br />

im Sinn der Bauzonenerschliessung. Der Begriff der Erschliessung in § 31<br />

Abs. 2 PBG beinhaltet den weiten Erschliessungsbegriff der Richtplanung<br />

<strong>und</strong> geht demnach weiter als jener in § 91 PBG bzw. Art. 19 RPG. Art. 19<br />

RPG. § 31 Abs. 2, § 91 PBG.<br />

4. Da mithin unter Groberschliessung im Sinn von § 31 Abs. 2 PBG nicht dasselbe<br />

zu verstehen ist wie unter Groberschliessung im Sinn von §§ 90 ff. PBG, kann<br />

zur Bestimmung, welche Strassen in den Verkehrsplan aufgenommen werden dürfen,<br />

auch nicht ausschliesslich auf die für die Bauzonenerschliessung entwickelte<br />

Unterscheidung zwischen Groberschliessung <strong>und</strong> Feinerschliessung abgestellt werden.<br />

Oder anders gesagt, kann zur Inhaltsbestimmung <strong>des</strong> Verkehrsplans nicht nur<br />

auf die Erschliessung als Bauvoraussetzung abgestellt werden. Dies im Gegensatz<br />

zur Gewährung von Staatsbeiträgen gestützt auf die StrassenbeitragsV (vgl. dazu<br />

E. 4.2). Vielmehr müssen die Unterscheidungen sowohl für die Bauzonenerschliessung<br />

als auch für die Wald- <strong>und</strong> Landwirtschaftsgebietserschliessung vorgenommen<br />

werden. Aus diesem Gr<strong>und</strong> greift die Argumentation <strong>des</strong> Regierungsrats, wie<br />

nachfolgend zu zeigen sein wird, zu kurz.<br />

4.1. Das <strong>Raumplanungs</strong>gesetz enthält keine Begriffe für die Unterscheidung<br />

verschiedener Erschliessungsebenen wie Gr<strong>und</strong> , Grob <strong>und</strong> Feinerschliessung. Die<br />

Umschreibung der Erschliessungsgrade ist vielmehr uneinheitlich (Begriffe zur<br />

Raumplanung, Ein Nachschlagewerk für die Praxis, VLP-Schrift Nr. 67, Bern<br />

1996, S. 59 f.). Das B<strong>und</strong>esrecht verlangt auch nicht, dass die Kantone entsprechende<br />

Begriffsbestimmungen einführen. Eine besondere b<strong>und</strong>esrechtliche Begriffsbestimmung<br />

enthält allerdings das Wohnbau <strong>und</strong> Eigentumsförderungsgesetz<br />

(WEG). Unter Groberschliessung für die Bauzonenerschliessung wird danach die<br />

Versorgung eines zu überbauenden Gebiets mit den Hauptsträngen der Erschliessungsanlagen<br />

verstanden, namentlich Wasser, Energieversorgungs <strong>und</strong> Abwasserleitungen<br />

sowie Strassen <strong>und</strong> Wege, die unmittelbar dem zu erschliessenden Gebiet<br />

115


58<br />

dienen. Die Feinerschliessung der Bauzone umfasst den Anschluss der einzelnen<br />

Gr<strong>und</strong>stücke an die Hauptstränge der Erschliessungsanlagen mit Einschluss von<br />

öffentlich zugänglichen Quartierstrassen <strong>und</strong> öffentlichen Leitungen (Art. 4 WEG).<br />

Strassenmässig erfüllen die Funktion der Groberschliessung vor allem die Sammelstrassen<br />

(vgl. RB 1983 Nr. 96; Peter Engeler, Die Erschliessung von Baugr<strong>und</strong>stücken<br />

nach zürcherischem Recht, Zürich 1976, S. 31). Als Entscheidungshilfen<br />

für die Qualifizierung von Strassen können im Weiteren auch die Normen der Vereinigung<br />

Schweizerischer Strassenfachleute (VSS-Normen) herangezogen werden,<br />

wie es der Regierungsrat getan hat. So subsumiert der Regierungsrat unter den Begriff<br />

der Strassen der Groberschliessung unter Bezugnahme auf die VSS-Normen<br />

Sammelstrassen. Danach sind Sammelstrassen Strassen innerhalb besiedelter Gebiete,<br />

welche den Verkehr aus den Erschliessungsstrassen sammeln <strong>und</strong> ihn zu<br />

Strassen <strong>des</strong> nächsthöheren oder gleichen Typs führen. Zusammen mit den Hauptverkehrsstrassen<br />

stellen sie die lokalen Verbindungen zwischen den einzelnen<br />

Quartieren oder Ortschaften sicher (vgl. VSS-Norm 640 044). Bei der Abgrenzung<br />

zwischen Grob <strong>und</strong> Feinerschliessung steht den Gemeinden ein weiter Ermessensspielraum<br />

zu (RB 1988 Nr. 59). Ein pflichtgemässes Ermessen hat die Funktion der<br />

Erschliessungsanlagen zu berücksichtigen als auch die Vorgaben von Plänen <strong>und</strong><br />

einschlägigen gesetzlichen Vorschriften zu berücksichtigen (BEZ 1997 Nr. 6 E. 2a).<br />

Zu prüfen ist die siedlungserschliessende Funktion der projektierten Strasse.<br />

Der Regierungsrat lehnt die Klassierung der umstrittenen Strasse in der Gemeinde<br />

Zell als Sammelstrasse <strong>des</strong>halb ab, weil er ihr nur die Aufgabe der Feinerschliessung<br />

der Wohnhäuser nördlich der Bahnlinie zumisst. Ob die vorliegend im Streit<br />

liegende Strassenprojektierung als Sammelstrasse einzustufen ist, muss zu Recht<br />

bezweifelt werden. Die Strasse befindet sich ab dem Bahnübergang ausserhalb <strong>des</strong><br />

Siedlungsgebiets. Bauzonen erschliesst sie nicht, sondern sie dient lediglich der<br />

Zufahrt von einigen Wohnhäusern, welche sich in der Landwirtschaftszone befinden.<br />

Diese Höfe können nicht als Weiler oder Quartier qualifiziert werden, weshalb<br />

ihr in diesem Sinn auch keine Verbindungsfunktion zukommt. Die in der Beschwer<strong>des</strong>chrift<br />

angeführten Beispiele in den Gemeinden Fehraltorf, Russikon <strong>und</strong> Bauma<br />

haben – wie dem Regierungsrat beizupflichten ist – ausnahmslos die Funktion der<br />

Erschliessung von in der Bauzone gelegenen Weilern <strong>und</strong>/oder der Verbindung zu<br />

benachbarten Gemeinden. In keinem der erwähnten Fälle wurde, wie dies vorliegend<br />

erfolgen soll, mit einer Sammelstrasse eine Gebäudegruppe von lediglich vier<br />

Wohnhäusern in der Landwirtschaftszone erschlossen, von denen zudem nur drei<br />

nahe beieinander liegen. Zwar endet die Strasse nicht bei dieser Häusergruppe, sondern<br />

führt in den Wald <strong>und</strong> nach Unterlangenhard. Dieser interkommunalen Verbindung<br />

kommt aber nur sehr untergeordnete Bedeutung zu, weshalb die neu zu erstellende<br />

Strasse nicht aus diesem Gr<strong>und</strong> allein als Sammelstrasse bezeichnet werden<br />

116


kann. Auch kann dem Teilstück der geplanten Strasse zwischen der Tösstalstrasse<br />

bis <strong>und</strong> mit dem Bahnübergang nicht Groberschliessungscharakter beigemessen<br />

werden, solange eine offenbar ebenfalls in Planung stehende durchführende Strassenverbindung<br />

zwischen Kollbrunn nach Rikon auf der Nordseite der Tösstal-<br />

Bahnlinie nicht besteht.<br />

Zusammenfassend ist dem Regierungsrat also insofern beizupflichten, dass es<br />

sich bei der vorliegend zur Debatte stehenden Strasse nicht um eine Strasse mit<br />

<strong>Baurecht</strong>serschliessungscharakter handelt. Die projektierte Strasse erschliesst kein<br />

Siedlungsgebiet, sondern dient lediglich der Feinerschliessung der kleinen Häusergruppe<br />

auf der Nordseite der Tösstal-Bahnlinie. Damit ist in<strong>des</strong>sen – entgegen der<br />

Ansicht <strong>des</strong> Regierungsrats <strong>und</strong> der Baudirektion – noch nicht abschliessend entschieden,<br />

ob die fragliche Strasse in den Verkehrsplan aufgenommen werden muss<br />

oder nicht. Dazu muss vielmehr überdies geprüft werden, ob ihr Groberschliessungsfunktion<br />

im Sinn <strong>des</strong> weiter gefassten Erschliessungsbegriffs der Richtplanung<br />

zukommt.<br />

4.2. Zu prüfen ist die Funktion der projektierten Strasse in Bezug auf die<br />

Erschliessung der Wald- <strong>und</strong> Landwirtschaftsgebiete im Raum Rütschetbüel-<br />

Rutzen-Rutzentobel-Schöntalerweid. In der Forst- <strong>und</strong> Landwirtschaft bedeutet Erschliessung<br />

Flächenerschliessung, da die Bewirtschaftung gleichzeitig an verschiedenen<br />

Orten erfolgen muss (vgl. Viktor Kuonen, Generelle Erschliessungsplanung,<br />

Zürich 1979, S. 21). Die Groberschliessung von Waldbeständen erlaubt dabei die<br />

Zufahrt ins Arbeitsgebiet <strong>und</strong> die Abfuhr von Holz vom Lagerplatz an den Verbrauchsort.<br />

Sie erfolgt über Waldstrassen, die an das öffentliche Strassennetz angeschlossen<br />

werden (Walter Wüthrich, Die Feinerschliessung von Waldbeständen –<br />

Planung, Anlage <strong>und</strong> Benützung, Berichte der Eidgenössische Forschungsanstalt<br />

für Wald, Schnee <strong>und</strong> Landschaft, Birmensdorf 1992, S. 14; Peter Dietz/Wolfgang<br />

Knigge/Hans Löffler, Walderschliessung, Hamburg/Berlin 1984, S. 13). Demgegenüber<br />

ermöglicht die Feinerschliessung den Zugang zu jedem Arbeitsort <strong>und</strong> das<br />

Bringen <strong>des</strong> Holzes vom Fällort zum Aufbereitungs- <strong>und</strong> Lagerort im Wald mittels<br />

Rückegassen, Maschinenwegen <strong>und</strong> Seillinien (vgl. Wüthrich, S. 14; Kuonen, S. 21 f.).<br />

Analog dazu führen die landwirtschaftlichen Güterstrassen mit Groberschliessungsfunktion<br />

bis an die Grenze der landwirtschaftlich genutzten Gebiete, während die<br />

Feinerschliessung durch Bewirtschaftungswege innerhalb der Feldparzellen erfolgt.<br />

Im vorliegenden Fall kommt der neu zu erstellenden Strasse gemäss dem<br />

Schreiben <strong>des</strong> Amts für Landschaft <strong>und</strong> Natur vom 22. August 2003 Groberschliessungsfunktion<br />

zu für die Feldparzellen nördlich der Tösstal-Bahnlinie sowie für den<br />

58<br />

117


58, 59<br />

Wald im Gebiet Rutzentobel, in welchem regelmässig Holznutzungen stattfinden,<br />

<strong>und</strong> im Gebiet Schönthalerweid <strong>und</strong> Schönthalerhalden, welchem besondere<br />

Schutzfunktion zugemessen wird <strong>und</strong> welches gänzlich unerschlossen ist. Wegen<br />

dieser land- <strong>und</strong> forstwirtschaftlichen Bedeutung der im Verkehrsplan festgesetzten<br />

Strasse wurde der Gemeinde Zell vom Kanton auch ein einmaliger Beitrag von<br />

maximal Fr. 231000.– an die Baukosten der vorliegend umstrittenen Strasse bewilligt.<br />

Hieraus wird nun ebenso ersichtlich, dass Beiträge gestützt auf § 1 der StrassenbeitragsV<br />

nur für Strassen mit Siedlungserschliessungsfunktion (unter Ausschluss<br />

der Feinerschliessung) ausgeschüttet werden, während sich das Beitragswesen<br />

für Strassen mit Bedeutung für die Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft nach den einschlägigen<br />

Bestimmungen der Forst- <strong>und</strong> Landwirtschaftsgesetzgebung richtet. Die<br />

StrassenbeitragsV geht somit vom engen Begriff der Erschliessung gemäss Art. 19<br />

RPG bzw. von der Bauzonenerschliessung aus, weshalb bei der Beurteilung, ob<br />

eine Strasse in den kommunalen Verkehrsplan aufzunehmen ist, nicht allein auf die<br />

Beitragspflicht gemäss § 1 StrassenbeitragsV abgestellt werden darf.<br />

5.1. Da der projektierten Strasse Groberschliessungsfunktion zukommt <strong>und</strong><br />

sie in Bezug auf die Walderschliessung von kommunaler Bedeutung ist, ist sie in<br />

den kommunalen Verkehrsplan aufzunehmen. Die Beschwerde ist <strong>des</strong>halb gutzuheissen<br />

<strong>und</strong> der Regierungsrat anzuweisen, den Verkehrsplan der Gemeinde Zell<br />

vom 22. September 2003 zu genehmigen.<br />

118<br />

VB.2004.00245 3. Kammer, 9. September<br />

59. Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Verkehr: Tragweite dieser Anforderung<br />

hinsichtlich eines Bauvorhabens, für welches ein Gestaltungsplan festgesetzt<br />

wird. Die Umweltverträglichkeit ist bereits im Gestaltungsplanverfahren<br />

zu prüfen; es genügt jedoch, dass bei der Planfestsetzung eine hinreichende<br />

Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr in den wesentlichen<br />

Zügen feststeht. § 237 PBG. § 2, § 13 AngebotsV.<br />

6.2.1 […] Vorliegend ist nicht eine Baubewilligung, sondern ein Sondernutzungsplan<br />

zu beurteilen. Es fragt sich, ob dies die Anwendbarkeit von § 237<br />

PBG beeinflusst. Im Zeitpunkt <strong>des</strong> Planungsentscheids muss das Gemeinwesen lediglich<br />

bereit sein, die für die Groberschliessung der Bauzonen notwendigen Werke<br />

<strong>und</strong> Anlagen innert bestimmten zeitlichen Etappen zu erstellen (vgl. Art. 15 lit. b


RPG <strong>und</strong> § 91 PBG; VGr, 22. Januar 2004, VB.2003.00223, www.vgrzh.ch). Hingegen<br />

wäre es weder zweck- noch verhältnismässig, wenn anlässlich der Festsetzung<br />

eines Sondernutzungsplans bereits ein detailliertes Konzept der Erschliessung<br />

mit dem öffentlichen Verkehr vorliegen müsste. Das <strong>Verwaltungsgericht</strong> hat<br />

kürzlich darauf hingewiesen, aus dem kantonalen Recht (§§ 91 <strong>und</strong> 237 PBG)<br />

könne nicht abgeleitet werden, dass ein Zonenplan in einem bestimmten Areal<br />

grössere Überbauungen nur dann zulassen darf, wenn die Erschliessung mit öffentlichem<br />

Verkehr bereits erfolgt ist <strong>und</strong> damit die Voraussetzungen für eine<br />

Baubewilligung in dieser Hinsicht gegeben sind. Es wäre unsinnig, das Angebot an<br />

öffentlichem Verkehr mit seinen allenfalls beträchtlichen Investitionen schon in<br />

einem Zeitpunkt auszubauen, wo noch keineswegs feststehe, ob in einem bestimmten<br />

Gebiet aufgr<strong>und</strong> seiner künftigen Entwicklung auch tatsächlich mit einem grösseren<br />

Benutzer- oder Publikumsverkehr zu rechnen sei (VGr, 21. März 2002,<br />

VB.2001.00245, E. 6b, www.vgrzh.ch [Winterthur]). Diese Erwägung lässt sich in<strong>des</strong>sen<br />

laut dem Entscheid VB.2004.00234 vom 5. Juli 2004, E. 5.2 (www.vgrzh.ch;<br />

«Stadion Zürich»), nicht auf einen projektbezogenen Gestaltungsplan übertragen,<br />

erst recht nicht, wenn er wie vorliegend im Hinblick auf die möglichst rasche Verwirklichung<br />

<strong>des</strong> Vorhabens festgesetzt wurde. Dementsprechend ist denn auch die<br />

Umweltverträglichkeit nicht bloss <strong>des</strong> Plans, sondern <strong>des</strong> Vorhabens bereits im jetzigen<br />

Verfahren zu prüfen. Weil auf das Gestaltungsplanverfahren noch ein Baubewilligungsverfahren<br />

folgt, in dem ein detailliertes Projekt auf seine Vereinbarkeit<br />

mit dem massgebenden öffentlichen Recht überprüft wird (Haller/Karlen, N. 506 ff.),<br />

genügt es aber einstweilen, dass eine hinreichende Erschliessung in den wesentlichen<br />

Zügen feststeht.<br />

6.2.2 Im Urteil Adliswil (Pra 91/2002 Nr. 20 = URP 2001, S. 1061 E. 4g<br />

S. 1071 f.) hat das B<strong>und</strong>esgericht angedeutet, dass es die mit der erwähnten Auslegung<br />

von § 237 Abs. 1 PBG verb<strong>und</strong>ene Unbestimmtheit hinsichtlich der Anforderungen<br />

an die Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr als nicht unproblematisch<br />

ansieht. Denn es sei für Baugesuchsteller insbesondere bei verkehrsintensiven<br />

Projekten schwer vorhersehbar, welche Güte der Erschliessung tatsächlich abverlangt<br />

werde. Diese Unbestimmtheit werde in<strong>des</strong>sen dadurch gemildert, dass<br />

§ 237 Abs. 1 PBG einerseits mit der kantonalen Gesetzgebung über den öffentlichen<br />

Verkehr <strong>und</strong> andererseits mit der kantonalen Wegleitung zur Ermittlung <strong>des</strong><br />

Parkplatzbedarfs verknüpft werden könne. Das B<strong>und</strong>esgericht nahm damit auf das<br />

kantonale Personenverkehrsgesetz sowie die hierzu ergangene Angebotsverordnung<br />

Bezug, worauf auch der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid hinweist.<br />

Die nach dem Gesagten anzuwendende Angebotsverordnung unterscheidet<br />

drei Angebotsbereiche. Die beste Versorgung besteht innerhalb <strong>des</strong> Angebots-<br />

59<br />

119


59<br />

bereichs 3, wo für grosse, dichte Siedlungsgebiete aufgr<strong>und</strong> der starken Nachfrage<br />

<strong>und</strong> der Vielfalt der Verkehrsbeziehungen ein flächendecken<strong>des</strong> Angebot festgelegt<br />

wird (§ 2 lit. c AngebotsV). Dieses wird in § 13 AngebotsV in der Weise konkretisiert,<br />

dass gr<strong>und</strong>sätzlich ein 15-Minuten-Takt angeboten wird (Abs. 1). Bei entsprechender<br />

Nachfrage wird das Intervall auf 10, 7 1 /2, 6 oder weniger Minuten verkürzt<br />

(Abs. 2); bei mangelnder Nachfrage während der Nebenverkehrszeiten kann<br />

das Intervall auf 30 Minuten ausgedehnt werden. Die Wegleitung unterscheidet vier<br />

Güteklassen der Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr, die aufgr<strong>und</strong> der<br />

Qualität der vorhandenen Haltestellen bzw. <strong>des</strong> dort vorhandenen Verkehrsangebots<br />

<strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> der mittleren Distanz zu dieser Haltestelle bestimmt werden. Klasse<br />

A bezeichnet die höchste Güteklasse (sehr gut), B die zweithöchste (gut), C die<br />

zweitkleinste (mittelmässig) <strong>und</strong> D die kleinste (ungenügend).<br />

6.3.1 Ob das Gebiet <strong>des</strong> Gestaltungsplans Bodacher (Stadt Dietikon) den in<br />

dieser Weise konkretisierten Anforderungen an die Erschliessung mit öffentlichem<br />

Verkehr genügt, hat das <strong>Verwaltungsgericht</strong> nur unter dem Gesichtswinkel der<br />

Rechtsverletzung zu prüfen. Eine zusätzliche Bushaltestelle der ZVV-Linie Nr. 303<br />

sowie ein Ortsbus lassen sich aufgr<strong>und</strong> der vorliegenden Akten ohne weiteres realisieren.<br />

Das Gericht darf Zusagen <strong>des</strong> Regierungsrats <strong>und</strong> der Stadt Dietikon, wonach<br />

das Verkehrsangebot zukünftig in bestimmter Weise verbessert wird, gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

berücksichtigen, wenn keine triftigen Gründe gegen die Realisierung sprechen.<br />

Im Licht der jüngsten Planungsgeschichte bestehen heute keine ernsthaften<br />

Zweifel an einem starken Ausbau <strong>des</strong> öffentlichen Verkehrs im Bereich Niderfeld<br />

wie im Limmattal überhaupt. Damit diese Zusage letztlich eingehalten wird, hat auf<br />

der Stufe <strong>des</strong> nachfolgenden Baubewilligungsverfahrens eine verbindlich zugesicherte<br />

Konkretisierung <strong>des</strong> Erschliessungskonzepts vorzuliegen. Dabei dürfte es<br />

nach § 233 Abs. 1 PBG genügen, wenn <strong>des</strong>sen Umsetzung, also die Inbetriebnahme<br />

<strong>des</strong> erweiterten Fahrplanangebots, noch nicht auf den Baubeginn, sondern erst auf<br />

den Zeitpunkt der Bauvollendung der publikumswirksamen Anlagen verwirklicht<br />

wird.<br />

6.3.2 Im Entscheid VB.2002.00159 vom 2. September 2002 (www.vgrzh.ch;<br />

Dietikon) hat das <strong>Verwaltungsgericht</strong> unter Hinweis auf die aktuelle b<strong>und</strong>esgerichtliche<br />

Rechtsprechung (BGr, 14. Februar 2002, URP 2002, S. 441, E. 3.2 S. 446<br />

f. <strong>und</strong> E. 6 S. 452 ff.) erwogen, dass publikumswirksame Betriebe an den bestehenden<br />

Knotenpunkten <strong>des</strong> öffentlichen Verkehrs zu errichten seien (E. 2d). Denn<br />

die Schaffung einer attraktiven öffentlichen Verkehrsverbindung liege weitgehend<br />

ausserhalb der Macht <strong>des</strong> privaten Bauherrn. Die öffentliche Hand sei nicht verpflichtet,<br />

alle Gebiete, in denen nach der Zonenordnung Einkaufszentren oder an-<br />

120


dere publikumsintensive Einrichtungen geschaffen werden könnten, mit einem auf<br />

deren Bedürfnisse ausgerichteten Angebot an öffentlichem Verkehr zu bedienen<br />

oder den öffentlichen Verkehr gar punktuell auf einzelne Vorhaben auszurichten.<br />

Nach Auffassung <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esgerichts sei es gerade nicht der Sinn von § 237 Abs. 1<br />

Satz 2 PBG, die Erstellung von publikumsintensiven Betrieben an jedem denkbaren<br />

Standort zu ermöglichen.<br />

Anders als im obgenannten Entscheid <strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgericht</strong>s liegt hier nicht<br />

eine Baubewilligung, sondern ein Gestaltungsplan im Streit. Zudem hat dieser wie<br />

gesagt die Funktion, anstelle der gescheiterten Rahmennutzungsplanung für das<br />

Gebiet Niderfeld eine Teillösung zu schaffen. Seit Jahren hat sich die Stadt<br />

Dietikon um eine Erschliessungslösung im Niderfeld bzw. zusammen mit den zuständigen<br />

Instanzen der Kantone Zürich <strong>und</strong> Aargau im Limmattal bemüht. Im<br />

Unterschied zum Präjudiz Adliswil verhält es sich beim Gestaltungsplan Bodacher<br />

nicht so, dass publikumsintensive Betriebe an peripherer Lage projektiert werden.<br />

Vielmehr befindet sich das Niderfeld unmittelbar an der Überlandstrasse sowie an<br />

der Mutschellenstrasse, die eine Zufahrt zur Nationalstrasse A1 aufweist, ferner<br />

nahe bei der Bahnlinie Zürich-Bern <strong>und</strong> überhaupt an zentraler Lage im Wirtschaftsraum<br />

Limmattal. Obschon das vom B<strong>und</strong>esgericht aufgehobene Projekt für<br />

ein Coop-Einkaufszentrum nur etwa 1 km vom Gebiet <strong>des</strong> Gestaltungsplans Bodacher<br />

entfernt liegt, ist letzteres mit Bezug auf den öffentlichen Verkehr wesentlich<br />

günstiger situiert. Anzumerken ist, dass der Ausdruck «Knotenpunkt» der Veranschaulichung<br />

dient <strong>und</strong> keinen eigenständigen rechtlichen Gehalt hat.<br />

6.3.3 Bei den mit dem Gestaltungsplan projektierten Betrieben handelt es sich<br />

nach Art. 9 der Bestimmungen zum Gestaltungsplan (GPV) überwiegend um Fachmärkte,<br />

die erfahrungsgemäss einen geringeren Publikumsverkehr erzeugen als Ladengeschäfte<br />

mit Artikeln <strong>des</strong> täglichen Gebrauchs. Die für den Verkauf von Lebensmitteln<br />

vorgesehene Fläche beträgt höchstens 4500 m 2 . Die Parteiauffassungen<br />

über die mutmasslichen Anteile der K<strong>und</strong>en, die ein privates Motorfahrzeug verwenden<br />

<strong>und</strong> jener, die den öffentlichen Verkehr benützen, gehen weit auseinander.<br />

Tatsächlich dürfte die Quote der mit dem öffentlichen Verkehr zu- <strong>und</strong> wegfahrenden<br />

K<strong>und</strong>en von zahlreichen Faktoren abhangen, die sich heute nicht zuverlässig<br />

abschätzen lassen. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Annahme von 40 km<br />

als Einzugsgebiet für die IKEA Dietikon in östlicher <strong>und</strong> nördlicher Richtung angesichts<br />

der IKEA Pratteln <strong>und</strong> IKEA Dietlikon zu relativieren ist. Die Studie<br />

«Mobilitätsverhalten/Einkaufs- <strong>und</strong> Freizeitverkehr Glattal» der Regionalplanung<br />

Zürich <strong>und</strong> Umgebung (RZU) schätzt, dass von den Besuchern der Einkaufszentren<br />

nur 5–11 % potenziell auf den öffentlichen Verkehr umsteigen. Jedenfalls zeigt die<br />

59<br />

121


59<br />

Erfahrung, dass trotz eines optimalen Angebots an öffentlichen Verkehrsmitteln ein<br />

gewisses Segment von Besuchern stets den eigenen PW verwendet. Diesem<br />

Personenkreis werden mit (805–187 =) 618 K<strong>und</strong>enparkplätzen Schranken gesetzt,<br />

womit den Anforderungen an die Luftreinhaltung insoweit Genüge getan ist.<br />

Die Buslinie Nr. 303 <strong>des</strong> Zürcher Verkehrsverb<strong>und</strong>s (Zürich-Altstetten<br />

[Farbhof] – Schlieren Bahnhof – Dietikon Bahnhof – Spreitenbach Shopping-Center)<br />

bedient in Dietikon unter anderem die Haltestelle Gjuchstrasse <strong>und</strong> in<br />

Spreitenbach die Haltestelle Asp, die beide r<strong>und</strong> 500 m vom Gestaltungsplangebiet<br />

entfernt liegen. Art. 12 GPV bestimmt, dass die Gr<strong>und</strong>eigentümer im Gestaltungsplangebiet<br />

an der Überlandstrasse auf eigene Kosten eine zusätzliche Bushaltestelle<br />

einrichten. In Spitzenzeiten beträgt der Takt laut erläuterndem Beschluss zum<br />

Gestaltungsplan 10 Minuten, ausserhalb derselben 15 Minuten. Ferner bestimmt<br />

Art. 12 GPV, dass eine neu zu schaffende zweite Buslinie mit Haltestelle an der<br />

Eigenstrasse «min<strong>des</strong>tens» im 15-Minuten-Takt eine Verbindung zum Bahnhof<br />

Dietikon gewährleisten soll. Obschon die Kombination der beiden Verbindungen<br />

wegen der etwas peripheren Lage der neuen ZVV-Haltestelle <strong>und</strong> möglicher<br />

Schwierigkeiten in der Abstimmung <strong>des</strong> Takts entgegen der Auffassung der<br />

Beschwerdegegnerinnen kaum auf ein 7 1 /2-Minuten-Intervall hinausläuft, ergibt<br />

sich doch eine deutliche Verminderung gegenüber dem heutigen 15-Minuten-Takt.<br />

Wenn der Regierungsrat das bestehende erste Angebot der Güteklasse C <strong>und</strong> das<br />

künftige zweite der Güteklasse C oder D gemäss Wegleitung zuordnet, erscheint<br />

diese Wertung als angemessen. Die Einstufung <strong>des</strong> neuen Ortsbusses in die Klasse<br />

C oder D ist allerdings eher streng, weil dieser zum Bahnhof Dietikon <strong>und</strong> damit zu<br />

einem wichtigen Knoten <strong>des</strong> öffentlichen Verkehrs führt. Dass die Kombination der<br />

beiden Angebote im Ergebnis der Güteklasse B nahe komme, ist ebenfalls vertretbar;<br />

entgegen der Auffassung <strong>des</strong> Beschwerdeführers liegt darin zumin<strong>des</strong>t keine<br />

Rechtsverletzung, in die das <strong>Verwaltungsgericht</strong> kraft § 50 VRG korrigierend eingreifen<br />

müsste. Mit der – knappen – Zuordnung zur Güteklasse B ist den von der<br />

b<strong>und</strong>esgerichtlichen Rechtsprechung gestellten Anforderungen Genüge getan;<br />

denn aus den Urteilen vom 14. Februar 2002 (URP 2002, S. 441, E. 6.3 S. 654 ff.<br />

[Dietikon]) <strong>und</strong> 5. September 2001 (Pra 91/2002 Nr. 20 = URP 2001, S. 1061,<br />

E. 4e-h S. S. 1070 ff. [Adliswil]) ergibt sich nur, dass jedenfalls die Güteklasse D<br />

nicht ausreicht. Selbst wenn die Taktfrequenz als ungenügend zu würdigen wäre,<br />

hätte dies nicht ohne weiteres die Aufhebung <strong>des</strong> Gestaltungsplans zur Folge. Denn<br />

aus Gründen der Verhältnismässigkeit müsste den Beschwerdegegnerinnen<br />

Gelegenheit eingeräumt werden, Massnahmen zur Behebung eines solchen heilbaren<br />

Mangels zu treffen. Im nachfolgenden Baubewilligungsverfahren wird der<br />

Stadtrat Dietikon anhand der konkreten Baugesuche die Erreichbarkeit <strong>des</strong> Gestaltungsplangebiets<br />

mit dem öffentlichen Verkehr nochmals prüfen <strong>und</strong> dabei nöti-<br />

122


59, 60<br />

genfalls zusätzliche Anforderungen – etwa hinsichtlich <strong>des</strong> Konzepts der Haltestellen,<br />

allfälliger Fahrplanverdichtungen, zusätzlicher Linien oder der Transportkapazität<br />

der verwendeten Verkehrsmittel – stellen. Treten künftige Engpässe bei der<br />

Personenbeförderung zwar mit geringerer Wahrscheinlichkeit ein, lassen sie sich<br />

jedoch auch nicht ausschliessen, so fällt ein – als Auflage in die Baubewilligung<br />

aufzunehmender – Vorbehalt späterer Massnahmen in Betracht.<br />

VB.2004.00041 3. Kammer, 30. September<br />

BEZ 2004 Nr. 63<br />

60. Fahrtenmodell in einem Gestaltungsplan: Das kantonale Recht erlaubt es,<br />

ein Fahrtenmodell anzuwenden, das anstelle einer maximalen Parkplatzzahl<br />

eine Begrenzung der durch das Bauvorhaben erzeugten Fahrten vorsieht<br />

(Gestaltungsplan «Stadion Zürich», Beschwerde der Nachbarn). § 242 PBG.<br />

4.2.1 Gemäss § 242 PBG legt die kommunale Bau- <strong>und</strong> Zonenordnung die<br />

Zahl der Abstellplätze für Verkehrsmittel, insbesondere für Motorfahrzeuge fest,<br />

die nach den örtlichen Verhältnissen, nach dem Angebot <strong>des</strong> öffentlichen Verkehrs<br />

sowie nach Ausnützung <strong>und</strong> Nutzweise <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>stücks für Bewohner, Beschäftigte<br />

<strong>und</strong> Besucher erforderlich sind (Abs. 1). Im Normalfall soll die Zahl der Abstellplätze<br />

so festgelegt werden, dass die Fahrzeuge der Benützer einer Baute oder Anlage<br />

ausserhalb <strong>des</strong> öffentlichen Gr<strong>und</strong>es aufgestellt werden können. Besteht ein<br />

überwiegen<strong>des</strong> öffentliches Interesse, insbesondere <strong>des</strong> Verkehrs oder <strong>des</strong> Schutzes<br />

von Wohngebieten, Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzobjekten, Luft <strong>und</strong> Gewässern, kann<br />

die Zahl der erforderlichen Plätze tiefer angesetzt <strong>und</strong> die Gesamtzahl begrenzt<br />

werden (Abs. 2).<br />

§ 242 PBG dient somit zwei teilweise gegenläufigen Zielen (vgl. RB 1996 Nr. 89;<br />

Fritz Frey, Ausgewählte Fragen zur Erstellung von Abstellplätzen, in: PBG-aktuell<br />

3/1999, S. 5 ff., bes. 11): Einerseits verfolgt er einen primär verkehrspolizeilichen<br />

Zweck, nämlich die Freihaltung <strong>des</strong> Strassenraums von (ordnungswidrig) parkierten<br />

Fahrzeugen. Hierzu werden Min<strong>des</strong>tparkplatzzahlen vorgesehen. Mit einer<br />

Begrenzung der zulässigen Anzahl Parkplätze soll demgegenüber die Attraktivität<br />

für die Benutzung <strong>des</strong> Automobils verringert <strong>und</strong> – in Verbindung mit einem guten<br />

Angebot <strong>des</strong> öffentlichen Verkehrs (öV) – eine Beschränkung der Fahrten <strong>des</strong> motorisierten<br />

Individualverkehrs erreicht werden. Die Möglichkeit, die Zahl der Abstellplätze<br />

wegen überwiegender öffentlicher Interessen zu begrenzen (heute<br />

§ 242 Abs. 2 Satz 2 PBG), wurde mit Gesetzesrevision vom 21. Juni 1987 ins PBG<br />

123


60<br />

eingefügt (damals § 243 Abs. 2 PBG; vgl. dazu die Weisung <strong>des</strong> Regierungsrats<br />

vom 26. März 1986, ABl 1986, 673 ff.). Anlässlich der PBG-Revision vom 1. September<br />

1991 wurde in erster Linie eine formelle Neugliederung vorgenommen.<br />

Materiell neu war in § 242 Abs. 1 PBG der Hinweis auf das Angebot <strong>des</strong> öffentlichen<br />

Verkehrs als massgeblichen Mitberechnungsfaktor, dies neben den örtlichen<br />

Verhältnissen <strong>und</strong> der Ausnützung sowie der Nutzweise <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>stücks. In § 242<br />

Abs. 2 Satz 2 PBG wurde ferner neu die Möglichkeit der Begrenzung der<br />

Gesamtzahl der Abstellplätze eingeführt, sofern die dort genannten Voraussetzungen<br />

gegeben sind (vgl. Prot. KR [1987-1991], S. 13428 f.).<br />

4.2.2 § 242 PBG verpflichtet wie erwähnt die Gemeinden dazu, die Zahl der<br />

Abstellplätze in der Bau- <strong>und</strong> Zonenordnung festzusetzen. Hierzu werden nach der<br />

Praxis schon seit längerem auch separate Parkplatzverordnungen <strong>und</strong> -reglemente<br />

gezählt (vgl. Frey, S. 11). Die Stadt Zürich hat gestützt auf § 242 PBG am 11. Dezember<br />

1996 eine Parkplatzverordnung (PPV) erlassen, die sich klar innerhalb <strong>des</strong><br />

durch das kantonale Gesetz vorgegebenen Rahmens hält (VGr, 20. August 1999,<br />

VB.1999.00157, in RB 1999 Nr. 117 nicht abgedruckte E. 3c). Das Bestehen der<br />

PPV hindert die Stadt allerdings nicht daran, im Rahmen <strong>des</strong> Gestaltungsplans für<br />

ein bestimmtes Planungsgebiet abweichende oder ergänzende Vorschriften über die<br />

Parkierung zu erlassen. Die Regelung in einem Gestaltungsplan, der durch den<br />

Gemeinderat <strong>und</strong> an der Urne gutgeheissen wurde, stellt ein Element der Bau- <strong>und</strong><br />

Zonenordnung dar (vgl. die systematische Einordnung der §§ 83 ff. über die<br />

Gestaltungspläne unter den Titel B, Die Bau- <strong>und</strong> Zonenordnung, §§ 45 ff. PBG),<br />

mit dem angesichts der rechtshierarchischen Gleichwertigkeit der Erlassform von<br />

der PPV abgewichen werden darf.<br />

Unzutreffend erscheint insbesondere auch der Einwand, nach § 83 PBG könne<br />

mit einem Gestaltungsplan zwar von der Regelbauweise <strong>und</strong> den kantonalen Min<strong>des</strong>tabständen<br />

abgewichen werden, nicht jedoch von der Zahl der Abstellplätze<br />

nach § 242 PBG. Diese Argumentation übersieht, dass § 242 PBG keine Zahl der<br />

Abstellplätze festsetzt, sondern bloss die Gemeinden verpflichtet, dies zu tun. Gemäss<br />

§ 83 Abs. 3 PBG hat der Gestaltungsplan auch die Erschliessung sowie die<br />

gemeinschaftlichen Ausstattungen <strong>und</strong> Ausrüstungen (zu denen die Abstellplätze<br />

gehören) zu ordnen. Das PBG steht daher einer Regelung der Parkplätze in einem<br />

Gestaltungsplan, selbst wenn dieser von der kommunalen Gr<strong>und</strong>ordnung der Abstellplätze<br />

abweicht, auch in dieser Hinsicht nicht entgegen.<br />

4.3 Das Fahrtenmodell gemäss den Gestaltungsplanvorschriften beschränkt<br />

neben oder statt der Anzahl Parkplätze die Anzahl Fahrten, die einer bestimmten<br />

124


Anlage zugestanden werden. Es beruht auf der Überlegung, dass die Anzahl Fahrten<br />

für die Umweltauswirkungen einer verkehrserzeugenden Anlage wesentlich<br />

relevanter ist als die Parkplatzzahl selbst. Bei der Berechnung dieser Fahrten ist zu<br />

beachten, dass das spezifische Verkehrspotenzial (SVP) von Parkplätzen je nach<br />

der Nutzung, für welche sie zur Verfügung stehen, sehr unterschiedlich ist. So geht<br />

man bei der Wohnnutzung von einem SVP von 2.5 aus, während das SVP bei<br />

Einkaufszentren mit 18 angegeben wird (vgl. Tiefbauamt der Stadt Zürich,<br />

Verkehrs- <strong>und</strong> Parkierungskonzept Zürich West, Dezember 1999, S. 14 f., S. 15;<br />

Thomas Spoerri, Fahrtenmodell – Stapellauf ins Ungewisse, in: PBG-aktuell<br />

4/2003, S. 6 ff., 9).<br />

Einen gedanklichen Schritt weiter geht das Fahrleistungsmodell, wie es seit<br />

kurzem im Kanton Bern praktiziert wird. Dabei wird eine zulässige Anzahl Fahrten<br />

ausgehend von der Menge noch zu tolerierender Luftschadstoffemissionen ermittelt<br />

<strong>und</strong> mittels raumplanerischer Massnahmen auf kantonale Entwicklungsschwerpunkte<br />

verteilt (siehe Rudolf Muggli, Publikumsintensive Einrichtungen – Verbesserte<br />

Koordination zwischen Luftreinhaltung <strong>und</strong> Raumplanung, Schriftenreihe<br />

Umwelt Nr. 346, hrsg. vom B<strong>und</strong>esamt für Umwelt, Wald <strong>und</strong> Landschaft, Bern<br />

2002, S. 62 ff.; vgl. auch Karl Ludwig Fahrländer, Planerische Abstimmung von<br />

Grossprojekten, zwei Fallbeispiele, in: URP 2001, S. 336, 347 ff., sowie den<br />

Entscheid der Bau- <strong>und</strong> Verkehrsdirektion <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> Bern betreffend das<br />

Zentrum Bern-WESTSide vom 15. April 2004, www.ra.bve.be.ch/Beschwerdeverfahren/Archiv<br />

aktueller Entscheide).<br />

4.4 Vorliegend ist zu entscheiden, ob es zulässig ist, in einem privaten Gestaltungsplan<br />

im Hinblick auf die Mehrfachnutzung von Parkplätzen ein Fahrtenmodell<br />

vorzusehen. Diese Frage ist nicht identisch mit der hier nicht zu behandelnden<br />

Frage, ob einer Bauherrschaft ein Fahrtenmodell in Umsetzung der<br />

Parkierungsvorschriften gegen deren Willen vorgeschrieben werden könnte.<br />

Das Planungs- <strong>und</strong> Baugesetz enthält keine Vorschriften über das Fahrtenmodell,<br />

ebenso wenig übrigens wie die Parkplatzverordnung. § 242 PBG räumt den<br />

Gemeinden bei der Umsetzung eine gewisse Autonomie ein. Diese ergibt sich aus<br />

der inhaltlichen Unbestimmtheit der Kriterien, die in § 242 PBG aufgeführt werden.<br />

Eingeschränkt wird die kommunale Autonomie in diesem Bereich allerdings<br />

durch das B<strong>und</strong>esumweltschutzrecht, welches unter anderem die Begrenzung der<br />

Emissionen von Anlagen verlangt, die Luftverschmutzung <strong>und</strong> Lärm verursachen.<br />

Nach dem so weit klaren Wortlaut von § 242 PBG sind die Abstellplätze zahlenmässig<br />

festzulegen. Sachlich geboten erscheint dies namentlich im Hinblick auf die<br />

60<br />

125


60, 61<br />

Funktion, eine Min<strong>des</strong>tmenge an Abstellplätzen vorzusehen. Hingegen kann –<br />

jedenfalls bei einer projektbezogenen Planung wie der vorliegenden – an die Stelle<br />

einer Begrenzung der Parkplätze nach oben auch eine Begrenzung der durch das<br />

Vorhaben erzeugten Fahrten treten. Die mit der Parkplatzbegrenzung angestrebten<br />

Ziele werden auf diese Weise ebenso gut, wenn nicht besser, erreicht als beim konventionellen<br />

Vorgehen. Den Gemeinden steht es daher im Rahmen ihrer Autonomie<br />

zu, in ihren auf § 242 PBG gestützten Vorschriften auch ein Fahrtenmodell zuzulassen.<br />

VB.2004.00234 3. Kammer, 5. Juli<br />

BEZ 2004 Nr. 46<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine <strong>Verwaltungsgericht</strong>sbeschwerde gegen diesen Entscheid am 3. Dezember<br />

2004 teilweise gutgeheissen. Die wiedergegebenen Erwägungen über die gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Zulässigkeit eines Fahrtenmodells sind von der teilweisen Gutheissung nicht betroffen<br />

(BGr, 3. Dezember 2004, 1A.189/2004, www.bger.ch).<br />

126<br />

II. Quartierpläne<br />

61. Quartierplangenossen, die über voll erschlossenes Land verfügen oder keinerlei<br />

Nutzen aus dem Quartierplan ziehen, dürfen mit Quartierplanmassnahmen<br />

nur belastet werden, wenn sie nach enteignungsrechtlichen<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen entschädigt werden. Art. 26 BV.<br />

VB.2003.00408 3. Kammer, 10. Juni


III. Naturschutz- <strong>und</strong><br />

Denkmalschutzmassnahmen<br />

62, 63<br />

62. Die amtliche Publikation von Unterschutzstellungsverfügungen <strong>und</strong> von<br />

Inventarentlassungen mit definitivem Verzicht auf Unterschutzstellung stellt<br />

gegenüber Dritten eine rechtsgenügende Eröffnung dar. § 10 Abs. 3 VRG.<br />

§ 211 PBG.<br />

VB.2003.00386 1. Kammer, 10. März<br />

BEZ 2004 Nr. 25<br />

63. Bei der Frist, innert welcher das Gemeinwesen nach einem Gesuch <strong>des</strong><br />

Eigentümers (Provokationsbegehren) eine Schutzmassnahme anordnen<br />

kann, handelt es sich um eine Verwirkungsfrist. § 213 Abs. 3 PBG.<br />

3.2 Nach § 213 Abs. 3 PBG trifft das zuständige Gemeinwesen den Entscheid<br />

über die Schutzwürdigkeit spätestens innert Jahresfrist, wobei es in Ausnahmefällen<br />

vor Fristablauf dem Gr<strong>und</strong>eigentümer anzeigen kann, die Behandlungsdauer<br />

erstrecke sich um höchstens ein weiteres Jahr. Liegt vor Fristablauf kein Entscheid<br />

vor, kann eine Schutzmassnahme nur bei wesentlich veränderten Verhältnissen angeordnet<br />

werden. Die Bestimmung ist auf die Gr<strong>und</strong>eigentümerinteressen ausgerichtet<br />

<strong>und</strong> zwingt die Behörde zugunsten der Eigentümerschaft zum Handeln.<br />

§ 209 PBG richtet sich demgegenüber auf den Schutz <strong>des</strong> Objekts <strong>und</strong> bewirkt<br />

zugunsten <strong>des</strong> Denkmals ein Veränderungsverbot (Dominik Bachmann, Ausgewählte<br />

Fragen zum Denkmalrecht, PBG aktuell 1/2000, S. 6).<br />

3.3 Ob eine öffentlichrechtliche Fristbestimmung den Charakter einer Verwirkungsfrist<br />

hat, muss durch eine Analyse bzw. Auslegung <strong>des</strong> massgebenden Erlasses<br />

festgestellt werden (Attilio R. Gadola, Verjährung <strong>und</strong> Verwirkung im öffentlichen<br />

Recht, AJP 1995, S. 56). In der ursprünglichen Fassung wurde § 213 Abs. 3 PBG<br />

als Ordnungsfrist ohne Verwirkungsfolge aufgefasst (RB 1989 Nr. 69). Ob die Revision<br />

<strong>des</strong> Planungs- <strong>und</strong> Baugesetzes vom 1. September 1991 aus der blossen Ordnungsfrist<br />

eine Verwirkungsfrist gemacht hat, hat das <strong>Verwaltungsgericht</strong> bisher<br />

jedoch noch nicht entschieden. Hingegen ist die Baurekurskommission in einem<br />

Entscheid vom 13. November 1998 gestützt auf eine historische Auslegung zum<br />

Schluss gekommen, dass es sich bei § 213 Abs. 3 PBG in der revidierten Fassung<br />

127


63<br />

um eine Verwirkungsfrist handle (BRK I, 13. November 1998, BEZ 1999 Nr. 5).<br />

Tatsächlich sprechen die Materialien für diese Ansicht. In der Sitzung vom 20. Dezember<br />

1990 beschloss die vorberatende Kommission den Gr<strong>und</strong>satz, eine<br />

Verwirkung vorzusehen (Prot. S. 594). Tags darauf stimmte sie der heute geltenden<br />

Formulierung von § 213 Abs. 3 Satz 1 PBG zu. Darauf bemerkte ein Kommissionsmitglied,<br />

es fehle nun aber eine Verwirkungsfrist. Wenn schon, so müsse die<br />

Schutzwürdigkeit nach zwei Jahren verwirkt <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>eigentümer wieder frei<br />

sein. Darauf wurde eine Diskussion betreffend die Verwirkung geführt. Der Vorsitzende<br />

meinte, die Frage der Schutzwürdigkeit müsse nach Ablauf der Frist nur<br />

bei veränderten Verhältnissen wieder aufgenommen werden können, worauf einstimmig<br />

der heute geltende Satz 2 von Abs. 3 der Bestimmung beschlossen wurde.<br />

Die ganze Diskussion war von dem Anliegen geprägt, bei der Revision dieser<br />

Bestimmung die Rechtssicherheit zugunsten der Eigentümerschaft zu erhöhen.<br />

Dies bringt auch die systematische Einordnung zum Ausdruck, steht § 213 PBG<br />

doch unter dem Randtitel «G. Ansprüche <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>eigentümers». Der Wortlaut<br />

von Abs. 3, wonach bei wesentlich veränderten Verhältnissen auch später noch eine<br />

Schutzmassnahme angeordnet werden kann, verdeutlicht nur einen allgemeinen<br />

Rechtsgr<strong>und</strong>satz <strong>und</strong> besagt entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin<br />

keineswegs, dass es sich nicht um eine eigentliche Verwirkungsfrist handle. Eine<br />

Unterbrechung dieser Verwirkungsfrist – etwa wegen laufender Vertragsverhandlungen<br />

– ist nicht möglich, <strong>und</strong> zwar schon aus praktischen Gründen, bliebe doch<br />

völlig unklar, wann die unterbrochene Frist wieder zu laufen beginnen würde. Die<br />

Zweijahresfrist ist demnach während <strong>des</strong> Rekursverfahrens mit Verwirkungsfolge<br />

abgelaufen <strong>und</strong> die angefochtene Schutzmassnahme somit dahingefallen.<br />

3.4 Eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse im Sinn von § 213 Abs. 3<br />

Satz 2 PBG liegt nicht vor. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin<br />

kann in der Tatsache, dass während <strong>des</strong> Laufs der verlängerten Jahresfrist ein<br />

Eigentümerwechsel stattgef<strong>und</strong>en hat, keinesfalls eine wesentliche Veränderung<br />

der Verhältnisse erblickt werden, selbst wenn ein Vertragsabschluss unmittelbar<br />

bevorstand. Eine wesentliche Veränderung im Sinn von § 213 Abs. 3 PBG liegt nur<br />

vor, wenn sich die Verhältnisse in Bezug auf das Schutzobjekt selbst verändert<br />

haben, etwa indem neue schützenswerte Bauteile erst nach Fristablauf entdeckt<br />

werden.<br />

128<br />

VB.2003.00046 1. Kammer, 18. August<br />

BEZ 2004 Nr. 65


IV. Bewilligungen<br />

64. Es verletzt den Gr<strong>und</strong>satz von Treu <strong>und</strong> Glauben gemäss Art. 5 Abs. 3 BV,<br />

wenn die Bauherrschaft im Rahmen <strong>des</strong> Bewilligungsverfahrens einer<br />

Kompromisslösung zugestimmt hat <strong>und</strong> hernach geltend macht, die<br />

Durchsetzung dieser in der Folge bewilligten Lösung sei unverhältnismässig.<br />

Im Interesse <strong>des</strong> Vertrauensschutzes <strong>und</strong> der Rechtssicherheit ist in<br />

einem solchen Fall die Herbeiführung <strong>des</strong> bewilligten Zustands auch dann<br />

gerechtfertigt, wenn die Abweichung von der vereinbarten <strong>und</strong> bewilligten<br />

Lösung nur geringfügig ist. Art. 5 Abs. 3 BV.<br />

3.2 Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass sich mit der Verschiebung der<br />

Dachfenster um eine Ziegelreihe nur eine geringfügige gestalterische Verbesserung<br />

erzielen lässt, welche für sich allein den von der Bauherrschaft auf gegen<br />

Fr. 10 000.– bezifferten Aufwand für die Verschiebung nicht zu rechtfertigen vermöchte.<br />

Die Vorinstanz hat jedoch die weiteren Umstände, welche bei der Überprüfung<br />

der Verhältnismässigkeit einer Wiederherstellung ebenfalls in Rechnung zu<br />

stellen sind, nur unzureichend gewürdigt. Der Bauherrschaft mag zwar nicht klar<br />

gewesen sein, dass sie die nachträgliche Baubewilligung nicht erhalten würde, doch<br />

musste ihr beim Einbau der Fenster zumin<strong>des</strong>t bewusst gewesen sein, dass mit der<br />

nachträglichen Bewilligung nicht ohne weiteres gerechnet werden konnte. So lässt<br />

sich bereits den Erwägungen zur Baubewilligung vom 3. Februar 1998 entnehmen,<br />

dass im Interesse eines ruhigen Dachbil<strong>des</strong> Belichtungsflächen im Dach nur mit<br />

grösster Zurückhaltung bewilligt <strong>und</strong> Glasziegelflächen dem Einbau von Dachfenstern<br />

vorgezogen wurden.<br />

Entscheidend ist jedoch, dass die Baubehörde der Bauherrschaft bereits mit<br />

der nachträglichen Bewilligung von Dachflächenfenstern anstelle der ursprünglich<br />

vorgesehenen Glasziegelfelder entgegengekommen ist <strong>und</strong> dieser Lösung offenk<strong>und</strong>ig<br />

nur <strong>des</strong>halb zugestimmt hat, weil so eine einvernehmliche Lösung möglich<br />

schien. Wie sich der Baubewilligung vom 11. November 2003 entnehmen lässt,<br />

wurden beim Augenschein vom 31. Oktober 2003 unter Berücksichtigung der damit<br />

verb<strong>und</strong>enen Kosten verschiedene Möglichkeiten geprüft <strong>und</strong> schliesslich diejenige<br />

bewilligt, der die Bauherrschaft nach einer Bedenkfrist zugestimmt hatte.<br />

Dieser Umstand muss bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit der heute noch<br />

streitigen Verschiebung der Dachflächenfenster mitberücksichtig werden. Der<br />

Gr<strong>und</strong>satz von Treu <strong>und</strong> Glauben gemäss Art. 5 Abs. 3 BV, der von der früheren<br />

Rechtsprechung aus Art. 4 Abs. 1 aBV hergeleitet wurde (RB 1981 Nr. 147, mit<br />

64<br />

129


64, 65<br />

Hinweisen), gilt nicht nur für die Behörden, sondern auch für das Verhalten der<br />

Privaten untereinander <strong>und</strong> gegenüber dem Gemeinwesen (Rhinow, Rz. 2397); er<br />

gebietet ein loyales <strong>und</strong> vertrauenswürdiges Verhalten im Rechtsverkehr (Yvo<br />

Hangartner in: St. Galler Kommentar zur Schweizerischen B<strong>und</strong>esverfassung,<br />

Art. 5 BV Rz. 39). Es verletzt diesen Gr<strong>und</strong>satz, wenn die Bauherrschaft im<br />

Rahmen <strong>des</strong> Bewilligungsverfahrens einer Kompromisslösung zugestimmt hat <strong>und</strong><br />

hernach geltend macht, die Durchsetzung dieser in der Folge bewilligten Lösung<br />

sei unverhältnismässig. Im Interesse <strong>des</strong> Vertrauensschutzes <strong>und</strong> der Rechtssicherheit<br />

ist in einem solchen Fall die Herbeiführung <strong>des</strong> bewilligten Zustands auch dann<br />

gerechtfertigt, wenn die Abweichung von der vereinbarten <strong>und</strong> bewilligten Lösung<br />

nur geringfügig ist.<br />

130<br />

VB.2004.00356 1. Kammer, 8. Dezember<br />

VB.2004.00375 BEZ 2005 Nr. 3<br />

65. Der Begriff der gewerblichen Baute im Sinn von Art. 37a RPG ist restriktiv<br />

auszulegen. Nicht jede irgendwie geartete teilweise gewerbliche Nutzung einer<br />

Baute macht diese zu einer gewerblichen Baute. Vielmehr ist zu verlangen,<br />

dass die gewerbliche Baute entweder einen eigenständigen Betrieb beherbergt<br />

oder aber dass in der Baute zumin<strong>des</strong>t ein wesentlicher Betriebsteil<br />

eines bestehenden Betriebs angesiedelt ist. Art. 37a RPG. Art. 43 RPV.<br />

4.1 Gegen eine Bewilligung nach Art. 37a RPG führte die Baudirektion an,<br />

diese Bestimmung erlaube nach ihrer Zielsetzung nur eine Umnutzung von Gewerbe<br />

zu Gewerbe <strong>und</strong> nicht eine solche von Gewerbe zu Wohnen. Der Regierungsrat<br />

nahm diese Argumentation in seinem Rekursentscheid nicht auf, sondern erachtete<br />

Art. 37a RPG <strong>des</strong>wegen für nicht anwendbar, weil die Liegenschaft gar nicht mehr<br />

gewerblich genutzt sei. Die Beschwerdeführerin könne sich auf keine durchgehend<br />

rechtmässige gewerbliche Nutzung berufen. Der heutigen Nutzung als Archiv für<br />

das Architekturbüro komme keine Bedeutung zu, da die Identität der Nutzungsänderung<br />

vom Magazin <strong>des</strong> Baugeschäfts zum rechtswidrigen Architekturbüro<br />

bzw. vom Architekturbüro zum Archiv nicht gegeben sei. Demgegenüber macht die<br />

Beschwerdeführerin geltend, Gewerbebauten dürften nach Art. 37a RPG durchaus<br />

auch zu Wohnzwecken umgebaut werden. Die heute bestehende gewerbliche Nutzung<br />

sei massgebend. Der Auszug <strong>des</strong> Architekturbüros sei von den Behörden unter<br />

vollständig anderen rechtlichen Voraussetzungen, als sie heute bestünden, erzwungen<br />

worden. Die Identität der bisherigen gewerblichen Nutzungen sei nach dem<br />

neueren günstigeren Recht zu beurteilen.


4.2 Gemäss Art. 37a RPG regelt der B<strong>und</strong>esrat, unter welchen Voraussetzungen<br />

Zweckänderungen gewerblich genutzter Bauten <strong>und</strong> Anlagen zulässig sind, die<br />

vor dem 1. Januar 1980 erstellt wurden oder seither als Folge von Änderungen der<br />

Nutzungspläne zonenwidrig geworden sind. Nach Art. 43 Abs. 1 RPV sind solche<br />

Zweckänderungen <strong>und</strong> Erweiterungen unter verschiedenen kumulativ zu erfüllenden<br />

Voraussetzungen (lit. a–f) zulässig. Dazu gehört insbesondere, dass die Baute<br />

oder Anlage rechtmässig erstellt oder geändert worden ist (lit. a). Sodann darf die<br />

zonenwidrig genutzte Fläche um maximal 30 Prozent erweitert werden, wobei<br />

Erweiterungen innerhalb <strong>des</strong> bestehenden Gebäudevolumens nur zur Hälfte angerechnet<br />

werden (Abs. 2). Eine Erweiterung um mehr als 100 m 2 ausserhalb <strong>des</strong> bestehenden<br />

Gebäudevolumens ist nur zulässig, wenn dies für die Fortführung <strong>des</strong><br />

Betriebs erforderlich ist (Abs. 3).<br />

Mit Art. 37a RPG verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, den sich ausserhalb der<br />

Bauzonen befindlichen Gewerbebetrieben jene Umstrukturierungen <strong>und</strong> Strukturbereinigungen<br />

zu ermöglichen, die zwecks Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit erforderlich<br />

sind (B<strong>und</strong>esamt für Raumentwicklung, Neues <strong>Raumplanungs</strong>recht,<br />

Erläuterungen zur <strong>Raumplanungs</strong>verordnung <strong>und</strong> Empfehlungen für den Vollzug,<br />

Bern 2000, S. 47 ff.). Hierfür dehnt die Sondernorm von Art. 43 RPV die Grenzen<br />

der Bestan<strong>des</strong>garantie für Gewerbebauten gegenüber der Gr<strong>und</strong>norm von Art. 24c<br />

RPG etwas aus, lässt insbesondere auch vollständige Zweckänderungen zu <strong>und</strong><br />

zieht für Erweiterungen weniger restriktive quantitative Grenzen (vgl. Peter Karlen,<br />

Die Ausnahmebewilligung nach Art. 24–24d RPG, in: ZBl 102/2001, S. 291, 302<br />

mit Hinweisen).<br />

4.3 Der fragliche Hausteil ist vor dem 1. Januar 1980 rechtmässig erstellt <strong>und</strong><br />

gewerblich genutzt worden. Seit er nicht mehr für die Landwirtschaft genutzt<br />

wurde, diente er stets in irgendeiner Weise gewerblichen Zwecken. Dabei wurde jedoch<br />

die ursprüngliche Lagernutzung <strong>des</strong> Baugeschäfts 1976 aufgegeben zu Gunsten<br />

einer nach dem seinerzeitig anwendbaren Recht nicht bewilligungsfähigen<br />

Zwischennutzung als Architekturbüro. Eine gewerbliche Nutzung besteht heute insoweit<br />

fort, als der Hausteil teilweise dem umgesiedelten Architekturbüro als Archiv<br />

dient.<br />

Unter diesen Umständen ist in der Tat äusserst fraglich, ob eine rechtmässig<br />

erstellte oder geänderte gewerbliche Baute im Sinn von Art. 37a RPG in Verbindung<br />

mit Art. 43 Abs. 1 lit. a RPV vorliegt. Zu Recht ist der Regierungsrat im angefochtenen<br />

Entscheid <strong>und</strong> das B<strong>und</strong>esamt für Raumentwicklung in seiner Stellungnahme<br />

davon ausgegangen, dass die Zwischennutzung als Architekturbüro nach<br />

65<br />

131


65<br />

dem damaligen Recht unrechtmässig war <strong>und</strong> als Nutzungsänderung daher keine<br />

Berücksichtigung finden darf. Anknüpfungspunkt einer rechtmässigen gewerblichen<br />

Nutzung könnte daher von vornherein nur entweder die Lagernutzung <strong>des</strong><br />

Baugeschäfts oder die heute bestehende Archivnutzung <strong>des</strong> Architekturbüros sein.<br />

Beide Nutzungen weisen jedoch keinen hinreichenden Bezug zu einem Gewerbebetrieb<br />

auf, den der Gesetzgeber mit der Schaffung von Art. 37a RPG privilegieren<br />

wollte. Das Baugeschäft gab die Gebäudenutzung bereits 1976 auf <strong>und</strong> ist demnach<br />

nicht auf Umstrukturierungen oder Strukturbereinigungen mittels Umnutzung der<br />

Ökonomiebaute angewiesen. Die Archivnutzung <strong>des</strong> Architekturbüros wurde als<br />

solche nie einem Bewilligungsverfahren unterzogen <strong>und</strong> blieb letztlich nur als<br />

Restnutzung der aufgegebenen widerrechtlichen Büronutzung bestehen. Bereits<br />

aus diesem Gr<strong>und</strong> ist hier fraglich, ob von einer rechtmässigen Nutzungsänderung<br />

im Sinn von Art. 43 Abs. 1 lit. a RPV ausgegangen werden kann. Diese Frage könnte<br />

zwar insofern noch bejaht werden, als jedenfalls einem direkten Wechsel vom<br />

Baugeschäftslager zum Büroarchiv nach damaligem <strong>und</strong> heutigem Recht nichts<br />

entgegengestanden hätte. Jedoch ist diesbezüglich festzustellen, dass auch das in<br />

der Bauzone betriebene Architekturbüro kein Betrieb ist, der für die Erhaltung seiner<br />

Konkurrenzfähigkeit auf erweiterte Umnutzungsmöglichkeiten seines ausserhalb<br />

der Bauzone gelegenen Archivs angewiesen ist. Angesichts der stark fokussierten<br />

Zielsetzung von Art. 37a RPG auf bestehende Gewerbebetriebe ausserhalb<br />

der Bauzonen <strong>und</strong> der in Art. 43 RPV erfolgten Lockerung gegenüber den Anforderungen<br />

nach Art. 24c RPG in Verbindung mit Art. 42 RPV rechtfertigt es sich in<br />

jedem Fall, den Begriff der gewerblichen Baute im Sinn von Art. 37a RPG restriktiv<br />

auszulegen. Nicht jede irgendwie geartete teilweise gewerbliche Nutzung einer<br />

Baute macht diese zu einer gewerblichen Baute im Sinn von Art. 37a RPG. Vielmehr<br />

ist zu verlangen, dass die gewerbliche Baute entweder einen eigenständigen<br />

Betrieb beherbergt oder aber dass in der Baute zumin<strong>des</strong>t ein wesentlicher Betriebsteil<br />

eines bestehenden Betriebs angesiedelt ist. Eine lediglich teilweise <strong>und</strong><br />

bezogen auf den Gesamtbetrieb eines Architekturbüros nur untergeordnete Archivnutzung<br />

wie im vorliegenden Fall macht den bestehenden Hausteil daher nicht zu<br />

einer gewerblichen Baute mit erhöhtem Bestan<strong>des</strong>schutz. Insofern kommt der<br />

bestehenden zonenwidrigen Nutzung einer Baute durchaus ein unterschiedliches<br />

Gewicht zu je nachdem, ob sie als Begründung der bestimmungsgemässen Nutzbarkeit<br />

der Baute im Sinn von Art. 24c RPG oder aber zur Begründung einer<br />

gewerblichen Baute im Sinn von Art. 37a RPG herangezogen wird.<br />

Zum gleichen Schluss gelangte auch das B<strong>und</strong>esamt für Raumentwicklung in<br />

seiner Stellungnahme, wenn es ausführt, das Gebäude sei nicht als Gewerbebau<br />

konzipiert, es liege ein atypischer Fall vor <strong>und</strong> der Archivraum <strong>des</strong> Architekturbüros<br />

mache die Baute nicht zur Gewerbebaute. Was die Beschwerdeführerin dage-<br />

132


65, 66<br />

gen vorbringt, sticht nicht. Insbesondere lässt sich aus der allgemeinen Zielsetzung<br />

der RPG-Revision nichts Massgebliches zum Anwendungsbereich von Art. 37a<br />

RPG ableiten. Soweit der Gesetzgeber generell die Umnutzung bestehender Bausubstanz<br />

ausserhalb der Bauzonen erleichtern wollte, ist dieses Anliegen in erster<br />

Linie in die neuen Bestimmungen von Art. 24a–24d RPG eingeflossen. Auch der<br />

Umstand, dass der Wortlaut von Art. 37a RPG <strong>und</strong> Art. 43 RPV eine Umnutzung<br />

von Gewerbe zu Wohnen nicht generell ausschliesst <strong>und</strong> auch die Materialien zu<br />

dieser Frage keine klaren Hinweise ergeben, spricht weniger gegen als für einen<br />

beschränkten Anwendungsbereich von Art. 37a RPG. Die Beschwerde ist daher in<br />

ihrem Hauptantrag abzuweisen.<br />

VB.2003.00416 3. Kammer, 8. Juli<br />

BEZ 2004 Nr. 61<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine <strong>Verwaltungsgericht</strong>sbeschwerde gegen diesen Entscheid am<br />

12. Mai 2005 abgewiesen (BGr, 12. Mai 2005, 1A.186/2004, www.bger.ch).<br />

66. Die Rechtsprechung zu Art. 24c Abs. 2 RPG, dass die Möglichkeit der teilweisen<br />

Änderung nur einmal ausgeschöpft werden darf, lässt sich nicht uneingeschränkt<br />

auf zonenfremde Gewerbebauten gemäss Art. 37a RPG übertragen.<br />

Art. 43 Abs. 1 RPV sieht Erweiterung <strong>und</strong> Zweckänderung als selbständige<br />

<strong>und</strong> nebeneinander zu verwirklichende Massnahmen vor. Daraus<br />

ergibt sich, dass die Ausschöpfung einer bereits früher erfolgten Erweiterung<br />

der beabsichtigten Umnutzung nicht entgegensteht. Art. 37a RPG.<br />

Art. 43 RPV.<br />

3.3 Nach der Rechtsprechung zu Art. 24 Abs. 2 aRPG (Fassung vom 22. Juni<br />

1979) <strong>und</strong> zu Art. 24c Abs. 2 RPG darf die Möglichkeit der teilweisen Änderung<br />

nur einmal ausgeschöpft werden. Demnach sind für die Beurteilung der Frage, ob<br />

die Identität der Baute im Wesentlichen gewahrt sei, alle seit Inkrafttreten der Erlass-<br />

oder Planänderung vollzogenen Änderungen zu berücksichtigen (BGE 127 II<br />

215 E. 3a <strong>und</strong> b, mit Hinweisen).<br />

Es ist fraglich, ob <strong>und</strong> inwieweit sich diese Rechtsprechung auf die Umnutzung<br />

zonenfremder Gewerbebauten gemäss Art. 37a RPG übertragen lässt. Dabei<br />

ist zu beachten, dass die Identität der Baute gemäss Art. 42 Abs. 3 RPV nur im<br />

Anwendungsbereich von Art. 24c RPG im Wesentlichen gewahrt werden muss,<br />

während Art. 43 RPV eine solche Einschränkung bei Bewilligungen nach Art. 37a<br />

133


66<br />

RPG gerade nicht kennt. Diese Bestimmungen eröffnen für gewerbliche Bauten<br />

wesentlich weiter gehenden Änderungsmöglichkeiten <strong>und</strong> lassen insbesondere<br />

auch die vollständige Zweckänderung zu (B<strong>und</strong>esamt für Raumentwicklung, Neues<br />

<strong>Raumplanungs</strong>recht, Erläuterungen zur <strong>Raumplanungs</strong>verordnung <strong>und</strong> Empfehlungen<br />

für den Vollzug, Bern 2000, S. 47), was nach der Rechtsprechung zu Art. 24<br />

Abs. 2 aRPG gerade zum Verlust der Identität der Baute führt (vgl. BGE 113 Ib 303).<br />

Art. 43 RPV unterwirft denn auch in seinen Abs. 2 <strong>und</strong> 3 nur gerade die Erweiterung<br />

einer flächenmässigen Beschränkung. Die Rechtsprechung basiert letztlich<br />

auf der Überlegung, dass ein Baugesuchsteller weder davon profitieren soll, dass er<br />

eine Änderung oder Erweiterung in mehreren Schritten ausführt, noch bei einer<br />

schrittweisen Änderung oder Erweiterung schlechter gestellt sein soll, als wenn er<br />

diese in einer einmaligen Baumassnahme realisiert hätte. Insofern sind alle bereits<br />

vollzogenen <strong>und</strong> geplanten baulichen Massnahmen stets gesamthaft zu betrachten<br />

<strong>und</strong> in Vergleich zum ursprünglichen Referenzzustand zu würdigen. Nicht anders<br />

ist auch bei der Anwendung von Art. 37a RPG in Verbindung mit Art. 43 RPV vorzugehen.<br />

Dies führt jedoch noch nicht zum Schluss, dass eine einmal realisierte<br />

Erweiterung jede spätere Umnutzung verunmöglicht, sondern hat nur zur Folge,<br />

dass die geplante Umnutzung so zu beurteilen ist, wie wenn sie gleichzeitig mit der<br />

bereits realisierten Erweiterung erfolgen würde.<br />

Art. 43 Abs. 1 RPV sieht Erweiterung <strong>und</strong> Zweckänderung als selbständige<br />

<strong>und</strong> nebeneinander zu verwirklichende Massnahmen vor. Weder der Wortlaut der<br />

Bestimmung noch deren Sinn <strong>und</strong> Zweck oder die Materialien dazu legen die<br />

Annahme nahe, dass die beiden Änderungsarten sich gegenseitig ausschliessen <strong>und</strong><br />

ein Baugesuchsteller nur die eine oder andere vollziehen kann. Daraus ergibt sich<br />

im vorliegenden Fall, dass die Ausschöpfung einer bereits früher erfolgten Erweiterung<br />

der beabsichtigten Umnutzung nicht entgegensteht.<br />

Vorliegend liegt eine reine Zweckänderung ohne Erweiterung der bestehenden<br />

Betriebsfläche im Streit. Soweit die Baudirektion im angefochtenen Entscheid<br />

von einer Wohnraumerweiterung – dies allerdings im Zusammenhang mit der Anwendung<br />

von Art. 24c RPG – spricht, kann dem nicht gefolgt werden. Betriebsleiterwohnung,<br />

Personal- <strong>und</strong> Gästezimmer im Obergeschoss sind betriebszugehörig<br />

<strong>und</strong> haben daher als gewerblich genutzte Flächen zu gelten. Das hat bereits der<br />

Regierungsrat im angefochtenen Entscheid richtig gestellt. Der vorgesehenen<br />

Zweckänderung kann daher die bereits 1983 erfolgte Erweiterung nicht entgegengehalten<br />

werden. Die Umnutzung <strong>des</strong> Restaurants zu Büroräumen ist demnach<br />

zulässig, falls die weiteren Voraussetzungen von Art. 43 RPV erfüllt sind. Ob dies<br />

hier der Fall ist, haben die beiden Vorinstanzen noch nicht geprüft.<br />

134


66, 67<br />

3.4 Fraglich ist jedoch, ob Art. 37a RPG in Verbindung mit Art. 43 RPV auch<br />

eine Zweckänderung zur Wohnnutzung zulässt. Der Rekursentscheid äussert sich<br />

nicht zu dieser Frage. Die Baudirektion hat die Frage in der angefochtenen<br />

Verfügung unter Hinweis auf die Zielsetzung der Gesetzesrevision verneint.<br />

Im Wortlaut der beiden Bestimmungen findet sich kein Anhaltspunkt dafür,<br />

dass Art. 37a RPG bzw. Art. 43 RPV von vornherein nur Umnutzungen von Gewerbe<br />

zu Gewerbe zulassen würde. Obwohl das Hauptmotiv für Art. 37a RPG darin bestand,<br />

gewerbliche Umstrukturierungen zu erleichtern, beschränkt sich die b<strong>und</strong>esrätliche<br />

Ausführungsnorm dazu keineswegs auf solche <strong>und</strong> verlangt einzig bei<br />

Überschreiten <strong>des</strong> absoluten Masses der externen Erweiterungen gemäss Art 43<br />

Abs. 3 RPV die Fortführung <strong>des</strong> Betriebs. Entgegen der Auffassung der Baudirektion<br />

kann Art. 37a RPG gerade nicht als Spezialfall der teilweisen Änderung verstanden<br />

werden, da dieser Sondertatbestand den Rahmen der Bestan<strong>des</strong>garantie explizit<br />

weiter zieht als der Gr<strong>und</strong>tatbestand von Art. 24c Abs. 2 RPG <strong>und</strong> auch vollständige<br />

Zweckänderungen zulässt. Soweit in den Erläuterungen <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esamts<br />

für Raumentwicklung (S. 47) auf das Motto «Gewerbe bleibt Gewerbe» hingewiesen<br />

wird, steht dies nicht im Zusammenhang mit der vorliegend interessierenden<br />

Frage. Das Motto wurde vielmehr in dem Sinne relativiert, als nicht jede<br />

Umwandlung in eine andere gewerbliche Nutzung ohne Berücksichtigung der<br />

Auswirkungen auf Raum <strong>und</strong> Umwelt bewilligt werden müsse. Auch aus den Materialien<br />

ergeben sich keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber unter Art. 37a<br />

RPG eine Zweckänderung in Richtung Wohnnutzung ausschliessen wollte. Angesichts<br />

<strong>des</strong> Umstands, dass die Wohnnutzung in der Regel weniger Auswirkungen<br />

auf Raum <strong>und</strong> Umwelt hat als eine gewerbliche Nutzung, muss daher angenommen<br />

werden, dass der neue Art. 37a RPG auch Umnutzungen von Gewerbebauten zu<br />

Wohnzwecken zulässt, wenn die Schranken von Art. 43 RPV eingehalten sind (vgl.<br />

Peter Karlen, Die Ausnahmebewilligung nach Art. 24–24d RPG, in: ZBl 102/2001,<br />

S. 291, 302). Allerdings dürfte eine derartige vollständige Zweckänderung zur Folge<br />

haben, dass damit das Privileg, welches Art. 37a RPG nur für gewerbliche Bauten<br />

<strong>und</strong> Anlagen gewährt, für die umgenutzte Wohnbaute nicht mehr beansprucht<br />

werden kann (vgl. VGr, 8. Juli 2004, VB.2003.00416 E. 4.3 = RB 2004 Nr. 65).<br />

VB.2004.00314 3. Kammer, 11. November<br />

BEZ 2005 Nr. 1<br />

67. Die Verlegung eines öffentlichen Fusswegs, welche die Wegstrecke um über<br />

60 m verlängert, ist nicht mehr von untergeordneter Bedeutung. Die Weg-<br />

135


67<br />

136<br />

verlegung liegt daher nicht mehr im Anordnungsspielraum der kommunalen<br />

Baubehörde <strong>und</strong> kann nicht im Rahmen <strong>des</strong> Baubewilligungsverfahrens<br />

genehmigt werden. § 16 PBG.<br />

4.3.1 Die im Verkehrsplan vorgesehene Fusswegverbindung besteht bereits,<br />

womit deren Lage örtlich genau bestimmt <strong>und</strong> der Plan somit verwirklicht ist.<br />

Damit ist jedoch der Anordnungsspielraum, der trotz grösserem Detaillierungsgrad<br />

selbst bei einem Verkehrsplan besteht, nicht bleibend ausgeschöpft. Ergibt sich ein<br />

Änderungsbedarf, so ist im Rahmen <strong>des</strong> Anordnungsspielraums der zuständigen<br />

kommunalen Bewilligungsbehörde auch eine Verlegung <strong>des</strong> Fusswegs zulässig. Im<br />

vorliegenden Fall wurde die Abweichung vom kommunalen Verkehrsplan als Folge<br />

einer konkreten Gr<strong>und</strong>stücksnutzung im Baubewilligungsverfahren genehmigt. Es<br />

stellt sich somit die Frage, ob sich die vorgesehene Wegverschiebung noch im<br />

Rahmen <strong>des</strong> Anordnungsspielraums der Baubehörde bewegt <strong>und</strong> folglich richtplankonform<br />

ist.<br />

4.3.2 Die Planungen unterer Stufen haben derjenigen der obern Stufe, die<br />

Nutzungsplanungen jeder Art <strong>und</strong> Stufe der Richtplanung zu entsprechen (§ 16<br />

Abs. 1 PBG). Abweichungen sind nur zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt <strong>und</strong><br />

untergeordneter Natur sind (§ 16 Abs. 2 PBG).<br />

Im Verhältnis zwischen Richtplanung <strong>und</strong> Nutzungsplanung lässt die b<strong>und</strong>esgerichtliche<br />

Rechtsprechung Abweichungen vom Richtplan zu, wenn diese sachlich<br />

gerechtfertigt <strong>und</strong> von untergeordneter Bedeutung sind <strong>und</strong> es nach den Umständen<br />

als unzumutbar erscheint, vorher den Richtplan im förmlichen Verfahren zu ändern<br />

(Haller/Karlen, Rz. 225, unter Hinweis auf BGE 119 Ia 362, [Retschwil]). Was im<br />

Verhältnis zwischen Richt- <strong>und</strong> Nutzungsplanung gilt, muss in analoger Weise auch<br />

hier, wo der kommunale Richtplan (Verkehrsplan) nicht mittels Nutzungsplanung,<br />

sondern unmittelbar mit der Baubewilligung umgesetzt wird, gelten.<br />

4.3.3 Mit der vorgesehenen Wegführung wird deutlich vom bisherigen Verlauf<br />

gemäss Verkehrsplan abgewichen. Die Änderung führt unter anderem dazu, dass<br />

sich die Strecke in nördlicher Richtung zum Unterdorf für Fussgänger vom <strong>und</strong><br />

zum L-Weg um über 60 m verlängert. Damit ist sie nicht mehr von untergeordneter<br />

Bedeutung. Die Verschmälerung auf eine Breite von 2 m <strong>und</strong> die vorgesehene<br />

Belegung mit Betonsickersteinen sowie die gleichzeitige Funktion als Zugang zum<br />

6-Familienhaus würden die Nutzung als Verbindungsweg zusätzlich beeinträchtigen.<br />

Radfahrer <strong>und</strong> Fussgänger bevorzugen erfahrungsgemäss direkte <strong>und</strong> steigungsarme<br />

Wegverbindungen (VGr, 14. April 1999, VB.98.00307, E. 3b). Das mit


67, 68<br />

der Verlegung <strong>des</strong> Wegs verfolgte Ziel, die Durchschneidung der beiden Baugr<strong>und</strong>stücke<br />

zu vermeiden, steht vorwiegend im privaten Interesse <strong>und</strong> vermag die Verlängerung<br />

<strong>des</strong> öffentlichen Wegs nicht zu rechtfertigen.<br />

Was die Zumutbarkeit einer förmlichen Planänderung betrifft, ist in Erwägung<br />

zu ziehen, dass mit dem Verkehrsplan 1997 eine andere Wegverschiebung in<br />

der Gemeinde X einer förmlichen Planänderung unterworfen wurde. Dort wurde<br />

der als Verlängerung der M-Strasse in Richtung U führende Weg bei <strong>des</strong>sen Ersatz<br />

zur Aufhebung vorgesehen. Das von der Verlegung betroffene Wegstück ist zwar<br />

länger als im vorliegenden Fall. Der Umfang der Verschiebung auf der Ost-West-<br />

Achse <strong>und</strong> somit die allfällige Verlängerung der Wegstrecke ist jedoch praktisch<br />

gleich, wie eine Nachmessung auf dem Übersichtsplan im Massstab 1:500 ergibt.<br />

Wesentliche Unterschiede, die eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle<br />

rechtfertigen würden, sind nicht feststellbar. Ein Gr<strong>und</strong>, weshalb im vorliegenden<br />

Fall die örtliche Baubehörde im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens von der<br />

Festsetzung <strong>des</strong> kompetenten kommunalen Planungsträgers sollte abweichen können,<br />

ohne das förmliche Planänderungsverfahren zu durchlaufen, ist ebenfalls nicht<br />

ersichtlich.<br />

Somit ergibt sich, dass das Ausmass der Wegverlegung nicht mehr im Anordnungsspielraum<br />

der kommunalen Baubehörde liegt <strong>und</strong> folglich richtplanwidrig ist.<br />

VB.2004.00169 1. Kammer, 29. September<br />

BEZ 2004 Nr. 62<br />

68. Bei der Beurteilung, ob eine bauliche Veränderung der im Gang befindlichen<br />

Planung widerspricht, ist nicht allein auf die bei Erlass der Planungszonen<br />

herrschenden Planungsvorstellungen abzustellen, sondern die im Lauf<br />

<strong>des</strong> Planungsverfahrens gewonnenen Ansichten <strong>und</strong> neu formulierten Planungsideen<br />

<strong>und</strong> -ziele sind ebenfalls zu berücksichtigen.Art. 27 Abs. 1 RPG.<br />

§ 346 Abs. 1 PBG.<br />

2.1 […] In ihren Rechtswirkungen entspricht damit die kantonalrechtliche<br />

Planungszone gemäss § 346 PBG der im B<strong>und</strong>esrecht vorgesehenen Planungszone<br />

nach Art. 27 Abs. 1 RPG, wonach innerhalb der Planungszone nichts unternommen<br />

werden darf, was die Nutzungsplanung erschweren könnte.<br />

137


68, 69<br />

Die Planungszone dient der Sicherung der geplanten Nutzungsänderung, insbesondere<br />

der Bewahrung der Planungs- <strong>und</strong> Entscheidungsfreiheit der Behörden,<br />

die nicht durch Vorhaben, die den Planungsabsichten widersprechen, beeinträchtigt<br />

werden soll. Es muss ausgeschlossen werden, was immer die Planungsabsicht behindern<br />

könnte (Alexander Ruch in: Kommentar RPG, Art. 27 Rz. 21, mit Hinweisen).<br />

Voraussetzung der Anordnung der Planungszonen ist eine Absicht der Behörden,<br />

eine bestehende planerische Ordnung abzuändern. An die Konkretheit der Absicht<br />

ist kein strenger Massstab anzulegen; eine «einigermassen konkretisierte Absicht<br />

genügt» (BGE 113 Ia 362 E. 2a/bb). Die Planungsabsicht der Behörden kann<br />

in Vorstellungen oder gar Entwürfen über die neue Nutzungsordnung zum Ausdruck<br />

kommen. Die Planungsbehörde können in<strong>des</strong>sen nicht auf diese Vorstellungen<br />

verpflichtet werden; sie können im Lauf <strong>des</strong> Planungsverfahrens aufgr<strong>und</strong><br />

neuer Erkenntnisse <strong>und</strong> Einsichten ändern (Ruch, Art. 27 Rz. 29).<br />

Anders als bei einer vom Gemeinderat beantragten planungsrechtlichen<br />

Festlegung im Sinn von § 234 PBG wird durch das förmliche Festsetzen einer Planungszone<br />

das Vertrauen der Gr<strong>und</strong>eigentümer in das noch geltende Recht beseitigt;<br />

der Gr<strong>und</strong>eigentümer weiss, dass das sein Gr<strong>und</strong>stück betreffende Recht geändert<br />

werden soll <strong>und</strong> er <strong>des</strong>halb einstweilen nicht bauen darf (VGr, 2. September<br />

2002, BEZ 2002 Nr. 61) bzw. ihm nur dann eine Baubewilligung erteilt werden<br />

darf, wenn feststeht, dass das Bauvorhaben den künftigen planungsrechtlichen Festlegungen<br />

nicht – oder jedenfalls mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht – widerspricht<br />

(RB 1984 Nr. 97). Massgebend ist dabei der Planungsstand im Zeitpunkt<br />

<strong>des</strong> Entscheids über das Bauvorhaben. Nach dem Gesagten ist dabei nicht allein auf<br />

die bei Erlass der Planungszonen herrschenden Planungsvorstellungen abzustellen,<br />

sondern die im Laufe <strong>des</strong> Planungsverfahrens gewonnenen Ansichten <strong>und</strong> neu formulierte<br />

Planungsideen <strong>und</strong> -ziele sind ebenfalls zu berücksichtigen. Ansonsten<br />

würde das Institut der Planungszone seinen Zweck gerade nicht erfüllen.<br />

138<br />

VB.2004.00090 1. Kammer, 2. Juni<br />

BEZ 2004 Nr. 45<br />

69. Der Antrag <strong>des</strong> Gemeinderats auf eine planungsrechtliche Festlegung bleibt<br />

rechtserheblich, wenn die Gemeindeversammlung den Antrag an den Gemeinderat<br />

zurückgewiesen <strong>und</strong> ihn zur Vorlage von weiter gehenden Änderungen<br />

angewiesen hat. Zeitpunkt, ab welchem eine beabsichtigte Planänderung<br />

hinreichend konkretisiert ist. § 234 PBG.


3.1 Damit einem Bauvorhaben die Änderung einer planungsrechtlichen Festlegung<br />

entgegengehalten werden kann, muss sie nach dem Wortlaut von § 234 PBG<br />

(in der Fassung vom 1. September 1991) vom Gemeinderat «beantragt» sein. Damit<br />

ist klargestellt, dass beabsichtigte Planänderungen nur zu berücksichtigen sind,<br />

wenn sie vom Gemeinderat, das heisst von der Gemeindeexekutive ausgehen, <strong>und</strong><br />

ein entsprechender formeller Beschluss der Gesamtbehörde vorliegt (Wolf/Kull,<br />

Rz. 266). Allerdings ist nicht erst der formelle Änderungsantrag der Gemeindeexekutive<br />

an die Gemeindeversammlung oder zu Handen <strong>des</strong> Gemeindeparlaments<br />

massgebend, sondern muss bereits die Vorbereitungsphase der Planung mit der<br />

gemäss Art. 4 RPG <strong>und</strong> § 7 PBG vorgeschriebenen Mitwirkung der Bevölkerung<br />

vor einer Präjudizierung geschützt sein (Wolf/Kull, Rz. 267; Fritzsche/Bösch, S. 9–8).<br />

Als in diesem Sinn beantragte Änderung hat es <strong>des</strong>halb die Baurekurskommission<br />

genügen lassen, dass der Gemeinderat noch vor der vorgeschriebenen öffentlichen<br />

Auflage über einen ersten Revisionsentwurf ein freiwilliges Vernehmlassungsverfahren<br />

bei «interessierten Kreisen» durchgeführt hatte (BRK IV Nr. 166/1993, BEZ<br />

1994 Nr. 3). Diese Auslegung stützt sich auf die in der kantonsrätlichen Beratung<br />

betonte Stossrichtung der Neuformulierung von § 234 PBG, nämlich zu verhindern,<br />

dass mit Volksinitiativen, parlamentarischen Motionen <strong>und</strong> dergleichen missliebige<br />

Bauvorhaben verhindert werden können. Sie wird überdies gestützt durch<br />

die Rechtsprechung <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esgerichts, welches in BGE 116 Ia 449 E. 4a darauf<br />

hingewiesen hat, dass § 234 PBG die Funktion einer Planungszone im Sinn von<br />

Art. 27 RPG habe <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb auch dem Schutz von Planänderungen vor Präjudizierung<br />

diene. Auch aus dieser b<strong>und</strong>esrechtlichen Sicht darf die Voraussetzung von<br />

§ 234 PBG, dass die Planänderung vom Gemeinderat beantragt sein muss, nicht<br />

derart eng ausgelegt werden, dass der Schutz vor Präjudizierung nicht mehr wirksam<br />

ist; die von der Exekutive mit formellen Beschlüssen dokumentierten Revisionsbestrebungen<br />

könnten sonst durch nachträglich eingereichte Baugesuche<br />

unterlaufen werden. Jedenfalls aber muss die vorgesehene Planänderung hinreichend<br />

konkretisiert sein <strong>und</strong> ernsthafte Realisierungschancen haben (RB 1982<br />

Nr. 140 = BEZ 1982 Nr. 19; RB 1993 Nr. 40). Auf den unspezifiziert gehaltenen<br />

Exekutivbeschluss, die BZO einer Revision zu unterziehen, lässt sich eine Bauverweigerung<br />

nicht stützen (Fritzsche/Bösch, S. 9–8).<br />

3.2 Die Bestrebungen zur Revision der BZO der Gemeinde Küsnacht vom<br />

5. Dezember 1994 haben eine längere Geschichte. Eine erste vom Gemeinderat<br />

beantragte Teilrevision mit dem Ziel, die Möglichkeiten zur baulichen Verdichtung<br />

zu beschränken, hat die Gemeindeversammlung vom 10. Dezember 2001 als zu wenig<br />

weit gehend zur Überarbeitung an den Gemeinderat zurückgewiesen. Dieser hat<br />

darauf am 16. Mai 2002 eine Ortsplanungskommission mit der Aufgabe beauftragt,<br />

eine neue Vorlage auszuarbeiten «als Gr<strong>und</strong>lage für Antrag <strong>und</strong> Weisung zu Han-<br />

69<br />

139


69<br />

den der Gemeindeversammlung». In einem R<strong>und</strong>schreiben von anfangs Februar 2003<br />

an alle Haushaltungen hat diese Kommission ihre am 22. Januar 2003 beschlossenen<br />

Änderungsanträge der Öffentlichkeit bekannt gegeben <strong>und</strong> am 27. Mai 2003<br />

ihren Entwurf dem Gemeinderat zur Durchführung von Anhörung <strong>und</strong> öffentlicher<br />

Auflage abgeliefert. Am 2. Oktober 2003 hat sie dem Gemeinderat ihren abschliessenden<br />

Bericht erstattet, welcher dem Gemeinderat als Gr<strong>und</strong>lage für Antrag <strong>und</strong><br />

Weisung vom 30. Oktober 2003 zu Handen der Gemeindeversammlung diente. In<br />

den Gemeindeversammlungen vom 12., 19. <strong>und</strong> 26. Januar sowie 2. Februar 2004<br />

wurde dem Antrag <strong>des</strong> Gemeinderats mit im vorliegenden Zusammenhang unwesentlichen<br />

Änderungen zugestimmt.<br />

3.3 Wie dieser Ablauf zeigt, lag ein erster Antrag zur Änderung der BZO, wie<br />

ihn § 234 PBG voraussetzt, bereits im Zeitpunkt der Gemeindeversammlung vom<br />

10. Dezember 2001 vor. Mit dem Rückweisungsbeschluss wurde die vom Gemeinderat<br />

angestrebte Planänderung nicht gr<strong>und</strong>sätzlich in Frage gestellt, sondern durch<br />

den Auftrag, die vorgesehenen Beschränkungen zu verschärfen, zusätzlich unterstützt.<br />

Den ersten Antrag <strong>des</strong> Gemeinderats hat die private Beschwerdegegnerin<br />

berücksichtigt, indem sie die Gebäudelänge ihres Projekts bereits auf 35 m begrenzte.<br />

Insofern wurde dem Präjudizierungsverbot von § 234 PBG Rechnung getragen.<br />

Der von der Ortsplanungskommission im Auftrag <strong>des</strong> Gemeinderats ausgearbeitete<br />

neue Entwurf hat das Änderungsvorhaben <strong>des</strong> Gemeinderats in der von<br />

der Gemeindeversammlung vorgegebenen Zielrichtung, das heisst hin zu einer weiteren<br />

Beschränkung der baulichen Verdichtungsmöglichkeiten, weiter ausgeführt.<br />

Am Tatbestand einer vom Gemeinderat beantragten Änderung hat sich damit nichts<br />

geändert.<br />

3.4 Sodann stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Absicht zu einer<br />

Planänderung, welche die weitere Begrenzung der Gebäudelänge auf 25 m zum Gegenstand<br />

hatte, hinreichend konkretisiert war, um gestützt auf § 234 PBG einem<br />

Bauvorhaben entgegenhalten zu werden.<br />

Wie dem Zwischenbericht der Ortsplanungskommission vom 3. Februar 2003<br />

entnommen werden kann, sollte unter anderem zur Erhaltung einer wohnlichen <strong>und</strong><br />

durchgrünten Gemeinde in verschiedenen Zonen die Baumassenziffer reduziert<br />

<strong>und</strong> zur Verhinderung der unerwünschten «Riegelwirkung» in den zweigeschossigen<br />

Wohnzonen die Maximallänge für geschlossene Überbauungen von 40 auf 25 m<br />

verkürzt werden. Diese bei der Erteilung der Baubewilligung am 22. April 2003<br />

vorliegenden Änderungsvorschläge waren hinreichend konkret, um erkennen zu<br />

lassen, dass das am 20. Januar 2003 eingereichte Baugesuch der privaten Be-<br />

140


69, 70<br />

schwerdegegnerin mit einer Baumassenziffer von nahezu 1,50 <strong>und</strong> einer Länge von<br />

35 m diese in Änderung begriffenen planungsrechtlichen Festlegungen präjudizieren<br />

würde. Der Bericht stammte zwar nicht vom Gemeinderat, wie in § 234 PBG<br />

vorgesehen, betraf aber die Vorbereitungsphase der Planung, die nach dem<br />

Gesagten ebenfalls vor einer Präjudizierung zu schützen ist (vorn E. 3.1). Dabei ist<br />

zu berücksichtigen, dass der Wille, die Gebäudelänge zu beschränken, bereits aus<br />

dem ersten Entwurf <strong>des</strong> Gemeinderats hervorgegangen war <strong>und</strong> dass die<br />

Gemeindeversammlung diesen als zu wenig weit gehend zurückgewiesen hatte. Die<br />

von der Ortsplanungskommission vorgeschlagene Neuordnung wurde somit zumin<strong>des</strong>t<br />

dem Gr<strong>und</strong>satz nach von Gemeinderat <strong>und</strong> Gemeindeversammlung unterstützt,<br />

<strong>und</strong> es bestand eine hinreichend grosse Wahrscheinlichkeit, dass die vorgeschlagenen<br />

Änderungen verwirklicht würden. Unter diesen Umständen war mit<br />

dem Antrag der Kommission die Planänderung hinreichend konkretisiert <strong>und</strong> hätte<br />

daher bei der Beurteilung <strong>des</strong> Baugesuchs durch die Baubehörde am 22. April 2003<br />

berücksichtigt werden müssen.<br />

Bereits die Baukommission hätte <strong>des</strong>halb die Baubewilligung auch gestützt<br />

auf § 234 PBG verweigern müssen. Art. 19 Abs. 1a lit. e der revidierten BZO ändert<br />

daran nichts. Diese Bestimmung, wonach für Bauten, «welche vor dem 6. Juni 2003<br />

(Beginn der Vorwirkung der Teilrevision) bewilligt worden sind», die Bestimmungen<br />

von Artikel 19a gelten, will den Anwendungsbereich der Sonderbauvorschriften<br />

für bestehende Bauten gemäss Artikel 19a ordnen <strong>und</strong> nicht die Frage der negativen<br />

Vorwirkung entscheiden, die ohnehin abschliessend durch das kantonale<br />

Recht geregelt ist.<br />

VB.2004.00028 1. Kammer, 21. April<br />

70. Bei der Beurteilung der Verkehrssicherheit einer Zufahrt steht der Gemeinde<br />

ein von der Rekursinstanz zu beachtender Ermessenspielraum zu. Aus<br />

wichtigen Gründen kann von den im Anhang zur Verkehrssicherheitsverordnung<br />

geregelten technischen Anforderungen an Ausfahrten abgewichen<br />

werden. § 237, § 360 Abs. 3 PBG. § 6 Abs. 2 VerkehrssicherheitsV.<br />

4.1 […] Bei der Beurteilung der hinreichenden strassenmässigen Erschliessung<br />

steht der Gemeinde ein von der Rekursinstanz zu beachtender Ermessensspielraum<br />

zu (RB 1986 Nr. 13). Dies gilt auch bei der Prüfung der Frage der<br />

Verkehrssicherheit (VGr, 18. Dezember 2001, VB.2001.00205). Dem Katalog der<br />

zulässigen Abweichungen in § 6 Abs. 2 VerkehrssicherheitsV von den im Anhang<br />

141


70, 71<br />

dieser Verordnung geregelten technischen Anforderungen an Ausfahrten kommt<br />

keine abschliessende Bedeutung zu. Denn dies würde im Widerspruch zum genannten,<br />

der Gemeinde bei der Anwendung von § 237 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 PBG zukommenden<br />

Ermessensspielraum stehen. Entsprechend hat das <strong>Verwaltungsgericht</strong> schon mehrmals<br />

entschieden, dass es sich (auch) beim Anhang zur Verkehrssicherheitsverordnung<br />

um Normalien handle, von denen allgemein gestützt auf § 360 Abs. 3 PBG<br />

abgewichen werden könne (VGr, 27. September 1988, VB 88/0078; zu § 11 Zugangsnormalien<br />

vgl. RB 1988 Nr. 74 = BEZ 1988 Nr. 45). Das folgt letztlich auch<br />

aus § 237 Abs. 2 PBG, wonach der Regierungsrat über die Anforderungen (an Zufahrten)<br />

Normalien erlässt.<br />

142<br />

VB.2003.00430 1. Kammer, 18. August<br />

BEZ 2004 Nr. 64<br />

71. Gr<strong>und</strong>sätzlich dienen Flurwege der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung.<br />

Eine anderweitige Benützung eines Flurwegs bedarf der Zustimmung<br />

der Mehrheit der übrigen Flurwegeigentümer. Die Ermittlung dieser Mehrheit<br />

richtet sich nach dem Kopfstimmrechtsprinzip. Jedem Gr<strong>und</strong>eigentümer<br />

kommt demnach unabhängig von der Anzahl oder der Grösse seiner<br />

Gr<strong>und</strong>stücke nur eine Stimme zu. § 237 Abs. 1 PBG. § 108 Abs. 1 lit. b, § 110<br />

LandwirtschaftsG.<br />

2. […] Flurwege dürfen nach § 110 Abs. 1 LandwirtschaftsG von den Flurwegeigentümern<br />

unbeschränkt zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung ihrer<br />

Gr<strong>und</strong>stücke benutzt werden. Eine anderweitige Benützung bedarf laut § 110 Abs.<br />

2 LandwirtschaftsG der Zustimmung der Mehrheit der übrigen Eigentümer. Diese<br />

Zustimmung ist zu erteilen, wenn der Ausbaustand <strong>des</strong> Wegs für den vorgesehenen<br />

Gebrauch genügt <strong>und</strong> dieser den land- oder forstwirtschaftlichen Verkehr nicht<br />

wesentlich beeinträchtigt (§ 110 Abs. 3 LandwirtschaftsG). Kommt keine Einigung<br />

unter den Flurwegeigentümern zustande, entscheidet gemäss § 110 Abs. 4 LandwirtschaftsG<br />

der Gemeinderat.<br />

2.1 Flurwege dienen der Erschliessung von land- oder forstwirtschaftlichen<br />

Gr<strong>und</strong>stücken. Sie stehen im Gesamteigentum der Anstösser <strong>und</strong> sind als ausgeschiedene<br />

Gr<strong>und</strong>stücke ins Gr<strong>und</strong>buch aufzunehmen (§ 108 Abs. 1 lit. b LandwirtschaftsG).<br />

Das Verhältnis unter den Beteiligten richtet sich vorbehältlich besonderer<br />

Bestimmungen nach Privatrecht. Die genannte Bestimmung verweist somit auf<br />

B<strong>und</strong>eszivilrecht bzw. auf Art. 652 ff. ZGB (OGr, 29. April 1986, ZR 85/1986 Nr. 99,


E. 2b; vgl. auch Hans Huber, Das Flurwegrecht <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> Zürich, Affoltern am<br />

Albis 1944, S. 136 ff.). Zu Recht hat die Vorinstanz die Gemeinschaft der Anstösser<br />

– ein gesetzlich bestimmtes Gesamthandschaftsverhältnis – den Regeln der einfachen<br />

Gesellschaft (Art. 530 ff. OR) unterstellt, welche vom Gesetzgeber als Auffanggesellschaft<br />

konzipiert wurde.<br />

Gemäss Art. 534 OR ist für Beschlüsse der einfachen Gesellschaft gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

Einstimmigkeit erforderlich (Abs. 1). Sind vertraglich Mehrheitsbeschlüsse<br />

vorgesehen, so errechnet sich die Mehrheit nach der Personenzahl (Abs. 2); es gilt<br />

also das Kopfstimmprinzip. Mangels einer besonderen Bestimmung im Landwirtschaftsgesetz<br />

gilt das Kopfstimmprinzip auch bei Ermittlung der Mehrheit im Sinn<br />

von § 110 Abs. 2 LandwirtschaftsG. Es steht mithin jedem Gr<strong>und</strong>eigentümer unabhängig<br />

von der Anzahl Gr<strong>und</strong>stücke in seinem Eigentum eine Stimme zu (vgl. auch<br />

Huber, S. 159). Eine Gesetzeslücke liegt nicht vor, regelt doch das Recht der einfachen<br />

Gesellschaft, auf welches das Landwirtschaftsgesetz verweist, das Kopfstimmprinzip<br />

ausdrücklich. Wenn der Gesetzgeber das bei Mehrheitsbeschlüssen<br />

der einfachen Gesellschaft geltende Stimmprinzip bei Mehrheitsbeschlüssen der<br />

Gemeinschaft der Flurweggesamteigentümer nicht beabsichtigt haben sollte, wie<br />

die Beschwerdeführenden geltend machen, hätte er im Gesetz – wie bei den<br />

Unterhaltsgenossenschaften (§ 49 Abs. 2 LandwirtschaftsG) – besondere Bestimmungen<br />

erlassen können. So ist beispielsweise für die Gründung von Unterhaltsgenossenschaften<br />

gemäss § 52 Abs. 1 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 LandwirtschaftsG<br />

entweder die Mehrheit der beteiligten Gr<strong>und</strong>eigentümer oder die Mehrheit<br />

der beigezogenen Fläche erforderlich, während nach § 59 Abs. 2 LandwirtschaftsG<br />

in der Genossenschaftsversammlung jedem Mitglied «ohne Rücksicht auf<br />

den Umfang seines Gr<strong>und</strong>eigentums» eine Stimme zukommt <strong>und</strong> das Mehrheitsprinzip<br />

gilt (§ 61 Abs. 1 LandwirtschaftsG). Dass sich die Stimmrechtsverhältnisse<br />

ändern, wenn ein Eigentümer sein Gr<strong>und</strong>eigentum ganz oder teilweise auf verschiedene<br />

Personen überträgt, ist eine Folge von Art. 534 Abs. 2 OR, wonach jedem (Gesamt)Eigentümer<br />

eine Stimme zugemessen <strong>und</strong> die Stimmkraft nicht nach anderen<br />

Kriterien – z.B. nach der Gr<strong>und</strong>stücksfläche – geregelt wird. Zu Recht hat die<br />

Vorinstanz festgehalten, dass bei Ermittlung der Mehrheit im Sinn von § 110 Abs. 2<br />

LandwirtschaftsG jedem Gr<strong>und</strong>eigentümer unabhängig von der Anzahl oder Grösse<br />

seiner Gr<strong>und</strong>stücke (nur) eine Stimme zukommt.<br />

VB.2003.00050 1. Kammer, 5. Mai<br />

BEZ 2004 Nr. 24<br />

71<br />

143


72<br />

72. Für grossformatige Plakatwerbungen, sog. Megaposter, dürfen die Gemeinden<br />

die kantonale Einordnungsbestimmung durch eine Verwaltungsverordnung<br />

konkretisieren. Zulässige Anordnungen, um den Eindruck der Flüchtigkeit<br />

solcher Werbung sicherzustellen. § 238, § 321 Abs. 1 PBG.<br />

2.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass das Megaposter nur unter der<br />

Auflage bewilligt werden kann, dass die Fläche während drei Monaten pro Jahr leer<br />

bleibt (so genannte «Brache»). Indem die Baurekurskommission diese Nebenbestimmung<br />

aufhob, habe sie ihr Ermessen zu Unrecht anstelle jenes der Beschwerdeführerin<br />

gesetzt.<br />

Anordnungen betreffend die maximale Dauer von Werbung tangieren die<br />

Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV; vgl. BGE 128 I 3 E. 3a). Die vorliegend zu beurteilende<br />

Nebenbestimmung muss somit auf einer gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lage beruhen<br />

(Art. 36 Abs. 1 BV). Nebenbestimmungen von Baubewilligungen können in der<br />

Regel auf § 321 Abs. 1 PBG abgestützt werden. Danach ist die Baubewilligung mit<br />

den erforderlichen Nebenbestimmungen (Auflagen, Bedingungen, Befristungen)<br />

zu verknüpfen, wenn damit Mängel <strong>des</strong> Bauvorhabens ohne besondere Schwierigkeiten<br />

behoben werden können. Die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen kann<br />

sich auch aus dem mit dem Gesetz verfolgten Zweck ergeben; sie können insbesondere<br />

dann gerechtfertigt sein, falls eine Bewilligung ohne Nebenstimmungen<br />

hätte verweigert werden müssen (Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 121 II 88 E. 3a; VGr, 23. Januar<br />

2003, VB.2002.00351, E. 3a, www.vgrzh.ch; Häfelin/Müller, Rz. 902 <strong>und</strong> 918).<br />

Erteilt die Baubehörde, wie hier, eine Baubewilligung aus Einordnungsgründen<br />

nur unter einer Auflage, so darf die Baurekurskommission aufgr<strong>und</strong> ihrer eingeschränkten<br />

Kognition nur überprüfen, ob die Baubehörde aus vernünftigen Gründen<br />

annehmen durfte, dass mit der Nebenbestimmung Mängel <strong>des</strong> Bauvorhabens<br />

ohne besondere Schwierigkeiten behoben werden können (vgl. § 321 Abs. 1 PBG).<br />

Lassen sich ebenso vernünftige Gründe für weniger oder andere Nebenbestimmungen<br />

finden, darf die Rekurskommission nicht ihr Ermessen anstelle jenes der Baubehörde<br />

setzen. Die Baurekurskommission darf jedoch dann eingreifen, wenn die<br />

Gemeinde ihr Ermessen missbrauchte, überschritt oder sonst in irgendeiner Weise<br />

rechtsverletzend handhabte. Damit ist im Folgenden zu prüfen, ob die angeordnete<br />

«Brache» eine geeignete <strong>und</strong> erforderliche Massnahme darstellt, um die mit den<br />

Einordnungsvorschriften verfolgten öffentlichen Interessen zu erreichen (Art. 36<br />

Abs. 3 BV) beziehungsweise Mängel <strong>des</strong> Bauvorhabens zu beheben (§ 321 Abs. 1<br />

PBG).<br />

144


3.1 Die Baubehörde ordnete in der Bewilligung eine «Brache» an (Zeitraum,<br />

in dem die Fläche nicht mit Werbung versehen werden darf). Die Rekurskommission<br />

hob diese Auflage auf, da sich die Plakatwerbestelle genügend einordne. Die<br />

Beschwerdeführerin macht dagegen wie bereits im Rekursverfahren geltend, dass<br />

durch die «Brachzeiten» die Fassade ohne Werbung wahrgenommen werden könne.<br />

Durch den Wechsel von Verhüllen <strong>und</strong> Enthüllen würde eine Dynamik erreicht, die<br />

für den Standort <strong>und</strong> für die Art der Werbung nur Vorteile bringe. Die Beschwerdeführerin<br />

stützt sich dabei das Konzept für «grossflächige Werbebilder in der Stadt<br />

Zürich», das sie in den Jahren 1999 <strong>und</strong> 2000 im Dialog mit Vertretern der Werbebranche<br />

entwickelte. Gemäss diesem Konzept soll für ortsgeb<strong>und</strong>ene Fremdwerbung<br />

eine «Brache» von 3 Monaten <strong>und</strong> für ortsgeb<strong>und</strong>ene Eigenwerbung eine<br />

«Brache» von 8 Monaten gelten. Im Konzept wird dies wie folgt begründet:<br />

«Die neuen grossflächigen Werbebilder wirken zusammen mit den bestehenden Reklameobjekten<br />

(Plakate, Schaufenster, Logos <strong>und</strong> Schriftzüge), dem Mobiliar im<br />

Aussenraum <strong>und</strong> der Beleuchtung als ephemere (flüchtige, sich schnell verändernde)<br />

Schicht an der Oberfläche der beständigeren Bauwerke, die sie wie ein leichter,<br />

durchsichtiger Schleier umhüllt. Mit dieser in schnellen Rhythmen transformierten<br />

Schicht aktualisiert sich die Erscheinung <strong>des</strong> öffentlichen Raumes der Stadt.<br />

Die ephemere Schicht soll so gewirkt sein, dass sie die Wahrnehmung der Stadt im<br />

Tages- <strong>und</strong> im Kunstlicht mehrdeutig – in der Art von Kippfiguren – ermöglicht.<br />

Sowohl die Schicht als auch die Bauwerke sollen für sich <strong>und</strong> in ihren Überlagerungen<br />

in den Blick genommen werden können. Um dies zu gewährleisten, sind bei der<br />

Installation der sehr stark in Erscheinung tretenden grossflächigen Bilder Brachen<br />

erforderlich, Zeiträume, in der die dafür vorgesehen Stelle leer bleibt. Damit wird<br />

auch die Nachhaltigkeit der Wirkung <strong>des</strong> Auftrittes unterstützt.»<br />

Die Beschwerdeführerin darf die Modalitäten der Plakatierung im Rahmen<br />

eines Gesamtkonzepts regeln (BGE 128 I 3, 16). Aufgr<strong>und</strong> ihrer Autonomie steht<br />

es ihr auch zu, für einzelne Kategorien von Plakaten aufgr<strong>und</strong> von deren Art <strong>und</strong><br />

Grösse besondere Konzepte zu entwickeln (vgl. BGE 128 I 3, 15 E. 3e/cc). Die<br />

Beschwerdeführerin möchte mit dem vorliegenden Megaposter-Konzept eine<br />

rechtsgleiche Handhabung der Einordnungsvorschrift sicherstellen. Der Bewilligungsbehörde<br />

sollen damit Leitlinien <strong>und</strong> Gesichtspunkte zur Konkretisierung der<br />

Ermessensvorschrift von § 238 PBG vorgegeben werden. Das Konzept erweist sich<br />

damit als Verwaltungsverordnung (Häfelin/Müller, Rz. 123 f.). Weil es somit keine<br />

Rechtsquelle darstellt, sind die Gerichte nicht daran geb<strong>und</strong>en (Tschannen/<br />

Zimmerli/Kiener, S. 274). Zu berücksichtigen ist das Megaposter-Konzept nur<br />

insoweit, als es eine dem Einzelfall gerecht werdende Auslegung der massgebenden<br />

Bestimmungen zulässt (BGE 122 V 19, 25 E. 5b/bb). Für die Bewilligungs-<br />

72<br />

145


72, 73<br />

behörde heisst das wiederum, dass sie bei der Verweigerung oder der Erteilung der<br />

Bewilligung unter Auflagen nicht einfach auf die Verwaltungsverordnung verweisen<br />

darf. Vielmehr hat sie im Einzelfall zu begründen, weshalb sich die geplante<br />

Werbeanlage gerade am vorgesehenen Standort nicht befriedigend einordnet (vgl.<br />

BGr, 21. Mai 1997, ZBl 99/1998, S. 170, 175). Die Grösse der Plakatwerbung darf<br />

dabei als eines unter anderen Kriterien berücksichtigt werden; sie allein rechtfertigt<br />

jedoch nicht die Verweigerung der Bewilligung (RB 1988 Nr. 76).<br />

3.2 Mit der angeordneten «Brachezeit» soll für den Betrachter ein Wechsel<br />

bzw. eine gewisse Dynamik erkennbar werden. Die Plakatwerbestellen sollen als<br />

eine sich ständig verändernde Schicht erscheinen. Diese Dynamik wird für den<br />

Betrachter in<strong>des</strong>sen ohne weiteres dadurch erkennbar, wenn die Sujets auf den<br />

Plakatwerbestellen von Zeit zu Zeit wechseln. Mit dem Wechsel der Sujets rücken<br />

die Plakatwerbestellen in die Nähe der im Konzept erwähnten Bauwandbilder, die<br />

bereits aufgr<strong>und</strong> ihrer Beschaffenheit flüchtig wirken <strong>und</strong> deren Dauer durch die<br />

Bauarbeiten gleichsam natürlich begrenzt ist. Die Anordnung, dass die Sujets auf<br />

den Plakatwerbestellen in periodischen Abständen wechseln müssen, ist damit zur<br />

Erreichung der für den Betrachter erkennbaren Dynamik ebenso geeignet wie die<br />

angeordnete «Brachezeit». Sie erweist sich in<strong>des</strong>sen gegenüber der «Brachezeit»<br />

als die mildere Massnahme. Die Baurekurskommission hat die angeordnete «Brache»<br />

somit zwar zu Recht aufgehoben, der Beschwerdeführerin jedoch nicht Gelegenheit<br />

gegeben, eine ebenso geeignete aber mildere Nebenbestimmung (periodische<br />

Sujetwechsel) anzuordnen. Dies ist somit im Beschwerdeverfahren nachzuholen.<br />

146<br />

VB.2003.00276 1. Kammer, 10. März<br />

BEZ 2004 Nr. 26<br />

73. Bei besonders hohen Gestaltungsanforderungen sowie bei besonderen Umständen<br />

<strong>des</strong> Einzelfalls kann sich eine Befristung der Werbedauer von Plakatwerbestellen<br />

rechtfertigen. § 238, § 321 Abs. 1 PBG.<br />

3.1 Die Baubehörde ordnete in der Bewilligung eine «Brache» an; damit ist<br />

ein Zeitraum gemeint, in dem die Fläche nicht mit Werbung versehen werden darf.<br />

Die Rekurskommission hob diese Auflage auf, da sich die Plakatwerbestelle genügend<br />

einordne. Die Beschwerdeführerin macht dagegen wie bereits im Rekursverfahren<br />

geltend, dass die besondere Rücksichtnahme gegenüber dem schützenswerten<br />

Gebäude (§ 238 Abs. 2 PBG) nur durch längere Phasen mit freier Sicht auf


Gebäude <strong>und</strong> Fassade gewährleistet werden könne. Würde man den gläsernen Eckturm<br />

permanent abdecken, würde sich dies negativ auf das Erscheinungsbild der<br />

anschliessenden Fassaden auswirken. – Angesichts der vorliegend anwendbaren<br />

besonders hohen Einordnungsanforderungen […] sowie der besonderen baulichen<br />

Qualitäten <strong>des</strong> Warenhauses «Jelmoli» leuchtet die Argumentation der Beschwerdeführerin<br />

ohne weiteres ein. Die gläserne Fassade <strong>des</strong> Warenhauses wird in ihrer<br />

Gesamtheit besser sichtbar, wenn der Plakatwerbeträger über dem Eingang von Zeit<br />

zu Zeit frei bleibt. Für die Auffassung der Baurekurskommission mögen ebenso<br />

vertretbare Gründe gesprochen haben. Allerdings durfte sie <strong>des</strong>wegen ihr Ermessen<br />

nicht an Stelle <strong>des</strong>jenigen der Beschwerdeführerin setzen. Der Entscheid verletzt<br />

insoweit die Gemeindeautonomie.<br />

3.2 Gemäss der Baubewilligung darf Werbung nur während 4 Monaten pro<br />

Jahr gezeigt werden. Diese Dauer deckt sich mit dem von der Beschwerdeführerin<br />

gemeinsam mit Vertretern der Werbebranche entwickelten Konzept «grossflächige<br />

Werbebilder in der Stadt Zürich». Danach gilt für ortsgeb<strong>und</strong>ene Fremdwerbung<br />

eine «Brache» von 3 Monaten, für ortsgeb<strong>und</strong>ene Eigenwerbung dagegen eine<br />

«Brache» von 8 Monaten. – Die im Konzept getroffene Unterscheidung leuchtet<br />

nicht ein. Anordnungen betreffend die maximale Dauer von Werbung tangieren die<br />

Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV; vgl. BGE 128 I 3 E. 3a). Bei der <strong>des</strong>halb gebotenen<br />

Interessenabwägung wiegt nach b<strong>und</strong>esgerichtlicher Rechtsprechung das private<br />

Interesse an Eigenwerbung schwerer als bei Fremdwerbung (BGE 128 I 3 E. 4b).<br />

Zusätzlich ist hier zu beachten, dass das Schutzobjekt ein Warenhaus ist <strong>und</strong> die<br />

Weiterführung dieser angestammten <strong>und</strong> für die Erhaltung <strong>des</strong> Schutzobjekts entscheidenden<br />

Nutzung insofern besondere Anforderungen an die Werbung stellt, als<br />

das Publikum auf das Angebot <strong>des</strong> Warenhauses <strong>und</strong> insbesondere auch auf saisonal<br />

wechselnde Angebote oder Aktionen aufmerksam gemacht werden soll. Insoweit<br />

lässt das auf andere Bedürfnisse ausgerichtete «Megaposter-Konzept» keine dem<br />

vorliegenden Einzelfall gerecht werdende Auslegung der Einordnungsbestimmung<br />

zu <strong>und</strong> ist folglich unbeachtlich (vgl. BGE 122 V 19, 25 E. 5b/bb). Damit im Interesse<br />

<strong>des</strong> Denkmalschutzes die Glasfassade auch ungestört wahrgenommen werden<br />

kann, genügt eine Beschränkung der jährlichen Werbezeit auf 6 Monate; eine<br />

Verpflichtung zum monatlichen Wechsel der Sujets ist nicht erforderlich, da bereits<br />

durch die sich laufend ändernden Werbebedürfnisse <strong>des</strong> Warenhauses für einen hinreichenden<br />

Wechsel gesorgt ist. Indem die Beschwerdeführerin eine «Brache» von<br />

mehr als 6 Monaten anordnete, hat sie ihr Ermessen rechtsungleich <strong>und</strong> damit<br />

rechtsverletzend ausgeübt. Die Baubewilligung ist folglich insoweit abzuändern.<br />

VB.2003.00336 1. Kammer, 10. März<br />

BEZ 2004 Nr. 27<br />

73<br />

147


74, 75, 76<br />

74. Abgrabungen machen ein unter dem gewachsenen Terrain liegen<strong>des</strong> Gebäude<br />

nicht zu einem oberirdischen Gebäude. Die Regel von § 269 PBG gilt<br />

nicht nur für die das gewachsene Terrain um bis zu 50 cm überragenden,<br />

sondern auch für die durch Abgrabungen freigelegten Teile einer unterirdischen<br />

Baute. § 269 PBG.<br />

148<br />

VB.2004.00202 1. Kammer, 18. August<br />

BEZ 2004 Nr. 66<br />

75. Ob eine bauliche Massnahme bewilligungspflichtig ist, ist im baurechtlichen<br />

Verfahren zu klären. Bei der Frage, ob ein solches Verfahren überhaupt<br />

einzuleiten ist, steht der Baubehörde ein erheblicher Ermessenspielraum<br />

zu. Bestehen für sie Anhaltspunkte, dass ein bewilligungspflichtiger<br />

Sachverhalt vorliegen könnte, wird sie im Zweifelsfall ein Bewilligungsverfahren<br />

einzuleiten haben. Vor allem bei Nutzungsänderungen bestehender<br />

Bauten oder Anlagen wird oft erst eine genauere Untersuchungen ergeben,<br />

ob die Zweckänderung der baurechtlichen Bewilligungspflicht untersteht.<br />

§ 309 PBG.<br />

VB.2004.00074 3. Kammer, 10. Juni<br />

BEZ 2004 Nr. 47<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine <strong>Verwaltungsgericht</strong>sbeschwerde gegen diesen Entscheid am 14. Dezember<br />

2004 abgewiesen (BGr, 14. Dezember 2004, 1A.204/2004, www.bger.ch).<br />

76. Aushubarbeiten gelten dann nicht als Baubeginn, wenn sie keinen Willen<br />

erkennen lassen, das Bauvorhaben ohne Verzögerung <strong>und</strong> unnötige Unterbrechungen<br />

zu Ende zu führen. § 322 Abs. 1 PBG.<br />

2.1 Als Baubeginn für Neubauten gilt gr<strong>und</strong>sätzlich der Aushub bzw. der Abbruch<br />

einer bestehenden Baute. Dabei wird jedoch vorausgesetzt, dass aus diesen<br />

Vorkehren auf den ernstlichen Willen geschlossen werden kann, das Bauvorhaben<br />

ohne Verzögerung <strong>und</strong> unnötige Unterbrechungen auszuführen (RB 1987 Nr. 85 =<br />

ZBl 89/1988, S. 256 = BEZ 1987 Nr. 38). Ob dies zutrifft, ist nach den gesamten<br />

Umständen zu entscheiden (Mäder, Rz. 410, mit weiteren Hinweisen, auch zum<br />

Folgenden). Mithin bildet der Aushub bzw. der Abbruch zwar ein gewichtiges Indiz


für den Baubeginn, doch darf nicht ausschliesslich auf dieses einzelne äussere<br />

Merkmal abgestellt werden; vielmehr gilt es, sämtliche objektiven <strong>und</strong> subjektiven<br />

Gesichtspunkte mitzuberücksichtigen, die den Schluss erlauben, der Gesuchsteller<br />

habe die Arbeiten mit dem Willen zur zügigen Realisierung der geplanten Baute<br />

<strong>und</strong> nicht allein zur Fristwahrung <strong>und</strong> damit zur Erhaltung der Baubewilligung vorgenommen.<br />

[…]<br />

2.4 Wie die Bauherrschaft in ihrer Rekursantwort an den Regierungsrat vom<br />

24. September 2002 ausdrücklich dargelegt hat, war ihr an einem möglichst raschen<br />

Baubeginn nur <strong>des</strong>halb gelegen, weil andernfalls die Baubewilligung verfallen wäre.<br />

Dass sie in jenem Zeitpunkt das Bauvorhaben ohne grössere Verzögerung <strong>und</strong><br />

Unterbrechungen würde ausführen können, war aufgr<strong>und</strong> der Umstände von vornherein<br />

auszuschliessen <strong>und</strong> war der Bauherrschaft offenk<strong>und</strong>ig bewusst. So räumt<br />

sie in ihrem Gesuch an den Regierungsrat vom 24. September 2002 selbst ein, dass<br />

ihr der Entzug der aufschiebenden Wirkung bezüglich <strong>des</strong> Aushubs genüge, da<br />

damit die Gefahr der Verwirkung der Baubewilligung «neutralisiert» sei. Obwohl<br />

ihr aufgr<strong>und</strong> der Baufreigabe der Stadt Bülach <strong>und</strong> <strong>des</strong> Regierungspräsidenten freigestanden<br />

wäre, die bestehenden Parkplätze zu entfernen <strong>und</strong> mit Ausnahme <strong>des</strong><br />

von der Sondernutzungskonzession erfassten Bereichs die gesamte Baugrube auszuheben,<br />

hat sich die Bauherrschaft mit einem vergleichsweise unbedeutenden<br />

Aushub begnügt <strong>und</strong> hat nicht aufgezeigt, inwiefern es sich dabei um einen für das<br />

gesamte Bauvorhaben sinnvollen Beginn der Bauarbeiten handelte oder welcher<br />

Stellenwert dieser Massnahme im Rahmen der Baustellenplanung zukommen sollte.<br />

Es ist denn auch offenk<strong>und</strong>ig, dass aufgr<strong>und</strong> der damaligen Sach- <strong>und</strong> Rechtslage<br />

an einen ernsthaften Baubeginn überhaupt nicht zu denken war: Die Bauherrschaft<br />

verfügte zwar über die seit dem 11. Oktober 1999 rechtskräftige Baubewilligung<br />

vom 18. September 1996; jedoch war nach dem Rückzug der Post das Bauvorhaben<br />

in dieser Form zwecklos geworden <strong>und</strong> hätte überdies zu seiner Verwirklichung<br />

der Sondernutzungskonzession bedurft, die der Stadtrat Bülach am 3. Juli<br />

2002 wohl erteilt hatte, gegen die aber ebenfalls ein Rekursverfahren im Gang war.<br />

Unter diesen Umständen <strong>und</strong> angesichts der Kosten, die allein für eine zweckdienliche<br />

Baustelleneinrichtung sowie für Aushub <strong>und</strong> Sicherung der Baugrube von<br />

40000 m 3 im laut Baufreigabe zulässigen Ausmass jedenfalls einige H<strong>und</strong>erttausend<br />

Franken ausgemacht hätten, wäre in jenem Zeitpunkt ein wirklicher Baubeginn<br />

wirtschaftlich nicht zu verantworten gewesen. Eine Ausführungsplanung, die<br />

es erlaubt hätte, das Bauvorhaben nach dem Aushub von 2410 m 2 vom 2. bis 9. Oktober<br />

2002 unverzüglich <strong>und</strong> ohne unnötige Unterbrechungen zu Ende zu führen,<br />

lag nicht vor. Zwar trifft es zu, dass die Bauherrschaft in jenem Zeitpunkt die Bauvorbereitungen<br />

an die Hand genommen hatte; die zu den Akten gereichten Unterlagen<br />

gehen jedoch nicht wesentlich über das für die Baufreigabe formell erforder-<br />

76<br />

149


76<br />

liche Minimum hinaus. So liegt bezüglich der Baugrubensicherung gemäss Bericht<br />

der L AG vom 23. August 2002 lediglich eine «Vordimensionierung» vor, <strong>und</strong> es<br />

wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für das Bauprojekt weitere Abklärungen<br />

erforderlich seien; dass solche in der Folge vorgenommen wurden, wird nicht<br />

behauptet. Es ist <strong>des</strong>halb davon auszugehen, dass im Oktober 2002 nicht einmal der<br />

für das Bauvorhaben notwendige Aushub ohne grössere Unterbrechungen hätte zu<br />

Ende geführt werden können.<br />

Der Regierungsrat hat die «verhältnismässig bescheidenen Vorkehrungen»<br />

der Bauherrschaft gleichwohl als Baubeginn anerkannt, weil die Baufreigabe erst<br />

am 4. bzw. 19. September 2002 erteilt worden sei; mit den zwischen dem 20. August<br />

<strong>und</strong> 26. September 2002 eingereichten Rekursen sei die Freigabe wieder in<br />

Frage gestellt <strong>und</strong> mit den superprovisorischen Verfügungen <strong>des</strong> Regierungspräsidenten<br />

vom 30. September <strong>und</strong> 8. Oktober 2002 nur mit Vorbehalten bestätigt worden.<br />

Damit übersieht die Vorinstanz, dass die Unsicherheit bezüglich Realisierung<br />

<strong>des</strong> am 18. September 1996 bewilligten Bauvorhabens in erster Linie darauf zurükkzuführen<br />

war, dass dieses wegen <strong>des</strong> Ausscheidens der Post nicht mehr in der geplanten<br />

Form verwirklicht werden sollte <strong>und</strong> zudem einer Sondernutzungskonzession<br />

<strong>des</strong> Stadtrats bedurfte, die zwar erteilt, aber wegen eines Rekursverfahrens<br />

noch nicht rechtskräftig war. Mit anderen Worten verfügte die Bauherrschaft zwar<br />

über eine seit dem 11. Oktober 1999 rechtskräftige Bewilligung, jedoch für ein Projekt,<br />

das sie in dieser Form nicht mehr realisieren wollte <strong>und</strong> bis zum Eintritt der<br />

Rechtskraft der Sondernutzungskonzession auch nicht realisieren konnte. Die von<br />

der Bauherrschaft getroffenen Massnahmen zielten somit nicht auf die rasche<br />

Realisierung <strong>des</strong> rechtskräftig bewilligten Projekts, sondern in erster Linie darauf<br />

ab, die Gültigkeit der rechtskräftigen, jedoch obsolet gewordenen Bewilligung so<br />

zu verlängern, dass die Bewilligungen für die notwendig gewordenen Projektänderungen<br />

erwirkt werden konnten. Eine solche Verlängerung der Gültigkeit der Baubewilligung<br />

um unbestimmte Zeit entspricht offenk<strong>und</strong>ig nicht dem Sinn der gesetzlichen<br />

Befristung, mit welcher verhindert werden soll, dass Bauten errichtet<br />

werden, die aufgr<strong>und</strong> der bei Baubeginn massgeblichen Sach- <strong>und</strong> Rechtslage nicht<br />

mehr bewilligt werden könnten (Mäder, Rz. 404; Hänni, S. 320, FN 231; Balthasar<br />

Heer, St. Gallisches Bau- <strong>und</strong> Planungsrecht, Bern 2003, Rz. 871).<br />

150<br />

VB.2003.00345 1. Kammer, 30. Juni<br />

BEZ 2004 Nr. 48


77, 78, 79<br />

77. Wenn die Änderung einer UVP-pflichtigen Anlage in Frage steht <strong>und</strong> diese<br />

Änderung umweltrelevante Änderungen zeitigt, muss sinnvollerweise diejenige<br />

Behörde über die Bewilligung entscheiden, die für UV-pflichtige Anlagen<br />

generell zuständig ist. Ob sich dabei auch die Frage einer neuen UVP<br />

stellt, ist nicht ausschlaggebend. Zuständige Rekursinstanz ist demnach der<br />

Regierungsrat. § 329 Abs. 2 lit. c PBG.<br />

VB.2004.00099 1. Kammer, 2. Juni<br />

BEZ 2004 Nr. 68<br />

Auf eine gegen diesen Entscheid gerichtete staatsrechtliche Beschwerde ist das B<strong>und</strong>esgericht<br />

am 23. November 2004 nicht eingetreten (BGr, 23. November 2004, 1P.438/2004, www.bger.ch).<br />

78. Beim Entscheid über die Verhältnismässigkeit <strong>des</strong> Abbruchs einer eigenmächtig<br />

erstellten baurechtswidrigen Baute sind bei den für einen Abbruch<br />

sprechenden allgemeinen Interessen auch diejenigen der Nachbarn an der<br />

Schaffung rechtmässiger Verhältnisse zu berücksichtigen. § 341 PBG.<br />

VB.2004.00151 1. Kammer, 14. Juli<br />

79. Der Bestan<strong>des</strong>schutz im Sinn von § 357 Abs. 1 PBG erfasst nur bestehende<br />

Bauten <strong>und</strong> Anlagen, nicht auch bewilligte, aber noch nicht ausgeführte<br />

Projekte. § 357 Abs. 1 PBG.<br />

VB.2004.00038 1. Kammer, 21. April<br />

BEZ 2004 Nr. 28<br />

151


80<br />

152<br />

D. Umweltrecht<br />

80. Die für die Bewilligung einer neuen ortsfesten Anlage zuständige Behörde<br />

muss begründen, weshalb die Ermittlung der Immissionen unterbleiben<br />

kann. Bei der Beurteilung einer Aufbereitungsanlage für Bauschutt ist nicht<br />

nur auf den tageweisen Einsatz der Steinbrechanlage abzustellen, sondern<br />

es sind alle Einwirkungen, die vom Betrieb <strong>des</strong> Bauschuttlagerplatzes ausgehen,<br />

einzubeziehen. Art. 8 USG. Art. 36 Abs. 1 LSV.<br />

3.1 Gemäss § 7 Abs. 1 VRG untersuchen die Verwaltungsbehörden den Sachverhalt<br />

von Amts wegen. Soweit er für die zu entscheidende Frage erheblich ist,<br />

muss die Behörde den Sachverhalt umfassend klären (Kölz/Bosshart/Röhl, § 7 N. 7).<br />

Ortsfeste Anlagen dürfen nur errichtet werden, wenn die durch diese Anlagen<br />

allein erzeugten Lärmimmissionen die Planungswerte in der Umgebung nicht überschreiten;<br />

die Bewilligungsbehörde kann eine Lärmprognose verlangen (Art. 25<br />

Abs. 1 USG). Unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung sind Emissionen<br />

im Rahmen der Vorsorge so weit zu begrenzen, als dies technisch <strong>und</strong> betrieblich<br />

möglich <strong>und</strong> wirtschaftlich tragbar ist (Art. 11 Abs. 2 USG). Die Lärmemissionen<br />

einer neuen ortsfesten Anlage müssen nach den Anordnungen der Vollzugsbehörde<br />

so weit begrenzt werden, als dies technisch <strong>und</strong> betrieblich möglich sowie wirtschaftlich<br />

tragbar ist <strong>und</strong> dass die von der Anlage allein erzeugten Lärmemissionen<br />

die Planungswerte nicht überschreiten (Art. 7 Abs. 1 LSV). Die zuständige Behörde<br />

hat die Pflicht zur Ermittlung der Immissionen, die eine ortsfeste Anlage in ihrer<br />

Umgebung verursacht, sobald Gr<strong>und</strong> zur Annahme besteht, dass die massgeblichen<br />

Belastungsgrenzwerte überschritten sind oder ihre Überschreitung zu erwarten ist<br />

(Art. 36 Abs. 1 LSV; Robert Wolf in: Kommentar USG, Art. 25 N. 95).<br />

3.2 Den sich aus dem kantonalen <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esrecht ergebenden Untersuchungspflichten<br />

sind weder die kommunale noch die kantonale Behörde nachgekommen.<br />

Bereits die Baueingabe für einen «Bauschuttlagerplatz für Aufbereitungsanlage»<br />

wirft Fragen auf, die näherer Abklärung bedurft hätten. Zwar wurden im Rahmen<br />

der Vorprüfung von der zuständigen kantonalen Stelle zusätzliche Unterlagen<br />

eingefordert, welche der Gesuchsteller am 1. Oktober 2001 zu den Akten reichte.<br />

Ein klares Bild über die zu bewilligende Nutzung lässt sich jedoch auch aus diesen<br />

ergänzten Unterlagen nicht gewinnen. So ist bereits die Bezeichnung «Bauschutt-


lagerplatz für Aufbereitungsanlage» missverständlich; gemeint ist offenbar die<br />

Nutzung der bisher als Autoverkaufsplatz <strong>und</strong> Material-Lagerplatz dienenden Fläche<br />

als Platz zur Lagerung <strong>und</strong> Aufbereitung von Bauschutt, letzteres unter anderem<br />

durch den Einsatz einer mobilen Kompakt-Steinbrecheranlage an 2 bis 3 Arbeitstagen<br />

pro Jahr. Unklar ist insbesondere, ob sich die Angabe, wonach weniger<br />

als 1000 Tonnen pro Jahr verarbeitet würden, allein auf das durch die Brechanlage<br />

zu verarbeitende Material bezieht, oder auf den gesamten angelieferten Bauschutt,<br />

der gemäss dem nachgereichten «Entsorgungskonzept» auch Alteisen, Kunststoff,<br />

Holz etc. umfasst, welche aussortiert <strong>und</strong> zu einer Schrottsammelstelle bzw. in eine<br />

Kehrichtverbrennungsanlage abgeführt werden. Diese Unklarheit hätte nur schon<br />

<strong>des</strong>halb vorweg beseitigt werden müssen, weil gemäss Ziff. 40.7 <strong>des</strong> Anhangs zur<br />

UVPV Anlagen zum Sortieren, Behandeln, Verwerten oder Verbrennen von Abfällen<br />

mit einer Behandlungskapazität von mehr als 1000 Tonnen pro Jahr UVPpflichtig<br />

sind. Die Frage, ob eine UVP erforderlich ist, hängt somit nicht allein von<br />

der Kapazität der Brechanlage ab, sondern von der Gesamtmenge <strong>des</strong> Bauschutts<br />

<strong>und</strong> allfälliger anderer Abfälle, die auf dem zu bewilligenden Platz angeliefert, sortiert,<br />

umgeschlagen <strong>und</strong> verarbeitet wird. Die Bewilligung müsste <strong>des</strong>halb klar festhalten,<br />

dass diese Gesamtmenge von 1000 Tonnen nicht überschritten werden darf.<br />

Ob der bisherige Umschlag-, Sortier- <strong>und</strong> Verarbeitungsprozess diese Grenze<br />

beachtet hat, was von der Beschwerdegegnerin bestritten wird, lässt sich aufgr<strong>und</strong><br />

der Akten nicht beurteilen. Da die Anlage bereits in Betrieb steht, hätten allenfalls<br />

auch die entsprechenden Geschäftsunterlagen eingefordert werden können. Die<br />

Baubewilligung äussert sich auch nicht darüber, wie die Einhaltung der mengenmässigen<br />

Begrenzung kontrolliert <strong>und</strong> durchgesetzt werden soll; die Meldepflicht<br />

gemäss Ziffer 1.2 der Baubewilligung bezieht sich ausschliesslich auf den Betrieb<br />

der Brechanlage, was nach dem Gesagten ungenügend ist.<br />

Auch die Abklärungen betreffend Lärmschutz der eigens dazu berufenen kantonalen<br />

Amtsstelle sind völlig ungenügend. Deren Verfügung vom 14. September<br />

2001 beschränkt sich neben der Wiedergabe der ihre Zuständigkeit begründenden<br />

Bestimmungen auf die Erteilung der Bewilligung mit dem Hinweis, dass nach Art.<br />

7 Abs. 1 LSV die Lärmemissionen der projektierten neuen ortsfesten Anlagen soweit<br />

zu begrenzen seien, als dies technisch <strong>und</strong> betrieblich möglich sowie wirtschaftlich<br />

tragbar ist <strong>und</strong> dass die Immissionen die Planungswerte nicht überschreiten.<br />

Eine solche blosse Wiederholung der anwendbaren Bestimmungen genügt dem<br />

verfassungsrechtlichen Begründungsgebot in keiner Weise, <strong>und</strong> für sich alleine<br />

betrachtet wäre die Verfügung <strong>des</strong> Amts für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit der Volkswirtschaftsdirektion<br />

vom 14. September 2001 schon aus diesem Gr<strong>und</strong> aufzuheben. Inwieweit<br />

diese Verfügung durch die Rekursvernehmlassung vom 13. März 2002<br />

hätte geheilt werden können (vgl. Kölz/Bosshart/Röhl, § 10 N. 45), kann dahinge-<br />

80<br />

153


80, 81<br />

stellt bleiben, da auch die dortige Begründung nicht ausreicht. Selbst wenn – wie<br />

in der Rekursvernehmlassung ausgeführt wird – nur die Brechanlage für sich allein<br />

zu beurteilen wäre <strong>und</strong> es <strong>des</strong>halb wahrscheinlich wäre, dass wegen <strong>des</strong> Betriebs an<br />

nur drei Tagen pro Jahr die Belastungsgrenzwerte insofern eingehalten würden,<br />

müsste die Plausibilität einer solchen Folgerung unter Hinweis auf die geltenden<br />

Grenzwerte, die für die Ermittlung der Belastung massgeblichen Orte (Art. 39 LSV)<br />

<strong>und</strong> einer überschlagsmässigen Ermittlung <strong>des</strong> Beurteilungspegels nach Anhang 6<br />

zur LSV dargelegt werden. Wenn Art. 36 Abs. 1 LSV die Vollzugsbehörde die Ermittlung<br />

der Lärmimmissionen nur verlangt, wenn sie Gr<strong>und</strong> zur Annahme hat,<br />

dass die massgeblichen Belastungsgrenzwerte überschritten sind oder ihre Überschreitung<br />

zu erwarten ist, verlangt die Begründungspflicht min<strong>des</strong>tens einen nachvollziehbaren<br />

Hinweis darauf, weshalb kein Gr<strong>und</strong> für eine solche Annahme besteht;<br />

das muss besonders gelten, wenn es wie hier um die nachträgliche Bewilligung<br />

einer Anlage geht, deren bisheriger Betrieb bereits zu Lärmklagen geführt hat.<br />

Sodann sind gemäss Art. 8 USG die Einwirkungen sowohl einzeln als auch<br />

gesamthaft <strong>und</strong> nach ihrem Zusammenwirken zu beurteilen. Zu den Emissionen<br />

eines Lagerplatzes für Bauschutt mit Aufbereitungsanlage gehören alle mit der Anlieferung,<br />

dem Abladen, dem Sortieren, dem Zurichten für die Brechanlage, dem<br />

Brechen selber, dem Aufladen <strong>und</strong> dem Wegführen verb<strong>und</strong>enen Auswirkungen.<br />

Solche Tätigkeiten sind mit dem Betrieb <strong>des</strong> Bauschuttlagerplatzes <strong>und</strong> der Brechanlage<br />

offenk<strong>und</strong>ig verb<strong>und</strong>en, doch lässt sich den Akten nichts entnehmen, was<br />

die insgesamt verarbeiteten Mengen, den zeitlichen Umfang dieser Tätigkeiten <strong>und</strong><br />

die damit verb<strong>und</strong>enen Emissionen betrifft. Der Sachverhalt ist auch insofern unzureichend<br />

geklärt, <strong>und</strong> beide Bewilligungen sind auch aus diesem Gr<strong>und</strong> aufzuheben.<br />

Die Bewilligungsbehörden werden diese Untersuchungen nachholen müssen;<br />

ob gestützt auf Art. 25 Abs. 1 USG eine Lärmprognose zu verlangen ist, werden sie<br />

im Rahmen dieser Sachverhaltsermittlung zu entscheiden haben.<br />

154<br />

VB.2003.00288 1. Kammer, 11. Februar<br />

BEZ 2004 Nr. 31<br />

URP 2004 S. 336<br />

81. Wurde zu Unrecht auf die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

(UVP) verzichtet, erwächst die Baubewilligung so lange nicht in<br />

Rechtskraft, als sie von einem Beschwerdeführer angefochten werden kann.<br />

Die Baubewilligung muss daher vollumfänglich aufgehoben werden. Erst<br />

für den Fall, dass die Bewilligung nicht erteilt werden kann, ist mit Blick


auf die Wiederherstellung <strong>des</strong> rechtmässigen Zustands zu prüfen, wieweit<br />

der Bauherrschaft der Abbruch oder die Änderung der bereits erstellten<br />

Baute noch zugemutet werden kann. Art. 9 USG. § 341 PBG. § 30 VRG.<br />

3.1 Die Gr<strong>und</strong>idee der UVP besteht darin, dass die voraussehbaren<br />

Auswirkungen eines umweltbelastenden Vorhabens im Voraus abgeklärt <strong>und</strong> beurteilt<br />

werden sollen, damit die mit der Sache befasste Behörde entsprechend aufgeklärt<br />

entscheiden kann. Die UVP will gewährleisten, dass Projekte, welche die<br />

Umwelt erheblich belasten können, nur zur Ausführung gelangen, wenn eine eingehende<br />

Prüfung ergeben hat, dass sie auf die Erfordernisse <strong>des</strong> Umweltschutzrechts<br />

abgestimmt sind. Die Pflicht, bei solchen Projekten eine UVP durchzuführen,<br />

steht in engem Bezug zu wichtigen Gr<strong>und</strong>prinzipien <strong>des</strong> schweizerischen Umweltrechts,<br />

nämlich zum Vorsorgeprinzip (Art. 1 Abs. 2 USG) <strong>und</strong> zum Gr<strong>und</strong>satz<br />

der ganzheitlichen Betrachtungsweise (Art. 8 USG; zum Ganzen Heribert Rausch/<br />

Peter M. Keller in: Kommentar USG, Art. 9 N. 1 f., mit zahlreichen Hinweisen).<br />

Damit die UVP ihre optimale Wirksamkeit entfalten kann <strong>und</strong> ihre Ergebnisse<br />

die Ausgestaltung <strong>des</strong> Projekts noch zu beeinflussen vermögen, muss sie so früh<br />

wie nur möglich vorgenommen werden. Als Ausfluss <strong>des</strong> Vorsorgeprinzips soll die<br />

UVP dazu dienen, die Gesichtspunkte <strong>des</strong> Umweltschutzes zu einem Zeitpunkt zu<br />

berücksichtigen, der es noch gestattet, Alternativlösungen auszuarbeiten oder ohne<br />

erhebliche finanzielle Einbussen auf die Durchführung <strong>des</strong> Vorhabens zu verzichten<br />

(Rausch/Keller, Art. 9 N. 56, mit Hinweis).<br />

3.2 Im vorliegenden Fall wurde zu Unrecht auf eine UVP verzichtet, was auch<br />

die Beschwerdeführerin anerkennt. Sie führt jedoch gleichzeitig an, dass ihr daraus<br />

kein Nachteil erwachsen dürfe, da sie im Vertrauen auf die Korrektheit der Baubewilligung,<br />

welche explizit auf eine UVP verzichtete, das Projekt ausgeführt habe.<br />

3.2.1 Auch der Regierungsrat geht in seinem Entscheid davon aus, dass die<br />

Baubewilligung gr<strong>und</strong>sätzlich rechtskräftig geworden sei. Dementsprechend hob er<br />

die Bewilligung nur insofern auf, als darin auf eine UVP verzichtet wurde; gestützt<br />

auf das Ergebnis der nachträglich durchzuführenden UVP habe die Baubehörde danach<br />

lediglich noch zu prüfen, ob Ergänzungen (Auflagen oder andere Massnahmen)<br />

zur Baubewilligung nötig seien.<br />

Diese Rechtsauffassung ist unzutreffend. Solange die Baubewilligung vom<br />

Beschwerdegegner angefochten werden konnte, erwuchs sie nicht in Rechtskraft.<br />

Die Baubewilligung hätte daher aufgehoben werden müssen, sodass die Bau-<br />

81<br />

155


81<br />

behörde nach Durchführung der UVP über deren Erteilung hätte entscheiden können.<br />

Erst für den Fall, dass die Bewilligung nicht hätte erteilt werden können, wäre<br />

mit Blick auf die Wiederherstellung <strong>des</strong> rechtmässigen Zustands zu prüfen gewesen,<br />

wieweit der Bauherrschaft der Abbruch oder die Änderung der bereits erstellten<br />

Baute noch zugemutet werden kann (Kölz/Bosshart/Röhl, § 30 N. 52 ff.; Haller/<br />

Karlen, N. 859 ff.; Hänni, S. 326 ff.; Fritzsche/Bösch, S. 24–9 ff.). Nachdem der<br />

Beschwerdegegner den Entscheid <strong>des</strong> Regierungsrats jedoch nicht angefochten hat,<br />

ist dieser insoweit in Rechtskraft erwachsen. Die Baubewilligung kann daher mit<br />

Bezug auf den Bestand der Anlage nicht mehr in Frage gestellt werden, sondern es<br />

kommen nur noch Auflagen bzw. zusätzliche Massnahmen in Betracht.<br />

3.2.2 Die Beschwerdeführerin lässt geltend machen, der Durchführung einer<br />

nachträglichen UVP käme höchstens verfahrensrechtlicher Selbstzweckcharakter<br />

zu, da die Auswirkungen der ersten Ausbauetappe, die hier beurteilt werden müssten,<br />

im UVB zur zweiten <strong>und</strong> dritten Ausbauetappe vom 13. August 1999 behandelt<br />

worden seien. Es ergebe sich aus diesem Bericht, dass die erste Etappe nur<br />

marginale Auswirkungen zu Folge habe.<br />

Selbst wenn einzelne Auswirkungen der ersten Ausbauetappe im genannten<br />

Umweltverträglichkeitsbericht mitberücksichtigt wurden, stand diese nicht im<br />

Zentrum der Untersuchung. Es widerspräche dem Zweck der UVP, wenn an die<br />

Stelle präziser, projektbezogener Gesamtanalysen Nebenaspekte eines anderen<br />

UVB treten könnten. Dass bereits gewisse Daten erhoben worden sind, vermag die<br />

Beschwerdeführerin allenfalls im eigens zu erstellenden UVB zu verwerten. Das<br />

Interesse der Beschwerdeführerin, keine nachträgliche UVP durchführen zu müssen,<br />

wiegt auch <strong>des</strong>halb nicht schwer, weil sie diese Pflicht <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Kostenfolgen bei einer korrekten Durchführung <strong>des</strong> Bewilligungsverfahrens<br />

ohnehin getroffen hätten.<br />

3.2.3 Die Beschwerdeführerin bringt im Übrigen zu Recht nicht vor, dass sich<br />

der Beschwerdegegner den Bauentscheid zu spät habe zustellen lassen <strong>und</strong> dieser<br />

allein schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht mehr hätte (teilweise) aufgehoben<br />

werden dürfen (vgl. etwa BGE 102 Ib 91 E. 3). Bei einer Zeitspanne von<br />

etwas über 13 Monaten zwischen der Erteilung der Bewilligung <strong>und</strong> dem nachträglichen<br />

Zustellungsbegehren würde sich ein solcher Schluss auch verbieten.<br />

156


81, 82<br />

3.3 Insgesamt erscheint die nachträgliche Anordnung der UVP rechtlich geboten,<br />

was zur Abweisung der Beschwerde führt.<br />

VB.2003.00036 1. Kammer, 10. März<br />

BEZ 2004 Nr. 33<br />

URP 2004, S. 323<br />

82. Bei der Zuweisung der Abwasserreinigungsanlagen zu einer bestimmten<br />

Entsorgungsanlage sind die Kosten für die betroffene Gemeinde nicht das<br />

entscheidende Kriterium. Eine Verpflichtung zum Vertragsabschluss mit<br />

dem Betreiber der Entsorgungsanlage kann der Gemeinde nicht auferlegt<br />

werden. Art. 31b USG.<br />

2.1 Die Beschwerdeführerin richtet sich in erster Linie gegen die im angefochtenen<br />

Beschluss statuierte feste Zuweisung ihrer Abwasserreinigungsanlage zu<br />

einer bestimmten Entsorgungsanlage, hier also zur SVA Limmattal. Für den Fall,<br />

dass wirtschaftlichere <strong>und</strong> ökologisch vertretbare Lösungen gef<strong>und</strong>en werden, verlangt<br />

sie die Möglichkeit der freien Wahl unter den Entsorgungsanlagen. Nur so<br />

bestehe der notwendige Innovationsdruck auf die bestehenden Anlagen.<br />

Die strittige Zuweisung gründet wie gesehen in der b<strong>und</strong>esrechtlichen Bestimmung,<br />

wonach die Kantone unter anderem für die Abfälle aus der öffentlichen<br />

Abwasserreinigung Einzugsgebiete festlegen (Art. 31b Abs. 1 <strong>und</strong> 2 USG). Als<br />

Einzugsgebiet muss hier analog zur Definition in Art. 31a Abs. 2 lit. a USG das<br />

Gebiet gelten, aus welchem den Anlagen der Klärschlamm übergeben werden<br />

muss. Einzugsgebiete ordnen <strong>des</strong>halb die Abfälle aus bestimmten Gebieten einer<br />

bestimmten Abfallanlage zu (vgl. Pierre Tschannen in: Kommentar USG, Art. 31b<br />

N. 20). Die Regelung von Art. 31b Abs. 2 USG gibt den Kantonen somit klarerweise<br />

die Befugnis, den in einer Abwasserreinigungsanlage anfallenden Klärschlamm<br />

einer Entsorgungs- oder Aufbereitungsanlage fest zuzuteilen. Ein Wahlrecht<br />

besteht für die Inhaber der Abwasserreinigungsanlagen nicht.<br />

2.2 Soweit die Beschwerdeführerin mit ihren Begehren Preisunterschiede eliminieren<br />

will <strong>und</strong> eine Harmonisierung in der Klärschlammentsorgung anstrebt, ist<br />

zunächst auf Folgen<strong>des</strong> hinzuweisen: Naturgemäss entstehen den Gemeinden durch<br />

die Zuweisung ihres Klärschlamms an eine Entsorgungsanlage unterschiedliche<br />

Kosten, <strong>und</strong> zwar allein schon wegen der verschiedenen Distanzen zur regionalen<br />

Entsorgungsanlage. Dass die bestehenden Entsorgungsanlagen nach unterschied-<br />

157


82<br />

lichen Techniken arbeiten <strong>und</strong> verschiedene Grössen haben, führt ebenso naturgemäss<br />

zu unterschiedlichen Kosten für die Gemeinden. Ein Anspruch auf gleichmässige<br />

Kostenbelastung besteht nicht. Zu wiederholen bleibt an dieser Stelle, dass die<br />

Kantone im Rahmen der Abfallplanung sowohl für einen wirtschaftlichen Betrieb<br />

der Anlagen zu sorgen wie auch Überkapazitäten zu vermeiden haben (Art. 31 Abs.<br />

1 <strong>und</strong> Art. 31b Abs. 2 USG). Die Kosten eines Entsorgungswegs sind <strong>des</strong>halb bei<br />

der Zuweisung nicht das einzige, geschweige denn das entscheidende Kriterium.<br />

2.3 Allerdings lässt sich die Frage aufwerfen, ob sich eine Gemeinde bei krassen<br />

Ungleichheiten, namentlich eben weil eine Anlage entgegen Art. 31b Abs. 2<br />

USG nicht wirtschaftlich betrieben wird, der Zuweisung mit Erfolg widersetzen<br />

könnte. Die gesetzliche Pflicht zu einem wirtschaftlichen Betrieb soll immerhin<br />

verhindern, dass die Kosten von schlecht ausgelasteten oder schlecht geführten<br />

Abfallanlagen auf die wegen der Ablieferungspflicht gefangenen Abfallinhaber<br />

überwälzt werden (vgl. Tschannen, Art. 31b N. 23). In<strong>des</strong> braucht die Frage vorliegend<br />

nicht entschieden zu werden. [...] Aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin<br />

<strong>und</strong> den übrigen Akten sind jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich,<br />

dass die Entsorgung über die SVA Limmattal zu solcher Art stossenden<br />

Kostenunterschieden führen würde bzw. dass andere Entsorgungswege überhaupt<br />

preisgünstiger wären. Es besteht <strong>des</strong>halb kein Anlass, die SVA Limmattal zu verpflichten,<br />

bei einer Kostenunterdeckung andere Lösungen zu prüfen <strong>und</strong> zu realisieren<br />

bzw. sie überhaupt zu verpflichten, möglichst schnell kostengünstigere<br />

Verfahren zu prüfen <strong>und</strong> umzusetzen. [...]<br />

2.4 In Dispositiv-Ziffer V hat der Regierungsrat die Inhaber der Abwasserreinigungsanlagen<br />

verpflichtet, die Verträge zur Sicherstellung der Entsorgungsoptionen<br />

<strong>und</strong> zur Festlegung angemessener finanzieller Beteiligung bis 31. März 2004<br />

abzuschliessen (vgl. ferner Dispositiv-Ziffer I.3, wonach neben den finanziellen<br />

Verbindlichkeiten auch die Modalitäten zur Anlieferung <strong>des</strong> Klärschlamms [flüssig,<br />

entwässert, getrocknet] zwischen den Inhabern der Abwasserreinigungsanlagen<br />

<strong>und</strong> der Aufbereitungs- bzw. Entsorgungsanlage vertraglich zu regeln sind).<br />

2.4.1 In diesem Zusammenhang wendet die Beschwerdeführerin ein, dass die<br />

verrechneten Preise für die Entsorgung marktgerecht sein müssten. Sie befürchtet,<br />

dass die SVA Limmattal statt wie bisher einen Marktpreis in Zukunft den (höheren)<br />

effektiven Gestehungspreis verrechnen werde.<br />

2.4.2 Der vom Regierungsrat vorgegebene Vertragsschluss setzt naturgemäss<br />

voraus, dass sich die Betreiber der jeweiligen Entsorgungsanlage einerseits <strong>und</strong> die<br />

158


82, 83<br />

jeweiligen Inhaber der zugewiesenen Abwasserreinigungsanlagen anderseits einigen<br />

können. Dafür besteht jedoch keine Gewähr. Zudem steht es nicht im Machtbereich<br />

der Beschwerdeführerin, die SVA Limmattal zu einem Vertragsschluss zu<br />

veranlassen. Wird der Inhaber der Abwasserreinigungsanlage – wie dies Dispositiv-<br />

Ziffer V formuliert – zum Vertragsschluss verpflichtet, so muss er sich dem Diktat<br />

der SVA Limmattal faktisch unterwerfen. Kernpunkt einer vertraglichen Regelung<br />

ist in<strong>des</strong> gerade, dass die Parteien den Vertragsinhalt aushandeln können. Die<br />

Regelung gemäss Dispositiv-Ziffer V erweist sich <strong>des</strong>halb als widersprüchlich <strong>und</strong><br />

somit als rechtsverletzend. Die Tarifgestaltung kann nicht faktisch ins Belieben der<br />

Entsorgungsanlage gestellt werden.<br />

Demnach ist der Inhaber der Abwasserreinigungsanlage lediglich zum Vertragsschluss<br />

aufzufordern. Erfolgt innert angesetzter Frist keine Einigung, so wird<br />

es Sache der Behörden sein, die strittigen Punkte verfügungsmässig zu regeln <strong>und</strong><br />

dabei gegebenenfalls über die Kostenfrage oder andere Modalitäten der Klärschlammanlieferung<br />

eine Regelung zu treffen. Insofern erweist sich die Beschwerde<br />

als begründet <strong>und</strong> ist sie teilweise gutzuheissen.<br />

VB.2004.00016 4. Kammer, 26. Mai<br />

VB.2004.00029<br />

VB.2004.00044<br />

83. Die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)<br />

ist bei einer erheblichen Erweiterung einer altrechtlichen Anlage auch<br />

dann zu bejahen, wenn der geänderte Anlageteil allein nicht unter die UVP-<br />

Pflicht fallen würde. Um den Anforderungen an die Publikation bei UVPpflichtigen<br />

Projekten zu genügen, müssen die für die Beurteilung massgeblichen<br />

Angaben (Quadratmeterzahl) <strong>des</strong> Projekts enthalten sein. Art. 55<br />

USG. Art. 2 UVPV. Ziff. 80.5 Anhang UVPV.<br />

2. Für die Lösung der in diesem Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen ist<br />

von entscheidender Bedeutung, ob das mit den angefochtenen Baubewilligungen<br />

genehmigte Bauprojekt der UVP-Pflicht untersteht.<br />

2.1 Bevor eine Behörde über die Planung, Errichtung oder Änderung von Anlagen<br />

entscheidet, welche die Umwelt erheblich belasten können, ist laut Art. 9 Abs. 1<br />

USG möglichst frühzeitig deren Umweltverträglichkeit zu prüfen. Der B<strong>und</strong>esrat<br />

hat seinen Auftrag, die entsprechenden Anlagen zu bezeichnen (Art. 9 Abs. 1 USG),<br />

159


83<br />

durch eine Verweisung auf den Anhang zur UVPV erfüllt (Art. 1 UVPV). Viele der<br />

in diesem Anhang genannten Anlagen erfüllen das gesetzliche Kriterium der erheblichen<br />

Umweltbelastung nach Auffassung <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esrats nur, wenn sie eine<br />

bestimmte Min<strong>des</strong>tgrösse aufweisen. Dem trägt der Katalog mit so genannten<br />

Schwellenwerten Rechnung, die als eindeutige Abgrenzungskriterien dem<br />

Rechtssicherheitsbedürfnis entgegen kommen (Heribert Rausch/Peter M. Keller in:<br />

Kommentar USG, Art. 9 N. 33 ff.). Laut Ziff. 80.5 <strong>des</strong> Anhangs zur UVPV zählen<br />

«Einkaufszentren mit mehr als 5000 m 2 Verkaufsfläche» zu den UVP-pflichtigen<br />

Anlagen.<br />

Der hier zu beurteilende Ausbau der Verkaufsfläche belief sich auf 4970 m 2 ,<br />

hätte also für sich allein genommen den Schwellenwert von 5000 m 2 nicht überschritten.<br />

Gegenüber der bereits bestehenden Verkaufsfläche von 6300 m 2 bedeutete<br />

der Ausbau jedoch eine Zunahme von r<strong>und</strong> 79 %. Bei Änderungen bestehender<br />

Anlagen, die im Anhang zur UVPV aufgeführt sind, besteht die UVP-Pflicht, wenn<br />

die Änderung wesentliche Umbauten, Erweiterungen oder Betriebsänderungen<br />

betrifft <strong>und</strong> über die Änderung im Verfahren entschieden wird, das bei neuen<br />

Anlagen für die Prüfung massgeblich ist (Art. 2 Abs. 1 UVPV; kritisch zur Gesetzeskonformität<br />

der letztgenannten Voraussetzung Rausch/Keller, Art. 9 N. 43).<br />

2.2 Die Vorinstanz führt dazu aus, dass bei Änderungen von Anlagen, die wie<br />

das zu erweiternde Möbelhaus unter altem Recht erstellt worden seien, nur dann<br />

<strong>und</strong> insoweit eine UVP durchgeführt werden müsse, als dies der Umfang der Änderung<br />

erfordere. Dabei sei nicht die Höhe <strong>des</strong> Änderungsaufwands entscheidend,<br />

sondern die Frage, ob die der Anlage zuzurechnenden Umweltbelastungen oder<br />

Umweltgefährdungen eine ins Gewicht fallende Veränderung erfahren könnten.<br />

Vorliegend handle es sich zudem um ein Möbelhaus <strong>und</strong> nicht um ein «Einkaufszentrum»<br />

im üblichen Sinn. Auch werde die Zahl der Parkplätze mit dem Ausbau<br />

nicht erweitert. Die zuständige Baubehörde habe <strong>des</strong>halb davon ausgehen dürfen,<br />

dass auf Gr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Umbaus mit keinen erheblich veränderten Auswirkungen zu<br />

rechnen sei. Die UVP sei damit zu Recht nicht angeordnet worden.<br />

Dem hält der Beschwerdeführer zunächst entgegen, die Interpretation von<br />

Ziff. 80.5 <strong>des</strong> Anhangs zur UVPV durch die Vorinstanz verletze B<strong>und</strong>esrecht, da<br />

dort nur die Begriffselemente «Einkaufszentren» <strong>und</strong> «Verkaufsfläche» genannt<br />

würden. Es sei daraus nicht ersichtlich, dass ein «Einkaufszentrum» nicht auch<br />

durch ein einziges grosses Verkaufsgeschäft gebildet werden könne. Weiter gehe es<br />

nicht an, zwei verschiedene Arten von «Verkaufsflächen» zu definieren, nämlich<br />

solche, die «verkehrsintensiv» seien <strong>und</strong> solche, die dies nicht seien. Anhaltspunkte<br />

160


für eine solche Interpretation liessen sich dem B<strong>und</strong>esrecht nicht entnehmen. Vor<br />

allem aber sei es unzulässig, dass sich die Vorinstanz auf die Rechtsprechung zur<br />

Änderung von Anlagen beziehe, für die bereits einmal eine UVP durchgeführt worden<br />

sei. Dort sei eine UVP in der Tat nur sinnvoll, wenn die Änderung aufgr<strong>und</strong><br />

ihres Umfangs selbst der UVP-Pflicht unterliege. Bei einer Altanlage dagegen, die<br />

noch nie auf ihre Umweltverträglichkeit hin überprüft worden sei, genügten bereits<br />

kleine Änderungen, um eine UVP-Pflicht zu begründen.<br />

2.3.1 Art. 2 UVPV unterscheidet zwischen Änderungen bestehender Anlagen,<br />

die im Anhang aufgeführt sind (Abs. 1), <strong>und</strong> Änderungen, nach welchen eine nicht<br />

im Anhang aufgeführte Anlage einer Anlage im Anhang entspricht (Abs. 2 lit. a).<br />

Während die Änderungen von Anlagen, die im Anhang aufgeführt sind, «wesentlich»<br />

sein müssen (Abs. 1 lit. a), ist die Regelung von Absatz 2 im Zusammenhang<br />

mit den im Anhang der UVPV enthaltenen Schwellenwerten zu verstehen: Auch<br />

unwesentliche Änderungen, die zu einer Überschreitung <strong>des</strong> Schwellenwertes führen,<br />

haben die UVP-Pflicht für die gesamte Anlage zur Folge (Rausch/Keller, Art. 9<br />

N. 44 <strong>und</strong> 48). Was dagegen als «wesentlich» im Sinn von Absatz 1 zu gelten hat,<br />

lässt sich nicht abstrakt, sondern nur fallbezogen <strong>und</strong> im Hinblick auf den Zweck<br />

der UVP beurteilen (Rausch/Keller, Art. 9 N. 43). Mit der UVP sollen die voraussehbaren<br />

Auswirkungen eines umweltbelastenden Vorhabens im Voraus abgeklärt<br />

<strong>und</strong> beurteilt werden, damit die mit der Sache befasste Behörde entsprechend aufgeklärt<br />

entscheiden kann. Die UVP soll gewährleisten, dass Projekte, welche die<br />

Umwelt erheblich belasten können, nur zur Ausführung gelangen, wenn eine eingehende<br />

Prüfung ergeben hat, dass sie auf die Erfordernisse <strong>des</strong> Umweltschutzrechts<br />

abgestimmt sind (Rausch/Keller, Art. 9 N. 1 f.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass<br />

die Schwelle für die Durchführung einer UVP nicht zu hoch gelegt werden darf:<br />

Laut Art. 8 Abs. 2 UVPV kann nämlich auch bei an sich bestehender UVP-Pflicht<br />

auf die Erstellung eines detaillierten UVB verzichtet werden, wenn bereits die<br />

Voruntersuchung ergibt, dass keine erheblichen Auswirkungen zu erwarten sind.<br />

Im vorliegenden Fall geht es um die Erweiterung eines altrechtlichen Möbelhauses,<br />

bei <strong>des</strong>sen Errichtung noch keine UVP im Sinn der Umweltschutzgesetzgebung<br />

durchgeführt werden musste. Die Erweiterung der Verkaufsfläche ist erheblich<br />

<strong>und</strong> entspricht für sich selbst fast schon dem Schwellenwert von 5000 m 2 gemäss<br />

Ziff. 80.5 <strong>des</strong> Anhangs zur UVPV. Die bisherige Verkaufsfläche wird um<br />

knapp 79 % vergrössert. Zusammen mit der bereits bestehenden Verkaufsfläche, für<br />

die noch nie eine UVP durchgeführt werden musste, wird das Doppelte <strong>des</strong> Schwellenwerts<br />

überschritten. Alle diese Faktoren sprechen für die UVP-Pflicht.<br />

83<br />

161


83<br />

2.3.2 Die Vorinstanz bezweifelt, dass mit den «Einkaufszentren» in Ziff. 80.5<br />

<strong>des</strong> Anhangs zur UVPV auch Grossläden gemeint seien. Die von einem Grossladen<br />

wie einem Möbelhaus verursachten Umweltbelastungen seien bedeutend geringer<br />

als die Belastungen durch ein gleich grosses Einkaufzentrum mit verschiedenen<br />

Verkaufsläden. Selbst wenn die Annahme der Vorinstanz zutreffen sollte, wäre die<br />

von ihr angeführte mindere Umweltbelastung durch ein Möbelhaus nicht bereits bei<br />

der Überprüfung der UVP-Pflicht, sondern erst im UVP-Verfahren zu berücksichtigen.<br />

Mit der Umschreibung der Anlagetypen mitsamt gewissen Schwellenwerten<br />

wollte der B<strong>und</strong>esrat – wie vorne ausgeführt – eine praktikable Lösung im Interesse<br />

der Rechtssicherheit treffen. Wenn ein bestimmter Anlagetyp den jeweiligen<br />

Schwellenwert überschreitet, ist eine UVP erforderlich. Diese klare Regelung darf<br />

von den Bewilligungsbehörden nicht unterlaufen werden, indem die Umschreibung<br />

der Anlagetypen restriktiv ausgelegt wird. Auf jeden Fall findet die Unterscheidung<br />

nach Einkaufszentren mit nur einem <strong>und</strong> solchen mit mehreren Verkaufsgeschäften<br />

im einschlägigen B<strong>und</strong>esrecht keine Stütze.<br />

2.3.3 Angesichts <strong>des</strong> Zwecks der UVP, <strong>des</strong> erheblichen Umfangs der Verkaufsflächenerweiterung<br />

<strong>und</strong> <strong>des</strong> klaren Wortlauts von Ziff. 80.5 <strong>des</strong> Anhangs zur<br />

UVPV kann der vorinstanzlichen Ansicht nicht gefolgt werden, nach welcher im<br />

vorliegenden Fall die UVP-Pflicht nicht feststehe. Vielmehr ergibt sich diese aus<br />

Art. 2 in Verbindung mit Ziff. 80.5 <strong>des</strong> Anhangs zur UVPV.<br />

3. Unterliegt ein Änderungsprojekt wie im vorliegenden Fall der UVP-Pflicht,<br />

so ist der Beschwerdeführer gemäss Art. 55 USG auch befugt, sämtliche Interessen<br />

<strong>des</strong> Umweltschutzes geltend zu machen (BGE 126 II 460 E. 2 am Ende). Er kann<br />

damit auch geltend machen, in einem bestimmten Verfahren sei eine UVP zu<br />

Unrecht unterblieben. Verneint die zuständige Behörde die UVP-Pflicht, so ist das<br />

Rechtsmittel abzuweisen, andernfalls ist es gutzuheissen. Der Regierungsrat hätte<br />

als Vorinstanz demnach – selbst wenn er die UVP-Pflicht verneint hat – unter diesem<br />

Gesichtspunkt auf den Rekurs eintreten müssen, wenn die übrigen Prozessvoraussetzungen<br />

erfüllt gewesen wären (VGr, 29. März 2001, BEZ 2001 Nr. 22 E. 2a).<br />

Letzteres hat die Vorinstanz verneint, da die Beschwerdeführerin das Rekursrecht<br />

gemäss § 316 PBG verwirkt habe.<br />

4.1 Die Bewilligung von Anlagen, für die eine UVP durchgeführt werden<br />

muss, ist gemäss Art. 55 Abs. 1 USG den beschwerdeberechtigten Organisationen<br />

durch schriftliche Mitteilung oder Publikation im B<strong>und</strong>esblatt oder Amtsblatt zu eröffnen<br />

(Art. 55 Abs. 4 Satz 1 USG). Damit sich die entsprechenden Organisationen<br />

von Anfang an am Verfahren beteiligen können (Art. 55 Abs. 4 Satz 2 USG), haben<br />

162


Rechtsprechung <strong>und</strong> Lehre Min<strong>des</strong>tanforderungen an die Publikation <strong>des</strong> Projekts<br />

formuliert, die sich aus dem Zweck der Publikation ergeben. Diese soll den berechtigten<br />

Organisationen eine erste Meinungsbildung zur Bedeutung <strong>des</strong> Vorhabens<br />

unter Umweltschutzaspekten <strong>und</strong> zur Notwendigkeit einer Anfechtung ermöglichen<br />

(Theodor H. Loretan in: Kommentar USG, Art. 55 N. 44). Die Publikation muss<br />

min<strong>des</strong>tens über Art, Zweck <strong>und</strong> Umfang <strong>des</strong> Vorhabens, Ort <strong>und</strong> raumplanerische<br />

Einordnung sowie betroffene b<strong>und</strong>es- oder kantonalrechtlich geschützte Gebiete<br />

Aufschluss geben (Peter M. Keller, Das Beschwerderecht der Umweltorganisationen,<br />

AJP 1995, S. 1125 ff., 1131; Isabelle Romy, Les droits de recours administratif<br />

<strong>des</strong> particuliers et <strong>des</strong> organisations en matière de protection de l'environnement,<br />

URP 2001, S. 248 ff., 272). Bei UVP-pflichtigen Vorhaben müssen entsprechend<br />

dem Zweck der Publikation auch der Gr<strong>und</strong> der UVP <strong>und</strong> die massgeblich betroffenen<br />

Umweltbereiche in Stichworten aufgeführt werden (Loretan, Art. 55 N. 44).<br />

Im Hinblick auf die für die UVP-Pflicht massgeblichen Schwellenwerte sind auch<br />

bezüglich der dafür relevanten Dimensionen (Quadratmeterzahlen, Parkplatzzahlen<br />

etc.) Angaben zu machen; dies zumin<strong>des</strong>t dann, wenn die Schwellenwerte nicht<br />

deutlich unterschritten werden.<br />

4.2 Die Vorinstanz hat die Publikation <strong>des</strong> Projekts darauf hin überprüft, ob<br />

sie in Einklang mit den Anforderungen von § 314 Abs. 3 PBG die nötigen Angaben<br />

über Ort <strong>und</strong> Art <strong>des</strong> Vorhabens sowie über den Gesuchsteller enthielt. Diese Frage<br />

hat sie bejaht. Da zum Zeitpunkt der Publikation Unklarheit über eine allfällige<br />

UVP-Pflicht bestanden habe, hätten die soeben beschriebenen strengeren Anforderungen<br />

an die Publikation nicht angewandt werden müssen, was die Publikation<br />

<strong>des</strong> Ausbauprojekts als genügend erscheinen lasse. Die Publikation sei anderseits<br />

aber präzis genug gewesen, damit bei einem aufmerksamen, für eine ideelle<br />

Organisation arbeitenden Leser, dem die Verhältnisse in Zürich-Nord nicht völlig<br />

fremd seien, der Verdacht hätte aufkommen müssen, dass es sich um ein grösseres<br />

Möbelkaufhaus handelte. Die Ausschreibung hätte nach vorinstanzlicher Ansicht<br />

von einer Umweltorganisation, welche die von ihr zu erwartende Sorgfalt bei der<br />

Ausübung ihres Beschwerderechts nach Art. 55 USG aufgewendet hätte, als «problematisch»<br />

erkannt werden müssen. Der bescheidene Aufwand, der mit einem Zustellungsbegehren<br />

gemäss § 315 PBG verb<strong>und</strong>en sei, wäre vom Beschwerdeführer<br />

als bedeutender Umweltschutzorganisation zu erwarten gewesen. Dies ergebe sich<br />

allein schon daraus, dass der Beschwerdeführer in früheren Verfahren, in denen<br />

ebenfalls keine UVP durchgeführt worden sei, die von ihm vertretenen Interessen<br />

zu wahren gewusst habe. Der Beschwerdeführer habe <strong>des</strong>halb sein Beschwerderecht<br />

gemäss § 316 Abs. 1 PBG verwirkt, weshalb auf seinen Rekurs nicht einzutreten<br />

sei.<br />

83<br />

163


83<br />

4.3 Für die Anforderungen, die an die Publikation eines Bauprojekts gestellt<br />

werden, kann nicht entscheidend sein, ob sich die zuständige Behörde zum Zeitpunkt<br />

der Publikation über eine allfällige UVP-Pflicht im Klaren war. Die UVP-<br />

Pflicht lässt sich gr<strong>und</strong>sätzlich aus dem einschlägigen B<strong>und</strong>esrecht in objektiver<br />

Weise ableiten. Der Wissensstand oder die Rechtsauffassung einer einzelnen Behörde<br />

ist dabei nicht massgeblich. Die Publikation muss im vorliegenden Fall <strong>des</strong>halb<br />

den strengeren Anforderungen genügen, die bei einem UVP-pflichtigen Projekt<br />

gelten (vorn E. 4.1).<br />

Der Publikation <strong>des</strong> Projekts war weder eine Angabe zu einem allfälligen<br />

UVB noch zum Umfang der Erweiterung zu entnehmen. Gerade zum Umfang der<br />

Erweiterung, der lediglich 30 m 2 unter dem Schwellenwert von 5000 m 2 lag, hätten<br />

nach den vorstehenden Ausführungen Angaben gemacht werden müssen (vorn E.<br />

4.1). Allein die Formulierung, dass das bisherige Attikageschoss in zwei Vollgeschosse<br />

<strong>und</strong> zwei Dachgeschosse umgewandelt werden solle, lässt noch keine<br />

Rückschlüsse auf den Umfang <strong>des</strong> Projekts zu. Es hätte sich gr<strong>und</strong>sätzlich auch um<br />

ein viel kleineres Gebäude handeln können, mit <strong>des</strong>sen Ausbau nur eine viel geringere<br />

Zunahme der Verkaufsfläche verb<strong>und</strong>en gewesen wäre. Objektiv betrachtet<br />

musste <strong>des</strong>halb auch bei einem aufmerksamen Leser nicht der Verdacht aufkommen,<br />

dass es sich hier um eine derart umfangreiche Erweiterung der Verkaufsfläche<br />

handelte.<br />

Soweit die Vorinstanz geltend macht, der Beschwerdeführer habe in früheren<br />

Verfahren die von ihm vertretenen Interessen zu wahren gewusst, indem er die<br />

Objekte, die eigentlich der UVP unterstanden hätten, zu identifizieren vermochte,<br />

kann ihren Schlüssen nicht gefolgt werden. Es ist nicht zulässig, an eine Umweltorganisation,<br />

die sich aktiv bereits an verschiedenen Verfahren beteiligt hat, höhere<br />

Anforderungen zu stellen als an Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter anderer Umweltorganisationen.<br />

Dass der Beschwerdeführer in diesem speziellen Fall nicht zwischen<br />

den Zeilen der wenig aussagekräftigen Publikation zu lesen vermochte, kann<br />

ihm nicht zum Nachteil angerechnet werden. Vielmehr ist hier davon auszugehen,<br />

dass die Publikation den Anforderungen nicht genügte, weil sie zu massgeblichen<br />

Punkten keine Angaben enthielt. Deshalb durfte vom Beschwerdeführer auch objektiv<br />

nicht erwartet werden, sich innert der zwanzigtägigen Frist den Entscheid gemäss<br />

§ 315 Abs. 1 PBG zustellen zu lassen.<br />

4.4 Dem Beschwerdeführer war es bei aller zumutbaren Aufmerksamkeit<br />

objektiv nicht möglich, sein allfälliges Beschwerderecht aufgr<strong>und</strong> der Publikation<br />

<strong>des</strong> Projekts, die den Anforderungen von Art. 55 Abs. 4 Satz 1 USG nicht genügte,<br />

164


83, 84<br />

zu erkennen. Er hat sein Rekursrecht daher nicht verwirkt, weshalb die Vorinstanz<br />

auf seinen Rekurs hätte eintreten müssen.<br />

VB.2003.00054 1. Kammer, 10. März<br />

BEZ 2004 Nr. 32<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine <strong>Verwaltungsgericht</strong>sbeschwerde gegen diesen Entscheid am<br />

5. November 2004 abgewiesen (BGr, 5. November 2004, 1A.136/2004, www.bger.ch).<br />

84. Im Bereich öffentlicher Kanalisationen muss das verschmutzte Abwasser in<br />

die Kanalisation eingeleitet werden. Eine Befreiung von dieser Anschlusspflicht<br />

ist nur in den gesetzlich vorgesehenen Sonderfällen möglich. Das<br />

revidierte Gewässerschutzgesetz schliesst eine Härtefallpraxis aus, die weitere<br />

Ausnahmen von der Anschlusspflicht gestatten würde. Der B<strong>und</strong>esgesetzgeber<br />

hat die Abwägung zwischen öffentlichem <strong>und</strong> privatem<br />

Interesse an der Anschlusspflicht im Bereich öffentlicher Kanalisationen<br />

verbindlich getroffen; zu prüfen bleibt lediglich die Eignung <strong>und</strong> Erforderlichkeit<br />

der angeordneten Massnahme. Art. 11, Art. 12 GSchG. Art. 191 BV.<br />

3.1 Im Bereich öffentlicher Kanalisationen muss das verschmutzte Abwasser<br />

in die Kanalisation eingeleitet werden (Art. 11 Abs. 1 GSchG). Der Bereich öffentlicher<br />

Kanalisationen umfasst namentlich die Bauzonen <strong>und</strong> die weiteren Gebiete,<br />

für die eine Kanalisation erstellt worden ist (Art. 11 Abs. 2 lit. a <strong>und</strong> b GSchG).<br />

Sonderfälle sind in Art. 12 GSchG geregelt; sie betreffen Abwasser, das den Anforderungen<br />

an die Einleitung in die Kanalisation nicht entspricht oder für die Behandlung<br />

in einer zentralen Abwasserreinigungsanlage ungeeignet ist, sodann nicht<br />

verschmutztes Abwasser <strong>und</strong> schliesslich Abwasser aus Landwirtschaftsbetrieben<br />

mit erheblichem Rindvieh- <strong>und</strong> Schweinebestand.<br />

Mit dieser Regelung unterscheidet sich das geltende Gewässerschutzgesetz<br />

von der früheren Ordnung: Gemäss Art. 18 Abs. 1 Satz 1 <strong>des</strong> aufgehobenen Gewässerschutzgesetzes<br />

vom 8. Oktober 1971 (aGSchG) galt zwar auch schon eine allgemeine<br />

Anschlusspflicht im Bereich der Kanalisation. Ausnahmsweise jedoch<br />

konnte für Abwässer, die für die zentrale Reinigung nicht geeignet waren oder für<br />

die diese aus anderen wichtigen Gründen nicht angezeigt war, eine besondere Art<br />

der Behandlung oder Ableitung angeordnet werden (Satz 2). Das B<strong>und</strong>esgericht<br />

bezeichnete diese gesetzliche Ausnahmeregelung als allgemeines Rechtsinstitut,<br />

das bezwecke, im Einzelfall Härten <strong>und</strong> offensichtliche Unzweckmässigkeiten zu<br />

beseitigen (BGE 107 Ib 116 E. 2b, 112 Ib 51 E. 5).<br />

165


84<br />

Anders als diese altrechtliche Regelung von Art. 18 Abs. 1 aGSchG lässt die<br />

geltende Ordnung eine Befreiung von der Kanalisationsanschlusspflicht nicht mehr<br />

mit einer generellen Ausnahmebestimmung zu, sondern beschränkt sie auf die dargelegten<br />

klar umschriebenen Sonderfälle.<br />

3.2 Die Liegenschaft <strong>des</strong> Beschwerdeführers 2 befindet sich im Bereich der<br />

öffentlichen Kanalisation. Nahe bei der nordwestlichen Hausecke befindet sich ein<br />

Schmutzwasseranschluss. Die Liegenschaft untersteht somit der gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />

Einleitungspflicht gemäss Art. 11 GSchG. Sodann liegt kein Sonderfall gemäss Art.<br />

12 GSchG vor. Es fragt sich somit, ob im Hinblick auf besondere Umstände ausnahmsweise<br />

dennoch keine Einleitungspflicht besteht.<br />

3.3 Das Berner <strong>Verwaltungsgericht</strong> hielt im Jahr 1994 unter Berücksichtigung<br />

<strong>des</strong> Inkrafttretens <strong>des</strong> neuen Gewässerschutzgesetzes fest, dass der – im Hinblick<br />

auf die vormalige generelle Ausnahmeregelung entwickelte – Härtefallpraxis, welche<br />

unter Umständen aus finanziellen oder ähnlichen Überlegungen zu einer Befreiung<br />

von der Anschlusspflicht hat führen können, unter neuem Recht keine Bedeutung<br />

mehr zukomme (BVR 1996, S. 17 ff., E. 3b/cc).<br />

Dasselbe Gericht hat diese Formulierung in einem späteren Urteil allerdings<br />

als zu absolut bezeichnet <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb trotz der Gesetzesrevision auf die b<strong>und</strong>esgerichtliche<br />

Rechtsprechung zu Art. 18 Abs. 1 aGSchG zurückgegriffen. Dazu führte<br />

das Gericht im Wesentlichen aus, dass die Härtefallpraxis nichts anderes als der Ausdruck<br />

einer verfassungskonformen Auslegung <strong>des</strong> Gesetzes sei, könne doch eine<br />

vorbehaltlose Anwendung einer allzu strikten Regelung zu unverhältnismässigen<br />

<strong>und</strong> damit verfassungswidrigen Ergebnissen führen (BVR 1999, S. 456 ff., E. 2c,<br />

mit Hinweis auf BGE 119 Ia 190 E. 7a).<br />

3.4 Es trifft zu, dass staatliches Handeln im öffentlichen Interesse liegen <strong>und</strong><br />

verhältnismässig sein muss (Art. 5 Abs. 2 BV). Unbeachtet blieb in der neuen Argumentation<br />

<strong>des</strong> Berner <strong>Verwaltungsgericht</strong>s jedoch Art. 191 BV, wonach B<strong>und</strong>esgesetze<br />

<strong>und</strong> Völkerrecht für die rechtsanwendenden Behörden massgebend sind;<br />

tatsächlich hatte sich der im Berner Urteil zitierte B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid 119 Ia<br />

178 denn auch nicht mit einer gesetzlichen Regelung <strong>des</strong> B<strong>und</strong>es zu befassen.<br />

Gemäss Art. 191 BV ist es dem B<strong>und</strong>esgericht verwehrt, einem B<strong>und</strong>esgesetz<br />

mit der Begründung, es sei verfassungswidrig, die Anwendung zu versagen. Das<br />

schliesst die Anwendung allgemein anerkannter Auslegungsprinzipien, besonders<br />

der Regel, dass B<strong>und</strong>esgesetze verfassungskonform auszulegen sind, zwar nicht<br />

166


aus. Art. 191 BV statuiert in diesem Sinn ein Anwendungsgebot, kein Prüfungsverbot.<br />

Allerdings findet die verfassungskonforme Auslegung – auch bei festgestellter<br />

Verfassungswidrigkeit – im klaren Wortlaut <strong>und</strong> Sinn einer Gesetzesbestimmung<br />

ihre Schranke (BGE 129 II 249 E. 5.4, 123 II 9 E. 2, je mit Hinweisen;<br />

vgl. zur neuen B<strong>und</strong>esverfassung: Botschaft zur BV, BBl 1997 I 428 f., sowie<br />

Häfelin/Haller, N. 2086 ff.).<br />

3.5 Mit der Streichung von «wichtigen Gründen» als allgemeinem Ausnahmetatbestand<br />

(Art. 18 Abs. 1 Satz 2 aGSchG) hat der Gesetzgeber deutlich zum<br />

Ausdruck gebracht, dass in Bauzonen <strong>und</strong> in Gebieten, für die eine Kanalisation<br />

erstellt ist, eine Anschlusspflicht – abgesehen von den Sonderfällen gemäss Art. 12<br />

GSchG – stets zu bejahen ist. Eine Überprüfung von Zweckmässigkeit <strong>und</strong> Zumutbarkeit<br />

<strong>des</strong> Anschlusses besteht nur ausserhalb von Bauzonen <strong>und</strong> anderen Gebieten,<br />

für welche eine Kanalisation erstellt ist (Art. 11 Abs. 2 lit. c GSchG). Es ist<br />

somit in Übereinstimung mit dem klaren Gesetzeswortlaut davon auszugehen, dass<br />

verschmutztes Abwasser im Bereich der öffentlichen Kanalisation – abgesehen von<br />

den in Art. 12 GSchG namentlich aufgeführten Ausnahmetatbeständen – in die Kanalisation<br />

geleitet werden muss. Es entspricht im Übrigen allgemeiner Rechtsprechung,<br />

dass eine Ausnahmebewilligung nur aufgr<strong>und</strong> einer ausdrücklichen Vorschrift<br />

erteilt werden kann (vgl. Imboden/Rhinow, Nr. 37 B II, S. 226; Häfelin/<br />

Müller, Rz. 2539). Selbstredend vermag an dieser Regelung auch § 20 Abs. 2 EG<br />

GSchG nichts zu ändern. Zwar könnte diese Bestimmung dahin gehend verstanden<br />

werden, dass sie in selbständiger Weise Ausnahmen von der Anschlusspflicht vorsehen<br />

will. Als kantonales Recht hat die Norm jedoch von vornherein der Regelung<br />

im B<strong>und</strong>esgesetz zu weichen (vgl. etwa Häfelin/Haller, Rz. 1173 ff.).<br />

3.6 Vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser Rechtslage fragt sich sodann, inwieweit die<br />

angefochtene Anordnung trotz Art. 191 BV auf Übereinstimmung mit dem verfassungsmässigen<br />

Gebot zu verhältnismässigem Handeln überprüft werden kann.<br />

3.6.1 Mit der Regelung gemäss Art. 11 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 lit. a <strong>und</strong> b GSchG hat<br />

der Gesetzgeber die Interessenabwägung als einem Teilaspekt <strong>des</strong> Verhältnismässigkeitsgr<strong>und</strong>satzes<br />

(dazu Häfelin/Müller, Rz. 613 ff.) vorweggenommen. Im Bereich<br />

der Bauzone <strong>und</strong> weiterer Gebiete, für die eine Kanalisation erstellt ist, bleibt<br />

kein Raum mehr für eine Abwägung zwischen öffentlichem <strong>und</strong> privatem Interesse.<br />

3.6.2 Prüfen lässt sich jedoch unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit, ob<br />

der angestrebte Zweck, nämlich die Einleitung <strong>des</strong> verschmutzten Abwassers in die<br />

Kanalisation, mit der konkret angeordneten Massnahme überhaupt erreicht werden<br />

84<br />

167


84, 85<br />

kann (Geeignetheit der Massnahme [dazu Häfelin/Müller, Rz. 587 ff.]). Ferner<br />

kann sich die Frage stellen, ob allenfalls eine mildere, aber gleich geeignete Massnahme<br />

für den angestrebten Erfolg, hier also für die Einleitung <strong>des</strong> Abwassers in<br />

die Kanalisation, ausreichen würde (Erforderlichkeit der Massnahme [dazu<br />

Häfelin/Müller, Rz. 591 ff.]).<br />

168<br />

VB.2004.00215 4. Kammer, 15. September<br />

85. Aus dem eidgenössischen <strong>und</strong> kantonalen Recht ergibt sich kein Anspruch<br />

<strong>des</strong> Privaten, dass der Hauskehricht unmittelbar bei der betreffenden Liegenschaft<br />

bereitgestellt werden kann. Die Festsetzung der Sammelrouten<br />

liegt weit gehend im planerischen Ermessen der Gemeindebehörde. Es ist<br />

nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinde ihr kommunales Recht dahingehend<br />

auslegt, dass nebst technischen Gründen auch weitere sachliche<br />

Gründe berücksichtigt werden können, welche gegen den Einbezug einer<br />

Strasse in die Kehrichtroute sprechen. § 35 Abs. 1 AbfallG.<br />

VB.2003.00444 3. Kammer, 5. Februar


E. Steuerrecht<br />

I. Staatssteuern<br />

1. Steuerpflicht<br />

a) Allgemeine Bestimmungen<br />

86, 87<br />

86. Nach der so genannten Monteur-Klausel im Doppelbesteuerungsabkommen<br />

mit Grossbritannien steht dem Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht<br />

für Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit für einen im anderen<br />

Vertragsstaat ansässigen Arbeitgeber dann zu, wenn sich der Arbeitnehmer<br />

während <strong>des</strong> betreffenden Steuerjahrs weniger als 183 Tage im Tätigkeitsstaat<br />

aufgehalten hat. Die 183-Tage-Regel macht nur bezogen auf eine Referenzperiode<br />

von 365 Tagen Sinn, welche mit dem betreffenden Steuerjahr<br />

identisch ist <strong>und</strong> vorliegend die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2001<br />

umfasst. § 3 StG.<br />

SB.2003.00074 2. Kammer, 20. Oktober<br />

87. Zieht eine Person aus dem Kanton, in welchem sie Gr<strong>und</strong>eigentümerin ist,<br />

weg, endet damit hier die unbeschränkte Steuerpflicht auf Gr<strong>und</strong> persönlicher<br />

Zugehörigkeit; der beschränkten Steuerpflicht bleibt sie jedoch unterworfen.<br />

Hinsichtlich der Vermögenssteuer ergibt sich daraus, dass die<br />

Person bis zu ihrem Wegzug für ihr gesamtes bewegliches <strong>und</strong> unbewegliches<br />

Vermögen im Kanton nach dem Stand am Ende der unbeschränkten<br />

Steuerpflicht <strong>und</strong> für die Zeit ab Wegzug bis zum Ende der Steuerperiode<br />

für ihr unbewegliches Vermögen nach dem Stand am Ende der Steuerperiode<br />

zum Satz <strong>des</strong> gesamten Vermögens zu besteuern ist, dies nach<br />

Massgabe der Dauer der Steuerpflicht (pro rata temporis). § 3, § 4, § 5, § 6,<br />

§ 10, § 51 StG.<br />

3.1 Das steuerbare Vermögen bemisst sich laut § 51 Abs. 1 StG nach dem<br />

Stand am Ende der Steuerperiode oder der Steuerpflicht. Besteht die Steuerpflicht<br />

nur während eines Teils der Steuerperiode, wird gemäss Abs. 3 dieser Bestimmung<br />

169


87<br />

die diesem Zeitraum entsprechende Steuer erhoben. Diese Regelung gilt nach § 51<br />

Abs. 4 StG sinngemäss, wenn der Steuerpflichtige während der Steuerperiode Vermögen<br />

erbt oder die wirtschaftliche Zugehörigkeit zu einem anderen Kanton während<br />

der Steuerperiode entfällt.<br />

Die Steuerpflicht endet kraft § 10 Abs. 2 StG mit dem Tod oder dem Wegzug<br />

<strong>des</strong> Steuerpflichtigen aus dem Kanton oder mit dem Wegfall der im Kanton steuerbaren<br />

Werte.<br />

Bei persönlicher Zugehörigkeit, d.h. bei steuerrechtlichem Wohnsitz oder<br />

Aufenthalt im Kanton (§ 3 Abs. 1 StG), ist die Steuerpflicht laut § 5 Abs. 1 StG unbeschränkt;<br />

sie erstreckt sich aber nicht auf Geschäftsbetriebe, Betriebsstätten <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>stücke ausserhalb <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong>. Bei wirtschaftlicher Zugehörigkeit beschränkt<br />

sich nach § 5 Abs. 2 StG die Steuerpflicht auf die Teile <strong>des</strong> Einkommens<br />

<strong>und</strong> Vermögens, für die gemäss § 4 StG eine Steuerpflicht im Kanton besteht, d.h.<br />

nach Abs. 1 lit. b dieser Bestimmung bei natürlichen Personen ohne steuerrechtlichen<br />

Wohnsitz oder Aufenthalt im Kanton auf deren Eigentum (unter anderem) an<br />

Gr<strong>und</strong>stücken im Kanton. Steuerpflichtige, die im Kanton nur für einen Teil ihres<br />

Einkommens <strong>und</strong> Vermögens steuerpflichtig sind, entrichten aufgr<strong>und</strong> von § 6<br />

Abs. 1 StG die Steuern für die im Kanton steuerbaren Werte nach dem Steuersatz,<br />

der ihrem gesamten Einkommen <strong>und</strong> Vermögen entspricht; steuerfreie Beträge werden<br />

ihnen anteilsmässig gewährt.<br />

3.2 Zieht eine Person – wie die verstorbene Pflichtige – aus dem Kanton, in<br />

welchem sie Eigentum an einem Gr<strong>und</strong>stück hat, weg, endet demnach ihre unbeschränkte<br />

Steuerpflicht mit der Preisgabe <strong>des</strong> Wohnsitzes im Kanton (§ 10 Abs. 2<br />

in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StG). Wegen <strong>des</strong> fortbestehenden Gr<strong>und</strong>eigentums im<br />

Kanton bleibt sie jedoch <strong>des</strong>sen – nunmehr beschränkten – Steuerpflicht unterworfen<br />

(§ 4 Abs. 1 lit. b StG). Der Kanton ist daher berechtigt, die Person in der Steuerperiode<br />

für den Zeitraum bis zum Wegzug für ihr gesamtes Einkommen <strong>und</strong><br />

Vermögen (§ 5 Abs. 1 StG) <strong>und</strong> für den Zeitraum bis Ende der Steuerperiode (nur<br />

noch) für die auf das Gr<strong>und</strong>eigentum im Kanton entfallenden Teile <strong>des</strong> Einkommens<br />

<strong>und</strong> Vermögens (§ 5 Abs. 2 StG) zu besteuern (§ 51 Abs. 3 StG), letztere allerdings<br />

zum Steuersatz, der ihrem gesamten Einkommen <strong>und</strong> Vermögen entspricht<br />

(§ 6 Abs. 1 StG).<br />

Daraus ergibt sich im Licht von § 51 Abs. 1 <strong>und</strong> 3 StG mit Blick auf die hier<br />

streitige Vermögenssteuer, dass die aus dem Kanton wegziehende Person für den<br />

Zeitraum bis zum Wegzug für ihr gesamtes bewegliches <strong>und</strong> unbewegliches Ver-<br />

170


mögen im Kanton nach dem Stand am Ende der unbeschränkten Steuerpflicht zu<br />

besteuern ist. Für den Zeitraum ab Wegzug bis Ende der Steuerperiode ist die nunmehr<br />

ausserkantonal wohnhafte Person für ihr unbewegliches Vermögen im Kanton<br />

nach dem Stand am Ende der Steuerperiode zum Satz <strong>des</strong> gesamten Vermögens zu<br />

besteuern.<br />

Die entsprechende Ordnung würde nach § 51 Abs. 4 StG gelten, wenn die im<br />

Kanton wohnhafte <strong>und</strong> daher unbeschränkt steuerpflichtige Person im Lauf der<br />

Steuerperiode ihr in einem andern Kanton gelegenes Gr<strong>und</strong>stück veräussern <strong>und</strong> so<br />

die wirtschaftliche Zugehörigkeit zum Liegenschaftskanton entfallen würde. Diesfalls<br />

wäre die Person für den Zeitraum bis zur Veräusserung <strong>des</strong> ausserkantonalen<br />

Gr<strong>und</strong>eigentums für ihr Vermögen ohne das ausserkantonale Gr<strong>und</strong>stückvermögen<br />

<strong>und</strong> für den Zeitraum ab Wegzug bis Ende der Steuerperiode für ihr gesamtes bewegliches<br />

<strong>und</strong> unbewegliches Vermögen nach dem Stand am Ende der Steuerperiode<br />

zu besteuern.<br />

3.3.1 Die Beschwerdeführenden wenden hiergegen ein, mit der Wohnsitzverlegung<br />

aus dem Kanton im Lauf der Steuerperiode trete bloss eine Änderung der<br />

Steuerpflicht ein, nämlich von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht.<br />

Von der Beendigung der Steuerpflicht (als solcher) in der Steuerperiode könne <strong>des</strong>halb<br />

keine Rede sein. Da der am 30. September 2000 erfolgte Wegzug der Pflichtigen<br />

aus dem Kanton Zürich auch nicht mit dem Ende der Steuerperiode 2000<br />

zusammenfalle, könne das Vermögen der Pflichtigen bei deren Wegzug nicht<br />

besteuert werden. Diese blosse Änderung der Steuerpflicht sei «kein Stichtag für<br />

die Besteuerung <strong>des</strong> Vermögens».<br />

Tritt die beschränkte an die Stelle der bisher unbeschränkten Steuerpflicht,<br />

kann zwar nicht von der Beendigung der Steuerpflicht im Sinn <strong>des</strong> Wegfalls der<br />

kantonalen Steuerhoheit gesprochen werden. Der in § 51 StG verwendete Begriff<br />

der Steuerpflicht erschöpft sich jedoch nicht im subjektiven Element der persönlichen<br />

oder wirtschaftlichen Zugehörigkeit zum Kanton gemäss § 3 <strong>und</strong> § 4 StG,<br />

sondern umfasst auch das damit verb<strong>und</strong>ene objektive Element der unbeschränkten<br />

<strong>und</strong> beschränkten Steuerpflicht im Sinn von § 5 <strong>und</strong> § 6 StG, das – abhängig von<br />

der Art der Zugehörigkeit – den Umfang <strong>des</strong> kantonalen Besteuerungsrechts bestimmt.<br />

Mit anderen Worten schliesst der Begriff der Steuerpflicht von § 51 StG<br />

sowohl die subjektiven Elemente der persönlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Zugehörigkeit<br />

als auch die objektiven Elemente der unbeschränkten <strong>und</strong> beschränkten Steuerpflicht<br />

ein. Dieses Begriffsverständnis wird auch aus dem jeweiligen Wortlaut der<br />

Vorschriften von § 3 bis § 6 StG ersichtlich, welche im Übrigen allesamt systema-<br />

87<br />

171


87<br />

tisch im zweiten Abschnitt <strong>des</strong> Gesetzes unter dem Marginale «A. Steuerpflicht» zu<br />

finden sind. Schliesslich verweist § 51 StG selber in Abs. 4 für den Wegfall der<br />

wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu einem anderen Kanton <strong>und</strong> damit für einen<br />

Tatbestand <strong>des</strong> Wechsels im Umfang der Steuerpflicht auf die Vorschrift von Abs. 3,<br />

welche die Steuererhebung nach Massgabe der Dauer der Steuerpflicht regelt, wenn<br />

diese nur während eines Teils der Steuerperiode besteht.<br />

Demzufolge liegt auch dann eine Beendigung der Steuerpflicht im Sinn von<br />

§ 51 StG vor, wenn bei fortbestehender subjektiver Steuerpflicht die auf persönlicher<br />

Zugehörigkeit beruhende unbeschränkte Steuerpflicht im Kanton endet. Dass<br />

das Gesetz den Begriff der «Änderung» der Steuerpflicht nicht verwendet, vermag<br />

diese Auslegung nicht als sachwidrig erscheinen zu lassen. Soweit sich die Beschwerdeführenden<br />

für ihren gegenteiligen Standpunkt auf den Abs. 3 von § 10 StG<br />

berufen, <strong>des</strong>sen Marginale im Übrigen «VII. Beginn <strong>und</strong> Ende der Steuerpflicht»<br />

lautet <strong>und</strong> der als einzige einschlägige Bestimmung den Begriff der «Änderung der<br />

Steuerpflicht» enthält, ist ihnen entgegenzuhalten, dass diese Vorschrift, die für die<br />

interkantonale Steuerausscheidung auf das Steuerharmonisierungsgesetz <strong>und</strong> das<br />

Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung verweist, erst nachträglich mit Novelle<br />

vom 11. September 2000 eingefügt worden ist <strong>und</strong> <strong>des</strong>halb gesetzessystematisch<br />

keine Auslegungshilfe zu vermitteln vermag.<br />

Auch die Hinweise der Beschwerdeführenden auf das frühere Recht <strong>des</strong><br />

Steuergesetzes vom 8. Juli 1951 (aStG) vermögen ihnen nicht zu helfen. Dieses beruhte<br />

auf der Vorjahresbemessung <strong>und</strong> sah unter anderem die Zwischeneinschätzung<br />

bei wesentlicher Änderung der Einschätzungsgr<strong>und</strong>lagen vor (§ 59 aStG).<br />

Diese sollte durch die Gegenwartsbemessung der von der Änderung betroffenen<br />

Einkommens- oder Vermögensteile mit der Steuergerechtigkeit nicht zu vereinbarende<br />

erhebliche Disparitäten zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit <strong>und</strong><br />

Steuerbelastung beheben. § 61 Abs. 2 aStG ordnete für die Anwendung der Gegenwartsbemessung<br />

die entsprechende Anwendung der «Bestimmungen über die Besteuerung<br />

bei Beginn <strong>und</strong> Ende der Steuerpflicht» an, d.h. der §§ 57 <strong>und</strong> 58 StG,<br />

welche in<strong>des</strong>sen den Begriff «Änderung der Steuerpflicht» ebenfalls nicht kannten.<br />

3.3.2 Ist eine Beendigung der Steuerpflicht im Sinn von § 51 StG trotz fortbestehender<br />

subjektiver Steuerpflicht auch bei Beendigung der unbeschränkten<br />

Steuerpflicht im Kanton anzunehmen, ergibt sich daraus ohne weiteres, dass sich<br />

das Vermögen gemäss Abs. 1 dieser Vorschrift sowohl nach dem Stand am Ende der<br />

persönlichen Zugehörigkeit als auch nach dem Stand am Ende der Steuerperiode<br />

bemisst, <strong>und</strong> zwar – laut Abs. 3 – nach Massgabe der Dauer der Steuerpflicht («pro<br />

172


87, 88, 89<br />

rata temporis»). Die Ausführungen der Beschwerdeführenden zum Stichtagscharakter<br />

der Vermögensbesteuerung sind daher unbehelflich.<br />

Unbegründet ist sodann deren Argument, aus der vom Gericht mit der Vorinstanz<br />

vertretenen Auffassung ergebe sich im Licht von § 10 Abs. 2 StG, wonach<br />

die Steuerpflicht mit dem Tod oder dem Wegzug <strong>des</strong> Steuerpflichtigen aus dem<br />

Kanton oder mit dem Wegfall der im Kanton steuerbaren Werte endet, dass der<br />

Verkauf der einzigen im Kanton Zürich gelegenen Liegenschaft durch einen im<br />

Kanton wohnhaften Steuerpflichtigen zur Beendigung der beschränkten<br />

Steuerpflicht trotz Weiterbestehens der unbeschränkten Steuerpflicht führe. Die<br />

Beschwerdeführenden übersehen dabei, dass bei diesem Sachverhalt die unbeschränkte<br />

Steuerpflicht vor <strong>und</strong> nach dem Verkauf der Liegenschaft aufgr<strong>und</strong> persönlicher<br />

Zugehörigkeit besteht, so dass auf deren weiteren diesbezüglichen Überlegungen<br />

nicht eingegangen werden muss.<br />

SB.2004.00054 2. Kammer, 20. Oktober<br />

b) Besteuerung der natürlichen Personen<br />

88. Der Doppelverdienerabzug knüpft zwar an die Tatsache der Erzielung von<br />

Erwerbseinkünften (in einem bestimmten Min<strong>des</strong>tmass) durch beide Gatten<br />

an. Doch hat der Gesetzgeber <strong>des</strong>sen Höhe nicht mit Blick auf den Umfang<br />

dieser Einkünfte festgesetzt, sondern vielmehr unter Berücksichtigung der<br />

durch die Doppelerwerbstätigkeit anfallenden erhöhten Lebenshaltungskosten<br />

beider Ehegatten, welche ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insgesamt<br />

mindern. Daher beschlägt der Abzug deren gesamtes Einkommen<br />

<strong>und</strong> ist nicht allein ihren Erwerbseinkünften zurechenbar. Er erweist sich<br />

infolge<strong>des</strong>sen als allgemeiner Abzug <strong>und</strong> ist bei geteilter Steuerhoheit proportional<br />

nach Massgabe <strong>des</strong> jeweils in den beteiligten Staaten steuerbaren<br />

Einkommens der Ehegatten zu verlegen. § 6 Abs. 1 StG.<br />

SB.2003.00057 2. Kammer, 3. März<br />

89. Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit; Bestätigung der verwaltungsgerichtlichen<br />

Rechtsprechung. § 18 StG.<br />

173


89<br />

2. Gemäss § 18 StG sind alle Einkünfte aus einem Handels-, Industrie-,<br />

Gewerbe-, Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaftsbetrieb, aus einem freien Beruf sowie aus<br />

jeder anderen selbständigen Erwerbstätigkeit steuerbar. Zu den Einkünften aus<br />

selbständiger Erwerbstätigkeit zählen auch alle Kapitalgewinne aus Veräusserung,<br />

Verwertung oder buchmässiger Aufwertung von Geschäftsvermögen. Der Veräusserung<br />

gleichgestellt ist die Überführung von Geschäftsvermögen in das Privatvermögen<br />

oder in ausländische Betriebe oder Betriebstätten. Als Geschäftsvermögen<br />

gelten alle Vermögenswerte, die ganz oder vorwiegend der selbständigen Erwerbstätigkeit<br />

dienen (§ 18 Abs. 2 StG in der Fassung vom 8. Juni 1997). Demgegenüber<br />

sind laut § 16 Abs. 3 StG die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen<br />

– vorbehältlich der Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer – steuerfrei.<br />

2.1 § 18 StG entspricht materiell weitgehend dem bisherigen Recht (§ 19 lit. b<br />

aStG), mit Ausnahme der hier nicht interessierenden Präponderanzmethode, welche<br />

§ 18 StG neu in das Zürcher Recht eingeführt hat. Zutreffend legt die Vorinstanz<br />

sodann dar, dass die heutige Bestimmung auch gleich lautet wie Art. 18<br />

Abs. 1 <strong>und</strong> 2 DBG. Ebenso richtig <strong>und</strong> unter Verweis auf die entsprechende Literatur<br />

zeigt die Vorinstanz auf, dass der harmonisierungsrechtliche Begriff der selbständigen<br />

Erwerbstätigkeit gr<strong>und</strong>sätzlich demjenigen der bisherigen Zürcher Praxis<br />

entspricht. Hierauf ist in analoger Anwendung von § 161 GVG zu verweisen.<br />

2.1.1 Nach der Rechtsprechung <strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgericht</strong>s ist die selbständige<br />

Erwerbstätigkeit dadurch gekennzeichnet, dass ihr Träger durch Einsatz von<br />

Arbeitsleistung <strong>und</strong> Kapital in frei bestimmter Selbstorganisation planmässig, anhaltend<br />

<strong>und</strong> nach aussen sichtbar zum Zweck der Gewinnerzielung am wirtschaftlichen<br />

Verkehr teilnimmt (RB 1988 Nr. 23 = StE 1989 B 23.1 Nr. 17). Die Verwaltung<br />

eigenen Vermögens ist demgegenüber keine Erwerbstätigkeit, auch dann nicht,<br />

wenn das Vermögen gross ist <strong>und</strong> der Steuerpflichtige zu seiner fortlaufenden<br />

Orientierung eine kaufmännische Buchhaltung führt (RB 1981 Nr. 46 mit Hinweisen).<br />

Damit hat das <strong>Verwaltungsgericht</strong> in konstanter Rechtsprechung weit höhere<br />

Anforderungen an die Bejahung einer selbständigen Erwerbstätigkeit als nebenberuflicher<br />

gewerbsmässiger Wertschriftenhändler gestellt, als dies etwa das B<strong>und</strong>esgericht<br />

für die direkte B<strong>und</strong>essteuer getan hat (BGE 125 II 113 E. 3c <strong>und</strong> 5e; BGE<br />

122 II 446 mit Hinweisen). Die vom B<strong>und</strong>esgericht entwickelten Kriterien wie<br />

Häufung der An- <strong>und</strong> Verkäufe, die Inanspruchnahme bedeutender Fremdmittel,<br />

kurze Besitzesdauer sowie der Einsatz von Spezialkenntnissen verdeutlichen <strong>und</strong><br />

konkretisieren die herkömmlichen Begriffsmerkmale der selbständigen Erwerbstätigkeit<br />

(RB 1988 Nr. 23). Das Vorhandensein einzelner oder sogar verschiedener<br />

dieser Indizien entbindet das Gericht in<strong>des</strong>sen nicht davon, sich mit den eigent-<br />

174


89, 90<br />

lichen Merkmalen der selbständigen Erwerbstätigkeit zu befassen, um derart ein<br />

umfassen<strong>des</strong> Gesamtbild der zu beurteilenden Aktivitäten zu erhalten (vgl. Markus<br />

Reich in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I/1, Art. 8 StHG N. 12).<br />

2.1.2 Es besteht aus heutiger Sicht kein Anlass, von dieser bewährten Rechtsprechung<br />

abzuweichen. Weder haben die gesetzlichen Bestimmungen für den<br />

Kanton Zürich wesentlich geändert noch ist der bisherigen Rechtsprechung <strong>des</strong><br />

<strong>Verwaltungsgericht</strong>s in der Literatur Kritik entgegengebracht worden, welche eine<br />

neue Beurteilung erfordern würde. Auch unter der Herrschaft <strong>des</strong> Steuergesetzes<br />

vom 8. Juni 1997 ist die bisherige Rechtsprechung zur selbständigen Erwerbstätigkeit<br />

daher weiterzuführen: Angesichts der gesetzlich normierten Steuerfreiheit <strong>des</strong><br />

privaten Kapitalgewinns bei der Besteuerung von Wertschriftengewinnen ist bei der<br />

Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach wie vor grosse Zurückhaltung<br />

angezeigt.<br />

SB.2004.00025 2. Kammer, 24. November<br />

90. Mietereinbauten, die objektiv geeignet waren, den Marktwert der Liegenschaft<br />

zu erhöhen, sind als wertvermehrend im Sinn <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuerrechts<br />

zu würdigen. Deshalb sind die entsprechenden Kosten als<br />

Anlagekosten <strong>und</strong> bei der Bestimmung <strong>des</strong> Geschäftsgewinns als wiedereingebrachte<br />

Abschreibungen zu berücksichtigen. § 18 Abs. 5, § 221 StG.<br />

2.1 Gewinne auf Gr<strong>und</strong>stücken <strong>des</strong> Geschäftsvermögens werden gemäss § 18<br />

Abs. 5 StG in dem Umfang den steuerbaren Einkünften zugerechnet, in dem<br />

Erwerbspreis <strong>und</strong> wertvermehrende Aufwendungen, einschliesslich der Baukreditzinsen,<br />

den Einkommenssteuerwert übersteigen. Mit Ausnahme solcher «wiedereingebrachter<br />

Abschreibungen» fallen Gewinne aus der Veräusserung von Geschäftsgr<strong>und</strong>stücken<br />

kraft § 216 StG unter die Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer.<br />

Die Parteien gehen übereinstimmend von einem Einkommenssteuerwert der<br />

streitbetroffenen Geschäftsliegenschaft in G von Fr. … aus. Im Gegensatz zur Vorinstanz<br />

<strong>und</strong> zu den Pflichtigen stellt sich das beschwerdeführende kantonale Steueramt<br />

auf den Standpunkt, die betragsmässig unbestrittenen Kosten von Fr. … für<br />

Mietereinbauten in der veräusserten Liegenschaft seien für die Bestimmung <strong>des</strong><br />

nach § 18 Abs. 5 StG mit der Einkommenssteuer zu besteuernden Gr<strong>und</strong>stückgewinns<br />

als wertvermehrende Aufwendungen zu würdigen.<br />

175


90<br />

2.2 Wertvermehrend im Sinn von § 221 Abs. 1 lit. a StG sind Aufwendungen<br />

für «Bauten, Umbauten, Meliorationen <strong>und</strong> andere dauernde Verbesserungen <strong>des</strong><br />

Gr<strong>und</strong>stücks». Massgebend für die Beurteilung, ob eine Aufwendung im Sinn von<br />

§ 221 Abs. 1 lit. a StG den Wert eines Gr<strong>und</strong>stücks vermehre, ist nach ständiger<br />

Rechtsprechung <strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgericht</strong>s eine «technisch-» bzw. «rechtlich-objektive»<br />

Betrachtungsweise. Gefragt wird nach der Veränderung <strong>des</strong> Marktwerts (Verkehrswerts),<br />

den das Vermögensobjekt durch die betreffende Aufwendung erfährt.<br />

Ob das Objekt zufolge der Aufwendung wirtschaftlich für den Berechtigten einen<br />

höheren Wert aufweist oder nicht, ist somit unerheblich. Das <strong>Verwaltungsgericht</strong><br />

hat die Übernahme einer solchen, vom B<strong>und</strong>esgericht für die direkte B<strong>und</strong>essteuer<br />

vertretenen «subjektiv-wirtschaftlichen» Sicht (vgl. ASA 57, 654; StE 1991 B 27.2<br />

Nr. 11) ausdrücklich abgelehnt (RB 1997 Nr. 47, 1994 Nr. 56 = StE 1994 B 44.13.7<br />

Nr. 7 = StR 49, 499 = ZStP 1994, 209; RB 1981 Nr. 55).<br />

Sind Aufwendungen im dargelegten Sinn objektiv geeignet, einen höheren<br />

Marktwert <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>stücks herbeizuführen, sind sie in vollem Umfang anrechenbar,<br />

<strong>und</strong> zwar unbekümmert darum, ob sie tatsächlich einen höheren Gr<strong>und</strong>stückwert<br />

bewirken (RB 1982 Nr. 108).<br />

Schliesslich kommt es auch nicht darauf an, ob eine als wertvermehrend zu<br />

würdigende Aufwendung vom Gr<strong>und</strong>stückeigentümer selber oder von Dritten –<br />

z.B. vom Mieter – finanziert worden ist. Entscheidend für die gewinnmindernde<br />

Anrechnung ist nur, dass die Aufwendung geeignet ist, objektiv einen Mehrwert <strong>des</strong><br />

Gr<strong>und</strong>stücks zu schaffen (RB 1972 Nr. 43).<br />

2.3 Die in Frage stehenden Aufwendungen der Mieter für Einbauten im streitbetroffenen<br />

Gr<strong>und</strong>stück beschlagen Fenster, Elektroinstallationen, Lüftungsanlagen,<br />

Sanitärinstallationen, Kücheneinrichtungen <strong>und</strong> dergleichen, die unstreitig Bestandteil<br />

der Liegenschaft bilden. Es ist offenk<strong>und</strong>ig, dass diese Einbauten objektiv<br />

geeignet waren, den Marktwert der Liegenschaft zu erhöhen.<br />

Die Rekurskommission spricht diesen Aufwendungen den wertvermehrenden<br />

Charakter einzig darum ab, weil die Gr<strong>und</strong>stückeigentümer den Mietern, welche<br />

diese Aufwendungen finanziert haben, für die fraglichen Investitionen mietrechtlich<br />

zwingend entsprechende Entschädigungen zu leisten hätten, die insbesondere<br />

auch in einem niedrigeren Mietzins bestehen könnten. Deshalb vermöchten die<br />

Mietereinbauten bei Rohbaumieten keinen höheren Ertragswert <strong>und</strong> somit keinen<br />

höheren Verkehrswert zu bewirken.<br />

176


In<strong>des</strong>sen knüpfen diese Überlegungen schon im Gr<strong>und</strong>satz zu Unrecht an allfällige<br />

Schuldverpflichtungen zwischen den Gr<strong>und</strong>eigentümern als Vermieter <strong>und</strong><br />

den Mietern an; im Übrigen ist anzumerken, dass derartige Verpflichtungen entgegen<br />

der Vorinstanz nach der b<strong>und</strong>esgerichtlichen Rechtsprechung ohnehin nicht bestehen,<br />

weil die Entschädigungspflicht <strong>des</strong> Vermieters vorliegend in allen Mietverträgen<br />

wegbedungen wurde (vgl. BGE 124 III 149). Die Rekurskommission orientiert<br />

sich dergestalt nicht am objektiven Wert <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>stücks als Wirtschaftsaktivum,<br />

sondern stellt auf eine im Licht von § 221 Abs. 1 lit. a StG nicht massgebliche<br />

subjektiv-wirtschaftliche Betrachtungsweise ab. So hängt der Ertragswert von<br />

Gr<strong>und</strong>stücken von den objektiv erzielbaren <strong>und</strong> nicht von den tatsächlich erzielten<br />

Mieterträgen ab (vgl. RB 2003 Nr. 109), welche aufgr<strong>und</strong> besonderer rechtlicher<br />

Beziehungen zwischen Mieter <strong>und</strong> Vermieter unter dem Marktwert liegen können.<br />

Ausserdem betrifft eine allenfalls vom Gr<strong>und</strong>stückveräusserer als Vermieter den<br />

Mietern für deren Einbauten zu entrichtende Entschädigung lediglich die Finanzierung<br />

bestehender wertvermehrender Aufwendungen, was – sowenig wie die Aufnahme<br />

eines Hypothekardarlehens bei einer Bank – den Marktwert <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>stücks<br />

nicht beeinflusst (RB 1994 Nr. 56 = StE 1994 B 44.13.7 Nr. 7 = StR 49, 499<br />

= ZStP 1994, 209).<br />

Die Kosten von Fr. … für die fraglichen Mietereinbauten in der veräusserten<br />

Liegenschaft sind somit als wertvermehrend im Sinn von § 221 Abs. 1 lit. a StG zu<br />

würdigen. Die Vorinstanz ist jedoch davon ausgegangen, dass die Käuferin diese<br />

Einbauten mit dem Kaufpreis nicht abgegolten habe.<br />

2.4 Um die Besteuerung <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>stückgewinns als «unverdienten» Wertzuwachs<br />

zu gewährleisten, verlangt der von Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung entwickelte<br />

Gr<strong>und</strong>satz der vergleichbaren Verhältnisse, dass sich Erlös <strong>und</strong> Anlagekosten auf<br />

das umfänglich <strong>und</strong> inhaltlich gleiche Gr<strong>und</strong>stück zu beziehen haben. Hat sich <strong>des</strong>sen<br />

tatsächliche oder rechtliche Beschaffenheit während der massgebenden Besitzesdauer<br />

wesentlich geändert, so sind durch Zu- oder Abrechnungen am Erwerbspreis<br />

vergleichbare Verhältnisse herzustellen (RB 1999 Nr. 156 = StE 2000 B<br />

44.1 Nr. 7 = ZStP 1999, S. 342, auch zum Folgenden).<br />

Bezugspunkt für den Vergleich der Verhältnisse beim Verkauf ist der Zustand<br />

<strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>stücks, der Gr<strong>und</strong>lage für die Kaufpreisgestaltung bei der Veräusserung<br />

gebildet hat. Es kommt also nicht darauf an, was aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>bucheintrags<br />

dinglich auf den Erwerber zu Eigentum übergeht. Massgebend ist nur das, was an<br />

liegenschaftlichen Werten verkauft <strong>und</strong> zum Gegenstand der vertraglichen Preisbestimmung<br />

gemacht worden ist (RB 1993 Nr. 29 = StE 1993 B 44.12.2 Nr. 2).<br />

90<br />

177


90<br />

Lässt sich dem rechtsgeschäftlichen Willen der Vertragsparteien nichts anderes entnehmen,<br />

ist vermutungsweise davon auszugehen, der Kaufpreis erstrecke sich auf<br />

sämtliche dinglich übertragenen Werte <strong>und</strong> gebe den Verkehrswert all dieser Werte<br />

wieder (RB 1976 Nr. 67). Haben die Vertragsparteien ein überbautes Gr<strong>und</strong>stück<br />

veräussert, dann müssen auch die Gebäudekosten gewinnmindernd berücksichtigt<br />

werden. Ist jedoch aus dem Gesichtswinkel der Kaufpreisfestsetzung lediglich Bauland<br />

oder ein Rohbau verkauft worden, kann bloss der Landpreis bzw. der Preis für<br />

den Rohbau angerechnet werden. Aufwendungen für Bauten, die nach dem rechtsgeschäftlichen<br />

Willen der Vertragsparteien nicht als veräussert gelten <strong>und</strong> daher<br />

nicht mit dem Kaufpreis abgegolten werden, sind infolge<strong>des</strong>sen nicht als Anlagekosten<br />

anrechenbar (vgl. RB ORK 1955 Nr. 92).<br />

Die Rekurskommission hat ihren Standpunkt, die Käuferschaft der streitbetroffenen<br />

Liegenschaft habe die fraglichen Mietereinbauten nicht mit dem Kaufpreis<br />

abgegolten, lediglich mit Überlegungen zur Rendite <strong>des</strong> Kaufpreises aufgr<strong>und</strong><br />

der bestehenden Mietverträge begründet. Ob diese Überlegungen von der Käuferschaft<br />

auch wirklich angestellt worden sind <strong>und</strong> sie in die Kaufpreisgestaltung<br />

Eingang gef<strong>und</strong>en haben, steht nicht fest, sondern beruht auf Mutmassungen der<br />

Vorinstanz. Somit ist die auf Art. 9 <strong>des</strong> Zivilgesetzbuchs (ZGB) beruhende Vermutung,<br />

der öffentlich beurk<strong>und</strong>ete Kaufpreis erstrecke sich auf sämtliche dinglich<br />

übertragenen Werte <strong>und</strong> gebe den Verkehrswert all dieser Werte wieder, nicht<br />

schlüssig widerlegt worden.<br />

Sind die Mietereinbauten aber mit dem Kaufpreis abgegolten worden, müssen<br />

deren Kosten unter dem Gesichtswinkel <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>satzes der vergleichbaren Verhältnisse<br />

als Anlagekosten berücksichtigt werden. Ob die Übernahme allfälliger<br />

mietrechtlicher Entschädigungspflichten eine weitere, den gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuerrechtlich<br />

massgebenden Erlös im Sinn von § 222 StG erhöhende Leistung der<br />

Käuferin darstellt, wie die Vorinstanz erwogen hat, ist im vorliegenden Verfahren<br />

ohne Belang.<br />

2.5 Der Unterschiedsbetrag zwischen den Anlagekosten von Fr. …, einschliesslich<br />

der im Streit liegenden Mietereinbauten, für die veräusserte, dem Geschäftsvermögen<br />

der E zugehörige Liegenschaft <strong>und</strong> deren Einkommenssteuerwert<br />

von Fr. … ist demzufolge kraft § 18 Abs. 5 StG als Gr<strong>und</strong>stückgewinn bei der<br />

Einkommenssteuer der Pflichtigen hälftig zu besteuern.<br />

178<br />

SB.2004.00043/44 2. Kammer, 24. November


91. Das bei Zero-Bonds statt als periodischer Zins als Kapitalleistung ausbezahlte<br />

Entgelt für die Kapitalüberlassung ist zu dem Satz zu besteuern, der<br />

sich ergäbe, wenn anstelle der einmaligen Leistung eine entsprechende<br />

jährliche Leistung ausgerichtet würde (Rentensatz; RB 2003 Nr. 85). Das<br />

Steuerharmonisierungsgesetz lässt dem kantonalen Recht diesbezüglich<br />

einen Anwendungsfreiraum <strong>und</strong> es sind die kantonalen Normen aufgr<strong>und</strong><br />

der unterschiedlichen Entstehungsgeschichte der massgebenden Bestimmungen<br />

nicht zwingend gleich auszulegen wie diejenigen bei der direkten<br />

B<strong>und</strong>essteuer. § 20 Abs. 1 lit. b, § 36 StG. Art. 11 Abs. 2 StHG. Art. 37 DBG.<br />

1.2 […] Wie das <strong>Verwaltungsgericht</strong> in RB 2003 Nr. 85 (= StE 2004 B 29.2<br />

Nr. 9 = StR 2004, 135) erkannt hat, vermag die neue Besteuerungsordnung von<br />

§ 20 Abs. 1 lit. b StG in<strong>des</strong>sen nichts daran zu ändern, dass es im Licht von § 36 StG<br />

sachwidrig wäre, wenn das statt als periodischer Zins aperiodisch als Kapitalleistung<br />

ausbezahlte Entgelt für die Kapitalüberlassung zum vollen Betrag in der Zuflussperiode<br />

besteuert würde <strong>und</strong> der steuerpflichtige Empfänger aus diesem Gr<strong>und</strong><br />

angesichts <strong>des</strong> progressiv ausgestalteten Steuertarifs sein gesamtes Einkommen zu<br />

einem seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht angemessenen überhöhten<br />

Steuersatz zu versteuern hätte.<br />

2. Vorliegend liegt die Steuerperiode 2001 im Streit. Kraft Art. 72 Abs. 2 StHG<br />

ist <strong>des</strong>halb zu prüfen, ob die für das kantonale Recht gef<strong>und</strong>ene Auslegung von<br />

§ 36 StG vor Art. 11 Abs. 2 StHG standzuhalten vermag.<br />

2.1 Art. 11 Abs. 2 StHG ist im Wesentlichen gleich gefasst wie § 36 StG. Er<br />

lautet wie folgt: Gehören zu den Einkünften Kapitalabfindungen für wiederkehrende<br />

Leistungen, so wird die Steuer unter Berücksichtigung der übrigen Einkünfte<br />

zu dem Satz berechnet, der sich ergäbe, wenn anstelle der einmaligen Leistung eine<br />

entsprechende jährliche Leistung ausgerichtet würde.<br />

Die Entstehungsgeschichte zeigt, dass auch Art. 11 Abs. 2 StHG durch die<br />

Anwendung <strong>des</strong> Sondersatzes sicherstellen will, dass die Steuerbelastung <strong>des</strong><br />

Steuerpflichtigen für Kapitalabfindungen nicht grösser wird, als sie es bei wiederkehrenden<br />

Leistungen wäre (vgl. Botschaft über die Steuerharmonisierung vom<br />

25. Mai 1983, S. 98; Markus Reich in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht<br />

I/1, Art. 11 StHG N. 34). Dabei geht aus den Ausführungen <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esrats in<br />

der Botschaft über die Steuerharmonisierung hervor, dass diese Gesetzesbestimmung<br />

(Art. 12 Abs. 3 <strong>des</strong> Entwurfs) eine Sonderregelung für die Satzbestimmung<br />

enthält für «Kapitalabfindungen, die ein Steuerpflichtiger anstelle <strong>und</strong> in Abgeltung<br />

wiederkehrender Leistungen erhält» (Botschaft, a.a.O.).<br />

91<br />

179


91<br />

Wortlaut, Zweck <strong>und</strong> Entstehungsgeschichte von Art. 11 Abs. 2 StHG widersprechen<br />

infolge<strong>des</strong>sen der vorstehenden Auslegung von § 36 StG (vgl. E. 1.2)<br />

nicht.<br />

Dieser Interpretation steht auch nicht entgegen, dass das B<strong>und</strong>esgericht die<br />

gleichlautende Bestimmung von Art. 37 DBG enger ausgelegt hat. Denn dies ist in<br />

Übereinstimmung mit der abweichenden Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift<br />

geschehen (vgl. Botschaft über die Steuerharmonisierung vom 25. Mai 1983, S. 176 f.),<br />

welche die Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen gleich wie in Art. 40<br />

Abs. 2 BdBSt regeln wollte. Dementsprechend hat das B<strong>und</strong>esgericht seine Auslegung<br />

von Art. 37 DBG auf die Rechtsprechung zum früheren Art. 40 Abs. 2<br />

BdBSt gestützt, diese aber in bestimmter Hinsicht erweitert (BGr 6. März 2001,<br />

StE 2001 B 26.13 Nr. 15 = StR 56 [2001] 345 ff., E. 4b; BGr, 5. Oktober 2000, StE<br />

2001 B 29.2 Nr. 7 = ASA 70 [2001/02] 210, E. 3a, 4a–c). Danach gelangt der<br />

Rentensatz für eine Kapitalabfindung zum einen dann zur Anwendung, wenn die<br />

Abfindung zur Abgeltung künftiger Leistungen <strong>und</strong> als Erfüllung einer den periodischen<br />

Leistungen zugr<strong>und</strong>e liegenden Stammschuld erfolgt (vgl. Peter Agner/<br />

Beat Jung/Gotthard Steinmann, Kommentar zum Gesetz über die direkte B<strong>und</strong>essteuer,<br />

Zürich 1995, Art. 37 N. 2; Peter Agner/Angelo Digeronimo/Hans Jürg<br />

Neuhaus/Gotthard Steinmann, Kommentar zum Gesetz über die direkte B<strong>und</strong>essteuer,<br />

Ergänzungsband, Zürich 2000, Art. 37 N. 3a; Locher, B<strong>und</strong>essteuer, Art. 37<br />

DBG N. 13), zum andern aber auch dann, wenn in der Vergangenheit begründete<br />

Teilleistungen abgegolten werden, sofern ordentlicherweise eine periodische Ausrichtung<br />

vorgesehen gewesen wäre <strong>und</strong> dies ohne Zutun <strong>des</strong> berechtigten Steuerpflichtigen<br />

unterblieben ist (BGr, a.a.O., E. 4c).<br />

Unter all diesen Umständen kann dem Schluss von Rekurskommission <strong>und</strong><br />

kantonalem Steueramt, wegen <strong>des</strong> identischen Wortlauts der Normen müsse die<br />

b<strong>und</strong>esrechtliche Rahmenvorschrift von Art. 11 Abs. 2 StHG auch gleich wie die<br />

materiellrechtliche Bestimmung von Art. 37 DBG ausgelegt werden, nicht beigetreten<br />

werden. Vielmehr erscheint es in Anbetracht der unterschiedlichen Entstehungsgeschichte<br />

<strong>und</strong> möglichen abweichenden Auslegungen als sachgerecht, insoweit<br />

einen Anwendungsfreiraum für das kantonale Recht anzunehmen. Unter diesem<br />

Gesichtswinkel kann jedenfalls nicht gesagt werden, die getroffene Auslegung<br />

von § 36 StG sei willkürlich, sie sei offensichtlich unhaltbar, stehe mit der tatsächlichen<br />

Situation in klarem <strong>und</strong> offensichtlichem Widerspruch, verletze krass eine<br />

Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgr<strong>und</strong>satz oder laufe in stossender Weise<br />

dem Gerechtigkeitsgedanken zuwider (BGE 123 I 1 E. 4a; 125 II 10 E. 3, 129 E. 5b).<br />

180


91, 92<br />

Immerhin könnte selbst im Licht der neueren b<strong>und</strong>esgerichtlichen Rechtsprechung<br />

zu Art. 37 DBG nicht ohne Weiteres die Anwendung <strong>des</strong> Sondersatzes auf<br />

Erträge aus Diskont-Obligationen, wie die in Frage stehenden Zero-Bonds, verworfen<br />

werden (vgl. Ivo P. Baumgartner in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht<br />

I/2a, Art. 37 DBG N. 11). Das B<strong>und</strong>esgericht hat den Sondersatz auch auf<br />

Kapitalleistungen angewendet, mit denen in der Vergangenheit begründete, ordentlicherweise<br />

periodisch auszurichtende Teilleistungen abgegolten werden sollen, sofern<br />

die periodische Ausrichtung «ohne Zutun» <strong>des</strong> berechtigten Steuerpflichtigen<br />

unterblieben ist. Angesichts <strong>des</strong>sen, dass Diskont-Bonds vom Steuerpflichtigen bereits<br />

in der vorgegebenen Struktur erworben werden, ist es fraglich, ob die Abgeltung<br />

der periodischen Zinsleistungen durch eine Kapitalleistung, den Diskont, wirklich<br />

auf ein «Zutun» <strong>des</strong> Steuerpflichtigen im Sinn der b<strong>und</strong>esgerichtlichen Auffassung<br />

zurückzuführen ist. Schliesslich ist anzumerken, dass missbräuchlichen Rechtsgestaltungen<br />

im Einzelfall aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Verbots der Steuerumgehung die Entlastung<br />

durch den Sondersatz versagt werden kann.<br />

SB.2004.00048 2. Kammer, 15. Dezember<br />

92. Eine Weiterbildung liegt stets vor, wenn das Lernen darauf ausgerichtet ist,<br />

das zur Ausübung der betreffenden beruflichen Tätigkeit erforderliche Fachwissen<br />

zu aktualisieren, zu vertiefen <strong>und</strong> zu erweitern. Das in Frage stehende<br />

berufliche Fachwissen kann dabei durchaus in der Praxis erlernt worden<br />

sein. Einer diesbezüglichen eigentlichen Gr<strong>und</strong>ausbildung – die es im Übrigen<br />

für verschiedene berufliche Tätigkeiten gar nicht gibt – bedarf es nicht.<br />

Ob Weiterbildung vorliegt <strong>und</strong> ob damit die Kosten eines Nachdiplomstudiums<br />

als abzugsfähige Kosten zu würdigen sind, kann aber nicht allgemein<br />

gesagt werden, sondern beurteilt sich aufgr<strong>und</strong> der konkreten Umstände,<br />

indem es namentlich auf den im Nachdiplomstudium vermittelten Stoff einerseits<br />

<strong>und</strong> die berufliche Tätigkeit oder die Gr<strong>und</strong>ausbildung <strong>des</strong> Nachdiplomabsolventen<br />

anderseits ankommt. § 26 Abs. 1 lit. d, § 33 lit. b StG.<br />

1. Bei unselbständiger Erwerbstätigkeit werden als Berufskosten laut § 26<br />

Abs. 1 lit. d StG abgezogen die mit dem Beruf zusammenhängenden Weiterbildungs-<br />

<strong>und</strong> Umschulungskosten. Nicht abzugsfähig sind demgegenüber gemäss<br />

§ 33 lit. b StG die Ausbildungskosten.<br />

1.1 Unter den Ausbildungskosten sind Aufwendungen zu verstehen, welche<br />

die Ausübung eines bestimmten Berufs überhaupt ermöglichen oder hierzu befähi-<br />

181


92<br />

gen. Sie bilden mangels qualifiziert engen wesentlichen Zusammenhangs mit einer<br />

vorbestehenden so genannten angestammten beruflichen Tätigkeit keine Berufskosten<br />

im Sinn <strong>des</strong> Gesetzes (vgl. RB 1995 Nr. 36, auszugsweise veröffentlicht in<br />

StE 1995 B 22.3 Nr. 57), sondern nicht abzugsfähige private Lebenshaltungskosten<br />

(vgl. Philip Funk, Der Begriff der Gewinnungskosten nach schweizerischem Einkommenssteuerrecht,<br />

Grüsch 1989, S. 95; Reimann/Zuppinger/Schärrer, § 25 N. 18).<br />

Demgegenüber gelten Aufwendungen, mit welchen die Erhaltung <strong>und</strong>/oder<br />

Sicherung der vom Steuerpflichtigen erreichten beruflichen Stellung oder der Aufstieg<br />

in eine gehobenere Stellung im angestammten Beruf bezweckt wird, als Weiterbildungskosten<br />

<strong>und</strong> sind damit abzugsfähige Berufskosten (VGr, 3. Juni 1996,<br />

StE 1997 B 27.6 Nr. 12 E. 1b mit weiteren Hinweisen). Solche Kosten sind also<br />

Auslagen, die getätigt werden, um im angestammten Beruf auf dem Laufenden zu<br />

bleiben oder <strong>des</strong>sen steigenden oder neuen Anforderungen zu genügen (Ziff. 3.2<br />

Abs. 1 <strong>des</strong> Kreisschreibens Nr. 26 der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom<br />

22. September 1995 betreffend Abzug von Berufskosten der unselbständigen Erwerbstätigkeit,<br />

ASA 64 [1995/96] S. 692 ff., 693 f.), aber auch solche Aufwendungen,<br />

die den Erwerb besonderer Fachkenntnisse mit Blick auf eine Spezialisierung<br />

oder den Aufstieg im angestammten Beruf bezwecken (vgl. Locher, B<strong>und</strong>essteuer,<br />

Art. 26 DBG N. 62 f.).<br />

Zielen die Aufwendungen aber auf einen Aufstieg in eine von der bisherigen<br />

Berufstätigkeit zu unterscheidende höhere Stellung oder gar in einen anderen<br />

Beruf, so sind die betreffenden Aufwendungen als solche für die Ausbildung zu<br />

einem neuen Beruf zu würdigen <strong>und</strong> demzufolge zu den gr<strong>und</strong>sätzlich nicht abzugsfähigen<br />

privaten Lebenshaltungskosten zu rechnen (BGE 113 Ib 114 E. 3 S.<br />

120 f. = StE 1988 B 27.6 Nr. 5; Locher, Art. 26 N. 64; Markus Reich in: Kommentar<br />

zum Schweizerischen Steuerrecht I/1, Art. 9 StHG N. 11 f.).<br />

Im 4. Kapitel «Berufsorientierte Weiterbildung» vermittelt die Vorschrift von<br />

Art. 30 Abs. 1 lit. a <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esgesetzes über die Berufsbildung vom 13. Dezember<br />

2002 (Berufsbildungsgesetz, BBG) jedenfalls insofern ein taugliches Kriterium für<br />

den Weiterbildungsbegriff von § 26 Abs. 1 lit. d StG, als die berufsorientierte<br />

Weiterbildung dazu dient, «durch organisiertes Lernen bestehende berufliche Qualifikationen<br />

zu erneuern, zu vertiefen <strong>und</strong> zu erweitern […]». Die in Art. 30 Abs. 1<br />

lit. a <strong>und</strong> lit. b BBG erwähnten weiteren Zwecksetzungen, «neue berufliche Qualifikationen<br />

zu erwerben» bzw. «die berufliche Flexibilität zu unterstützen», erweisen<br />

sich in<strong>des</strong>sen als Elemente der Umschulung oder Ausbildung. Eine Weiterbildung<br />

liegt stets vor, wenn das Lernen darauf ausgerichtet ist, das zur Ausübung<br />

182


der betreffenden beruflichen Tätigkeit erforderliche Fachwissen zu aktualisieren, zu<br />

vertiefen <strong>und</strong> zu erweitern. Das in Frage stehende berufliche Fachwissen kann in<br />

der Praxis erlernt worden sein. Einer diesbezüglichen eigentlichen Gr<strong>und</strong>ausbildung<br />

– die es im Übrigen für verschiedene berufliche Tätigkeiten gar nicht gibt<br />

– bedarf es nicht. Soweit die Allgemeinbildung verbessert werden soll, handelt es<br />

sich in der Regel steuerrechtlich um zusätzliche Ausbildung. Werden derartige<br />

Kenntnisse im Rahmen der beruflichen Weiterbildung vermittelt, so vermögen sie<br />

der Qualifikation der hierfür getätigten Aufwendung als Weiterbildungskosten<br />

nichts zu ändern, sofern ihnen nur untergeordneter Charakter zukommt.<br />

Ob die Kosten eines Nachdiplomstudiums als abzugsfähige Weiterbildungskosten<br />

zu würdigen sind, kann nicht allgemein gesagt werden, sondern beurteilt<br />

sich aufgr<strong>und</strong> der konkreten Umstände, indem es namentlich auf den im Nachdiplomstudium<br />

vermittelten Stoff einerseits <strong>und</strong> die berufliche Tätigkeit oder die<br />

Gr<strong>und</strong>ausbildung <strong>des</strong> Nachdiplomabsolventen anderseits ankommt.<br />

So hat das <strong>Verwaltungsgericht</strong> in einem Entscheid vom 23. Oktober 2002 (StE<br />

2003 B 22.3 Nr. 74 = RB 2002 Nr. 100, <strong>des</strong>sen Leitsatz allerdings zu eng formuliert<br />

ist) erkannt, dass der von einem Rechtsanwalt an einer amerikanischen Universität<br />

absolvierte General Master of Laws (LL.M.)-Lehrgang für ausländische Juristen<br />

<strong>und</strong> Juristinnen offenk<strong>und</strong>ig keine Vertiefung oder Aktualisierung derjenigen<br />

Fächer bewirkte, die ein in der Schweiz abgeschlossenes Rechtsstudium bietet bzw.<br />

die zürcherische Rechtsanwaltsprüfung im Sinn einer juristischen Gr<strong>und</strong>ausbildung<br />

verlangt. Vielmehr bildete das Nachdiplomstudium eine Ergänzung dieser Gr<strong>und</strong>ausbildung,<br />

indem es zur Hauptsache Kenntnisse in ausgewählten Bereichen <strong>des</strong><br />

amerikanischen Rechts sowie juristischer Methodik, Arbeitsweise <strong>und</strong> Rechtssprache<br />

amerikanischer Juristen vermittelte. Ob der Pflichtige dadurch sein Fachwissen<br />

im Rahmen seiner früheren Tätigkeit in einer international ausgerichteten<br />

Anwaltskanzlei hatte vertiefen können, blieb im Dunkeln, da der Pflichtige keine<br />

nähere Darstellung seiner anwaltlichen Arbeit gegeben hatte.<br />

SB.2003.00063 2. Kammer, 24. März<br />

92<br />

183


93, 94<br />

93. Wenn der am Vermögenswert berechtigte Steuerpflichtige zwar (noch) nicht<br />

Eigentümer ist, sich aber (bereits) über eine eigentümerähnliche Stellung<br />

ausweisen kann, ist er steuerrechtlich dem Eigentümer gleich zu stellen.<br />

Dementsprechend können auch Investitionskosten vor Eigentumserwerb<br />

als abzugsfähige Unterhaltskosten betrachtet werden. § 30 StG.<br />

SB.2004.00008 2. Kammer, 22. September<br />

94. Ausdehnung <strong>des</strong> Begriffs der Unterhaltsbeiträge auf die infolge einer vertraglichen<br />

Vereinbarung mit seiner geschiedenen Ehefrau vom Pflichtigen<br />

für seinen unmündigen Sohn zusätzlich zu den gemäss Scheidungsurteil<br />

geschuldeten erbrachten Unterhaltsbeiträge. § 31 Abs. 1 lit. c StG.<br />

3.1 Nach § 31 Abs. 1 lit. c StG werden von den steuerbaren Einkünften die<br />

Unterhaltsbeiträge an einen Elternteil für die unter <strong>des</strong>sen elterlicher Sorge oder<br />

Obhut stehenden Kinder abgezogen, während Leistungen in Erfüllung anderer<br />

familienrechtlicher Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht abgezogen werden<br />

können. Abzugsfähige Unterhaltsbeiträge sind regelmässig oder unregelmässig<br />

wiederkehrende Leistungen, die der Deckung <strong>des</strong> laufenden Lebensbedarfs <strong>des</strong><br />

Empfängers dienen, ohne diesem einen Vermögenszuwachs zu verschaffen. Nicht<br />

vorausgesetzt wird das Bestehen einer richterlichen Anordnung oder eines entsprechenden<br />

Vertrags zwischen den Ehegatten, hingegen müssen die Leistungen unmittelbar<br />

familienrechtlich geschuldet sein, d.h. in Erfüllung einer Rechtspflicht erbracht<br />

werden, wohingegen freiwillig geleistete Beiträge, z.B. Unterhaltsbeiträge<br />

für mündige Kinder, nicht zum Abzug berechtigen. Weiter ist entscheidend, dass die<br />

Beiträge während der gesamten Dauer der Unterhaltspflicht geschuldet sind <strong>und</strong><br />

beim Eintritt bestimmter Voraussetzungen in der Person <strong>des</strong> Berechtigten – beispielsweise<br />

Erreichen der Mündigkeit oder Tod – wegfallen (RB 1987 Nr. 21;<br />

Richner/Frei/Kaufmann, § 31 N. 39 ff.; Locher, B<strong>und</strong>essteuer, Art. 33 DBG N. 44<br />

mit Hinweisen).<br />

3.1.1 Zum Unterhalt eines Kinds im Sinn von Art. 276 ZGB gehört alles, was<br />

das Kind für sein Leben <strong>und</strong> seine körperliche, geistige <strong>und</strong> sittliche Entfaltung<br />

benötigt. Neben existenziellen Gr<strong>und</strong>bedürfnissen wie etwa Unterkunft, Nahrung,<br />

Bekleidung, Körper- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitspflege oder Ausbildung zählen hierzu beispielsweise<br />

auch Beiträge an kulturelle <strong>und</strong> sportliche Betätigungen, Erholung,<br />

Unterhaltung oder Taschengeld (vgl. Peter Breitschmid in: Basler Kommentar zum<br />

Schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch I, 2. A., Basel etc. 2002, Art. 276<br />

ZGB N. 20 ff.).<br />

184


3.1.2 Den Eltern steht es gr<strong>und</strong>sätzlich frei, die im Urteil oder durch Vertrag<br />

festgesetzten Unterhaltsbeiträge für das Kind einvernehmlich abzuändern. Entsprechend<br />

der Gr<strong>und</strong>regel von Art. 134 Abs. 2 ZGB in Verbindung mit Art. 287 Abs. 1<br />

ZGB wird eine solche Vereinbarung für das Kind zwar erst mit der Genehmigung<br />

durch die Vorm<strong>und</strong>schaftsbehörde verbindlich, allerdings ist dieses Erfordernis bei<br />

einer blossen Erhöhung der Beiträge umstritten (vgl. etwa Cyril Hegnauer, Gr<strong>und</strong>riss<br />

<strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>rechts <strong>und</strong> <strong>des</strong> übrigen Verwandtschaftsrechts, 5. A., Bern 1999,<br />

§ 21 N. 21.28; Peter Breitschmid, Art. 287 ZGB N. 12 f.). In Bezug auf nacheheliche<br />

Unterhaltsbeiträge zwischen geschiedenen Ehegatten kommt es insbesondere<br />

beim lang dauernden Unterhalt häufig zu Abweichungen zwischen den gemäss<br />

Scheidungsurteil geschuldeten <strong>und</strong> den tatsächlich bezahlten Beiträgen, indem die<br />

Parteien wegen geänderter Umstände in formloser Absprache eine Abänderung der<br />

Beiträge vereinbaren. Dies hat das Steuerrecht zu berücksichtigen, sofern die effektiven<br />

Zahlungen nachgewiesen werden. Verpflichtet sich der Unterhaltspflichtige<br />

beispielsweise, neben monatlichen Rentenzahlungen zusätzlich an bestimmte<br />

Kosten, z. B. Zahnarztkosten, einen Beitrag zu leisten, sind auch diese Beiträge als<br />

Unterhaltsbeiträge zu verstehen (vgl. Thomas Sutter/Dieter Freiburghaus, Kommentar<br />

zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999, Art. 134 N. 50; BGE 126 III 49<br />

E. 2; Thomas Ramseier in: Praxiskommentar Scheidungsrecht, Basel etc. 2000,<br />

Anh. St. N. 50; Patrick Holtz, Steuerrechtliche Folgen der Ehescheidung,<br />

Bern/Stuttgart 1989, S. 133, 147 ff. <strong>und</strong> 172 f.). Analog sollte auch hinsichtlich der<br />

Unterhaltsbeiträge für unmündige Kinder vorgegangen werden.<br />

3.2 In Bezug auf die Abzugsfähigkeit der Unterhaltsbeiträge geht die Rekurskommission<br />

davon aus, der steuerrechtliche Begriff der Alimente sei eng zivilrechtlich<br />

auszulegen <strong>und</strong> dürfe nicht auf wirtschaftlich gleichartige Tatbestände<br />

ausgeweitet werden. Die vom Pflichtigen für die musikalische Erziehung seines<br />

Sohns aufgewendeten Zahlungen stellten keine Unterhaltsbeiträge im Sinn von § 31<br />

Abs. 1 lit. c StG dar. Einerseits fielen sie nicht während der gesamten Dauer der<br />

Unterhaltspflicht an <strong>und</strong> unterlägen gewissen Schwankungen; andererseits könne<br />

der Pflichtige jederzeit selbst entscheiden, ob er diese Zahlungen weiterhin leisten<br />

wolle. Im Übrigen seien solche Zuwendungen vom Empfänger bzw. <strong>des</strong>sen Mutter<br />

nicht als Einkommen zu versteuern.<br />

3.3 Der Pflichtige will für das Jahr 2000 Unterhaltsbeiträge von Fr. 2 752.– in<br />

Abzug bringen, welche er zusätzlich zu den gemäss Scheidungsurteil geschuldeten<br />

Beiträgen von aufger<strong>und</strong>et Fr. 12 000.– für seinen unmündigen Sohn bezahlt hat.<br />

Dabei beruft er sich auf eine mündliche Vereinbarung mit seiner geschiedenen<br />

Frau, wonach er sich verpflichtet habe, im Wesentlichen die Ausbildungskosten für<br />

94<br />

185


94<br />

Musik sowie Zahnarztkosten von Q zu übernehmen; seit dem Jahr 2002 sei diese<br />

Verpflichtung auch schriftlich festgehalten. Somit stellt sich die Frage, ob die vom<br />

Pflichtigen geltend gemachten Zahlungen für Klaviermiete, Klaviertransport, Ferienlager<br />

sowie Jugendmusikschule unter den Begriff der «Unterhaltsbeiträge»<br />

nach § 31 Abs. 1 lit. c StG subsumiert werden können.<br />

3.3.1 Das <strong>Verwaltungsgericht</strong> hat, allerdings noch unter der Herrschaft <strong>des</strong><br />

alten Steuergesetzes <strong>und</strong> Ehe- bzw. Scheidungsrechts, im Präjudiz RB 1987 Nr. 21<br />

(= StE 1988 B 27.2 Nr. 7) entschieden, die unter getrennt lebenden Ehegatten<br />

erbrachten regelmässigen oder gelegentlichen Unterstützungsleistungen seien,<br />

auch wenn sie nicht aufgr<strong>und</strong> einer richterlichen Anordnung oder eines Vertrags<br />

erfolgten, als steuerbare bzw. abzugsfähige «Alimente» im Sinn von § 19 lit. h <strong>und</strong><br />

§ 24 lit. e <strong>des</strong> alten Steuergesetzes vom 8. Juli 1951 (aStG) zu qualifizieren, sofern<br />

sie tatsächlich zur Deckung <strong>des</strong> gr<strong>und</strong>legenden Lebensbedarfs der Familie bestimmt<br />

seien, denn solche Leistungen lasse ein Ehegatte dem anderen unmittelbar<br />

in Erfüllung familienrechtlicher Pflichten zukommen; demzufolge seien sie, obwohl<br />

nicht vorgeschrieben, nicht freiwilliger Natur. «Alimente» gemäss § 19 lit. h<br />

<strong>und</strong> § 24 lit. e aStG seien demnach regelmässig oder unregelmässig, jedenfalls in<br />

Erfüllung einer Rechtspflicht erbrachte Unterhaltsleistungen <strong>des</strong> einen Ehegatten,<br />

welche die Aufwendungen <strong>des</strong> anderen Ehegatten für den Lebensbedarf decken<br />

sollten, diesem also keinen Vermögenszuwachs verschafften, sondern für den laufenden<br />

Verbrauch bestimmt seien. Diese Gr<strong>und</strong>sätze lassen sich auch im vorliegenden<br />

Fall anwenden.<br />

3.3.2 Die vom Pflichtigen erbrachten zusätzlichen Leistungen für Musikunterricht,<br />

Klaviermiete <strong>und</strong> Ferienlager seines Sohns fallen zweifelsohne unter<br />

den zivilrechtlichen Begriff <strong>des</strong> «Unterhalts» gemäss Art. 276 Abs. 1 ZGB. Sodann<br />

bezwecken sie die Deckung <strong>des</strong> laufenden Lebensbedarfs von Q <strong>und</strong> führen infolge<strong>des</strong>sen<br />

nicht zu einem Vermögenszuwachs. Sie werden nicht freiwillig im Sinn<br />

einer Schenkung, sondern unmittelbar in Erfüllung der gesetzlichen elterlichen<br />

Unterhaltspflicht für unmündige Kinder nach Art. 133 ZGB in Verbindung mit Art.<br />

276 ZGB erbracht. Theoretisch sind diese Unterhaltsbeiträge bis zum Ende der<br />

Unterhaltspflicht geschuldet. Allein der Umstand, dass gewisse Aufwendungen für<br />

Kinder Schwankungen unterliegen, indem sie sich im Lauf der Entwicklung <strong>des</strong><br />

Kinds allenfalls ändern oder wegfallen, spricht für sich noch nicht gegen einen<br />

Einbezug in die «Unterhaltsbeiträge» gemäss § 31 Abs. 1 lit. c StG. Es sei in diesem<br />

Zusammenhang insbesondere auf die Möglichkeit der gerichtlichen Abänderung<br />

von Unterhaltsbeiträgen bei erheblicher Veränderung der Verhältnisse (z.B.<br />

bei geänderten Bedürfnissen <strong>des</strong> Kinds) gemäss Art. 286 Abs. 2 ZGB oder auf<br />

186


Art. 286 Abs. 3 ZGB verwiesen, welche Bestimmung eine Leistungsverpflichtung<br />

für vorübergehende ausserordentliche Bedürfnisse <strong>des</strong> Kinds begründen kann, die<br />

nach absehbarer Zeit voraussichtlich wieder entfallen <strong>und</strong> im Zeitpunkt der Festlegung<br />

<strong>des</strong> Unterhaltsbeitrags noch nicht in Betracht gezogen werden konnten.<br />

Wie bereits aufgezeigt (E. 3.1.2), sieht die heutige Praxis durchaus auch die<br />

rechtsgeschäftliche Erweiterung von Unterhaltsbeiträgen für unmündige Kinder<br />

vor. Der Pflichtige kann sich auf die Vereinbarung mit seiner Exfrau berufen,<br />

wonach er sich verpflichtet hat, zusätzlich zur Leistung der nach Scheidungsurteil<br />

geschuldeten Unterhaltsbeiträge die Kosten für die musikalische Ausbildung seines<br />

Sohns zu übernehmen. Wenn auch für das streitbetroffene Jahr 2000 keine ausdrückliche<br />

schriftliche Übereinkunft vorhanden ist, lässt sich die entsprechende<br />

(mündliche) Absprache einerseits aus dem Schreiben <strong>des</strong> Pflichtigen an seine<br />

geschiedene Ehefrau vom 5. Dezember 2000 betreffend Unterhaltszahlungen für<br />

das Jahr 2001 ableiten, in welchem festgehalten wird, er werde für die Klaviermiete<br />

<strong>und</strong> den Musikunterricht von Q zusätzlich im gewohnten Rahmen aufkommen.<br />

Andererseits deklarierte der Pflichtige bereits in der Steuererklärung 1999 B<br />

Unterhaltsbeiträge, welche über das laut Scheidungsurteil geschuldete Mass hinausgingen.<br />

Schliesslich sind die geltend gemachten Beiträge grösstenteils durch die<br />

sich bei den Akten befindlichen Lastschriftanzeigen <strong>des</strong> Postkontos <strong>des</strong> Pflichtigen<br />

belegt. Angesichts dieser Umstände kann ohne weiteres vom Bestehen der vorgebrachten<br />

Vereinbarung ausgegangen werden, zumal die Vorinstanz nicht geltend<br />

macht, die geschiedene Ehefrau <strong>des</strong> Pflichtigen bestreite die betreffenden Zahlungen.<br />

Obschon nach Art. 287 Abs. 1 ZGB Unterhaltsverträge für das unmündige<br />

Kind erst verbindlich sind, wenn sie von der Vorm<strong>und</strong>schaftsbehörde genehmigt<br />

worden sind, ist dieses Erfordernis zum einen für eine blosse Erhöhung der Beiträge<br />

nicht unumstritten (vgl. E. 3.1.2), zum anderen steht ausser Frage, dass der Unterhaltspflichtige<br />

bereits ab Vertragsschluss an die entsprechende Vereinbarung geb<strong>und</strong>en<br />

ist. Dass die geschiedene Ehefrau <strong>des</strong> Pflichtigen diese Beiträge in ihrer<br />

Steuererklärung nicht deklariert hat, mag damit zusammenhängen, dass die Zahlungen<br />

nicht zuerst ihr zugeflossen sind, sondern der Pflichtige diese direkt an die<br />

jeweiligen Gläubiger geleistet hat. Konsequenterweise <strong>und</strong> dem Kongruenzprinzip<br />

Rechnung tragend müssten diese Leistungen jedenfalls besteuert werden.<br />

3.4 Nach dem Gesagten – gerade auch mit Blick auf die Zweckbestimmung<br />

von Unterhaltsbeiträgen – rechtfertigt sich vorliegend eine Ausdehnung <strong>des</strong> Begriffs<br />

der «Unterhaltsbeiträge» nach § 31 Abs. 1 lit. c StG auf die vom Pflichtigen<br />

94<br />

187


94, 95, 96<br />

erbrachten zusätzlichen Leistungen für die musikalische Ausbildung (Klaviermiete,<br />

Klavierunterricht, etc.) sowie das Ferienlager seines Sohns.<br />

188<br />

SB.2004.00008 ER 2. Abt., 18. August<br />

StE 2005 B 27.2 Nr. 28<br />

95. In Fällen, in denen das Vorsorgereglement die Ausrichtung einer Altersrente<br />

an zur vorzeitigen Pensionierung berechtigte Versicherte von einer entsprechenden<br />

Willenserklärung der Versicherten abhängig macht, tritt der<br />

eine Austrittsleistung ausschliessende Vorsorgefall Alter nicht in jedem Fall<br />

ein, wenn das Arbeitsverhältnis aufgelöst wird, sondern nur dann, wenn der<br />

Versicherte von der statutarischen bzw. reglementarischen Möglichkeit, die<br />

Ausrichtung einer vorzeitigen Altersrente zu verlangen, Gebrauch macht;<br />

dies muss er gegenüber der Vorsorgeeinrichtung erklären. Unterlässt er<br />

dies, hat er Anspruch auf eine Austrittsleistung. Mit der Einführung <strong>des</strong><br />

FZG hat sich daran nichts geändert. § 270 StG.<br />

SB.2004.00042 2. Kammer, 22. Dezember<br />

c) Besteuerung der juristischen Personen<br />

96. Der der Besteuerung juristischer Personen – zumin<strong>des</strong>t zur Zeit noch – systemimmanenten<br />

Doppelbelastung sind nach geltendem Recht auch die<br />

Kommanditaktiengesellschaft (KAG) <strong>und</strong> die an ihr Beteiligten ausgesetzt,<br />

weil die Besteuerungsregeln auf die hybride Rechtsnatur der Gesellschaft<br />

als Mischform aus kapitalistischen <strong>und</strong> personalistischen Elementen entgegen<br />

im zivilrechtlichen Schrifttum vereinzelt geäusserten Einwänden keine<br />

Rücksicht nehmen. Der dem Komplementär einer KAG gemäss Gesellschaftsstatuten<br />

zustehende Gewinnanteil stellt so eine offene Gewinnausschüttung<br />

dar, welche zum der Gewinnbesteuerung unterliegenden Reingewinn<br />

der KAG gehört. Diese Regelung ist weder verfassungswidrig noch<br />

vereitelt sie das Zivilrecht, weshalb für eine lückenfüllende Anwendung <strong>des</strong><br />

deutschen Körperschaftssteuergesetzes kein Raum bleibt. § 63, § 64 StG.<br />

SB.2004.00051 2. Kammer, 15. Dezember


97. Die steuerneutrale Ersatzbeschaffung ist auf den Bereich <strong>des</strong> betriebsnotwendigen<br />

Anlagevermögens beschränkt, wobei das Ersatzobjekt im Betrieb<br />

die gleiche Funktion zu erfüllen hat wie der ausgeschiedene Vermögensgegenstand.<br />

Die Einteilung eines ehemaligen Produktionsbetriebs in Stockwerkeinheiten<br />

ist eine Zweckänderung, weshalb die Ersatzbeschaffungsrücklage<br />

zu Unrecht gebildet wurde. § 68 StG.<br />

2.1 Nach § 64 Abs. 1 Ziff. 3 StG setzt sich der steuerbare Reingewinn einer<br />

juristischen Person unter anderem aus den der Erfolgsrechnung nicht gutgeschriebenen<br />

Erträgen, mit Einschluss der Kapital-, Aufwertungs- <strong>und</strong> Liquidationsgewinne,<br />

vorbehältlich § 68 StG, zusammen. Gemäss § 68 StG können beim Ersatz von<br />

Gegenständen <strong>des</strong> betriebsnotwendigen Anlagevermögens die stillen Reserven auf<br />

ein Ersatzobjekt mit gleicher Funktion übertragen werden; ausgeschlossen ist die<br />

Übertragung auf Vermögen ausserhalb der Schweiz (Abs. 1). Findet die Ersatzbeschaffung<br />

nicht im gleichen Geschäftsjahr statt, so kann gemäss § 68 Abs. 2 StG<br />

im Umfang der stillen Reserven eine Rücklage gebildet werden. Diese Rücklage ist<br />

innert angemessener Frist zur Abschreibung auf dem Ersatzobjekt zu verwenden<br />

oder zu Gunsten der Erfolgsrechnung aufzulösen. Als betriebsnotwendig gilt nur<br />

Anlagevermögen, das dem Betrieb unmittelbar dient; ausgeschlossen sind insbesondere<br />

Vermögensobjekte, die dem Unternehmen nur als Vermögensanlage oder<br />

nur durch ihren Ertrag dienen (Abs. 3).<br />

2.2 § 68 StG engt die steuerneutrale Ersatzbeschaffung auf den Bereich <strong>des</strong><br />

betriebsnotwendigen Anlagevermögens ein, wobei es sich sowohl beim ausscheidenden<br />

als auch beim wiederbeschafften Vermögensgegenstand um ein betriebsnotwendiges<br />

Anlagegut handeln muss. Die Mittel aus dem Verkauf eines nicht<br />

betriebsnotwendigen Wirtschaftsguts können demnach nicht steuerneutral in<br />

betriebsnotwendiges Anlagevermögen reinvestiert werden (vgl. Markus Reich/<br />

Marina Züger in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I/2a, Art. 30 DBG<br />

N. 5; Känzig, Wehrsteuer, Art. 21 BdBSt N. 197). Betriebsnotwendig sind Wirtschaftsgüter,<br />

die nach ihrer Zweckbestimmung unmittelbar der Leistungserstellung<br />

<strong>des</strong> Betriebs dienen <strong>und</strong> ohne Beeinträchtigungen <strong>des</strong> betrieblichen Leistungserstellungsprozesses<br />

nicht veräussert werden können (Markus Reich in: Kommentar<br />

zum Schweizerischen Steuerrecht I/1, Art. 8 StHG N. 71, auch zum Folgenden<br />

<strong>und</strong> mit Hinweisen; Reich/Züger, Art. 30 DBG N. 6). Die betriebsnotwendigen Vermögenswerte<br />

bilden unerlässliche Bestandteile der betrieblichen Einheit; ihre<br />

Veräusserung würde zu einer substanziellen Veränderung <strong>des</strong> Betriebs führen.<br />

Beurteilungsgr<strong>und</strong>lage der Betriebsnotwendigkeit bilden immer die betrieblichen<br />

Verhältnisse <strong>des</strong> Unternehmens. Unter Umständen kann auch Immobilienkomple-<br />

97<br />

189


97<br />

xen eine eigenständige betriebliche Funktion zukommen (Richner/Frei/Kaufmann,<br />

§ 19 N. 39). Ausgeschlossen ist jedoch die Ersatzbeschaffung von Vermögensgegenständen,<br />

die dem Unternehmen lediglich als Vermögensanlage oder durch<br />

ihren Ertrag dienen (§ 68 Abs. 3 StG).<br />

2.3 Die Ersatzbeschaffung ist auf das Anlagevermögen beschränkt. Dies wird<br />

in der Lehre zwar als sachwidrig bezeichnet (Reich, Art. 8 StHG N. 72; Locher,<br />

B<strong>und</strong>essteuer, Art. 30 DBG N. 10); eine Ausweitung auf das Umlaufvermögen ist<br />

in<strong>des</strong>sen aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> klaren gesetzlichen Wortlauts von § 68 Abs. 1 StG nicht<br />

angezeigt. Das Anlagevermögen wird in Finanzanlagen, Sachanlagen <strong>und</strong> immaterielle<br />

Anlagen unterteilt (Art. 663a OR). Die Zuteilung eines Wirtschaftsguts zum<br />

Anlage- oder Umlaufvermögen richtet sich nicht nach der äusseren Beschaffenheit,<br />

sondern nach der Zweckbestimmung, beziehungsweise ihrer zukünftigen Funktion<br />

im Unternehmen sowie der Dauerhaftigkeit der getätigten Investition (Reich, Art. 8<br />

StHG N. 72, mit Hinweisen). Das Anlagevermögen dient dem Unternehmen demnach<br />

zur dauernden oder mehrmaligen Nutzung. Anlagegüter werden somit nicht<br />

zum Zweck der Veräusserung, sondern zur wiederholten Nutzung <strong>und</strong> zum Verbrauch<br />

beschafft. Wirtschaftsgüter, die demgegenüber laufend angeschafft <strong>und</strong> wieder<br />

veräussert werden, bilden Umlaufvermögen. Gr<strong>und</strong>stücke gehören demzufolge<br />

gewöhnlich zum Anlagevermögen. Beim Liegenschaftenhändler sind sie jedoch in<br />

der Regel Waren <strong>und</strong> damit Umlaufvermögen (Karl Käfer, Berner Kommentar,<br />

Band VIII/2 Art. 958–964, Die kaufmännische Buchführung, 2. Teilband, Bern 1981,<br />

Art. 958 OR N. 320).<br />

2.4 Als weitere Voraussetzung der steuerneutralen Ersatzbeschaffung wird<br />

vom Gesetzgeber verlangt, dass das Ersatzobjekt im Betrieb eine gleiche Funktion<br />

zu erfüllen habe wie der ausgeschiedene Vermögensgegenstand. Die Frage der<br />

Funktionsgleichheit ist betriebsbezogen zu betrachten. Von einem «Ersatzobjekt<br />

mit gleicher Funktion» kann nur dann ausgegangen werden, wenn das neu angeschaffte<br />

Wirtschaftsgut die Lücke, die das Ausscheiden <strong>des</strong> ersetzten Wirtschaftsguts<br />

bewirkt, wieder schliesst. Mit dem Ersatz soll aber dem technischen Fortschritt<br />

<strong>und</strong> dem wirtschaftlichen Bedürfnis <strong>des</strong> Unternehmens Rechnung getragen werden<br />

(Reich/Züger, Art. 30 DBG N. 11 <strong>und</strong> 12).<br />

2.5 Die steuerneutrale Ersatzbeschaffung ist gemäss Art. 68 Abs. 1 StG ausdrücklich<br />

auf das Gebiet der Schweiz beschränkt. Ausgeschlossen ist demnach die<br />

Übertragung von stillen Reserven auf Vermögen ausserhalb der Schweiz.<br />

2.6 Erfolgt die Ersatzbeschaffung nicht innerhalb <strong>des</strong> Geschäftsjahrs, so kann<br />

im Umfang der stillen Reserven eine Rücklage gebildet werden (§ 68 Abs. 2 StG).<br />

190


97, 98<br />

Diese ist innert angemessener Frist zur Abschreibung auf einem Ersatzobjekt zu<br />

verwenden. In der Regel kann eine Frist von zwei Jahren als angemessen bezeichnet<br />

werden. Wird die Ersatzbeschaffung nicht innert nützlicher Frist durchgeführt,<br />

so muss davon ausgegangen werden, der Verkauf <strong>des</strong> ursprünglichen Gegenstands<br />

beeinträchtige die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit nicht <strong>und</strong> der Gegenstand sei<br />

nicht betriebsnotwendig (Richner/Frei/ Kaufmann, § 68 StG N. 29).<br />

SB.2004.00056 2. Kammer, 24. November<br />

2. Verfahren<br />

a) Einschätzungsverfahren<br />

98. Fehlen in der Eröffnung einer Einschätzung wesentliche Elemente der Verfügung<br />

oder sind die Angaben darin offensichtlich widersprüchlich oder ergeben<br />

sie keinen Sinn, so dass die Steuerpflichtigen nicht in der Lage sind,<br />

ihre Interessen zu wahren, wird die Rechtsmittelfrist nicht ausgelöst <strong>und</strong><br />

kann die Verfügung demzufolge nicht in Rechtskraft erwachsen. § 126 StG.<br />

2. Entscheide werden den Beteiligten kraft § 126 Abs. 1 StG mit Begründung<br />

schriftlich mitgeteilt. Der Entscheid über eine der Steuererklärung entsprechende<br />

oder vom Steuerpflichtigen im Laufe <strong>des</strong> Einschätzungs- oder Einspracheverfahrens<br />

unterschriftlich anerkannte Einschätzung wird ihm gemäss § 126 Abs. 4 StG<br />

durch die Schlussrechnung (§ 173 Abs. 3 StG) angezeigt.<br />

Gegen den Einschätzungsentscheid können der Steuerpflichtige <strong>und</strong> die<br />

Gemeinde innert 30 Tagen nach Zustellung beim kantonalen Steueramt schriftlich<br />

Einsprache erheben (§ 140 Abs. 1 StG). Nach unbenutztem Ablauf der Einsprachefrist<br />

erwächst der Einschätzungsentscheid in Rechtskraft.<br />

2.1 Fehlen in der Eröffnung wesentliche Elemente der Verfügung oder sind<br />

die Angaben in der Verfügung offensichtlich widersprüchlich oder ergeben sie keinen<br />

Sinn, so dass die Steuerpflichtige nicht in der Lage sind, ihre Interessen zu<br />

wahren, wird die Rechtsmittelfrist nicht ausgelöst <strong>und</strong> die Verfügung kann demzufolge<br />

nicht in Rechtskraft erwachsen (BGE 102 Ib 91 E. 3, auch zum Folgenden);<br />

diese ist folglich auch nicht der Berichtigung im Sinn von § 159 StG zugänglich.<br />

Die Rechtsmittelfrist läuft in einem derartigen Fall erst mit der Eröffnung der feh-<br />

191


98<br />

lenden oder korrigierten Elemente der Verfügung, wobei der Steuerpflichtige im<br />

Rahmen <strong>des</strong> ihm Zumutbaren von sich aus die sich aufdrängenden Schritte zur Behebung<br />

<strong>des</strong> Mangels zu unternehmen hat. Umgekehrt ist es der Behörde in einem<br />

solchen Fall unbenommen, die Eröffnung von Amts wegen zu vervollständigen<br />

oder zu berichtigen, <strong>und</strong> es ist dem Steuerpflichtigen nach Treu <strong>und</strong> Glauben verwehrt,<br />

sich auf die mangelhafte Verfügung zu berufen (BGr, 24.7.1985, ASA 55<br />

[1986/87] 512 E. 3).<br />

So ist denn auch nach ständiger Rechtsprechung <strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgericht</strong>s in<br />

analoger Anwendung von § 162 bis 165 GVG ein Entscheid von der verfügenden<br />

Behörde auf Antrag <strong>des</strong> Steuerpflichtigen oder von Amts wegen zu erläutern, wenn<br />

die Bestimmungen <strong>des</strong> Dispositivs – bei Einschätzungen die Festsetzung der<br />

Steuerfaktoren – unklar sind, sich selbst oder den Motiven widersprechen oder unvollständig<br />

sind (§ 162 GVG; RB 1982 Nr. 83; Gygi, B<strong>und</strong>esverwaltungsrechtspflege,<br />

S. 228; Richner/Frei/Kaufmann, § 139 N. 13). Wird ein Entscheid auf das<br />

Erläuterungsbegehren hin anders gefasst, werden die Rechtsmittelfristen den<br />

Parteien neu eröffnet (§ 165 GVG; VGr, 28. Oktober 1998, SB.98.00032).<br />

2.2 Die «Schlussrechnung <strong>und</strong> Einschätzungsmitteilung» <strong>des</strong> Gemein<strong>des</strong>teueramts<br />

X vom 13. Dezember 2001 ist offensichtlich mangelhaft eröffnet worden.<br />

Sie ist widersprüchlich <strong>und</strong> lässt nicht erkennen, welche Einschätzung verfügt<br />

worden ist. Denn die Rechnung gibt zwar an, die Steuerfaktoren seien «Aufgr<strong>und</strong><br />

der Einschätzung gemäss Steuererklärung» festgelegt worden, was jedoch nicht<br />

zutrifft. Denn in der Steuererklärung ist ein steuerbares Einkommen von Fr. 237 637.–<br />

<strong>und</strong> ein steuerbares Vermögen von Fr. 917 954.– deklariert worden, während die<br />

Schlussrechnung ein steuerbares Einkommen von Fr. 166 300.– <strong>und</strong> ein steuerbares<br />

Vermögen von Fr. 0 ausweist. Sollten aber diese Faktoren entgegen dem ausdrükklichen<br />

Vermerk auf der Rechnung vom Steueramt beabsichtigt sein, sollte also die<br />

Rechnung nicht aufgr<strong>und</strong> einer Einschätzung gemäss Steuererklärung beruhen,<br />

dann fehlte es an einer Begründung der Abweichung von den deklarierten Steuerfaktoren<br />

im Sinn von Art. 126 Abs. 1 StG <strong>und</strong> wäre angesichts der selbständigen<br />

Erwerbstätigkeit <strong>des</strong> Ehemannes eine Eröffnung durch das Gemein<strong>des</strong>teueramt mit<br />

der Schlussrechnung nach Art. 126 Abs. 4 StG gar nicht statthaft gewesen.<br />

Litt die fragliche «Schlussrechnung <strong>und</strong> Einschätzungsmitteilung» demnach<br />

an einem unerklärlichen Widerspruch, der nur durch die verfügende Behörde selber<br />

beseitigt werden konnte, so vermochte sie nicht in Rechtskraft zu erwachsen.<br />

Da die Pflichtigen es unterlassen hatten, das Gemein<strong>des</strong>teueramt X um Klarstellung<br />

der erläuterungsbedürftigen Verfügung zu ersuchen, war das Steueramt auch<br />

192


98, 99<br />

ohne deren Zutun ohne Weiteres berechtigt gewesen, den Mangel von sich aus<br />

durch Eröffnung einer widerspruchsfreien Schlussrechnung <strong>und</strong> Einschätzungsmitteilung<br />

zu beheben. Erst diese Verfügung vermochte die Einsprachefrist wirksam<br />

auszulösen.<br />

SB.2004.00045 2. Kammer, 1. September<br />

b) Rekursverfahren<br />

99. Angesichts der Funktion <strong>des</strong> Gutachtens, der Behörde fachspezifische Informationen<br />

(über den Verkehrswert eines Gr<strong>und</strong>stücks) zu liefern, rechtfertigt<br />

es sich, dass sich die Behörde bei der Beweiswürdigung auf die Prüfung<br />

beschränkt, ob die Expertise vollständig, klar, gehörig begründet, frei<br />

von Lücken <strong>und</strong> Widersprüchen ist, auf zutreffenden tatsächlichen Feststellungen<br />

beruht sowie ob der Gutachter hinreichende Sachkenntnis <strong>und</strong> die<br />

erforderliche Unbefangenheit gehabt hat. Vermag das Gutachten nicht zu<br />

überzeugen, so muss der Behörde für den Entscheid darüber, ob eine Berichtigung,<br />

Ergänzung oder Erläuterung <strong>des</strong> Gutachtens zu erfolgen hat<br />

oder ein Obergutachten einzuholen ist, gr<strong>und</strong>sätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum<br />

zugestanden werden, wobei die Anordnung einer Oberexpertise<br />

in der Regel ausser Betracht fällt, wenn das frühere Gutachten<br />

ergänzungs- <strong>und</strong> berichtigungsfähig ist. Das ihr dergestalt eingeräumte<br />

Ermessen entbindet die Behörde jedoch keinesfalls von der erwähnten Prüfung<br />

auf Vollständigkeit, Klarheit etc., verlangt doch nur ein mit Mängeln<br />

behaftetes Gutachten nach der Beantwortung der Frage, ob es durch den<br />

bisherigen Sachverständigen zu ergänzen, zu erläutern oder zu berichtigen<br />

oder ob die Begutachtung einem Oberexperten zu übertragen sei. Dementsprechend<br />

hat die Behörde zu begründen, dass <strong>und</strong> weshalb das Gutachten<br />

mangelhaft <strong>und</strong> weshalb gegebenenfalls ein Obergutachter einzusetzen sei.<br />

§ 132 Abs. 2 StG.<br />

SB.2004.00015/16 2. Kammer, 17. Juni<br />

193


100, 101, 102<br />

194<br />

c) Beschwerdeverfahren<br />

100. Eine eigentliche Protokollberichtigungsklage kennt das zürcherische<br />

Steuerrecht nicht. § 148 Abs. 3, § 153 Abs. 3 StG.<br />

2.1 Die von den Pflichtigen verlangte Änderung <strong>des</strong> Protokolls der Rekurskommission<br />

bezieht sich auf den Inhalt eines Telefongesprächs zwischen dem Sekretär<br />

der Rekurskommission <strong>und</strong> dem Vertreter der Pflichtigen. Die Rekurskommissionen<br />

haben über wesentliche Amtshandlungen, die aktenmässig keinen anderweitigen<br />

Niederschlag finden, ein kurzes Protokoll zu erstellen (§ 4 Abs. 1 VO StG<br />

in Verbindung mit § 148 Abs. 3 StG). Mit der Steuerbeschwerde an das <strong>Verwaltungsgericht</strong><br />

lässt sich nicht eine förmliche Berichtigung <strong>des</strong> Protokolls der Rekurskommission<br />

verlangen, weshalb auf diesen Antrag nicht eingetreten werden kann.<br />

Hingegen steht dem Steuerpflichtigen der Nachweis offen, dass Protokolle unrichtig<br />

geführt worden sind (RB 1970 Nr. 34).<br />

SB.2004.00013 2. Kammer, 1. September<br />

d) Nachsteuerverfahren<br />

101. Entspricht die Deklaration <strong>des</strong> Steuerpflichtigen der zu diesem Zeitpunkt<br />

massgeblichen Verwaltungspraxis, gilt sie als vollständig, weshalb aufgr<strong>und</strong><br />

einer nachträgliche Praxisänderung keine Nachsteuer erhoben werden<br />

darf. § 160 Abs. 2 StG.<br />

SR.2003.00012 2. Kammer, 3. März<br />

e) Steuersicherungsverfahren<br />

102. Im Rekursverfahren gegen eine Sicherstellungsverfügung können wie im<br />

Einspracheverfahren gegen den Arrestbefehl neue Tatsachen geltend gemacht<br />

werden. Art. 278 Abs. 3 SchKG.<br />

SR.2004.00002 2. Kammer, 24. März


f) Steuerstrafverfahren<br />

103. Auch bei der wegen Verletzung von im DBG statuierten Verfahrenspflichten<br />

ausgefällten Busse handelt es sich um eine echte kriminalrechtliche Strafe.<br />

Im entsprechenden Verfahren sind mithin die strafprozessualen Garantien<br />

von BV <strong>und</strong> EMRK zu beachten. Art. 29 Abs. 2, Art. 32 Abs. 2 BV. Art. 126<br />

Abs. 2, Art. 174, Art. 182 DBG. Art. 48 Ziff. 2, Art. 63 StGB.<br />

1. Wer einer Pflicht, die ihm nach den Vorschriften <strong>des</strong> DBG oder nach einer<br />

aufgr<strong>und</strong> dieses Gesetzes getroffenen Anordnung obliegt, trotz Mahnung vorsätzlich<br />

oder fahrlässig nicht nachkommt, insbesondere die Steuererklärung oder die<br />

dazu verlangten Beilagen nicht einreicht, wird laut Art. 174 Abs. 1 lit. a DBG mit<br />

Busse bestraft. Die Busse beträgt gemäss Art. 174 Abs. 2 DBG bis zu 1000 Franken,<br />

in schweren Fällen oder bei Rückfall bis zu 10 000 Franken.<br />

2.1 Gemäss Art. 182 Abs. 1 DBG trifft die mit der Strafverfolgung betraute<br />

Behörde nach Abschluss der Untersuchung eine Straf- oder Einstellungsverfügung,<br />

die sie dem Betroffenen schriftlich eröffnet. Für das Strafverfahren gelten ausserdem<br />

kraft Art. 182 Abs. 3 DBG «sinngemäss» die Vorschriften über die Verfahrensgr<strong>und</strong>sätze,<br />

das Veranlagungs- <strong>und</strong> das Beschwerdeverfahren, d.h. die Art. 109 bis<br />

146 DBG. Somit ist für jede einzelne Bestimmung durch Auslegung zu ermitteln,<br />

ob sie im steuerstrafrechtlichen Verfahren zur Anwendung gelangt <strong>und</strong> mit welcher<br />

Bedeutung. Infolge<strong>des</strong>sen sind diese Vorschriften nur heranzuziehen, soweit sie<br />

sich mit der kriminalrechtlichen Natur der Steuerstrafen vereinbaren oder sich auf<br />

die steuerstrafrechtlichen Erfordernisse ausrichten lassen (vgl. Roman Sieber in:<br />

Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht I/2b, Vorbem. zu Art. 182–183 DBG<br />

N. 2).<br />

Da es sich bei der Busse wegen Verletzung von Verfahrenspflichten nach Art.<br />

174 DBG um eine echte kriminalrechtliche Strafe handelt (BGr, 28. März 1996,<br />

ASA 66 [1997/98] = StE 1997.B 101.1 Nr. 9), sind im Verfahren überdies die strafprozessualen<br />

Garantien der (EMRK), insbesondere Art. 6 EMRK, <strong>und</strong> der BV,<br />

namentlich Art. 29 Abs. 2 <strong>und</strong> Art. 32 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 BV, zu beachten. Diese verankern<br />

den Anspruch auf rechtliches Gehör, auf Unterrichtung über die Anklage, auf<br />

Geltendmachung der Verteidigungsrechte <strong>und</strong> auf Unschuldsvermutung (vgl.<br />

Sieber, Vorbem. zu Art. 182–183 DBG N. 4).<br />

2.2 Art. 182 Abs. 1 DBG verpflichtet die Steuerstrafbehörde ausdrücklich zur<br />

Durchführung einer Untersuchung. Deren Zweck ist die Sachverhaltsermittlung<br />

103<br />

195


103<br />

mit Blick auf die objektiven <strong>und</strong> subjektiven Tatbestandsmerkmale der in Frage stehenden<br />

Steuerübertretung sowie der Verhältnisse, welche gegebenenfalls für die<br />

Strafzumessung in Betracht zu ziehen sind. Der Behörde stehen dabei gemäss Art.<br />

182 Abs. 3 DBG jene Untersuchungsmittel zu Gebote, die ihr für das Veranlagungsverfahren<br />

zur Verfügung stehen (vgl. Sieber, Art. 182 DBG N. 23). Vorab ist<br />

gestützt auf Art. 126 Abs. 2 DBG, welcher die Einholung von Auskünften regelt,<br />

der beschuldigte Steuerpflichtige mündlich zur Person <strong>und</strong> zur Sache einzuvernehmen.<br />

Denn nur durch eine mündliche Befragung vermag die mit der Untersuchung<br />

der Anschuldigung <strong>und</strong> der Ausfällung der Strafe betraute Behörde einen Eindruck<br />

von der Persönlichkeit <strong>des</strong> Beschuldigten zu gewinnen, die inneren Tatumstände zu<br />

beurteilen (subjektiver Tatbestand, Verschulden, Beweggründe) <strong>und</strong> die unerlässlichen<br />

Entscheidgr<strong>und</strong>lagen für die Strafzumessung im Sinn von Art. 48 Ziff. 2 <strong>und</strong><br />

Art. 63 StGB (Ges<strong>und</strong>heitszustand, Lebensumstände, Strafempfindlichkeit, Charakter)<br />

zu erhalten (Sieber, Art. 182 DBG N. 65; Martin Zweifel, Das rechtliche<br />

Gehör im Steuerhinterziehungsverfahren, ASA 60 [1991/92], S. 473). Der Pflicht<br />

der Behörde, zur Erfüllung <strong>des</strong> Untersuchungszwecks den Beschuldigten einzuvernehmen,<br />

entspricht das aus dem Gr<strong>und</strong>satz <strong>des</strong> rechtlichen Gehörs von Art. 29<br />

Abs. 2 BV fliessende Recht <strong>des</strong> Beschuldigten auf mündliche Befragung im Strafprozess.<br />

Die strafprozessuale Bedeutung der persönlichen Befragung verlangt, dass<br />

der Beschuldigte zur Wahrnehmung seines Äusserungsrechts ausdrücklich aufgefordert<br />

wird. Er ist daher amtlich vorzuladen, wobei er auf das Recht zur persönlichen<br />

mündlichen Einvernahme verzichten kann. Ein solcher Verzicht darf etwa<br />

bei unentschuldigtem Fernbleiben angenommen werden. In einem derartigen Fall<br />

ist aufgr<strong>und</strong> der Akten zu entscheiden, sofern der Beschuldigte in der Vorladung<br />

zur Einvernahme auf diese Folgen seines Verzichts aufmerksam gemacht wurde<br />

(vgl. RB 2000 Nr. 135 <strong>und</strong> 136 für das kantonale Recht; Sieber, Art. 182 DBG<br />

N. 66 mit Hinweisen).<br />

2.3 Darüber hinaus ist die untersuchende <strong>und</strong> urteilende Behörde aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>satzes <strong>des</strong> rechtlichen Gehörs von Art. 29 Abs. 2 BV sowie ausdrücklic<br />

kraft Art. 32 Abs. 2 BV gehalten, den Beschuldigten möglichst rasch <strong>und</strong> umfassend<br />

über die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen zu unterrichten (Satz 1).<br />

Dieser muss die Möglichkeit haben, die ihm zustehenden Verteidigungsrechte geltend<br />

zu machen (Satz 2). Ohne diese Unterrichtung ist es dem Beschuldigten nicht<br />

möglich, die ihm gemäss Art. 114 <strong>und</strong> Art. 115 in Verbindung mit Art. 182 Abs. 3<br />

196


103, 104, 105, 106<br />

DBG zustehenden <strong>und</strong> in Art. 29 Abs. 2 BV garantierten Rechte auf Akteneinsicht<br />

<strong>und</strong> auf Beweisabnahme auszuüben.<br />

GB.2004.00005 2. Kammer, 1. September<br />

g) Revisionsverfahren<br />

104. Fehlt es an einer Vollmacht <strong>und</strong> wird dieser Mangel innert angesetzter Frist<br />

nicht beseitigt, so ist auf das Rechtsmittel nicht einzutreten <strong>und</strong> kann dieses<br />

durch den «Vertreter» auch nicht mehr rechtsgültig zurückgezogen werden.<br />

Unter diesen Umständen sind die Verfahrenskosten dem vollmachtlos handelnden<br />

«Vertreter» aufzuerlegen. § 127 StG.<br />

RG.2004.00004 2. Kammer, 17. Juni<br />

II. Gr<strong>und</strong>stückgewinn- <strong>und</strong><br />

Handänderungssteuer<br />

105. Der Wegfall eines Wohnrechts während der Besitzesdauer hat zur Folge,<br />

dass zur Herstellung vergleichbarer Verhältnisse der Wert <strong>des</strong> Wohnrechts<br />

zum Zeitpunkt <strong>des</strong> Erwerbs der wohnrechtsbelasteten Liegenschaft zum damaligen<br />

Erwerbspreis bzw. zum Anlagewert hinzuzurechnen ist. Damit wird<br />

ein Zustand hergestellt, wie wenn ein unbelastetes Gr<strong>und</strong>stück erworben<br />

worden wäre, welches dann – unbelastet – wieder veräussert wurde. § 220<br />

Abs. 1 StG.<br />

SB.2003.00065 2. Kammer, 24. März<br />

106. Als Liegenschaftenhändler tätige juristische Personen sind berechtigt, die<br />

Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer bei dieser Steuer gewinnmindernd geltend zu<br />

machen, soweit sie auf deren Berücksichtigung bei der Gewinnsteuer ausdrücklich<br />

verzichten. § 221 Abs. 2 StG.<br />

197


106<br />

1.2.1 Ob die Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuern zu den aufgr<strong>und</strong> von § 221 Abs. 2 StG<br />

anrechenbaren Aufwendungen gehören, ist auf dem Weg der Gesetzesauslegung zu<br />

ermitteln. Deren Ziel ist es, den Sinngehalt einer Norm zu ergründen. Auszugehen<br />

ist dabei vom Wortlaut der auszulegenden Bestimmung, doch kann dieser nicht allein<br />

massgebend sein, namentlich wenn der Text unklar ist oder verschiedene<br />

Deutungen zulässt. Vielmehr muss nach der wahren Tragweite <strong>des</strong> Wortlauts gesucht<br />

werden, unter Berücksichtigung der weiteren Auslegungselemente, wie namentlich<br />

Entstehungsgeschichte <strong>und</strong> Zweck der Norm. Wichtig ist auch die Bedeutung,<br />

welche der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. So lässt<br />

sich auch das B<strong>und</strong>esgericht bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus<br />

leiten <strong>und</strong> stellt nur dann allein auf das grammatikalische Element<br />

ab, wenn sich daraus zweifellos eine sachlich richtige Lösung ergibt (BGE<br />

125 II 177 E. 3 S. 179; 124 II 372 E. 5 S. 376).<br />

1.2.2 Nach dem Wortlaut von § 221 Abs. 2 StG sind «weitere mit der Liegenschaft<br />

zusammenhängende Aufwendungen» anrechenbar. Mit der Wendung «weitere<br />

… Aufwendungen» wird zunächst auf die Aufzählung von § 221 Abs. 1 StG<br />

verwiesen. Danach sind als Aufwendungen anrechenbar wertvermehrende Aufwendungen<br />

(lit. a), Gr<strong>und</strong>eigentümerbeiträge (lit. b), übliche Mäklerprovisionen <strong>und</strong><br />

Insertionskosten für Erwerb <strong>und</strong> Veräusserung (lit. c), mit der Handänderung verb<strong>und</strong>ene<br />

Abgaben (lit. d) sowie Baukreditzinsen bei Liegenschaften im Geschäftsvermögen<br />

(lit. e). Infolge<strong>des</strong>sen genügt es für die Anrechenbarkeit «weiterer»<br />

Aufwendungen, dass sie mit der (veräusserten) Liegenschaft zusammenhängen,<br />

wobei die in § 221 Abs. 1 StG aufgelisteten Aufwendungen Beispiele für einen derartigen<br />

Zusammenhang bilden.<br />

Wenn also kraft § 221 Abs. 1 lit. d StG die Handänderungssteuer in einem Zusammenhang<br />

mit der Liegenschaft steht (so schon RB ORK 1959 Nr. 59), dann<br />

muss es auch die Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer sein, denn sie wird als Objektsteuer –<br />

wie die Handänderungssteuer gemäss § 227 Abs. 1 StG – «bei Handänderungen an<br />

Gr<strong>und</strong>stücken» erhoben. Diesen Zusammenhang hat auch das B<strong>und</strong>esgericht in seiner<br />

Rechtsprechung zum verfassungsrechtlichen Doppelbesteuerungsverbot erkannt<br />

(vgl. BGE 120 Ia 361 E. 5b S. 366). Der gr<strong>und</strong>steuerliche Begriff der «Aufwendung»<br />

hat für sich selbst betrachtet keine besondere Bedeutung, sondern steht<br />

allgemein für die Erbringung einer Geldleistung.<br />

Infolge<strong>des</strong>sen ist die aus Anlass der Veräusserung einer Liegenschaft erhobene<br />

Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer nach dem Gesetzeswortlaut eine mit der Liegenschaft<br />

zusammenhängende Aufwendung.<br />

198


1.3 Zweck der Vorschrift von § 221 Abs. 2 StG ist es offenk<strong>und</strong>ig, bei Personen,<br />

welche mit Liegenschaften handeln, über die Aufzählung von Abs. 1 dieser<br />

Bestimmung hinaus die Anrechnung weiterer mit der Liegenschaft zusammenhängender<br />

Aufwendungen bei der Berechnung <strong>des</strong> steuerbaren Gr<strong>und</strong>stückgewinns zu<br />

ermöglichen. Denn nur solchen Personen gesteht das Gesetz diese Möglichkeit zu.<br />

Dieser Bef<strong>und</strong> deckt sich mit der Entstehungsgeschichte der Norm: Anlässlich<br />

der Gesetzesberatung im <strong>Kantons</strong>rat waren sich die Votanten im Wesentlichen<br />

darin einig, dass diese Bestimmung bezweckte, die gewerbsmässigen Liegenschaftenhändler<br />

mit Sitz im Kanton Zürich den Liegenschaftenhändlern mit Sitz in<br />

einem andern Kanton (<strong>und</strong> ohne zürcherische Betriebsstätte) gleichzustellen (vgl.<br />

Protokoll <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong>rats 1995–1999, insbesondere S. 6716 ff. <strong>und</strong> 6722). Denn<br />

diese sind – anders als Händler mit zürcherischem Sitz, die vor Schaffung der in<br />

Frage stehenden Vorschrift bloss Aufwendungen im Sinn von § 221 Abs. 1 StG anrechnen<br />

konnten – aufgr<strong>und</strong> der b<strong>und</strong>esgerichtlichen Rechtsprechung zum Verbot<br />

der Doppelbesteuerung im interkantonalen Verhältnis von Art. 127 Abs. 3 BV (bzw.<br />

Art. 46 Abs. 2 aBV) berechtigt, bei der Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer über die Aufzählung<br />

von § 221 Abs. 1 StG (bzw. § 166 Abs. 1 aStG) hinaus weitere mit dem Erwerb<br />

<strong>und</strong> der Veräusserung ihrer Geschäftsliegenschaften zusammenhängende Aufwendungen<br />

bei der Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer geltend zu machen. Hierzu gehören nach<br />

der B<strong>und</strong>esgerichtspraxis auch alle Kosten, die im Rahmen der ordentlichen<br />

Betriebsrechnung als Aufwand hätten berücksichtigt werden müssen, aber mangels<br />

laufender Erträgnisse in<strong>des</strong>sen nicht verrechnet werden konnten (BGE 120 Ia 361;<br />

Höhn/Mäusli, Interkantonales Steuerrecht, § 28 Ziff. 51; Richner/Frei/Kaufmann,<br />

§ 221 N. 108 ff.), sowie bei den juristischen Personen die Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer,<br />

die nach der itinerativen Methode zu berechnen ist (RB 1996 Nr. 50).<br />

Entspricht es aber Sinn <strong>und</strong> Zweck von § 221 Abs. 2 StG, die innerkantonal<br />

domizilierten den ausserkantonal ansässigen Liegenschaftenhändlern gleichzustellen<br />

<strong>und</strong> sind diese, sofern sie juristische Personen sind, berechtigt, die im Belegenheitskanton<br />

erhobene Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer bei dieser Steuer gewinnmindernd<br />

geltend zu machen, soweit sie im Sitzkanton nicht hat verrechnet werden können,<br />

so dürfen auch juristische Personen mit Sitz im Kanton Zürich, die mit Liegenschaften<br />

handeln, die ihnen von zürcherischen Gemeinden auferlegten Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuern<br />

bei diesen Steuern als Aufwendungen anrechnen. Bedingung dafür<br />

ist nach der Regelung von § 221 Abs. 2 StG freilich, dass die Händlerin bei der<br />

Gewinnsteuer (§ 63 ff. StG) auf die ihr gemäss § 65 Abs. 1 lit. a StG zustehende<br />

Berücksichtigung der Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer als geschäftsmässig begründeten<br />

Aufwand ausdrücklich verzichtet hat.<br />

106<br />

199


106<br />

1.4 Dass natürlichen Personen, die mit Liegenschaften handeln, die Anrechnung<br />

der Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer versagt ist, verletzt entgegen der Auffassung <strong>des</strong><br />

beschwerdeführenden Steueramts weder den Wortlaut noch Sinn <strong>und</strong> Zweck von<br />

§ 221 Abs. 2 StG: So lässt das Gesetz den Abzug der Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer bei<br />

dieser Steuer zu, soweit die pflichtige Person «auf deren Berücksichtigung bei der<br />

Einkommens- oder Gewinnsteuer ausdrücklich verzichtet» hat. Eine allgemeine<br />

Berücksichtigung von Steuern schreibt es in<strong>des</strong>sen nur bei der Gewinnsteuer juristischer<br />

Personen vor (§ 65 Abs. 1 lit. a StG), während es bei der Einkommenssteuer<br />

natürlicher Personen jeglichen Abzug von Steuern, namentlich auch der Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer,<br />

in § 33 lit. e StG ausdrücklich ausschliesst. Sodann sind Sinn<br />

<strong>und</strong> Zweck der in Frage stehenden Gesetzesvorschrift einerseits die Begünstigung<br />

von Liegenschaftenhändlern gegenüber Nichthändlern <strong>und</strong> andererseits die Gleichstellung<br />

von zürcherischen <strong>und</strong> ausserkantonalen Liegenschaftenhändlern. Das<br />

führt ebenfalls dazu, dass natürliche Personen, die gewerbsmässig mit Liegenschaften<br />

handeln, die Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer nicht anrechnen können, weil die b<strong>und</strong>esgerichtliche<br />

Doppelbesteuerungspraxis eine Anrechnung dieser Steuer auch für<br />

ausserkantonale natürliche Liegenschaftenhändler nicht vorschreibt.<br />

1.5 Schliesslich hält dieses Ergebnis auch einer gesetzessystematischen Betrachtung<br />

stand. Das zürcherische Einkommens- <strong>und</strong> Gewinnsteuerrecht beruht auf<br />

dem Gr<strong>und</strong>gedanken der Gesamt- <strong>und</strong> Reineinkommens- bzw. Total- <strong>und</strong> Reingewinnbesteuerung<br />

(vgl. Markus Reich, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommenssteuerrecht,<br />

ASA 53 [1984/85], S. 11 ff.). Dennoch unterwirft der kantonale<br />

Gesetzgeber entgegen den Generalklauseln von § 16 Abs. 1 StG <strong>und</strong> § 63 StG nicht<br />

alle Nettoeinkünfte <strong>und</strong> Nettoerträge der Einkommens- bzw. Gewinnsteuer. So<br />

sieht er für Kapitalgewinne auf Gr<strong>und</strong>stücken eine besondere Objektsteuer, nämlich<br />

die Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer, vor <strong>und</strong> nimmt die unter diese Steuer fallenden<br />

Vermögenszuflüsse von der Einkommens- bzw. Gewinnsteuer aus (§ 16 Abs. 3 Satz<br />

2 <strong>und</strong> § 64 Abs. 3 StG). Dadurch hat der Gesetzgeber das Prinzip der Gesamt- <strong>und</strong><br />

Reineinkommensbesteuerung bzw. Total- <strong>und</strong> Reingewinnbesteuerung <strong>und</strong> damit<br />

den Gr<strong>und</strong>satz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit<br />

durchbrochen (vgl. RB 2002 Nr. 120, auch zum Folgenden). Wenn er diese Durchbrechung<br />

mit Bezug auf Geschäftsgr<strong>und</strong>stücke verschiedentlich gemildert <strong>und</strong> sie<br />

mit der Regelung von § 221 Abs. 2 StG für im Liegenschaftenhandel tätige Personen<br />

noch erweitert hat, so hat er lediglich eine bisher bestehende, im monistischen<br />

System der Gr<strong>und</strong>stückgewinnbesteuerung begründete Verletzung <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>satzes<br />

der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beseitigt <strong>und</strong><br />

200


106, 107<br />

auf diese Weise die diesem Prinzip gerechter werdende Besteuerung <strong>des</strong> Unternehmensgewinns<br />

als Einheit gefördert.<br />

SB.2003.00062 2. Kammer, 28. April<br />

107. Als ausserkantonale Liegenschaftenhändler tätige juristische Personen<br />

sind berechtigt, die auf den Kanton Zürich entfallende direkte B<strong>und</strong>essteuer<br />

bei der Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer gewinnmindernd geltend zu<br />

machen, soweit sie auf deren Berücksichtigung bei der Einkommens- <strong>und</strong><br />

Gewinnsteuer ausdrücklich verzichtet haben. Der Verzicht kann sich dabei<br />

auch aus den Umständen ergeben, etwa wenn aufgr<strong>und</strong> der Akten ausgeschlossen<br />

werden kann, dass die Aufwendungen bei den Staats- <strong>und</strong> Gemein<strong>des</strong>teuern<br />

zum Abzug gebracht worden sind. § 221 Abs. 2 StG.<br />

1. Natürliche <strong>und</strong> juristische Personen, welche mit Liegenschaften handeln,<br />

können gemäss § 221 Abs. 2 StG über die in Abs. 1 dieser Bestimmung erwähnten<br />

Aufwendungen hinaus weitere mit der Liegenschaft zusammenhängende Aufwendungen<br />

geltend machen, soweit sie auf deren Berücksichtigung bei der Einkommens-<br />

oder Gewinnsteuer ausdrücklich verzichtet haben (vgl. zur Tragweite <strong>und</strong><br />

Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift Richner/Frei/Kaufmann, § 221 N. 99 ff.;<br />

vgl. neuerdings auch Felix Richner in: ZStP 2004, S. 175 ff., auch zum Folgenden).<br />

Wie sich aus den Protokollen der kantonsrätlichen Debatte zur fraglichen Gesetzesvorschrift<br />

ergibt, erschöpft sich deren Zweck nicht in der Gleichstellung von<br />

ausser- <strong>und</strong> innerkantonalen gewerbsmässigen Liegenschaftenhändlern, sondern<br />

ging es in erster Linie darum, für gewerbsmässige Liegenschaftenhändler das so<br />

genannte dualistische Gr<strong>und</strong>stückgewinnbesteuerungssystem einzuführen (vgl.<br />

Prot. KR 1995–99, S. 6715 ff.; vgl. Richner, S. 178 f.).<br />

§ 221 Abs. 2 StG ist anwendbar für alle Handänderungen, die nach Inkrafttreten<br />

dieser Bestimmung per 1. Januar 1999 vollzogen werden (vgl. § 279 Abs. 1 StG).<br />

Während es für die Abzugsmöglichkeit nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht<br />

darauf ankommt, ob es sich bei der Steuerpflichtigen um eine natürliche oder um<br />

eine juristische Person handelt, spielt diese Unterscheidung mit Bezug auf den Umfang<br />

der Abzugsmöglichkeit insoweit eine Rolle, als gewisse Aufwendungen, wie<br />

namentlich Steuern, nur von juristischen Personen (im Rahmen der Gewinnsteuern)<br />

geltend gemacht werden können (vgl. § 65 Abs. 1 lit. a StG <strong>und</strong> § 33 lit. e StG).<br />

201


107<br />

2. Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen lediglich geltend, dass<br />

Steuern nicht unter den Begriff der Aufwendungen fielen. Das Gericht hat jedoch<br />

nach Beschwerdeerhebung, nämlich mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 28.<br />

April 2004, mittlerweile erkannt, dass unter den Begriff der (weiteren) «Aufwendungen»<br />

im Sinn der fraglichen Gesetzesvorschrift jede im Zusammenhang mit<br />

dem veräusserten Gr<strong>und</strong>stück erbrachte Geldleistung falle, insbesondere auch<br />

Steuern (RB 2004 Nr. 106). Es hat daher die aus Anlass der Veräusserung einer<br />

Liegenschaft erhobene Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer als eine mit der Liegenschaft<br />

zusammenhängende Steuer gewürdigt <strong>und</strong> unter anderem darauf hingewiesen, das<br />

Gesetz selber stelle in § 221 Abs. 1 lit. d StG ausdrücklich die Handänderungssteuer<br />

in einen solchen Zusammenhang mit der Liegenschaft. Aus den Gesetzesmaterialien<br />

ergibt sich denn auch, dass der Gesetzgeber ganz bewusst den unspezifischen<br />

Ausdruck der «Aufwendungen» statt denjenigen der «Anlagekosten» als<br />

gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuerrechtlichen Gesetzesbegriff gewählt hat (vgl. Art. 12 Abs. 1<br />

<strong>des</strong> Steuerharmonisierungsgesetzes vom 14. Dezember 1990 <strong>und</strong> § 219 Abs. 1 StG;<br />

vgl. Prot. KR 1995–99, S. 6723, 6725 f., 6728). Es sind daher gr<strong>und</strong>sätzlich alle<br />

mit dem veräusserten Gr<strong>und</strong>stück – nicht nur mit der Veräusserung <strong>des</strong><br />

Gr<strong>und</strong>stücks selber – zusammenhängenden Steuern der juristischen Person abzugsfähig,<br />

nämlich unter anderem nebst der Handänderungssteuer <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer<br />

insbesondere auch die direkte B<strong>und</strong>essteuer. Dass die Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer<br />

der Gemeinde zusteht bzw. «innerhalb <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> verbleibt», während<br />

dies bei der B<strong>und</strong>essteuer nicht der Fall sei, kann entgegen dem Verständnis<br />

der Beschwerdeführerin nicht gegen die Abzugsfähigkeit der letzteren ins Feld<br />

geführt werden. Denn abgesehen davon, dass vom Rohertrag der direkten<br />

B<strong>und</strong>essteuern 30 % den Kantonen zufallen (Art. 128 Abs. 4 BV), wird damit ein<br />

sachfrem<strong>des</strong> Kriterium ins Spiel gebracht. Hätte der Gesetzgeber sich diese Logik<br />

zu eigen machen wollen, hätte er z.B. den Abzug von Mäklerprovisionen nach<br />

§ 221 Abs. 1 lit. c StG davon abhängig machen müssen, dass der Vermittler die<br />

Provision im Liegenschaftskanton als Einkommen bzw. Gewinn versteuern würde.<br />

3. Somit kann sich nur noch fragen, ob die Beschwerdegegnerin auf die<br />

Geltendmachung der B<strong>und</strong>essteuer bei der Gewinnsteuer «ausdrücklich verzichtet»<br />

hat (§ 221 Abs. 2 StG), was die Rekurskommission soweit ersichtlich nicht eigens<br />

geprüft hat.<br />

Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass der Verzicht auf Geltendmachung<br />

von Aufwendungen im Sinn von § 221 Abs. 2 StG bei der Einkommens- bzw.<br />

Gewinnsteuer nach den Vorstellungen <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong>rats laufend erklärt werden muss<br />

(vgl. Prot. KR 1995–99, S. 6725), <strong>und</strong> zwar in Form von den Steuererklärungen<br />

202


107, 108<br />

beizulegenden Aufstellungen mit ausdrücklicher Bezeichnung derjenigen Aufwendungen,<br />

welche bei der Einkommens- beziehungsweise Gewinnsteuer aktiviert oder<br />

auf andere Weise nicht geltend gemacht werden, beziehungsweise mit Aufstellungen<br />

über Abschreibungen.<br />

Freilich dürfen die Anforderungen an die Verzichtserklärung nicht überspannt<br />

werden. Es muss den Steuerpflichtigen gestattet sein, den Verzichtsnachweis auf<br />

andere als die beschriebene Art <strong>und</strong> Weise zu erbringen. Namentlich muss der<br />

Nachweis als geleistet betrachtet werden, wenn aufgr<strong>und</strong> der Akten ausgeschlossen<br />

werden kann, dass die Aufwendungen bei den Staats- <strong>und</strong> Gemein<strong>des</strong>teuern zum<br />

Abzug gebracht worden sind.<br />

SB.2003.00075 2. Kammer, 20. Oktober<br />

III. Erbschafts- <strong>und</strong> Schenkungssteuer<br />

108. Für den Fall, dass im Erbgang latente Steuern auf die Erben übergehen, ist<br />

der Verkehrswert <strong>des</strong> übertragenen Geschäftsvermögens beziehungsweise<br />

der Gr<strong>und</strong>stücke nach Massgabe <strong>des</strong> Preises zu bestimmen, der unter<br />

Marktverhältnissen sowie unter Berücksichtung der Übernahme latenter<br />

Steuern durch den Erwerber vereinbart würde. Präzisierung der bisherigen<br />

Rechtsprechung. § 13 ESchG.<br />

4.1 Des Weiteren beantragen die Rekurrierenden, die latenten Steuern auf den<br />

vererbten Liegenschaften steuermindernd zu berücksichtigen. Im Einzelnen verlangen<br />

sie einen Abzug für die per To<strong>des</strong>tag aufgelaufenen latenten Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuern<br />

auf den Gr<strong>und</strong>stücken <strong>des</strong> Privat- <strong>und</strong> Geschäftsvermögens sowie<br />

der auf den gleichen Stichtag berechneten latenten Einkommenssteuern auf unversteuerten<br />

Reserven <strong>des</strong> Geschäftsvermögens. Die Höhe der beantragten Abzüge für<br />

latente Steuern ergibt sich im Einzelnen aus den der Rekursschrift beigefügten<br />

Berechnungen.<br />

Die Rekurrierenden stützen sich mit ihrem Antrag auf die Feststellung ab,<br />

dass bei der Preisfindung im Markt keine latenten Steuern zu berücksichtigen<br />

seien, weil bei Liegenschaftenverkäufen über latente Steuern immer abgerechnet<br />

werde. Werde für die Bestimmung <strong>des</strong> erbschaftssteuerlich massgebenden Ver-<br />

203


108<br />

kehrswerts von Liegenschaften auf die Preisbildung im «normalen» Geschäftsverkehr<br />

abgestellt, müsse folglich mit berücksichtigt werden, dass beim erbrechtlichen<br />

Vermögensübergang infolge Steueraufschubs latente Steuerlasten auf die Erben<br />

übergingen. Für die Bestimmung <strong>des</strong> erbschaftssteuerlichen Verkehrswerts sei <strong>des</strong>halb<br />

auf eine Marktsituation abzustellen, bei welcher keine Abrechnung der Steuer<br />

eintrete.<br />

4.2.1 Der nach § 13 Abs. 1 ESchG massgebende Verkehrswert eines Vermögensobjekts<br />

im Allgemeinen <strong>und</strong> einer Liegenschaft im Besonderen entspricht dem<br />

Preis, der dafür im gewöhnlichen Geschäftsverkehr am Bewertungsstichtag mutmasslich<br />

zu erzielen wäre (RB 1991 Nr. 47 mit Hinweisen). Ein Abzug der latenten<br />

Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer vom Verkehrswert fällt nach bisheriger zürcherischer<br />

Praxis ausser Betracht (VGr. 9. Juli 2003, SR.2003.00002; RB 1985 Nr. 75). Diese<br />

Praxis wurde im Wesentlichen einerseits damit begründet, dass die Preisbildung auf<br />

dem Markt die den Veräusserer treffenden Steuerfolgen nicht berücksichtige, <strong>und</strong><br />

anderseits damit, dass eine anwartschaftliche Schuld wie die latente Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuer<br />

wegen der Ungewissheit über Zeitpunkt <strong>und</strong> Umfang <strong>des</strong> auslösenden<br />

Ereignisses einer Bewertung nicht zugänglich sei.<br />

Bei der Ermittlung <strong>des</strong> Preises, der für ein Vermögensobjekt im gewöhnlichen<br />

Geschäftsverkehr mutmasslich zu erzielen gewesen wäre, ist auf eine rechtlichobjektive<br />

Betrachtungsweise abzustellen, weshalb rein persönliche Umstände <strong>des</strong><br />

Steuerpflichtigen diesen Wert gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zu beeinflussen vermögen<br />

(Richner/Frei, § 13 N 14). Nach dieser Methode sind in<strong>des</strong>sen alle den Preis im<br />

gewöhnlichen Geschäftsverkehr beeinflussenden Faktoren mit einzubeziehen, soweit<br />

sie objektiver Natur sind. Das <strong>Verwaltungsgericht</strong> hat es <strong>des</strong>halb als gesetzmässig<br />

erachtet, bei der erbschaftssteuerlichen Bewertung nicht kotierter Aktien<br />

dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein Käufer unter Marktbedingungen die<br />

Möglichkeit hat, beim Erwerb der fraglichen Titel die auf dem Liquidationsüberschuss<br />

lastenden Steuern über einen reduzierten Kaufpreis auf seinen Rechtsvorgänger<br />

abzuwälzen (RB 1988 Nr. 44). Dies führte zu einem entsprechenden Abzug<br />

<strong>des</strong> massgeblichen Erbschaftssteuerwerts. In diesem Sinn ist denn auch nach<br />

Randziffer 38 der von der Konferenz staatlicher Steuerbeamter <strong>und</strong> der Eidgenössischen<br />

Steuerverwaltung herausgegebenen Wegleitung zur Bewertung von Wertpapieren<br />

ohne Kurswert für die Vermögenssteuer, Ausgabe 1995, vorgesehen, bei<br />

der Ermittlung <strong>des</strong> Substanzwerts eines Unternehmens die latenten Steuern auf den<br />

unversteuerten stillen Reserven pauschal zu berücksichtigen.<br />

Diese für Beteiligungspapiere geltenden Überlegungen sind allgemein auch<br />

auf andere Wirtschaftsgüter anwendbar, sofern sie sich im gewöhnlichen Ge-<br />

204


schäftsverkehr als preisrelevant erweisen. Nur so lässt sich nämlich sicher stellen,<br />

dass wertbildende Elemente, die unter Marktbedingungen berücksichtigt würden,<br />

nur <strong>des</strong>halb unberücksichtigt bleiben, weil es wie bei einem auf einem Erbgang<br />

basierenden Vermögensübergang keinen Markt gibt.<br />

Es liesse sich zudem verfassungsrechtlich nur schwer begründen, beim erbrechtlichen<br />

Übergang eines in der Rechtsform einer juristischen Person betriebenen<br />

Unternehmens für die Verkehrswertberechnung die latenten Steuern auf Gesellschaftsebene<br />

zu berücksichtigen, beim Übergang eines Anteils an einer Personengesellschaft<br />

hingegen für die Wertbestimmung ausser Acht zu lassen, dass die stillen<br />

Reserven steuerverhaftet bleiben. Werden bei der Substanzwertberechnung stille<br />

Reserven aufgerechnet, so wirken sich die darauf entfallenden latenten Steuern<br />

insoweit wertvermindernd aus, als die stillen Reserven noch unversteuert sind (Jürg<br />

Altorfer, Kauf <strong>und</strong> Kauf von Kapitalunternehmungen im Steuerrecht, Diss. St. Gallen<br />

1994, S. 84). Dieses mit dem Bewertungsobjekt zusammenhängende Element<br />

ist gr<strong>und</strong>sätzlich nicht von der Rechtsform der Unternehmung abhängig; im Geschäftsverkehr<br />

würde bei der Preisbestimmung den latenten Steuern in beiden<br />

Fällen Rechnung getragen. Dass im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, der den Preis<br />

<strong>und</strong> damit den Verkehrswert bestimmt, ein Steueraufschub mit Übernahme latenter<br />

Steuern ausgeschlossen ist – sofern es sich nicht um die Übertragung von Aktien<br />

handelt – kann entgegen RB 1985 Nr. 75 keine Begründung für die Nichtberücksichtigung<br />

von latenten Steuern beim Übergang von Beteiligungen an Personenunternehmen<br />

oder von Gr<strong>und</strong>stücken abgeben. Um für die erbschaftssteuerrechtliche<br />

Verkehrswertermittlung vergleichbare Verhältnisse zu schaffen, ist der aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>des</strong> gewöhnlichen Geschäftsverkehrs ermittelte Preis um denjenigen Betrag<br />

zu korrigieren, der von einem Käufer für die Übernahme latenter Steuern in Abzug<br />

gebracht würde. Ob es sich dabei um latente Einkommens- beziehungsweise<br />

Gewinnsteuern auf unversteuerten Reserven handelt oder um aufgeschobene<br />

Gr<strong>und</strong>stückgewinnsteuern, ist dafür unerheblich; dem Gr<strong>und</strong>satz nach wirken sich<br />

derartige Steuern im gewöhnlichen Geschäftsverkehr – der hier bei einem Vermögensübergang<br />

qua Erbgang gerade nicht besteht – auf den Preis aus, der auf dem<br />

Markt erzielbar ist.<br />

4.2.2 Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zur Auffassung, dass bei der<br />

Preisbildung auf dem Markt die den Veräusserer treffenden Steuerfolgen nicht<br />

berücksichtigt werden, sondern dass der Preis, den ein potentieller Erwerber zu<br />

zahlen bereit ist, von den Eigenschaften einer Liegenschaft <strong>und</strong> vom konjunkturellen<br />

Umfeld abhängt (so noch VGr. 9. Juli 2003, SR.2003.00002). Hingegen ist in<br />

diesem Fall zu beachten, dass sich der Käufer nur <strong>des</strong>halb nicht um die Steuer-<br />

108<br />

205


108, 109<br />

folgen kümmert, weil er davon gar nicht betroffen wird. Der von ihm als angemessen<br />

erachtete Preis wird somit auf Gr<strong>und</strong> eines Sachverhalts ermittelt, in welchem<br />

der Erwerber keine latenten Steuern übernimmt. Werden Steuerlasten jedoch auf<br />

ihn oder seine Rechtsnachfolger überwälzt, wird er sie – wie dargelegt – regelmässig<br />

als objektiven, wertmindernden Faktor berücksichtigen. Inwieweit dies einen<br />

Einfluss auf die Höhe <strong>des</strong> Preises hat, hängt einerseits davon ab, auf welche Bewertungsmethode<br />

im konkreten Fall abgestellt wird <strong>und</strong> – innerhalb der Substanzwertberechnungsmethode<br />

– vom Betrag, mit welchem unversteuerte Reserven in die<br />

Wertberechnung einfliessen.<br />

Daraus folgt für den Fall, dass im Erbgang latente Steuern auf die Erben übergehen,<br />

dass der Verkehrswert <strong>des</strong> übertragenen Geschäftsvermögens beziehungsweise<br />

der Gr<strong>und</strong>stücke nach Massgabe <strong>des</strong> Preises zu bestimmen ist, der unter<br />

Marktverhältnissen sowie unter Berücksichtigung der Übernahme latenter Steuern<br />

durch den Erwerber vereinbart würde. Es handelt sich hierbei weder um einen<br />

Abzug für Steuern, die eigentlich den Erblasser treffen sollten, noch um eine Gegenleistung<br />

<strong>des</strong> Übernehmers, sondern einzig um eine methodische Lösung, um<br />

den massgebenden Verkehrswert anhand <strong>des</strong> Preises zu ermitteln, der für das Vermögensobjekt<br />

im gewöhnlichen Geschäftsverkehr unter vergleichbaren Umständen<br />

bezahlt würde. Nur so kann auch sicher gestellt werden, dass dem dem Erbschaftssteuerrecht<br />

innewohnenden Gedanken der Besteuerung der durch Erbgang zugeflossenen<br />

Bereicherung Rechnung getragen wird.<br />

In dieser Frage erweist sich die Auffassung der Rekurrierenden mithin als zutreffend<br />

<strong>und</strong> ist die frühere Rechtsprechung im Sinn von RB 1988 Nr. 44 zu präzisieren.<br />

Offen gelassen werden kann hier dabei, ob diese Präzisierung ausschliesslich<br />

für den Vermögensübergang aufgr<strong>und</strong> Erbgangs gilt, oder auch auf die sich von<br />

diesem zivilrechtlich stark unterscheidenden <strong>und</strong> in RB 1985 Nr. 75 genannten aufgr<strong>und</strong><br />

von Erbvorbezug <strong>und</strong> Schenkung.<br />

206<br />

SR.2004.00008 2. Kammer, 24. November<br />

109. Werden eigene, vermietete Immobilien verwaltet oder gehören die Gr<strong>und</strong>stücke<br />

zum Geschäftsvermögen eines gewerbsmässigen Liegenschaftenhändlers,<br />

so kann keine Vorzugsbewertung erfolgen. § 16, § 25a ESchG.<br />

2.1 Der Erbschaftssteuer unterliegen gemäss § 3 Abs. 1 ESchG alle Vermögensübergänge<br />

(Erbanfälle <strong>und</strong> Zuwendungen) kraft gesetzlichen Erbrechts oder


aufgr<strong>und</strong> einer Verfügung von To<strong>des</strong> wegen. Kraft § 7 lit. a ESchG entsteht der<br />

Anspruch auf die Erbschaftssteuer mit Eröffnung <strong>des</strong> Erbgangs, also nach Art. 537<br />

Abs. 1 ZGB mit dem Tod <strong>des</strong> Erblassers (RB 1993 Nr. 31). Dies ist hier der 17. Dezember<br />

1997.<br />

Berechnet wird die Steuer vom Verkehrswert, den das übergegangene Vermögen<br />

im Zeitpunkt der Entstehung <strong>des</strong> Steueranspruchs, mithin bei Eröffnung <strong>des</strong><br />

Erbgangs, aufweist (§ 13 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 lit. a ESchG; VGr. 24.<br />

November 1999, ZStP 2000 S. 150). Nach dem Stichtag richtet sich nicht nur die<br />

persönliche Steuerpflicht, sondern auch die hier vorab interessierende Qualifikation<br />

der Nachlassliegenschaften <strong>und</strong> die damit zusammenhängende Wahl der Bewertungsmethode.<br />

2.2 Übernimmt ein Erbe ein Gr<strong>und</strong>stück, um dort das vom Erblasser selbständig<br />

betriebene Geschäft in Handel, Fabrikation, Gewerbe oder Handwerk selbst<br />

fortzuführen, so werden die dem Geschäft unmittelbar dienenden Teile <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>stücks<br />

mit der Hälfte <strong>des</strong> Verkehrswerts bewertet (§ 16 ESchG in der Fassung vom<br />

28. September 1986). Diese Bestimmung wurde durch Gesetz vom 23. August 1999<br />

mit Wirkung per 1. Januar 2000 aufgehoben <strong>und</strong> in materieller Hinsicht durch den<br />

neuen § 25a ESchG ersetzt. Für den hier massgebenden Bewertungsstichtag ist<br />

§ 16 ESchG in<strong>des</strong>sen noch anwendbar. […]<br />

3.1 Die Finanzdirektion hat den Rekurrierenden die Anwendung der<br />

Vorzugsbewertung versagt. Sie macht geltend, der Wortlaut von § 16 ESchG führe<br />

nach der «objektiv-historischen Methode (Art. 1 ZGB) nicht zu einer extensiven<br />

Handhabung im Sinne <strong>des</strong> Rechtsbegehrens, sondern zu einer im Sinne der jahrzehntelang<br />

geübten Veranlagungspraxis». Danach sei die Vorzugsbewertung beschränkt<br />

auf Gr<strong>und</strong>stücke, die einem Geschäftsbetrieb <strong>des</strong> Erblassers gedient hätten<br />

<strong>und</strong> die ein Erbe übernehme, um darin das Geschäft <strong>des</strong> Erblassers fortzusetzen,<br />

was hier nicht der Fall sei. Die Rekurrierenden halten dem entgegen, die streitbetroffenen<br />

Liegenschaften hätten den unmittelbaren Gegenstand <strong>des</strong> Geschäfts<br />

gebildet, das in der Liegenschaftenverwaltung sowie dem An- <strong>und</strong> Verkauf <strong>und</strong> der<br />

Überbauung von Gr<strong>und</strong>stücken bestehe. Damit dienten diese Liegenschaften unmittelbar<br />

dem Geschäft <strong>und</strong> seien sie auch der Ort, «wo das Geschäft betrieben»<br />

werde. Zudem seien die vier Erben zu gleichen Teilen in die Einzelfirma <strong>und</strong> in die<br />

Kommanditgesellschaft eingetreten <strong>und</strong> werde in beiden Geschäften die bisherige<br />

Tätigkeit fortgesetzt.<br />

109<br />

207


109<br />

Das Institut der Vorzugsbewertung geht auf das alte ESchG vom 26. April 1936<br />

(aESchG) zurück <strong>und</strong> steht als Pendant zugunsten <strong>des</strong> Gewerbes im Zusammenhang<br />

mit der Vorzugsbewertung landwirtschaftlicher Liegenschaften (George C.<br />

Wettstein, Die Behandlung von land- <strong>und</strong> forstwirtschaftlichen sowie gewerblichen<br />

Liegenschaften im Erbschafts- <strong>und</strong> Schenkungssteuerrecht, Diss. Zürich 1985, S.<br />

145). Der Gesetzgeber fasste seinen Entscheid zugunsten einer Vorzugsbewertung<br />

in der Annahme, die Unternehmenserhaltung sei im gewerblichen Bereich oft mit<br />

Schwierigkeiten verb<strong>und</strong>en, weil häufig ein grosser Teil <strong>des</strong> Vermögens <strong>des</strong> Erblassers<br />

in der Unternehmung geb<strong>und</strong>en sei <strong>und</strong> die Abfindung ausscheidender Miterben<br />

dadurch erschwert werde (Wettstein, S. 155). Die Vorzugsbewertung sollte<br />

die Geschäftübernahme zwecks Fortführung <strong>des</strong> Geschäfts durch geeignete Erben<br />

erleichtern. Nach der gesetzlichen Regelung der Vorzugsbewertung, die ins geltende<br />

ESchG vom 28. September 1986 übernommen wurde, genügt <strong>des</strong>halb die blosse<br />

Übernahme von Geschäftsliegenschaften durch die Erben allein noch nicht. Zum<br />

Vorzugswert werden nur diejenigen Gr<strong>und</strong>stücke beziehungsweise Teile eines Gr<strong>und</strong>stücks<br />

bewertet, welche den Betrieb <strong>des</strong> Geschäfts ermöglichen (VGr. 4. Juli 1995,<br />

SR.1995.00041). Wie sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, geht es hierbei<br />

nur um die dem Geschäft unmittelbar dienenden Gr<strong>und</strong>stücke beziehungsweise<br />

Gr<strong>und</strong>stückteile. Liegenschaften, die dem Geschäft nur mittelbar, durch ihren laufenden<br />

Ertrag oder mit ihrem durch Veräusserung oder Aufwertung realisierbaren<br />

Wertzuwachs dienen, fallen nicht unter die Vorzugsbewertung von § 16 ESchG. Der<br />

Betrieb muss von den Erben «in der betreffenden Liegenschaft fortgeführt werden,<br />

damit eine Vorzugsbewertung in Frage kommt» (Antrag <strong>des</strong> Regierungsrats vom<br />

28. November 1984, Amtsblatt 1985, Weisung S. 226). Nach der verwaltungsgerichtlichen<br />

Rechtsprechung wird <strong>des</strong>halb die Vorzugsbewertung nach § 16 ESchG<br />

nur zugestanden, wenn der Übernehmer <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>stücks das Geschäft <strong>des</strong> Zuwenders<br />

beziehungsweise Erblassers in den dort gelegenen Räumlichkeiten fortführt<br />

(RB 1993 Nr. 32).<br />

Die streitbetroffenen Gr<strong>und</strong>stücke stellen nach den unbestrittenen Feststellungen<br />

der Vorinstanz Geschäftsvermögen dar. Entgegen der Annahme der Rekurrierenden<br />

fällt jedoch – wie ausgeführt – nicht jegliches Immobiliarvermögen, das<br />

betrieblich verhaftet ist <strong>und</strong> als Geschäftsvermögen auf die Nachkommen übergeht,<br />

unter § 16 ESchG. Die Rekurrierenden legen in Bezug auf die übernommenen Gr<strong>und</strong>stücke<br />

nicht in substanziierter Weise dar, inwiefern das Geschäft dort – d.h. in den<br />

dort gelegenen Räumlichkeiten – betrieben wird <strong>und</strong> dass die Gr<strong>und</strong>stücke dem<br />

Geschäft unmittelbar dienen. Wenngleich die Liegenschaftenverwaltung eine Geschäftstätigkeit<br />

darstellen kann, setzt eine solche nämlich nicht voraus, dass Eigentum<br />

an den verwalteten Immobilien besteht. Werden eigene, vermietete Immobilien<br />

verwaltet, so handelt es sich regelmässig um die Verwaltung von eigenem Kapital-<br />

208


109, 110<br />

anlagevermögen <strong>und</strong> nicht um den Betrieb eines Geschäfts im Sinn von § 16 ESchG,<br />

der sich in den betreffenden Liegenschaften vollzieht <strong>und</strong> dem die Gr<strong>und</strong>stücke<br />

unmittelbar dienen. Weiter dienen Gr<strong>und</strong>stücke, die zum Geschäftsvermögen eines<br />

gewerbsmässigen Liegenschaftenhändlers gehören, dem Geschäft ebenfalls nicht<br />

unmittelbar als Gr<strong>und</strong>stück, sondern nur mittelbar als Handelsobjekt. Dass in solchen<br />

Fällen keine Vorzugsbewertung möglich ist, ergibt sich zudem auch daraus,<br />

dass Veräusserung <strong>und</strong> Zweckentfremdung innert 20 Jahren die Nachbesteuerung<br />

gemäss § 17 ESchG zur Folge haben. Diese wird bereits dann ausgelöst, wenn das<br />

Geschäft nicht mehr im übernommenen Gr<strong>und</strong>stück fortgeführt wird (Richner/Frei,<br />

§ 17 N 11).<br />

SR.2004.00008 2. Kammer, 24. November<br />

110. Da der Gesetzgeber bewusst auf eine Gleichstellung der Kosten von amtlicher<br />

Erbschaftsverwaltung <strong>und</strong> Willensvollstreckung verzichtet hat, sind<br />

Kosten einer Erbschaftsverwaltung nicht abzugsfähig. § 19 ESchG.<br />

2.1 Vor Festlegung der Anteile der Erben, die als Vermögensübergänge kraft<br />

§ 3 Abs. 1 ESchG der Erbschaftssteuer unterliegen, werden laut § 19 Abs. 1 ESchG<br />

die in lit. a–c aufgeführten Schulden <strong>und</strong> Kosten von den Aktiven der Erbschaft<br />

abgezogen. Es handelt sich dabei um Passiven, die bei Eröffnung <strong>des</strong> Erbgangs<br />

schon bestanden haben (lit. a) oder unmittelbar durch den Erbgang anfallen (lit. b)<br />

oder – was die Testamentsvollstreckungskosten anbelangt – um solche, die dem<br />

Gr<strong>und</strong>satz nach schon vom Erblasser auf den Erbgang hin begründet worden sind.<br />

Die Kosten der Testamentsvollstreckung sind von Gesetzes wegen abzugsfähig<br />

(§ 19 Abs. 1 lit. c ESchG), ungeachtet der Art der durch sie abgegoltenen Leistungen.<br />

Obgleich sie – wie die Teilungskosten – erst nach der Eröffnung <strong>des</strong> Erbgangs<br />

entstehen, gehen sie auf den Entschluss <strong>des</strong> Erblassers zurück, einen Willensvollstrecker<br />

zu bestellen <strong>und</strong> mit gewissen Aufgaben zu betrauen. Auf dem Nachlass<br />

wird damit gleichsam eine Rückstellung gebildet für künftige Testamentsvollstreckungskosten,<br />

deren Umfang freilich noch ungewiss ist. Die zwar erst später –<br />

nach Eröffnung <strong>des</strong> Erbgangs – konkretisierten Kosten sind auf diese Weise auf den<br />

Zeitpunkt <strong>des</strong> Vermögensübergangs zurückzubeziehen; sie vermindern den Nachlass<br />

gleich wie Zuwendungen, die der Erblasser vor seinem Tod vorgenommen hat.<br />

2.2 Gemäss § 19 Abs. 2 ESchG werden von den Anteilen der Erben sodann<br />

die Gerichts- <strong>und</strong> Anwaltskosten für Ungültigkeits-, Herabsetzungs- <strong>und</strong> Erb-<br />

209


110<br />

schaftsklagen abgezogen. Diese Aufwendungen fallen an, weil die steuerpflichtige<br />

Person Bestand <strong>und</strong>/oder Umfang <strong>des</strong> steuerbaren Erbanteils oder <strong>des</strong>sen Herausgabe<br />

erstreiten muss. Diese gesetzliche Regelung geht auf die Rechtsprechung der<br />

Oberrekurskommission zurück, welche festgehalten hat, dass eine Bereicherung<br />

nur insoweit gegeben sei, als das Erbe oder Vermächtnis nicht durch Kosten aufgewogen<br />

werde, um den Erwerb zu erstreiten (RB ORK 1939 Nr. 79 = ZBl 40/1939,<br />

S. 347). Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung umfassen die gemäss<br />

§ 19 Abs. 2 ESchG abziehbaren Anwaltskosten auch jene Aufwendungen, welche<br />

für eine aussergerichtliche Einigung im Zusammenhang mit Herabsetzungsansprüchen<br />

<strong>und</strong> der Ungültigkeit eines Testaments unter Erben <strong>und</strong> Vermächtnisnehmern<br />

angefallen sind (RB 2000 Nr. 141).<br />

2.3 Auch bei den Verfahren in Erbschaftssteuersachen gilt bezogen auf die<br />

Beweislastverteilung die Regel, dass der Steuerpflichtige jene Tatsachen nachzuweisen<br />

hat, welche die Steuerschuld mindern oder aufheben. Die von diesem zu tragenden<br />

Folgen entsprechender Beweislosigkeit werden in<strong>des</strong>sen so gemildert, als<br />

zu einer Schätzung zu greifen ist, wenn zwar die Existenz, nicht aber die Höhe derartiger<br />

steuermindernder Tatsachen nachgewiesen ist. Eine solche Schätzung setzt<br />

aber voraus, dass die Beweisleistung aus vom Steuerpflichtigen nicht zu vertretenden<br />

Gründen nicht möglich oder diesem nicht zumutbar ist <strong>und</strong> <strong>des</strong>sen Sachdarstellung<br />

min<strong>des</strong>tens taugliche Schätzungsgr<strong>und</strong>lagen enthält (vgl. VGr, 30. August 2000,<br />

SR.2000.00001, E. 3c, www.vgrzh.ch, auszugsweise veröffentlicht in RB 2000<br />

Nr. 141; Richner/Frei, Vorbem. zu §§ 31–32 N. 26 ff., 75 ff.).<br />

3.1 Die Rekurrierenden beantragen die Abziehbarkeit der Kosten für die amtlich<br />

angeordnete Erbschaftsverwaltung. Diese würden praxisgemäss gewährt, wenn<br />

die Erbschaftsverwaltung zur Erbenermittlung angeordnet worden sei. Zudem bedürfe<br />

die weit zurückliegende Praxis <strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgericht</strong>s, auf welche sich der<br />

Rekursgegner berufe, einer Überprüfung, zumal sich die Ungleichbehandlung zwischen<br />

diesen Kosten <strong>und</strong> den abzugsfähigen Kosten für die Willensvollstreckung<br />

als rechtsungleich erweise.<br />

3.2 Ob <strong>und</strong> bejahendenfalls unter welchem Titel die Kosten einer Erbschaftsverwaltung<br />

abzugsfähig seien, war vom <strong>Verwaltungsgericht</strong> unter der Herrschaft<br />

<strong>des</strong> seit dem 1. Januar 1987 in Kraft stehenden ESchG noch nie zu entscheiden. Unter<br />

altem Recht hatte das <strong>Verwaltungsgericht</strong> allerdings ausgeführt, die Ausdehnung<br />

der Abzugsfähigkeit der Willensvollstreckerkosten auf die Kosten der Erbschaftsverwaltung<br />

verbiete § 4 Abs. 1 (<strong>des</strong> auf den 1. Januar 1987 aufgehobenen)<br />

aESchG sowie die Überlegung, dass diese Kosten regelmässig aus den Erträgnissen<br />

<strong>des</strong> Nachlasses gedeckt würden (VGr, 7. Juni 1974, SR 77/1973).<br />

210


3.3 Von vornherein ausser Betracht fällt eine Anerkennung der Kosten der<br />

Erbschaftsverwaltung gestützt auf § 19 Abs. 2 ESchG, steht die Anordnung einer<br />

Erbschaftsverwaltung doch nie «in einem kausalen Zusammenhang mit der Ungültigerklärung<br />

[eines] Testaments». Die Nichtanerkennung dieser Kosten wird denn<br />

auch – entgegen der Angaben in der Rekursschrift – von den Kommentatoren <strong>des</strong><br />

Zürcher Erbschafts- <strong>und</strong> Schenkungssteuergesetzes unter dem Titel von § 19 Abs. 1<br />

lit. c ESchG kritisiert, da vor dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>des</strong> in Art. 4 der alten B<strong>und</strong>esverfassung<br />

(heute Art. 8 BV) enthaltenen Rechtsgleichheitsgebots nicht ersichtlich<br />

sei, weshalb das Willensvollstreckerhonorar abzugsfähig sein sollte, die Kosten für<br />

eine amtlich angeordnete Erbschaftsverwaltung dagegen nicht.<br />

3.4 Amtliche Erbschaftsverwaltung <strong>und</strong> Willensvollstreckung unterscheiden<br />

sich trotz gewisser Parallelen zivilrechtlich deutlich. Während die amtliche Erbschaftsverwaltung<br />

als so genannt konservatorische Massnahme die Erhaltung <strong>und</strong><br />

Sicherung <strong>des</strong> Nachlasses in Bestand <strong>und</strong> Wert sowie die Vornahme unaufschiebbarer<br />

Verwaltungs- <strong>und</strong> gegebenenfalls Verfügungshandlungen <strong>und</strong> damit nicht nur<br />

die Wahrung der Erbeninteressen, sondern auch diejenigen der Erben- <strong>und</strong> Erbschaftsgläubiger<br />

bezweckt, geht es bei der aufgr<strong>und</strong> einer testamentarischen Anordnung<br />

vorgesehenen Willensvollstreckung primär um die generelle Sicherstellung<br />

<strong>des</strong> schnellen <strong>und</strong> zuverlässigen Vollzugs der angeordneten Massnahmen,<br />

Vermächtnisse <strong>und</strong> Teilungsvorschriften (vgl. dazu Martin Karrer, Basler Kommentar,<br />

Vorbem. zu Art. 517/18 ZGB N. 3, Art. 518 ZGB N. 13, Art. 554 ZGB N. 2, 39).<br />

An dieser unterschiedlichen Konzeption ändert auch die (sich nach herrschender<br />

Lehre [vgl. Karrer, Art. 518 ZGB N. 1 mit weiteren Hinweisen] ohnehin auf<br />

Art. 595 ff. ZGB abzielende) Verweisung von Art. 518 Abs. 1 ZGB sowie der Inhalt<br />

von Art. 554 Abs. 2 ZGB nichts. Der Wunsch nach erbschaftssteuerrechtlicher<br />

Gleichbehandlung der im Zusammenhang mit den genannten Instituten anfallenden<br />

Kosten findet mithin im Zivilrecht keine Stütze.<br />

3.5 Für die <strong>des</strong>halb höchstens aus erbschaftssteuerrechtlichen Gründen zu<br />

erfolgende Anerkennung der Kosten der amtlichen Erbschaftsverwaltung fehlt es<br />

vorab an einer gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lage. Dazu kommt, dass nur die Kosten der<br />

Willensvollstreckung schon vom Erblasser auf den Erbgang hin begründet worden<br />

sind (vgl. E. 2.1). Im Rahmen der Revision <strong>des</strong> Erbschafts- <strong>und</strong> Schenkungssteuergesetzes<br />

vom 26. April 1936 hat sich der Regierungsrat sodann in seiner Weisung<br />

an den <strong>Kantons</strong>rat vom 28. November 1984 auch zu den «weiteren abzugsberechtigten<br />

Kosten» geäussert. Dabei hat er die Aufzählung der abzugsberechtigten<br />

Kosten in den §§ 19 f. ESchG ausdrücklich als abschliessend bezeichnet, wobei er<br />

die fehlende Abzugsfähigkeit der Kosten der amtlichen Erbschaftsverwaltung noch<br />

110<br />

211


110<br />

einmal eigens erwähnte (Amtsblatt <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong> Zürich [Textteil] 1985, 235 f.).<br />

Damit wurde bewusst auf eine erbschaftssteuerrechtliche Gleichstellung der Kosten<br />

von amtlicher Erbschaftsverwaltung <strong>und</strong> Willensvollstreckung verzichtet. Auch<br />

die Rechtswirklichkeit in anderen Kantonen, in welchen die Kosten der amtlichen<br />

Erbschaftsverwaltung aufgr<strong>und</strong> entsprechender ausdrücklicher gesetzlicher<br />

Gr<strong>und</strong>lage (zum Teil schon seit gewisser Zeit) abzugsfähig sind (Kanton St. Gallen:<br />

Art. 152 Abs. 1 lit. b <strong>des</strong> Steuergesetzes vom 9. April 1998; Kanton Nidwalden:<br />

Art. 163 Abs. 1 Ziff. 2 <strong>des</strong> Steuergesetzes vom 22. März 2000; Kanton Appenzell<br />

Ausserrhoden: Art. 145 Abs. 1 lit. b <strong>des</strong> Steuergesetzes vom 21. Mai 2000; Kanton<br />

Appenzell Innerrhoden: Art. 99 Abs. 1 lit. b <strong>des</strong> Steuergesetzes vom 25. April 1999;<br />

vgl. zu den übrigen eine Erbschaftssteuer erhebenden Kantonen Magnus<br />

Hindersmann/Michael Myssen, Die Erbschafts- <strong>und</strong> Schenkungssteuer der Schweizer<br />

Kantone, Köln 2003), hat nicht zu einer entsprechenden Vorlage auf Änderung<br />

<strong>des</strong> ESchG geführt. Daraus ist zu schliessen, der Gesetzgeber habe auch später<br />

bewusst auf diese Gleichstellung verzichtet. Da die Rekurrierenden nichts vorbringen,<br />

was in diesem Licht die vom <strong>Verwaltungsgericht</strong> zum alten Recht entwickelte<br />

Rechtsprechung zu erschüttern vermöchte, ist an dieser festzuhalten.<br />

3.6 Die Rekurrierenden berufen sich schliesslich auf die spezielle Rechtsgleichheit,<br />

bestehe doch gemäss mündlicher Auskunft der Abteilung Erbschafts<strong>und</strong><br />

Schenkungssteuer <strong>des</strong> kantonalen Steueramts Zürich eine Praxis, wonach die<br />

Erbschaftsverwaltungskosten stets abziehbar seien, wenn die Erbschaftsverwaltung<br />

zur Erbenermittlung angeordnet worden sei. Was die Rekurrierenden aus dieser –<br />

im Übrigen vom Rekursgegner nicht bestrittenen – Praxis zu ihren Gunsten ableiten<br />

wollen, bleibt unklar, fällt ihr Fall doch eben gerade nicht unter diese Praxis. Im<br />

vorliegenden Fall wurde die Erbschaftsverwaltung nämlich nicht zur Erbenermittlung<br />

gemäss Art. 554 Abs. 1 Ziff. 2 letzter Halbsatz ZGB angeordnet (vgl. Karrer,<br />

Art. 554 ZGB N. 12 ff.) – dann hätte nämlich nach Art. 555 ZGB ein so genannter<br />

Erbenruf erfolgen müssen, was (richtigerweise) nicht geschehen ist –, sondern <strong>des</strong>halb,<br />

weil «keiner der Ansprecher sein Erbrecht genügend nachzuweisen» vermochte<br />

(Art. 554 Abs. 1 Ziff. 2 erster Halbsatz ZGB). Für eine von den Rekurrierenden<br />

sinngemäss verfochtene Ausdehnung <strong>des</strong> Begriffs der Erbenermittlung<br />

bleibt angesichts dieser klaren <strong>und</strong> differenzierten Regelung kein Raum. Schon aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong> erübrigt sich <strong>des</strong>halb die Befragung <strong>des</strong> angebotenen Zeugen. Bei<br />

alledem an dieser Stelle nicht entschieden zu werden braucht schliesslich, ob sich<br />

die erwähnte Praxis ihrerseits als gesetzmässig erweist.<br />

Das Bestehen einer im Übrigen vom Rekursgegner bestrittenen Praxis, die<br />

Kosten der Erbschaftsverwaltung könnten dann abgezogen werden, wenn diese Ver-<br />

212


110, 111<br />

waltung <strong>des</strong> Nachlassvermögens aufgr<strong>und</strong> eines von verschiedenen Erbansprechern<br />

hierüber geführten Prozesses notwendig geworden sei, behaupten auch die<br />

Rekurrierenden nicht, sodass sich auch weitere Ausführungen über die so genannte<br />

Gleichbehandlung im Unrecht erübrigen.<br />

Der Rekurs ist <strong>des</strong>halb in diesem Punkt abzuweisen.<br />

SR.2003.00014 2. Kammer, 18. August<br />

111. Kosten für ein dem Zivilprozess vorgelagertes Strafverfahren, welche auch<br />

im Zivilverfahren angefallen wären, sind – wenn überhaupt – nur dann abzugsfähig,<br />

wenn sie substanziiert geltend gemacht <strong>und</strong> belegt worden sind.<br />

§ 19 ESchG.<br />

[Erwägung 2; vgl. vorstehenden RB-Auszug]<br />

4.1 Die Rekurrierenden machen geltend, die vom Rekursgegner verfochtene<br />

Auslegung von § 19 Abs. 2 ESchG, welche die abziehbaren Kosten ausschliesslich<br />

auf in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ungültigkeitsklage stehende<br />

Aufwendungen beschränke, erweise sich nicht zuletzt im Licht der in RB 2000<br />

Nr. 141 wiedergegebenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als zu eng.<br />

Wenn den Erben im Zusammenhang mit einem einer Ungültigkeitsklage vorgeschalteten<br />

Strafverfahren Anwaltskosten erwüchsen <strong>und</strong> dieses Strafverfahren wie<br />

in ihrem Fall für das Obsiegen der klagenden Erben im nachfolgenden Zivilverfahren<br />

betreffend Testamentsungültigkeit kausal sei, so seien auch die im Strafverfahren<br />

entstandenen Kosten für die Erstreitung <strong>des</strong> Erbanspruchs notwendig <strong>und</strong><br />

damit gemäss § 19 Abs. 2 ESchG von <strong>des</strong>sen ratio legis her abziehbar. Dies gelte<br />

umso mehr, als die im Strafverfahren erlangten <strong>und</strong> im Zivilverfahren verwerteten<br />

Beweise eine Kostensenkung <strong>des</strong> Letzteren zur Folge gehabt hätten.<br />

4.2 Demgegenüber hält der Rekursgegner dafür, Kosten für ein Strafverfahren<br />

könnten nie abgezogen werden. Was die eingereichten Kostennoten betreffe, so<br />

seien diese derart pauschal gehalten, dass keine Zuordnung zu den Zivilverfahren<br />

möglich sei. Die in der Rekursschrift erfolgten Zuordnungen könnten nur teilweise<br />

nachvollzogen werden <strong>und</strong> vermöchten nicht einmal Gr<strong>und</strong>lage für eine Schätzung<br />

zu bilden.<br />

213


111, 112<br />

4.3 § 19 Abs. 2 ESchG will die Aufwendungen berücksichtigen, welche anfallen,<br />

weil die steuerpflichtige Person Bestand <strong>und</strong>/oder Umfang <strong>des</strong> steuerbaren<br />

Erbanteils oder <strong>des</strong>sen Herausgabe erstreiten muss (vgl. E. 2.2). Dazu ist vorab<br />

festzuhalten, dass ein Strafverfahren als solches in der Regel nur in Ausnahmefällen<br />

zur zivilrechtlichen Erstreitung eines zivilrechtlichen Anspruchs führen kann,<br />

dient dieses doch (in erster Linie) der Durchsetzung <strong>des</strong> staatlichen Strafanspruchs.<br />

In dem Sinn können im Rahmen eines Strafverfahrens auflaufende Kosten nie notwendigerweise<br />

zum Erwerb der Erbschaft anfallen (vgl. Adrian Muster, Erbschafts<strong>und</strong><br />

Schenkungssteuerrecht, Muri/Bern 1990, S. 370) <strong>und</strong> bleibt für eine generelle<br />

Abzugsfähigkeit von im Strafverfahren erwachsenen Kosten somit schon aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> von vornherein kein Raum. Zum gleichen Schluss gelangt man auch angesichts<br />

<strong>des</strong> klaren Wortlauts von § 19 Abs. 2 ESchG, von welchem gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

auch im Erbschaftssteuerrecht ohne weiteres auszugehen ist (zur so genannten<br />

grammatikalischen Auslegung als Ausgangspunkt jeder Auslegung auch im Abgaberecht<br />

vgl. BGE 124 II 241 E. 3). Eine derartige Position verfechten aber im Übrigen<br />

zu Recht nicht einmal die Rekurrierenden.<br />

4.4 Nicht von vornherein <strong>und</strong>enkbar erschiene vor dem Hintergr<strong>und</strong> der verwaltungsgerichtlichen<br />

Rechtsprechung allerdings die Anerkennung derjenigen im<br />

Strafverfahren sich ergebenden Kosten, welche ansonsten in einem der in § 19 Abs.<br />

2 ESchG ausdrücklich genannten Zivilverfahren angefallen wären, hätte nicht die<br />

Möglichkeit der Verwertung der im Strafverfahren erlangten Beweise bestanden. In<br />

diesem Sinn lautet auch eine handschriftliche Aktennotiz der Abteilung Erbschafts<strong>und</strong><br />

Schenkungssteuer <strong>des</strong> kantonalen Steueramts vom 6. Februar 2002, welche<br />

Folgen<strong>des</strong> festhält: «Abzugsfähig Kosten <strong>des</strong> Strafverfahrens, die auch im Zivilverfahren<br />

angefallen wären». Ob dem wirklich so sei oder nicht, braucht in<strong>des</strong>sen im<br />

vorliegenden Fall nicht abschliessend entschieden zu werden. Die Anerkennung<br />

von in Zivilverfahren oder ausnahmsweise allenfalls im Strafverfahren erwachsenen<br />

Kosten bedingt nämlich so oder anders deren substanziierte Geltendmachung<br />

sowie das Einreichen der entsprechenden Belege (vgl. E. 2.3).<br />

214<br />

SR.2003.00014 2. Kammer, 18. August<br />

112. Die Begründung eines Stiefkindverhältnisses zum Ehegatten <strong>des</strong> leiblichen<br />

Elternteils setzt ein rechtliches Kindsverhältnis im Sinn von Art. 252 ff. ZGB<br />

zwischen dem Kind <strong>und</strong> dem leiblichen Elternteil voraus, wohingegen die<br />

rein biologische Abstammung nicht genügt. Bestand also zwischen der<br />

Pflichtigen als ausserehelichem Kind <strong>und</strong> ihrem Vater lediglich eine kein


112<br />

rechtliches Kindsverhältnis begründende altrechtliche Zahlvaterschaft<br />

ohne Stan<strong>des</strong>folge <strong>und</strong> war es aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Alters der Pflichtigen bei<br />

Inkrafttreten <strong>des</strong> neuen Kindsrechts nicht möglich, die Zahlvaterschaft in<br />

ein neurechtliches Kindsverhältnis umzuwandeln, finden die für Stiefkinder<br />

geltenden Vorzugsbestimmungen <strong>des</strong> ESchG keine Anwendung. § 21<br />

Abs. 1 lit. d, § 23 Abs. 1 lit. b ESchG.<br />

2.1 Nachdem die Pflichtige sowohl die Ermittlung <strong>des</strong> steuerbaren Nachlasses<br />

als auch <strong>des</strong>sen Besteuerung zu 94.58 % im Kanton Zürich ausdrücklich anerkannt<br />

hat, ist vorliegend einzig umstritten, ob sie als Stiefkind der Erblasserin im Sinn<br />

von § 21 Abs. 1 lit. d <strong>und</strong> § 23 Abs. 1 lit. b ESchG zu betrachten ist <strong>und</strong> die entsprechenden<br />

Vorzugsbestimmungen Anwendung finden.<br />

Die Vorinstanz stellt sich auf den Standpunkt, der zivilrechtliche Begriff <strong>des</strong><br />

Kinds sei auch für das Erbschafts- <strong>und</strong> Schenkungssteuergesetz massgebend. Ob<br />

eine Person als Kind <strong>des</strong> Erblassers zu betrachten sei, hänge einzig vom rechtlichen<br />

Verwandtschaftsverhältnis ab, was ein rechtliches Kindsverhältnis im Sinn von<br />

Art. 252 ff. ZGB voraussetze, wohingegen die biologische Abstammung allein<br />

nicht genüge. Es bestehe kein sachlicher Gr<strong>und</strong>, beim Stiefkind von einem anderen<br />

Kindsbegriff auszugehen. Zwar stelle das Stiefkindverhältnis eine besondere Art<br />

der Schwägerschaft dar, in<strong>des</strong>sen handle es sich dabei um ein zivilrechtliches<br />

Verwandtschaftsverhältnis. Die Gewährung <strong>des</strong> privilegierten Steuersatzes für<br />

Stiefkinder sei eine rein fiskalische Wohltat, welche keinesfalls als zwingend erscheine,<br />

sodass es richtig sei, diese Ausnahmebestimmung eng auszulegen <strong>und</strong> auf<br />

die rechtlichen Stiefkindverhältnisse zu beschränken. Da die Beziehung zwischen<br />

der ausserehelich gezeugten Pflichtigen <strong>und</strong> dem vorverstorbenen Ehemann der<br />

Erblasserin nicht auf einem rechtlichen Verwandtschaftsverhältnis beruhe, könne<br />

die Pflichtige nicht als Stiefkind im Sinn <strong>des</strong> Erbschafts- <strong>und</strong> Schenkungssteuergesetzes<br />

gelten.<br />

2.2 Demgegenüber bringt die Pflichtige vor, aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> zur Zeit ihrer<br />

Geburt im Jahr 1961 geltenden Rechts habe zwischen ihr <strong>und</strong> ihrem leiblichen Vater<br />

lediglich eine Zahlvaterschaft ohne Anerkennung mit Stan<strong>des</strong>folgen bestanden,<br />

wobei das Kindsverhältnis nach Inkrafttreten <strong>des</strong> neuen Kindsrechts im Jahr 1978<br />

nicht mehr dem neuen Recht habe unterstellt werden können, da sie zu jenem<br />

Zeitpunkt das zehnte Altersjahr bereits erreicht habe. Indem sich die Vorinstanz bei<br />

der Auslegung <strong>des</strong> Begriffs «Stiefkind» auf das zivilrechtliche Kindsverhältnis<br />

nach Art. 252 ff. ZGB beziehe, übersehe sie, dass der Begriff <strong>des</strong> Stiefkin<strong>des</strong> dort<br />

gar nicht enthalten sei. Ausserdem gehe es bei der Umschreibung dieses Begriffs<br />

215


112<br />

nicht um das Kindsverhältnis selbst, sondern um eine tatsächliche Beziehung zwischen<br />

einem Ehegatten <strong>und</strong> dem Kind <strong>des</strong> anderen Ehegatten. In Art. 21 ZGB<br />

werde nicht die Verwandtschaft, sondern die Schwägerschaft umschrieben. Die Beziehung<br />

von Stiefeltern <strong>und</strong> Stiefkindern sei eine besondere Art der Schwägerschaft,<br />

bei welcher es sich lediglich um eine tatsächliche <strong>und</strong> nicht um eine verwandtschaftliche<br />

Beziehung handle. Die Schwägerschaft beziehe sich immer auf<br />

Personen, die in gerader Linie mit dem anderen Ehegatten blutsverwandt seien,<br />

wobei es keine Rolle spiele, ob jene Blutsverwandtschaft ehelich oder ausserehelich<br />

sei. Massgebend sei allein das Vorhandensein einer tatsächlichen Verwandtschaft,<br />

welche entgegen der Ansicht der Vorinstanz keines Kindsverhältnisses im<br />

formellen Sinn bedürfe, sondern nur eine tatsächliche Abstammung durch die<br />

Zeugung erfordere.<br />

2.3.1 Wenn der Gesetzgeber in einer Steuerrechtsnorm zivilrechtliche Begriffe<br />

verwendet, ist deren zivilrechtliche Bedeutung gr<strong>und</strong>sätzlich auch für das<br />

Steuerrecht massgebend. So ist beispielsweise der im Erbschaftssteuerrecht verwendete<br />

Begriff der «Nachkommen» mit demjenigen im Zivilrecht identisch. Allerdings<br />

bedeutet dies nicht, dass sämtliche zivilrechtlichen Begriffe im Erbschafts<strong>und</strong><br />

Schenkungssteuergesetz auch im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen seien; vielmehr<br />

ist die Bedeutung eines solchen Begriffs im Einzelfall durch Auslegung zu<br />

ermitteln. Allgemein gilt, dass auch dem Zivilrecht entnommene Begriffe aus dem<br />

steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang heraus verstanden werden müssen<br />

(RB 1982 Nr. 64; Richner/Frei, § 1 N. 165 ff., § 23 N. 6).<br />

2.3.2 Der Begriff <strong>des</strong> «Stiefkin<strong>des</strong>» wird weder in zivilrechtlichen Gesetzen<br />

noch im Erbschafts- <strong>und</strong> Schenkungssteuergesetz definiert. Unbestritten ist jedoch,<br />

dass es sich beim Stiefkindverhältnis um eine besondere Art der Schwägerschaft<br />

handelt. Die Begründung dieses Verhältnisses setzt zweierlei voraus: einerseits das<br />

Bestehen einer Gemeinschaft eines Elternteils mit seinem Kind, andererseits die<br />

Eingehung einer Ehe dieses Elternteils mit einer Drittperson. Die Beziehungen<br />

zwischen Elternteil <strong>und</strong> Kind sowie zwischen Ehegatte <strong>und</strong> Kind sind strikt auseinander<br />

zu halten. Für die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für die<br />

Begründung eines Stiefkindverhältnisses zu einem ausserehelichen Kind <strong>des</strong> Ehegatten<br />

erfüllt sind, ist folglich insbesondere massgebend, inwiefern eine Gemeinschaft<br />

zwischen dem Kind <strong>und</strong> dem leiblichen Elternteil besteht (vgl. Ruth Speiser,<br />

Die Rechtsverhältnisse der Stiefeltern <strong>und</strong> Stiefkinder nach schweizerischem<br />

Recht, ZSR 46/1927, 83 ff.).<br />

Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, ist der zivilrechtliche Begriff<br />

<strong>des</strong> «Kin<strong>des</strong>» auch für das Erbschafts- <strong>und</strong> Schenkungssteuergesetz massgebend.<br />

216


Es sind keine sachlichen Gründe für eine abweichende Auslegung dieses Begriffs<br />

ersichtlich. Entscheidend für die Frage, ob jemand rechtlich als Kind einer anderen<br />

Person zu gelten hat, ist das Bestehen eines formellen Kindsverhältnisses zu dieser<br />

Person im Sinn von Art. 252 ff. ZGB, welches zum Vater durch Ehe mit der Mutter,<br />

Adoption, Anerkennung oder richterliches Urteil entstehen kann. Das Kindsverhältnis<br />

bezeichnet die rechtliche Beziehung zwischen den Eltern <strong>und</strong> dem Kind <strong>und</strong><br />

ist von der biologischen Tatsache der Abstammung zu unterscheiden. Ein entsprechen<strong>des</strong><br />

Verhältnis ist Gr<strong>und</strong>lage für alle rechtlichen Wirkungen der Eltern-Kind-<br />

Beziehung <strong>und</strong> begründet die Verwandtschaft <strong>und</strong> Schwägerschaft im Sinn von<br />

Art. 20 f. ZGB. Folgerichtig setzt auch – bereits begriffsnotwendig – die Begründung<br />

eines Stiefkindverhältnisses ein Kindsverhältnis zum leiblichen Elternteil voraus.<br />

Anders zu entscheiden würde, wie die Vorinstanz richtig ausgeführt hat, zu<br />

einer nicht gerechtfertigten Besserstellung <strong>des</strong> Stiefkin<strong>des</strong> gegenüber einem «normalen»<br />

Kind führen, erfordert doch auch die steuerliche Privilegierung von direkten<br />

Nachkommen eines Erblassers gemäss § 11 ESchG ein rechtliches Kinds- bzw.<br />

Verwandtschaftsverhältnis, da – wie schon erwähnt – der Begriff der «Nachkommen»<br />

im Erbschaftssteuerrecht identisch ist mit demjenigen im Zivilrecht, wo die<br />

Erbberechtigung eines Kin<strong>des</strong> nur bei Vorliegen eines Kindsverhältnisses zum<br />

Erblasser im Sinn von Art. 252 ff. ZGB gegeben ist (Ingeborg Schwenzer in: Basler<br />

Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch I, 2. A., Basel etc.<br />

2002, Art. 252 N. 2 f.; Cyril Hegnauer, Gr<strong>und</strong>riss <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>rechts <strong>und</strong> <strong>des</strong> übrigen<br />

Verwandtschaftsrechts, 5. A., Bern 1999, § 2 N. 2.02 <strong>und</strong> 2.10; Peter Tuor/<br />

Bernhard Schnyder/Jörg Schmid, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. A., Zürich<br />

1995, S. 443).<br />

2.3.3 Eigenen Angaben der 1961 ausserehelich geborenen Pflichtigen zufolge<br />

bestand zwischen ihr <strong>und</strong> ihrem leiblichen Vater lediglich eine altrechtliche Zahlvaterschaft.<br />

Für das alte Kindsrecht (bis 1. Januar 1978) war die Unterscheidung<br />

<strong>des</strong> ehelichen <strong>und</strong> <strong>des</strong> ausserehelichen Kindsverhältnisses zentral, wobei das<br />

Verhältnis zum Vater unterteilt wurde in die Vaterschaft mit Stan<strong>des</strong>folge <strong>und</strong> die<br />

blosse Zahlvaterschaft. Durch Ehebruch gezeugte Kinder konnten nicht mit Stan<strong>des</strong>folge<br />

anerkannt werden, sodass ihnen nur die Zahlvaterschaft blieb. Diese war<br />

von bloss unterhaltsmässiger Natur <strong>und</strong> erschöpfte sich in der Verpflichtung <strong>des</strong><br />

Erzeugers zu Vermögensleistungen, ohne zwischen ihm <strong>und</strong> dem Kind eine familiäre<br />

Bindung zu schaffen. Insbesondere liess sie weder ein Verwandtschaftsverhältnis<br />

noch ein rechtliches Kindsverhältnis entstehen <strong>und</strong> versagte dem Kind eine<br />

Erbberechtigung als Nachkomme. Bereits unter der Herrschaft <strong>des</strong> alten Erbschafts-<br />

<strong>und</strong> Schenkungssteuergesetzes vom 26. April 1936 musste ein solches aussereheliches<br />

Kind, welches seinem Vater im Stand nicht folgte, in die Gruppe der<br />

Nichtverwandten eingereiht werden. Erst mit der Revision <strong>des</strong> Kindsrechts per<br />

112<br />

217


112<br />

1. Januar 1978 ergab sich die Möglichkeit, eine Zahlvaterschaft in ein (neurechtliches)<br />

Kindsverhältnis umzuwandeln. Voraussetzung hierfür war allerdings gemäss<br />

Art. 13a Abs. 1 SchlT ZGB, dass das Kind beim Inkrafttreten <strong>des</strong> neuen Rechts das<br />

zehnte Altersjahr noch nicht vollendet hatte. Soweit eine altrechtliche Zahlvaterschaft<br />

dem neuen Recht nicht unterstellt wurde, blieb sie von der Revision <strong>des</strong><br />

Kindsrechts unberührt <strong>und</strong> begründete weiterhin kein rechtliches Kindsverhältnis<br />

zwischen dem Vater <strong>und</strong> dem Kind (vgl. BGE 124 III 1 E. 2 = Pra 87 [1998] Nr. 137;<br />

Peter Breitschmid in: Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch<br />

II, 2. A., Basel etc. 2003, Art. 12 SchlT N. 1 f.; Thomas Koller in: BSK<br />

ZGB I, Art. 328/329 N. 7; Philipp Schneider, Das zürcherische Erbschafts- <strong>und</strong><br />

Schenkungssteuerrecht, Zürich 1939, S. 214).<br />

Da die Pflichtige 1961 geboren ist <strong>und</strong> somit bei Inkrafttreten <strong>des</strong> revidierten<br />

Kindsrechts das zehnte Altersjahr bereits vollendet hatte, stand ihr die übergangsrechtliche<br />

Möglichkeit der Unterstellung der altrechtlichen Zahlvaterschaft unter<br />

das neue Kindsrecht gar nicht zur Verfügung. Dass dies von der Pflichtigen als stossend<br />

empf<strong>und</strong>en wird, ist durchaus nachvollziehbar, ändert jedoch nichts an der<br />

Tatsache, dass in der Folge wiederum kein rechtliches Kindsverhältnis zu ihrem<br />

leiblichen Vater entstehen konnte, sondern die Beziehung zu ihm auf die natürliche<br />

Abstammung beschränkt blieb. Entsprechend vermochte diese auch kein Stiefkindverhältnis<br />

zur Ehefrau <strong>des</strong> Vaters zu begründen. Diesfalls aber kann die Pflichtige<br />

nicht als «Stiefkind» der Erblasserin im Sinn von § 23 Abs. 1 lit. b bzw. § 21 Abs. 1<br />

lit. d ESchG betrachtet werden.<br />

2.4 Dieses Ergebnis vermögen auch die übrigen Ausführungen der Pflichtigen<br />

nicht zu erschüttern. Wenn sie geltend macht, die Schwägerschaft beziehe sich<br />

immer auf Personen, die in gerader Linie mit dem anderen Ehegatten blutsverwandt<br />

seien, wobei es keine Rolle spiele, ob die Blutsverwandtschaft ehelich oder ausserehelich<br />

sei, verkennt sie, dass erst die durch das Kindsverhältnis vermittelte rechtliche<br />

Verwandtschaft zwischen dem Elternteil <strong>und</strong> dem Kind auch die Schwägerschaft<br />

im Sinn von Art. 21 Abs. 1 ZGB begründet. Dabei ist in diesem Zusammenhang<br />

nicht relevant, ob das Schwägerschaftsverhältnis als solches eine rein tatsächliche<br />

oder eine verwandtschaftliche Beziehung darstellt (vgl. Cyril Hegnauer,<br />

Berner Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Band II: Das Familienrecht,<br />

2. Abteilung: Die Verwandtschaft, 1. Teilband: Die Entstehung <strong>des</strong> Kindsverhältnisses,<br />

4. A., Bern 1984, Art. 252 N. 28 ff.). Der von Ernst Götz noch unter der Herrschaft<br />

<strong>des</strong> alten Kindsrechts vertretenen Ansicht, das Ehehindernis der Schwägerschaft<br />

beziehe sich sowohl auf die Stiefelternschaft zu ehelichen wie auch ausserehelichen<br />

Kindern <strong>des</strong> Ehegatten, ist entgegen zu halten, dass diesem Eheverbot<br />

218


112, 113<br />

eine spezifische Schutzfunktion zukommt, indem dadurch die Gefährdung <strong>des</strong> Familienfriedens<br />

ausgeschlossen werden soll, sodass es dort angebracht erscheint,<br />

allein auf die biologische Abstammung abzustellen. Hingegen verfolgen § 23 Abs. 1<br />

lit. b <strong>und</strong> § 21 Abs. 1 lit. d ESchG einzig den Zweck einer fiskalischen Privilegierung<br />

der Stiefkinder, ohne diese Vorzugsbehandlung auch in den übrigen Schwägerschaftsverhältnissen<br />

zu gewähren, weshalb sich bereits aus diesem Gr<strong>und</strong> eine<br />

restriktive Auslegung <strong>des</strong> Stiefkindbegriffs rechtfertigt. Schliesslich lässt sich aus<br />

der von der Pflichtigen zitierten Weisung <strong>des</strong> Regierungsrats <strong>und</strong> dem von ihr angeführten<br />

<strong>Verwaltungsgericht</strong>sentscheid (RB 1997 Nr. 58) nichts zu ihren Gunsten<br />

ableiten. Letzterer spricht vielmehr für eine enge Auslegung dieses Begriffs, indem<br />

aufgezeigt wird, das Steuerrecht gewähre Stiefkindern <strong>und</strong> Stiefeltern mildere<br />

Steuersätze, obschon das Erbrecht die entsprechenden Beziehungen nicht privilegiere,<br />

daher solle nur das engste Stiefverwandtschaftsverhältnis eine Vorzugsstellung<br />

einnehmen.<br />

SR.2004.00009 2. Kammer, 18. August<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine gegen diesen Entscheid erhobene staatsrechtliche Beschwerde am<br />

7. Januar 2005 abgewiesen.<br />

F. Personalrecht<br />

113. Arbeitszeugnisse für das juristische Sekretariat am Handelsgericht: Das<br />

Zeugnis gilt nicht als Verfügung, sondern erst der Entscheid über <strong>des</strong>sen (in<br />

einem Mal zu beantragende) Änderung. – Das Gesamtobergericht fungiert<br />

nicht als Anstellungsbehörde der juristischen Sekretäre. Anstellende <strong>und</strong><br />

Zeugnisbehörde müssen nicht von vornherein übereinstimmen. – Das Personalgesetz<br />

konnte bereits vor Gewährleistung seiner Verfassungsgr<strong>und</strong>lage<br />

in Kraft treten, da der Gewährleistungsbeschluss rein deklaratorisch wirkt.<br />

Weder Gesetz noch Verfassung bezeichnen die das Zeugnis ausstellende<br />

Behörde. Das kann jedoch durch den Vollziehungsverordnungsgeber geschehen.<br />

Der Regierungsrat durfte die Vollzugsverordnung zum Personalgesetz<br />

erlassen, bevor dieses in Kraft trat. Am meisten spricht für die<br />

Zeugniszuständigkeit <strong>des</strong> Handelsgerichtspräsidenten. Die obergerichtliche<br />

Verwaltungskommission waltet alsdann als Rekursinstanz. – Nichtig ist eine<br />

fehlerhafte Verfügung nur, wenn offenk<strong>und</strong>ig oder leicht erkennbar ein<br />

besonders schwerer Mangel vorliegt <strong>und</strong> die Annahme der Nichtigkeit nach<br />

219


113<br />

220<br />

einer Interessenabwägung nicht ernsthaft die Rechtssicherheit gefährdet;<br />

hier verneint. § 12 Abs. 3, § 46 Abs. 2, § 46 Abs. 3, § 56 PG. § 139 Abs. 2,<br />

§ 139 Abs. 3, § 139 Abs. 4 VVPG. § 40, § 49 GVG.<br />

5.2 Freilich gilt gemäss Praxis nicht schon das Zeugnis als Verfügung, sondern<br />

erst der Entscheid über <strong>des</strong>sen beantragte Änderung (VGr, 7. Januar 2004,<br />

PB.2003.00016, E. 4.5.1, mit Hinweisen, www.vgrzh.ch). Als solcher Entscheid<br />

erscheint das Schreiben <strong>des</strong> Handelsgerichtspräsidenten, welches sich wie gesagt<br />

nur mit zwei inhaltlichen Punkten, nicht aber mit dem Zeugnisdatum befasste.<br />

Insofern missachtete die Vorinstanz mit den diesbezüglichen Erwägungen nicht nur<br />

den Instanzenzug; vielmehr lässt sich auf dem ordentlichen Rechtsmittelweg länger<br />

nichts bewirken. Denn wer ein konkretes Zeugnis nicht annehmen will, muss seine<br />

abweichenden Vorstellungen in einem Mal durchzusetzen suchen <strong>und</strong> kann nicht<br />

immer wieder neue Begehren stellen. Alles andere liesse sich den für das Zeugnis<br />

zuständigen Behörden nicht zumuten.<br />

6.2 Der Beschwerdeführer argumentiert principaliter, nach einhelliger Auffassung<br />

sei die laut Personalgesetz an- auch die das Arbeitszeugnis in Anwendung von<br />

§ 46 Abs. 2 f. PG ausstellende Behörde, <strong>und</strong> nicht der direkte Vorgesetzte; als seine<br />

im Sinn von § 12 Abs. 3 Satz 1 PG gesetzliche Anstellungsbehörde amte kraft § 40<br />

GVG einzig das Obergericht, sodass kein Raum bleibe, gemäss § 56 PG durch regierungsrätliche<br />

Verordnung oder eine gemeinsam erlassene der obersten kantonalen<br />

Gerichte davon abzuweichen.<br />

6.2.1 Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 PG bezeichnet der Regierungsrat die Anstellungsbehörde,<br />

soweit sich diese nicht aus der Verfassung oder besonderen gesetzlichen<br />

Bestimmungen ergibt (vgl. auch Art. 40 Ziff. 7 KV). Die regierungsrätliche<br />

Weisung sagt hierzu: «Bei der Bestimmung der zuständigen Anstellungsbehörde<br />

soll dem bereits heute beachteten <strong>und</strong> künftig noch wichtigeren Prinzip der<br />

Delegation <strong>und</strong> Flexibilisierung Rechnung getragen werden. Besondere gesetzliche<br />

Bestimmungen in dieser Hinsicht finden sich z.B. im … Gerichtsverfassungsgesetz<br />

…» (ABl 1996, 1173).<br />

Effektiv stellt das Obergericht laut § 40 GVG unter anderem das juristische<br />

Personal an. Der Beschwerdeführer übersieht allerdings, dass das Obergericht kraft<br />

§ 49 GVG über seine Organisation eine Verordnung erlässt, in welcher Geschäfte<br />

der Justizverwaltung ständigen Kommissionen, einzelnen Mitgliedern oder Angestellten<br />

zur Erledigung übertragen werden können. In diesem Sinn macht § 24 Satz<br />

1 der Verordnung über die Organisation <strong>des</strong> Obergerichts (VOG, LS 212.51) die


Vorinstanz zur Anstellungsbehörde für alle juristischen Angestellten <strong>des</strong> Obergerichts,<br />

mit hier nicht spielenden Ausnahmen (vgl. Hauser/Schweri, § 41 N. 11 f.,<br />

§ 49 N. 1; § 7 VOG). Das gilt auch für den Beschwerdeführer.<br />

Der Beschwerdeführer listet die Vorschriften <strong>des</strong> Personalgesetzes auf, welche<br />

die Aufgaben der Anstellungsbehörde enthalten; daraus leitet er zu Unrecht deren<br />

Zuständigkeit auch für das Verfassen <strong>des</strong> Arbeitszeugnisses ab. § 46 Abs. 2 f. PG<br />

verrät nämlich bewusst nicht, gegen wen sich der Zeugnisanspruch der Beschäftigten<br />

richte, heisst es doch in der Weisung: «Das Arbeitszeugnis soll durch den direkten<br />

Vorgesetzten, wo vorhanden allenfalls durch den Personaldienst aufgr<strong>und</strong> von<br />

Formulierungen der Linie, ausgefertigt werden» (ABl 1996, 1181).<br />

6.2.2 Obwohl das Obergericht kraft § 41 Abs. 1 GVG seine Geschäfte als<br />

Gesamtbehörde oder in Kammern behandelt, kommt hier also Ersterer <strong>und</strong> Letzteren<br />

weder die Funktion einer Anstellungsbehörde zu noch ohne weiteres die Zuständigkeit,<br />

Arbeitszeugnisse zu verfassen. […]<br />

6.2.3 Der Beschwerdeführer meint, die Identität der für Personalanstellung<br />

<strong>und</strong> Zeugnisausstellung kompetenten Behörde erhelle auch aus der Vollzugsverordnung<br />

zum Personalgesetz vom 19. Mai 1999. Das Gegenteil trifft zu. § 12 VVPG<br />

bezeichnet für Beschäftigte bis Lohnklasse 23 die Direktionen als Anstellungsbehörde<br />

mit der Möglichkeit einer Delegation an Ämter sowie Betriebe (Abs. 1, 4);<br />

für Arbeitnehmende ab Lohnklasse 24 teilen sich Regierungsrat <strong>und</strong> Direktionen<br />

diese Funktion (Abs. 2; vgl. ferner § 4 Abs. 1 f. PV). Hinwiederum stellen nach §<br />

139 VVPG die Vorsteherinnen bzw. Vorsteher einer Direktion oder eines Amts für<br />

die jeweils direkt untergebenen Beschäftigten Zeugnisse aus (Abs. 2); im Übrigen<br />

bestimmen die Direktionen oder die von ihnen ermächtigten Ämter die Zuständigkeiten,<br />

wobei sich mit dem Verfassen von Zeugnissen insbesondere die Personaldienste<br />

beauftragen lassen (Abs. 3). Schon von Verordnung wegen fertigen also<br />

etwa die einem Amt Vorstehenden Zeugnisse für ihre Direktunterstellten an, während<br />

sie solche nur auf Gr<strong>und</strong> einer Delegation anstellen dürfen.<br />

Deshalb erstaunt auch nicht, dass die Vollzugsverordnung der obersten kantonalen<br />

Gerichte zum Personalgesetz vom 26. Oktober 1999 (LS 211.21) – erlassen<br />

gestützt auf § 56 Abs. 3 PG sowie § 215 Abs. 1 GVG – in § 7 über die Anstellungsbehörden<br />

<strong>und</strong> deren Zuständigkeiten nichts zu einer solchen für Arbeitszeugnisse<br />

sagt; sie tut das übrigens ebenso wenig anderswo (vgl. § 4 Abs. 3 PV).<br />

113<br />

221


113<br />

In diesem Zusammenhang apostrophiert der Beschwerdeführer, welcher die<br />

Anstellungsbehörde nicht nur für das Verfassen von Zeugnissen als zuständig ansieht,<br />

sondern auch für die Mitarbeiterbeurteilung, diejenige durch den Handelsgerichtspräsidenten<br />

vom 8. November 2000 als unbeachtlich. Das widerspricht § 136<br />

Abs. 1 VVPG, wonach die Vorgesetzten eine solche vornehmen, nämlich beim Beschwerdeführer<br />

als Sekretär <strong>des</strong> Beschwerdegegners <strong>des</strong>sen Präsident (vgl. § 4 Abs. 1<br />

der Verordnung über die Organisation <strong>und</strong> Geschäftsführung der Obergerichtskanzlei<br />

vom 8. Dezember 1999 [LS 212.511]). Auf die Tauglichkeit <strong>des</strong> seinerzeitigen<br />

«Gesprächs» als Mitarbeiterbeurteilung kommt hier in<strong>des</strong> nichts an, wie sich weisen<br />

wird.<br />

6.3 Der Beschwerdeführer hält eventualiter dafür, aus den Verordnungsnormen,<br />

welche der angefochtene Entscheid <strong>und</strong> die Kammer im Beschluss vom<br />

13. März 2002 beigezogen hätten, lasse sich weder irgendeine Zuständigkeit für das<br />

Ausstellen von Zeugnissen noch eine solche der Vorinstanz «für den vorliegenden<br />

personalrechtlichen Rekurs» ableiten.<br />

6.3.1 Nach Art. 28 KV übt das Volk im Zusammenwirken mit dem <strong>Kantons</strong>rat<br />

die gesetzgebende Gewalt aus (Abs. 1); die gr<strong>und</strong>legenden Normen <strong>des</strong> kantonalen<br />

Rechts werden in Gesetzesform erlassen, wozu insbesondere Bestimmungen über<br />

Organisation <strong>und</strong> Aufgaben der Behörden, über Inhalt <strong>und</strong> Umfang der Gr<strong>und</strong>rechtsbeschränkungen<br />

<strong>und</strong> der staatlichen Leistungen sowie über Art <strong>und</strong> Umfang<br />

der Übertragung von öffentlichen Aufgaben an Private gehören (Abs. 2). Gesetze<br />

sollen somit die wesentlichen Gr<strong>und</strong>entscheidungen treffen. Details kann das in der<br />

Regel regierungsrätliche Verordnungsrecht ausführen. Der Regierungsrat darf dabei<br />

seine Verordnungskompetenz nicht ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung<br />

delegieren (zum Ganzen Jaag, Rz. 415, 437, 440).<br />

Gemäss Art. 40 Ziff. 2 KV sorgt der Regierungsrat für die Vollziehung der<br />

Gesetze <strong>und</strong> Beschlüsse von Volk sowie <strong>Kantons</strong>rat. Deshalb kann bzw. muss er so<br />

genannt selbständige, das heisst – wie die gegenwärtig unerheblichen Notverordnungen<br />

– auf der Verfassung beruhende Vollziehungsverordnungen erlassen (Jaag,<br />

Rz. 425–432, auch zum Folgenden). Hierzu braucht es in den zu vollziehenden<br />

Gesetzen keine speziellen Bestimmungen; solche wirken ansonsten nur deklaratorisch.<br />

Vollziehungsverordnungen dürfen materiell nichts normieren, was nicht<br />

schon das Gesetz prinzipiell vorgibt, mithin keine neuen Rechte <strong>und</strong> Pflichten<br />

schaffen. Umgekehrt liegt es bei den unselbständigen, das bedeutet auf einer Delegation<br />

im Gesetz fussenden Verordnungen, wie etwa der Personalverordnung. Gesetzesdelegationen<br />

erscheinen an sich als statthaft, haben sich aber insbesondere<br />

222


auf eine genau eingegrenzte Materie zu beschränken, wenigstens die Gr<strong>und</strong>züge zu<br />

regeln sowie Inhalt, Zweck <strong>und</strong> Ausmass der erteilten Ermächtigung zu definieren;<br />

Blankovollmachten sind unzulässig.<br />

Kraft § 56 PG erlässt der Regierungsrat einerseits der kantonsrätlichen Genehmigung<br />

bedürfende Personalverordnungen, um unter anderem im Sinn von § 12<br />

Abs. 3 PG die Anstellungsbehörde zu bezeichnen (Abs. 1; oben 6.2.1 Abs. 1), anderseits<br />

die weiteren Verordnungen zum Vollzug <strong>des</strong> Personalgesetzes (Abs. 2); alle<br />

diese Verordnungen gelten auch für das Personal der Rechtspflege, soweit die obersten<br />

kantonalen Gerichte nicht in gemeinsamen Verordnungen ergänzende oder<br />

abweichende Regelungen treffen, wobei sich die Genehmigungspflicht nach Abs. 1<br />

richtet (Abs. 3 Sätze 1 f.). Angesichts <strong>des</strong>sen ist schwer verständlich, warum die<br />

Beschwerde ausführt, § 56 Abs. 3 PG erwähne weder die Personalverordnung noch<br />

§ 12 Abs. 3 PG; denn zumin<strong>des</strong>t implizit geschieht das durchaus.<br />

6.3.2 Mit Beschluss vom 20. Januar 1999, publiziert am 19. folgenden Monats,<br />

setzte der Regierungsrat das Personalgesetz samt <strong>des</strong>sen Verfassungsgr<strong>und</strong>lage,<br />

Art. 11 Abs. 2 Satz 2 KV, – bei<strong>des</strong> vom Volk am 27. September 1998 angenommen<br />

– auf den 1. Juli jenes Jahres in Kraft (OS 55, 62). Letzteres tat er ebenso<br />

einerseits mit der Personalverordnung, veröffentlicht im Amtsblatt am 29. Januar 1999<br />

sowie nach der kantonsrätlichen Genehmigung vom 22. März 1999 in der Gesetzessammlung<br />

am 20. April 1999 (§ 53 Abs. 1 PV; ABl 1999, 114 ff.; OS 55, 196 ff.,<br />

insbesondere 210), anderseits mit der am 18. Juni 1999 publizierten Vollzugsverordnung<br />

zum Personalgesetz (§ 169 Abs. 1 VVPG; OS 55, 249 ff., namentlich 296).<br />

Die B<strong>und</strong>esversammlung gewährleistete mit Beschluss vom 21. Dezember 1999<br />

unter anderem Art. 11 Abs. 2 KV (BBl 2000, 131).<br />

Aus dem eben aufgezeichneten Ablauf – Erlass der Personalverordnung, ehe<br />

das Inkraftsetzen <strong>des</strong> Personalgesetzes samt Verfassungsartikel, worauf sie sich hätte<br />

stützen müssen, veröffentlicht worden sei; Genehmigung der Personalverordnung<br />

<strong>und</strong> Publikation der Vollzugsverordnung zum Personalgesetz, bevor dasselbe<br />

<strong>und</strong> seine Verfassungsgr<strong>und</strong>lage in Kraft getreten seien; Inkrafttreten <strong>des</strong> Personalrechts,<br />

ohne dass die B<strong>und</strong>esversammlung <strong>des</strong>sen Verfassungsbasis gewährleistet<br />

habe – schliesst die Beschwerde, Personalverordnung <strong>und</strong> Vollzugsverordnung zum<br />

Personalgesetz seien jedenfalls insofern nichtig, als diese beiden Rechtssetzungsakte<br />

die an- bzw. das Arbeitszeugnis ausstellende Behörde bezeichneten.<br />

Hierzu gilt es sogleich daran zu erinnern, dass anstellende <strong>und</strong> Zeugnisbehörde<br />

nicht von vornherein übereinstimmen müssen (oben 6.2). Sollte folglich<br />

113<br />

223


113<br />

einer Behörde zu Recht die Befugnis abgesprochen werden, Personal anzustellen,<br />

besagt das noch nicht, jene dürfe auch keine Arbeitszeugnisse ausstellen.<br />

6.3.2.1 Der positive Gewährleistungsbeschluss wirkt rein deklaratorisch; es<br />

steht den Kantonen frei, eine Verfassung(sbestimmung) schon zuvor in Kraft zu setzen,<br />

wobei sie allerdings Gefahr laufen, dass ein negativer Entscheid der B<strong>und</strong>esversammlung<br />

das Verfassungsrecht von Anfang an als ungültig erscheinen lässt<br />

(statt vieler Pierre Tschannen, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft,<br />

Bern 2004, S. 259 f.). Deshalb ist unzutreffend, dass das Personalgesetz nicht bereits<br />

vor Gewährleistung seiner Verfassungsgr<strong>und</strong>lage in Kraft treten durfte; keine<br />

vom Beschwerdeführer übrigens irreleitend zitierte B<strong>und</strong>esgerichtspraxis streitet<br />

dagegen. Eine andere Frage bedeutet es, ob die Bezeichnung der Zeugnisbehörde<br />

auf Verfassungs- oder doch Gesetzesstufe geschehen müsse; die Beschwerde bejaht<br />

das. Eine Antwort braucht in<strong>des</strong> nicht gegeben zu werden.<br />

Weder legen § 46 Abs. 2 f. PG oder eine sonstige Bestimmung auf Gesetzesstufe<br />

– geschweige denn die Verfassung – die Zeugnisse ausstellende Behörde fest<br />

noch enthalten § 56 Abs. 1 PG oder eine andere Vorschrift gleichen Ranges diesbezüglich<br />

eine Gesetzesdelegation (vgl. oben 6.2.1 Abs. 3; 6.3.1, auch zum Folgenden).<br />

Sollte es überhaupt eines Gesetzes im formellen Sinn bedürfen, bliebe die<br />

Zeugniszuständigkeit im Sinn einer so genannten echten Lücke ungeregelt (dazu<br />

Häfelin/Haller, N. 139). Eine solche liesse sich aber durch den Vollziehungsverordnungsgeber<br />

füllen (Häfelin/Haller, N. 1860). Insofern mündet das hier interessierende<br />

Problem in jenes, ob die Vollzugsverordnung zum Personalgesetz gültig sei<br />

(vorn 6.3.2 Abs. 2).<br />

Im Übrigen kann die rechtsanwendende Behörde eine nicht schon durch<br />

Gewohnheitsrecht geschlossene Lücke in freier Rechtsfindung füllen; sie muss<br />

dabei von den dem Erlass zu Gr<strong>und</strong>e liegenden Wertungen <strong>und</strong> Zielsetzungen ausgehen<br />

(Häfelin/Haller, N. 147). Die Gesetzesmaterialien sprechen bei der Zeugniskompetenz<br />

in erster Linie vom direkten Vorgesetzten; als solcher waltete für den<br />

Beschwerdeführer der Handelsgerichtspräsident (oben 6.2.1 <strong>und</strong> 3 je Abs. 3). Das<br />

deckt sich auch mit gerichtsnotorisch langjähriger Praxis, die sich zu Gewohnheitsrecht<br />

verdichtet haben dürfte (Jaag, Rz. 474). Zwar bestreitet die Beschwerde diese<br />

Praxis «aus Sicherheitsgründen», doch hälfe das selbst im Erfolgsfall nichts. Denn<br />

in alsdann Platz greifender freier Rechtsfindung ergäbe sich doch wieder die<br />

Zuständigkeit <strong>des</strong> Handelsgerichtspräsidenten. [...]<br />

6.3.2.3 Die Beschwerde scheint unzutreffend davon auszugehen, die Vollzugsverordnung<br />

zum Personalgesetz müsste sich – trotz <strong>des</strong> Titels – noch ausdrück-<br />

224


lich auf § 56 Abs. 2 PG berufen, um in diesem Gesetz eine Gr<strong>und</strong>lage zu finden;<br />

sie anerkennt aber zu Recht, dass auch Art. 40 Ziff. 2 KV den Regierungsrat zum<br />

Erlass der Vollzugsverordnung befuge (oben 6.3.1 Abs. 2 f.). Bereits von Letzterem<br />

her wirkt der Gedanke verfehlt, der Regierungsrat hätte die Vollzugsverordnung<br />

zum Personalgesetz erst nach <strong>des</strong>sen Inkrafttreten erlassen dürfen. Zudem sagt § 57<br />

Abs. 1 Satz 1 PG, für alle beim Inkrafttreten <strong>des</strong> Gesetzes bestehenden Arbeitsverhältnisse<br />

gälten ab da das Personalgesetz <strong>und</strong> seine Ausführungserlasse; das bedingt,<br />

dass es solche beim Inkrafttreten <strong>des</strong> Gesetzes schon gebe.<br />

Gewiss hätte sich der Regierungsrat erlauben dürfen, in Anwendung von § 59<br />

Abs. 2 Satz 2 PG zunächst nur gerade die genannte Bestimmung selbst sowie § 56 PG<br />

in Kraft treten zu lassen, gestützt darauf die Ausführungserlasse zu schaffen <strong>und</strong><br />

dann zusammen mit dem Rest <strong>des</strong> Personalgesetzes in Kraft zu setzen. Wenn ihm<br />

aber das gestattet war, konnte er von derart bloss formellen Komplikationen ebenso<br />

gut absehen. Jedenfalls hätte nicht funktioniert, was der Beschwerde vorschwebt,<br />

nämlich vorab das ganze Personalgesetz in Kraft treten zu lassen <strong>und</strong> erst<br />

hernach die zugehörigen Verordnungen zu schaffen. Denn es wäre in seinen durch<br />

diese weiter auszuführenden Teilen so lange unanwendbar geblieben.<br />

Wie zum Vorstehenden anzumerken bleibt, geht es hier nicht um die zulässigen<br />

Inhalte der Vollzugsverordnung zum Personalgesetz, sondern um deren Zulässigkeit<br />

als Ganze. Denn sollte es für die Bezeichnung der Zeugnisbehörde eines<br />

Gesetzes im formellen Sinn oder einer Delegation bedürfen, käme es mangels beidem<br />

doch wieder auf die – an sich vielleicht unstatthafte – einschlägige Regelung<br />

der Vollzugsverordnung an (oben 6.3.2.1 Abs. 2).<br />

6.3.2.4 Nach dem Gesagten durfte der Regierungsrat die Vollzugsverordnung<br />

zum Personalgesetz erlassen, ehe dieses in Kraft trat. Selbst wenn das aber unzulässig<br />

gewesen sein sollte, wäre die Verordnung beim Inkrafttreten <strong>des</strong> Personalgesetzes<br />

im Sinn b<strong>und</strong>esgerichtlicher Praxis gültig geworden (BGE 107 Ia 29 E. 2a,<br />

123 I 1 E. 3a; 18. Dezember 1988, ZBl 90/1989, S. 491, E. 4c). Die Beschwerde<br />

verneint eine solche zu Unrecht. [...]<br />

6.3.3 Die Beschwerde wiederholt, auch abgesehen vom soeben unter 6.3.2<br />

behandelten zeitlichen Aspekt dürfe der Regierungsrat die Zeugnisbehörde nicht<br />

durch Verordnung bezeichnen, weil das durch Verfassung oder Gesetz im formellen<br />

Sinn geschehen müsse; ein auf § 139 VVPG gestütztes Arbeitszeugnis sei <strong>des</strong>halb<br />

nichtig (oben 6.3.2.1 Abs. 1). Sollte – wie schon gesagt – die Prämisse zutreffen,<br />

fände die genannte Bestimmung prinzipiell dennoch Anwendung bzw. ergäbe<br />

113<br />

225


113<br />

sich ansonsten ohnehin eine Zuständigkeit <strong>des</strong> Handelsgerichtspräsidenten (vorn<br />

6.3.2.1 Abs. 2 f., 6.3.2.3 Abs. 3).<br />

§ 139 Abs. 4 VVPG insbesondere delegiert den obersten kantonalen Gerichten,<br />

die Zuständigkeit unter anderem für Arbeitszeugnisse festzulegen. Die Beschwerde<br />

findet dies ebenso ungültig. Ob das im Ergebnis stimme, mag als für den<br />

Verfahrensausgang unerheblich offen bleiben. Immerhin fragt sich, ob einer solchen<br />

Delegation nicht die erforderliche ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung<br />

fehle; denn § 56 Abs. 1 f. <strong>und</strong> 3 Sätze 1 f. PG könnte so aufgefasst werden, dass zunächst<br />

der Regierungsrat auch für das Personal der Rechtspflege alle unbedingt<br />

nötigen Vollzugsvorschriften wie etwa über die Zeugniskompetenz schaffen müsse,<br />

wozu erst die obersten kantonalen Gerichte in gemeinsamen Verordnungen ergänzende<br />

oder abweichende Regelungen treffen dürften (siehe oben 6.3.1 Abs. 1 <strong>und</strong> 3,<br />

ebenso zum Folgenden; ABl 1996, 1160–1163). Jedenfalls haben die vereinigten<br />

höchsten Gerichte insofern keine Norm erlassen (vgl. vorn 6.2.3 Abs. 2); <strong>und</strong> § 139<br />

Abs. 4 VVPG als Subdelegation an die Einzelnen von ihnen zu interpretieren, verbietet<br />

sich wohl mangels ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung hierfür.<br />

Die Beschwerde erachtet es wegen <strong>des</strong> Begriffs «Ausstellen» in § 139 Abs. 2<br />

VVPG als unklar, ob die Vorstehenden einer Direktion bzw. eines Amts das Zeugnis<br />

direkt Untergebener nur für ihre jeweiligen Einheiten unterzeichnen oder auch<br />

inhaltlich bestimmen dürften; aus Abs. 3 derselben Vorschrift erhellt jedoch, dass<br />

bei<strong>des</strong> gemeint sei (oben 6.2.3 Abs. 1, auch zum Folgenden). Scheint es nach dem<br />

in den zwei vorigen Absätzen Erwogenen an einer gültigen gerichtlichen Vollzugsnorm<br />

über die Zeugniskompetenz zu gebrechen, müsste alsdann insofern eine analoge<br />

Anwendung von § 139 Abs. 2 f. VVPG für den Beschwerdeführer entgegen<br />

<strong>des</strong>sen Zweifeln zwanglos die Zuständigkeit <strong>des</strong> Handelsgerichtspräsidenten als<br />

<strong>des</strong> unmittelbar Vorgesetzten zeitigen (vgl. vorn 6.2.3 Abs. 3).<br />

6.3.4 Die Kammer neigte im Beschluss vom 13. März 2002 noch eher zur<br />

Ansicht, die Vorinstanz müsse wegen ihrer laut § 21 Abs. 1 Satz 1 <strong>und</strong> Abs. 2 VOG<br />

allgemeinen Zuständigkeit für die Justizverwaltung das Zeugnis <strong>des</strong> Beschwerdeführers<br />

ausstellen; sie verwies im Kontext auf § 139 Abs. 4 VVPG. Diese Bestimmung<br />

trägt in<strong>des</strong> kaum (oben 6.3.3 Abs. 2, auch zum Folgenden). Aus unterschiedlichen<br />

Gründen verwerfen Beschwerdeführer <strong>und</strong> Vorinstanz die Kompetenz der<br />

Letzteren für das Arbeitszeugnis <strong>des</strong> Ersteren. Das Gegenteil dürfte sich nur mehr<br />

aus § 49 GVG gewinnen lassen, worauf unter anderem sich übrigens die Verordnung<br />

über die Organisation <strong>des</strong> Obergerichts einleitend stützt (vgl. vorn 6.2.1 Abs. 2).<br />

§ 49 GVG ist freilich die ältere sowie personalrechtlich weniger spezielle Norm als<br />

226


der darum vorgehende <strong>und</strong> sonst allein in Frage kommende § 56 PG, aus welchem<br />

eine Ermächtigung einzelner Gerichte, die Zeugnisbehörde zu bezeichnen, wohl<br />

gerade nicht abgeleitet werden kann (siehe Häfelin/Müller, Rz. 220 f., 321). Es<br />

spricht hier <strong>des</strong>halb unverändert am meisten für den Handelsgerichtspräsidenten als<br />

Zeugniszuständigen.<br />

Aus den das Obergericht direkt betreffenden bzw. durch es selbst erlassenen<br />

Bestimmungen resultiert also kaum etwas für die Zeugniszuständigkeit. Irrtümlich<br />

folgert der Beschwerdeführer daraus, die Vorinstanz könne ebenso wenig als<br />

Rechtsmittelbehörde eines Zeugnisstreits fungieren. Er verkennt, dass § 33 PG –<br />

vorbehaltlich gegenwärtig nicht greifender Ausnahmen – den Weiterzug von personalrechtlichen<br />

Entscheidungen nach dem Verwaltungsrechtspflegegesetz vorsieht.<br />

In solchem Sinn erachtete die Kammer mit dem Beschluss vom 13. März 2002<br />

wider die Zeugnisanordnungen <strong>des</strong> Handelsgerichtspräsidenten vorerst den Rekurs<br />

an die obere Behörde gemäss § 19 Abs. 1 VRG als gegeben; diese Eigenschaft<br />

schrieb sie der Vorinstanz kraft §§ 8 Abs. 1 lit. d sowie 21 Abs. 1 Satz 1 <strong>und</strong> Abs. 2<br />

VOG zu, welche Vorschriften in § 49 GVG ihre hinreichende Gr<strong>und</strong>lage finden<br />

(oben 6.2.1 Abs. 2). Hieran gilt es festzuhalten.<br />

Nach all dem muss sich jedenfalls das Gesamtobergericht auf keiner Stufe <strong>des</strong><br />

Rechtsgangs mit dem strittigen Arbeitszeugnis befassen. Namentlich für <strong>des</strong>sen<br />

Verfertigen erschiene es mit seinen 35 bzw. heute 36 Mitgliedern auch selbstredend<br />

als ungeeignet bzw. müsste wohl inhaltlich ohnehin auf die vorliegenden Angaben<br />

<strong>des</strong> Handelsgerichts(präsidenten) abstellen (vgl. Beschluss <strong>des</strong> <strong>Kantons</strong>rates über<br />

die Zahl der Mitglieder <strong>des</strong> Obergerichtes vom 6. März 1978, LS 212.521; RB OGr<br />

ZH 2003, S. 169 f.). Man kann sich folglich im Ernst fragen, was an wirklich Zählbarem<br />

herausschaute, falls der Beschwerdeführer mit seinem weitest ausgebreiteten<br />

Nichtigkeitsgedanken durchdränge. [...]<br />

7.2.2. § 46 Abs. 2 f. PG <strong>und</strong> Art. 330a OR regeln den Zeugnisanspruch Angestellter<br />

fast wörtlich gleich. Dass der kantonale Souverän insofern der Sache<br />

nach öffentlichrechtlich etwas anderes gewollt hätte als vor ihm der eidgenössische<br />

privatrechtlich, lässt sich nicht ersehen (ABl 1996, 1181). Alsdann streitet eindeutig<br />

mehr gegen als für unterschiedliche Auslegungen (vgl. Susanne Janssen, Die<br />

Zeugnispflicht <strong>des</strong> Arbeitgebers, Bern 1996, S. 44; Michel, S. 213; VGr, 4. Juli 2001,<br />

PB.2001.00006, E. 2a, www.vgrzh.ch; RB 2002 Nr. 126; Tomas Poledna,<br />

Arbeitszeugnis <strong>und</strong> Referenzauskünfte <strong>des</strong> Arbeitgebers im öffentlichen Dienst,<br />

ZBl 104/2003, S. 169 ff., 170 f.). Nun müssen im Zivilrecht die Arbeitnehmenden<br />

den Zeugnisanspruch geltend machen (Janssen, S. 29–31, 35). Von daher scheint<br />

113<br />

227


113<br />

sehr fraglich, ob § 139 Abs. 2 VVPG eine Pflicht zur Zeugnisausfertigung ohne Begehren<br />

begründen könne, falls diese Bestimmung überhaupt eine solche Meinung<br />

haben sollte (siehe vorn 6.3.1 Abs. 2). [...]<br />

7.2.3 Aus etwa gleichen Gründen liegt auch kein zumin<strong>des</strong>t leicht erkennbarer<br />

Mangel vor (vgl. zu den möglichen Zeugnisdaten Janssen, S. 97–99). Die Beschwerde<br />

verliert bereits kein Wort mehr über die zu bejahende ernsthafte Gefährdung<br />

der Rechtssicherheit, wenn Nichtigkeit eines Schlusszeugnisses angenommen<br />

würde wegen Datierung <strong>des</strong>selben nicht auf spätestens den Austrittstag. Und wenigstens<br />

der Gedanke der Teilnichtigkeit liesse es nicht zu, um der Datumsproblematik<br />

willen das ganze Zeugnis oder doch <strong>des</strong>sen hier allein noch interessierende<br />

bzw. zweifach ergänzt gewünschte Passage für unbeachtlich zu halten (Imboden/<br />

Rhinow, Nr. 40 B VI; Häfelin/Müller, Rz. 988). [...]<br />

7.3.2 Die Beschwerde kritisiert sodann das Fehlen einer Schlussformel im<br />

Arbeitszeugnis. Hieran gebricht es allerdings gar nicht, sondern nur am anbegehrten<br />

Ausdruck <strong>des</strong> Bedauerns, dass der Beschwerdeführer vom Handelsgericht weggehe.<br />

Bedauernsformeln werden zudem nicht generell verwendet (Janssen, S. 118<br />

Fn. 239). [...]<br />

7.3.4 Endlich macht der Beschwerdeführer geltend, sein Zeugnis entbehre der<br />

nötigen allgemeinen Qualifikation, welche bei ihm auf Leistung sehr guter Arbeit<br />

lauten müsse. [...] Im Besonderen ergibt sich das Erfordernis einer Gesamtqualifikation<br />

weder aus den angerufenen Stellen Janssens noch entspricht es – das ist<br />

gerichtsnotorisch – einer konstanten Übung <strong>des</strong> Kantonalzürcher Personalwesens.<br />

Daran ändert nichts, dass Gesamtqualifikationen Ähnliches in der Praxis durchaus<br />

vorkommt.<br />

7.4 Die Beschwerde vertritt die Ansicht, wie der obligationenrechtliche sei<br />

auch der kantonal-personalrechtliche Zeugnisanspruch vermögensrechtlicher Natur.<br />

Diesen habe schon das Zwischenzeugnis erfüllt. Die dortige Gesamtqualifikation<br />

mit «sehr gut» beurteile <strong>des</strong>halb die Leistungen <strong>des</strong> Beschwerdeführers bis<br />

dahin «unwiderruflich, d.h. wie rechtskräftig» <strong>und</strong> stelle ein wohlerworbenes, also<br />

unter dem Schutz von Vertrauensprinzip sowie Eigentumsgarantie stehen<strong>des</strong> Recht<br />

dar. Dasselbe werde – trotz dem sich öffnenden neuerlichen Bewertungsspielraum<br />

für die spätere, kürzere <strong>und</strong> unzusammenhängende Beschäftigungsdauer – insoweit<br />

verletzt, als das Schlusszeugnis negativ vom Zwischenzeugnis abweiche. Das<br />

wiederum bedeute einen schwer wiegenden Mangel. – Dem lässt sich nicht beitreten.<br />

228


Erstens geht es nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung beim öffentlichrechtlichen<br />

Arbeitszeugnis anders als beim zivilrechtlichen nicht eindeutig um<br />

Vermögensrecht (RB 2000 Nr. 28 E. 1.b Abs. 2 f.; VGr, 4. Juli 2001, PB.2001.00006,<br />

E. 1b, www.vgrzh.ch; vgl. auch RB 1988 Nr. 15). Zweitens stellen vermögensrechtliche<br />

Ansprüche staatlich Beschäftigter gemäss Praxis in der Regel keine<br />

wohlerworbenen Rechte dar, sofern nicht das Gesetz die einschlägige Beziehung<br />

ein für alle Mal festlegt oder bestimmte, mit einem einzelnen Dienstverhältnis verb<strong>und</strong>ene<br />

Zusicherungen abgegeben worden sind (BGr, 2. Juli 1999, Pra 89/2000<br />

Nr. 22 E. 3b; VGr, 11. Juni 2003, PB.2003.00009, E. 4a Abs. 2, www.vgrzh.ch;<br />

Häfelin/Müller, Rz. 2053 – alles mit Hinweisen). Drittens schützt die Eigentumsgarantie<br />

ein wohlerworbenes Recht nur, wenn es sich sachenrechtlich fixiert hat;<br />

bei finanziellen Ansprüchen von Beamten aber ist das Vertrauensprinzip als Anknüpfungspunkt<br />

zu behandeln (Dominik Strub, Wohlerworbene Rechte, Fribourg<br />

2001, S. 91–93; Häfelin/Müller, Rz. 1008; siehe ferner Beat Schulthess, Wohlerworbene<br />

Rechte in der schweizerischen Rechtsordnung, Basel 1980, S.103 f.).<br />

Es unterliegt also bereits erheblichen Zweifeln, ob hier prinzipiell ein wohlerworbenes<br />

Recht in Frage stehen kann. Ansonsten liesse sich das Zwischenzeugnis<br />

weder als etwas bestimmt Zugesichertes noch als unabänderlich auffassen. Vielmehr<br />

durfte bzw. musste es, weil es mit der Qualifikation «sehr gut» einen – wie<br />

sich alsbald zeigt – unzutreffenden Eindruck erweckt sowie mangels Verfügungseigenschaft<br />

oder doch eines Rechtsgangs über seinen Inhalt ohnehin nicht in<br />

Rechtskraft erwachsen war, durch das Schlusszeugnis korrigiert werden (Manfred<br />

Rehbinder, Berner Kommentar, 1985, Art. 330a OR N. 11; Daniel Brand et al., Der<br />

Einzelarbeitsvertrag im Obligationenrecht, Muri-Bern 1991, Art. 330a N. 4, 19;<br />

Janssen, S. 152–154; vgl. oben 5.2 Abs. 1). Selbst wenn aber das Zwischenzeugnis<br />

beim Beschwerdeführer relevantes Vertrauen geschaffen haben sollte, gebräche es<br />

als Schutzvoraussetzung nur schon an der Behauptung von <strong>des</strong>sen Betätigung (statt<br />

vieler Elisabeth Chiariello, Treu <strong>und</strong> Glauben als Gr<strong>und</strong>recht nach Art. 9 der<br />

schweizerischen B<strong>und</strong>esverfassung, Bern 2003, S. 120). Ein Mangel, geschweige<br />

denn ein schwer wiegender mit Nichtigkeitsgefahr, liegt <strong>des</strong>halb auch insofern<br />

nicht vor.<br />

VB.2002.00326 4. Kammer, 1. September<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht hat eine staatsrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid abgewiesen,<br />

soweit darauf einzutreten war (BGr, 14. März 2005, 2P.257/2004, www.bger.ch).<br />

113<br />

229


114, 115<br />

114. Die Arbeitsniederlegung ist auch im öffentlichen Personalrecht ein Kündigungsgr<strong>und</strong>,<br />

sofern damit nicht zulässigerweise Rechte aus dem Arbeitsverhältnis<br />

geltend gemacht werden. § 18 Abs. 2 PG.<br />

230<br />

PB.2003.00022 4. Kammer, 7. Januar<br />

115. Die abschliessende Aufzählung der möglichen Auflösungsgründe eines<br />

Dienstverhältnisses im anwendbaren Personalrecht schliesst einen ungeschriebenen<br />

Kündigungstatbestand wegen «fehlenden Vertrauens» aus. § 16,<br />

§ 18 Abs. 2, § 19 PG.<br />

2.4.1 Art. 18 der kommunalen Personalverordnung (PVO) zählt die Gründe<br />

für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mit der beschwerdeführenden Gemeinde<br />

abschliessend auf. Da vorliegend kein befristetes Arbeitsverhältnis ausgelaufen<br />

(lit. b), keine Auflösung im gegenseitigen Einvernehmen vereinbart worden<br />

(lit. c) <strong>und</strong> auch kein anderer Auflösungsgr<strong>und</strong> (Alter, Invalidität, Tod, Verzicht auf<br />

Wiederwahl, lit. e–h) eingetreten ist, verbleiben einzig die Kündigung (lit. a) <strong>und</strong><br />

die Auflösung aus wichtigem Gr<strong>und</strong> (lit. d) als Beendigungsgründe. Wie sich aus<br />

der [erstinstanzlichen] Verfügung [...] eindeutig ergibt, handelt es sich bei der von<br />

der Beschwerdeführerin ausgesprochenen Auflösung <strong>des</strong> Dienstverhältnisses um<br />

eine ordentliche Kündigung, nicht um eine fristlose Auflösung aus wichtigem<br />

Gr<strong>und</strong>. Die Beschwerdeführerin bringt denn auch nicht vor, dass die Voraussetzungen<br />

für die Letztere erfüllt gewesen wären. Eine ordentliche Kündigung wiederum<br />

darf laut Art. 20 Abs. 2 PVO, der inhaltlich § 18 Abs. 2 PG entspricht, nicht missbräuchlich<br />

nach den Bestimmungen <strong>des</strong> Obligationenrechts sein <strong>und</strong> setzt einen<br />

sachlich zureichenden Gr<strong>und</strong> voraus. Laut […] Art. 21 PVO, der inhaltlich § 19 PG<br />

entspricht, muss die Anstellungsinstanz, bevor sie eine Kündigung aufgr<strong>und</strong> mangelnder<br />

Leistung oder unbefriedigenden Verhaltens ausspricht, dem oder der Angestellten<br />

eine angemessene Bewährungsfrist von längstens sechs Monaten einräumen.<br />

Weiter müssen Vorwürfe, die zu einer Kündigung Anlass geben, durch eine<br />

Mitarbeiterbeurteilung belegt werden. Zur minimalen Dauer der Bewährungsfrist<br />

lassen sich dem kommunalen Recht keine Vorschriften entnehmen. Aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong><br />

Verweises in Art. 3 PVO gelten in<strong>des</strong> sinngemäss das Personalgesetz <strong>und</strong> <strong>des</strong>sen<br />

Ausführungserlasse, soweit die Personalverordnung der Gemeinde X nichts Abweichen<strong>des</strong><br />

regelt. Anwendbar ist demnach auch § 18 Abs. 1 VVPG, <strong>des</strong>sen Satz 2 bestimmt,<br />

dass die Bewährungsfrist ab dem zweiten Dienstjahr in der Regel drei bis<br />

sechs Monate beträgt.


2.4.2 Die beschwerdeführende Gemeinde lässt vorbringen, die Kündigung <strong>des</strong><br />

Beschwerdegegners sei überwiegend <strong>des</strong>halb erfolgt, weil das Vertrauensverhältnis<br />

zu ihm nicht mehr bestanden habe. Art. 21 PVO beschlage dagegen nur die Kündigung<br />

im Zusammenhang mit der Leistung <strong>und</strong> dem Verhalten, sei <strong>des</strong>halb auf eine<br />

Kündigung wegen <strong>des</strong> verlorenen Vertrauensverhältnisses nicht anwendbar. Mit<br />

dieser Argumentation verkennt die Beschwerdeführerin zunächst, dass die Beendigungsgründe<br />

in der Personalverordnung gr<strong>und</strong>sätzlich abschliessend aufgezählt<br />

sind. Es können nicht neue Kündigungstatbestände geschaffen werden, für die dann<br />

die dem Schutz der Angestellten dienenden Bestimmungen in Art. 20 <strong>und</strong> 21 PVO<br />

nicht mehr gelten. Sofern der Vertrauensverlust so gewichtig ist, dass eine weitere<br />

Zusammenarbeit nach Treu <strong>und</strong> Glauben nicht mehr zumutbar ist, kann die fristlose<br />

Auflösung aus wichtigen Gründen gemäss Art. 23 PVO in Betracht gezogen werden.<br />

Die Kündigung war hier aber eine ordentliche, weshalb den Voraussetzungen<br />

der fristlosen Kündigung nicht weiter nachgegangen werden muss.<br />

Das verlorene Vertrauensverhältnis als eigenständigen Kündigungstatbestand<br />

zu betrachten würde darauf hinauslaufen, dass je<strong>des</strong> als mangelhaft empf<strong>und</strong>ene<br />

Verhalten, das zu Streitigkeiten zwischen den Parteien Anlass bietet, in eine Störung<br />

<strong>des</strong> Vertrauensverhältnisses umdeutbar wäre <strong>und</strong> so die Schutzvorschriften in<br />

Art. 21 PVO umgangen werden könnten. Ein gestörtes Vertrauensverhältnis liesse<br />

sich auf den ersten Blick allenfalls als sachlich zureichender Kündigungsgr<strong>und</strong><br />

gemäss Art. 20 Abs. 2 PVO qualifizieren. Dem steht jedoch die unzweideutige Anlehnung<br />

<strong>des</strong> anwendbaren kommunalen Personalrechts an das kantonale Recht entgegen,<br />

das aufgr<strong>und</strong> der Verweisung in Art. 3 PVO ohnehin ergänzend beizuziehen<br />

ist. Das kantonale Recht umschreibt die in § 18 Abs. 2 PG erwähnten sachlichen<br />

Kündigungsgründe in § 16 VVPG näher. Genannt werden mangelhafte Leistungen<br />

oder unbefriedigen<strong>des</strong> Verhalten (Abs. 1 lit. a), die Aufhebung der Stelle aus organisatorischen<br />

oder wirtschaftlichen Gründen (Abs. 1 lit. b) <strong>und</strong> der besondere Fall,<br />

dass der oder die Angestellte aus ges<strong>und</strong>heitlichen Gründen während langer Zeit<br />

wiederholt oder dauernd an der Erfüllung der Aufgaben verhindert ist (Abs. 1 lit. c).<br />

Auch aus dieser Aufzählung erhellt, dass nur in besonderen Fällen auf Mitarbeiterbeurteilung<br />

<strong>und</strong> Bewährungsfrist verzichtet werden kann (sinngemäss VGr, 27. Mai<br />

2003, PB.2003.00006, E. 2a/bb, www.vgrzh.ch). Der von der Beschwerdeführerin<br />

geltend gemachte Tatbestand <strong>des</strong> Vertrauensverlusts figuriert nicht darunter.<br />

115<br />

PB.2003.00021 4. Kammer, 25. Februar<br />

231


116, 117<br />

116. Bei einer Kündigung während der Probezeit sind die gesetzlichen formellen<br />

Anforderungen an Kündigungen nicht anwendbar. § 19 PG.<br />

2.3 […] Bevor die Anstellungsinstanz eine Kündigung wegen mangelnder<br />

Leistung oder unbefriedigenden Verhaltens ausspricht, räumt sie [nach dem<br />

anwendbaren kommunalen Recht, das § 19 PG entspricht] dem oder der Angestellten<br />

eine angemessene Bewährungsfrist von längstens sechs Monaten ein.<br />

Vorwürfe, die zu einer Kündigung Anlass geben, müssen durch eine Mitarbeiterbeurteilung<br />

belegt werden [...]. Vorliegend haftet der Kündigung der Beschwerdeführerin<br />

die Besonderheit an, dass sie noch innerhalb der Probezeit von drei<br />

Monaten erfolgte. Wenn eine Kündigung innerhalb der Probezeit möglich sein soll<br />

– was sich aus den erwähnten gesetzlichen Bestimmungen ergibt –, kann aber eine<br />

angemessene Bewährungsfrist von in der Regel mehreren Monaten realistischerweise<br />

kaum je angesetzt werden. Auch eine Mitarbeiterbeurteilung dürfte nach<br />

(vorliegend) siebenwöchiger Dauer <strong>des</strong> Anstellungsverhältnisses kaum die erforderlichen<br />

Aufschlüsse über Vorwürfe ergeben, die zu einer Kündigung Anlass geben<br />

könnten. Es liegt allerdings gerade im Wesen einer Probezeit, dass Arbeitnehmer<br />

<strong>und</strong> Arbeitgeber einander kennen lernen, bevor eine lange Kündigungsfrist<br />

Platz greift, <strong>und</strong> sie nötigenfalls rasch die erforderlichen Konsequenzen ziehen<br />

können, falls sich innerhalb der Probezeit bereits erste Disharmonien abzuzeichnen<br />

beginnen (dazu Ullin Streiff/Adrian von Kaenel, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht,<br />

5. A., Zürich 1993, Art. 335b N. 14). Soll eine Kündigung während der Probezeit<br />

möglich sein, darf sie daher nicht etwa aus formellen Mängeln als ungültig<br />

betrachtet werden, wenn wie vorliegend sowohl die Ansetzung einer Bewährungsfrist<br />

als auch eine Mitarbeiterbeurteilung unterblieben sind. […]<br />

232<br />

PB.2003.00022 4. Kammer, 7. Januar<br />

117. Eine sexuelle Anspielung ist nicht ohne weiteres als sexuelle Belästigung<br />

im Sinn von Art. 4 GlG zu werten. Bei schwächeren Übergriffen muss im<br />

Einzelfall entschieden werden, ob sich eine Belästigung annehmen lässt.<br />

Art. 4 GlG.<br />

PB.2003.00022 4. Kammer, 7. Januar


118. Schadenersatzansprüche wegen mangelhaften Arbeitszeugnisses. Zum Begriff<br />

der Widerrechtlichkeit im Staatshaftungsrecht. Das wiedererwägungsweise<br />

aufgehobene Zeugnis ist den im Rechtsmittelverfahren geänderten<br />

Entscheiden gleichzustellen. Haftungsvoraussetzung bildet daher Arglist.<br />

Bei Haftung für Rechtsverweigerung <strong>und</strong> Rechtsverzögerung gelten die<br />

strengeren Voraussetzungen in Bezug auf die Haftung für inhaltliche Mängel<br />

von Rechtsakten nicht. Die Möglichkeit der Schadensschätzung entbindet<br />

nicht vom Beweis <strong>des</strong> Schadenseintritts. Art. 42 Abs. 2 OR. § 6 Abs. 2<br />

HaftungsG.<br />

4.1 Die Vorinstanz geht davon aus, dass es vorliegend bereits an der Widerrechtlichkeit<br />

fehle. Es werde vom Beschwerdeführer nicht behauptet, dass das<br />

Arbeitszeugnis vom 19. Mai 2000 unwahre Tatsachen enthalten habe, <strong>und</strong> auch die<br />

inhaltlichen Anpassungen im Arbeitszeugnis vom 22. November 2001 belegten dies<br />

nicht, weil sie aufgr<strong>und</strong> eines Vergleichsgesprächs zustande gekommen seien.<br />

Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden.<br />

Zum einen können sich Mängel eines Arbeitszeugnisses nicht nur aus unwahren<br />

Tatsachenbehauptungen ergeben, sondern auch aus der Wiedergabe an sich<br />

wahrer Tatsachen, deren Erwähnung im Arbeitszeugnis aber unstatthaft ist. [...]<br />

Zum andern kann zwar aus Unterschieden zwischen der ursprünglichen Fassung<br />

<strong>des</strong> Arbeitszeugnisses vom 19. Mai 2000 <strong>und</strong> der definitiven Version vom 22. November<br />

2001 tatsächlich noch nicht geschlossen werden, dass die erste Fassung<br />

unwahre Angaben enthielt. Diese Möglichkeit kann aber auch nicht allein <strong>des</strong>halb<br />

verneint werden, weil die endgültige Fassung auf Vergleichsgespräche zurückgeht.<br />

4.2 Ob das Arbeitszeugnis vom 19. Mai 2000 widerrechtlich war, ist von Amts<br />

wegen abzuklären (§ 70 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 VRG). Allerdings ist § 21<br />

Abs. 1 HaftungsG zu beachten, wonach die Gesetzmässigkeit formell rechtskräftiger<br />

Verfügungen, Entscheide <strong>und</strong> Urteile nicht überprüft werden darf. Die im Sinn<br />

einer Wiedererwägung ergangene Verfügung vom 22. November 2001 betreffend<br />

das Arbeitszeugnis ist nicht angefochten worden <strong>und</strong> in formelle Rechtskraft erwachsen<br />

(vgl. Kölz/Bosshart/Röhl, § 22 N. 19). Die in der Fassung vom 22. November<br />

2001 verbliebenen Aussagen <strong>des</strong> Arbeitszeugnisses vom 19. Mai 2000 können<br />

<strong>des</strong>halb vorliegend nicht mehr auf ihre Widerrechtlichkeit hin überprüft werden.<br />

Durch die Wiedererwägung nicht ausgeschlossen wird Schadenersatz für übermässig<br />

lange Verfahrensdauer (Hans Rudolf Schwarzenbach, Die Staats- <strong>und</strong><br />

Beamtenhaftung in der Schweiz mit Kommentar zum zürcherischen Haftungsgesetz,<br />

2. A., Zürich 1985, S. 52).<br />

118<br />

233


118<br />

4.3 Wenn blosse Vermögensschäden – welche keine Verletzung eines absoluten<br />

Rechts darstellen – oder Schäden infolge eines Rechtsakts behauptet werden,<br />

gilt ein Verhalten im Staatshaftungsrecht nur dann als widerrechtlich, wenn es gegen<br />

geschriebene oder ungeschriebene Gebote oder Verbote der Rechtsordnung<br />

verstösst, die dem Schutz <strong>des</strong> verletzten Rechtsguts dienen (BGE 123 II 577 E.<br />

4d/aa–dd, mit zahlreichen weitern Hinweisen; VGr, 25. August 1997, ZBl 99/1998<br />

S. 474 E. 3 am Anfang; Jaag, Rz. 2114). In diesem Fall ist das Verhalten eines oder<br />

einer staatlichen Angestellten nach der Rechtsprechung <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esgerichts dann<br />

widerrechtlich, wenn er bzw. sie in Ausübung der amtlichen Befugnis einen besonderen<br />

Fehler begeht. Ein solcher liegt nicht bereits dann vor, wenn sich ein Rechtsakt<br />

später als unrichtig, gesetzwidrig oder sogar willkürlich erweist; haftungsbegründende<br />

Widerrechtlichkeit ist in diesem Fall vielmehr erst dann gegeben, wenn<br />

eine für die Ausübung der Funktion wesentliche Pflicht, eine wesentliche<br />

Amtspflicht, verletzt wird (BGr, 3. Juli 2003, 2C.4/1999, E. 7.1, <strong>und</strong> 2C.5/1999,<br />

E. 6.1, je mit weitern Hinweisen, www.bger.ch; BGE 120 Ib 248 E. 2b, 119 Ib 208<br />

E. 5a). Es muss sich um eine Fehlleistung handeln, die pflichtbewussten Angestellten<br />

oder Behördenmitgliedern nicht unterlaufen wäre (BGE 119 Ib 208 E. 5b;<br />

Tobias Jaag, Staatshaftung nach dem Entwurf für die Revision <strong>und</strong> Vereinheitlichung<br />

<strong>des</strong> Haftplichtrechts, ZSR 122/2003 II, S. 3 ff., 63). Im kantonalzürcherischen<br />

Recht schränkt § 6 Abs. 2 HaftungsG die Haftung für Entscheide, die im<br />

Rechtsmittelverfahren geändert werden, sogar auf Fälle arglistigen Handelns der<br />

Vorinstanz ein, wobei abweichende spezielle Normen vorbehalten bleiben (§ 5 Abs.<br />

1 HaftungsG; vgl. etwa § 18 Abs. 3 PG <strong>und</strong> § 80 Abs. 2 VRG). Die Prüfung <strong>des</strong><br />

Verhaltens <strong>des</strong> oder der betreffenden Angestellten ist ex ante, nicht ex post vorzunehmen<br />

(BGE 120 Ib 411 E. 4c/aa; Jaag, Staatshaftung, S. 62).<br />

4.5 Aus den Mängeln <strong>des</strong> Arbeitszeugnisses kann nicht ohne weiteres auf<br />

Widerrechtlichkeit im haftungsrechtlichen Sinn geschlossen werden. Ob hier eine<br />

Amtspflichtverletzung <strong>und</strong> damit haftungsrechtlich relevante Widerrechtlichkeit im<br />

Sinn der B<strong>und</strong>esgerichtspraxis anzunehmen wäre, ist jedoch nicht die entscheidende<br />

Frage, wenn gemäss § 6 Abs. 2 HaftungsG Arglist als Voraussetzung einer Schadenersatzzahlung<br />

gegeben sein muss. Dies ist gemäss der genannten Bestimmung<br />

der Fall, wenn ein «Entscheid im Rechtsmittelverfahren geändert» wurde.<br />

4.5.1 Das Arbeitszeugnis gilt nicht als Verfügung; aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Rechtsschutzinteresses<br />

fassen Praxis <strong>und</strong> Lehre jedoch den Entscheid der Anstellungsbehörde<br />

über die von der Arbeitnehmerin bzw. vom Arbeitnehmer beantragte Änderung <strong>des</strong><br />

Arbeitszeugnisses als anfechtbare Verfügung auf (VGr, 10. Juli 2002, ZBl 104/2003<br />

S. 185, E. 10a mit weitern Hinweisen; Kölz/Bosshart/Röhl, § 74 N. 6). Diese Dif-<br />

234


ferenzierung spricht allerdings nicht gegen die Anwendbarkeit von § 6 Abs. 2<br />

HaftungsG: Massgebend ist nicht der Verfügungscharakter, sondern die Anfechtbarkeit<br />

<strong>des</strong> fraglichen Akts, soll doch der Staatshaftungsprozess gegenüber dem<br />

Anfechtungsverfahren subsidiär sein. Primär soll eine Schädigung mit der Aufhebung<br />

<strong>des</strong> fehlerhaften Entscheids im Rechtsmittelverfahren von vornherein verhindert<br />

werden (vgl. Franz Schön, Staatshaftung als Verwaltungsrechtsschutz,<br />

Basel/Stuttgart 1979, S. 47 ff., 81). Da der Rechtsweg gegen das Arbeitszeugnis<br />

offen steht, besteht kein Anlass, die Haftung für Verfügungen über Arbeitszeugnisse<br />

gegenüber der Haftung für andere Rechtsakte zu erleichtern. Die besondere Ausgestaltung<br />

<strong>des</strong> Rechtsschutzes gegenüber dem Arbeitszeugnis bringt einzig mit<br />

sich, dass der massgebliche Zeitraum für die Prüfung der Arglist im vorliegenden<br />

Fall erst am 2. Mai 2001 – dem Tag, an dem die Ablehnung der Anträge zur Änderung<br />

<strong>des</strong> Arbeitszeugnisses in Verfügungsform festgehalten wurde – endet.<br />

4.5.2 Die fragliche Verfügung wurde nicht in einem Rechtsmittelverfahren,<br />

sondern wiedererwägungsweise aufgehoben. Auch dies ist nicht relevant: Zwar<br />

bezieht sich § 6 Abs. 2 HaftungsG nach seinem Wortlaut nur auf Entscheide, die<br />

«im Rechtsmittelverfahren geändert» wurden. Daraus lässt sich jedoch nicht mehr<br />

ablesen, als dass einerseits das Anfechtungsverfahren dem Staatshaftungsprozess<br />

vorgehen soll <strong>und</strong> dass anderseits die Aufhebung eines Entscheids im Rechtsmittelverfahren<br />

die ordentliche Form der Feststellung von <strong>des</strong>sen ursprünglicher Fehlerhaftigkeit<br />

ist. Die Aufhebung einer Verfügung infolge einer Wiedererwägung ist<br />

daher unter § 6 Abs. 2 HaftungsG zu subsumieren.<br />

4.5.3 Der in § 6 Abs. 2 HaftungsG verwendete Begriff «arglistig» hat verschiedene<br />

Bedeutungen; namentlich wird «Arglist» vom B<strong>und</strong>esgesetzgeber teilweise<br />

auch als Synonym für «Vorsatz» verwendet (Andreas von Tuhr/Hans Peter,<br />

Allgemeiner Teil <strong>des</strong> Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. I, 3. A., Zürich<br />

1979, S. 427 Fn. 4). Aus den parlamentarischen Beratungen zum Haftungsgesetz<br />

ergibt sich jedoch, dass der ganz bewusst gesetzte Begriff eine «qualifizierte Form<br />

<strong>des</strong> Vorsatzes» bezeichnen soll (vgl. Prot. KR 1967–1971, Bd. II, S. 2364 ff.,<br />

besonders 2372 [Votum Jäckli] <strong>und</strong> 2375 [Votum Nehrwein]; Schwarzenbach, S. 182).<br />

Dies folgt auch aus einem Vergleich mit § 6 Abs. 3 HaftungsG, wo von «Vorsatz<br />

oder grober Fahrlässigkeit» die Rede ist. Offen bleiben allerdings sowohl Art <strong>und</strong><br />

Ausmass der Qualifikation als auch das Bezugsobjekt: Es fragt sich, ob der qualifizierte<br />

Vorsatz sich «nur» auf den Erlass eines fehlerhaften Rechtsakts oder sogar<br />

auf die Schädigung beziehen muss (für Letzteres: Balz Gross, Die Haftpflicht <strong>des</strong><br />

Staates, Zürich 1996, S. 164). So oder so dürfte die Arglist in aller Regel höchst<br />

schwierig nachzuweisen sein. Auch im vorliegenden Fall wird nicht einmal darge-<br />

118<br />

235


118<br />

tan, dass das Arbeitszeugnis vorsätzlich mangelhaft abgefasst worden wäre. Die<br />

beantragte Entschädigung wird daher, soweit sie für die inhaltlichen Mängel <strong>des</strong><br />

Arbeitszeugnisses vom 19. Mai 2000 ausgesprochen werden soll, bereits von § 6<br />

Abs. 2 HaftungsG ausgeschlossen.<br />

4.6 Der Beschwerdeführer leitet einen Schadenersatzanspruch auch daraus<br />

ab, dass ihm das korrekte Arbeitszeugnis nur mit Verzögerung ausgestellt worden<br />

sei. Die Vorinstanz <strong>und</strong> der Beschwerdegegner wenden dagegen ein, die Verzögerung<br />

sei in erster Linie auf das Verhalten <strong>des</strong> Beschwerdeführers zurückzuführen.<br />

Die Rechtsverzögerung ist haftungsrechtlich dem fehlerhaften Entscheid nicht<br />

gleichzustellen.<br />

4.6.1 Nach der b<strong>und</strong>esgerichtlichen Praxis findet auf die Haftung für Rechtsverweigerung<br />

<strong>und</strong> -verzögerung (im Fall von Vermögensschäden) nicht die Rechtsprechung<br />

zur Widerrechtlichkeit von Rechtsakten Anwendung; es gilt vielmehr<br />

der allgemeine staatshaftungsrechtliche Begriff der Widerrechtlichkeit. Demnach<br />

ist Widerrechtlichkeit zu bejahen, wenn ein Gebot oder Verbot der Rechtsordnung<br />

verletzt wird, das dem Schutz <strong>des</strong> verletzten Rechtsguts dient. Die Untätigkeit oder<br />

Verfahrensverzögerung verletzt Verfahrensgarantien, die dem Schutz <strong>des</strong> Anspruchs<br />

der Rechtsuchenden auf einen Entscheid innert angemessener Frist dienen.<br />

Im Fall einer Rechtsverzögerung ist die Widerrechtlichkeit daher gegeben (BGE<br />

107 Ib 160 E. 3d; vgl. auch Michael Fajnor, Staatliche Haftung für rechtmässig verursachten<br />

Schaden, Zürich 1987, S. 35 f.; Gross, S. 135; Schön, S. 78 f.; Schwarzenbach,<br />

S. 72). Es bestehen keine Anhaltspunkte – etwa im Wortlaut von § 6 Abs. 2<br />

HaftungsG oder in den Materialien – dafür, dass Arglist im kantonalzürcherischen<br />

Recht auch für den Schadenersatz wegen Rechtsverweigerung sowie -verzögerung<br />

vorauszusetzen wäre. Es spricht auch nicht für die Unterstellung der Haftung für<br />

Rechtsverweigerung <strong>und</strong> -verzögerung unter § 6 Abs. 2 HaftungsG, dass – zumin<strong>des</strong>t<br />

im B<strong>und</strong>esverwaltungsprozess – das Anfechtungsverfahren gegen Rechtsverweigerungen<br />

<strong>und</strong> -verzögerungen geöffnet wird, indem eine Verfügung fingiert<br />

wird (vgl. Kölz/Bosshart/Röhl, Vorbem. zu §§ 19–28 N. 48 f.): Im Gegensatz zu<br />

inhaltlichen Mängeln eines Rechtsakts kann der Zeitablauf von vornherein nicht<br />

mehr rückgängig gemacht werden. Daher rechtfertigt es sich, Rechtsverweigerungen<br />

<strong>und</strong> Rechtsverzögerungen nicht den strengeren Anforderungen von § 6 Abs. 2<br />

HaftungsG zu unterstellen, sondern der diesbezüglichen b<strong>und</strong>esgerichtlichen Praxis<br />

zu folgen.<br />

4.6.2 Entgegen der Ansicht <strong>des</strong> Beschwerdeführers sind unter dem Gesichtspunkt<br />

der Rechtsverzögerung nur die reine Verfahrensdauer <strong>und</strong> die Gründe dafür<br />

236


zu beachten. Die schärferen Haftungsvoraussetzungen von § 6 Abs. 2 HaftungsG<br />

für inhaltliche Mängel von Rechtsakten würden umgangen, wenn jeweils bereits<br />

<strong>des</strong>wegen eine Rechtsverzögerung angenommen würde, weil es der verfügenden<br />

Instanz bis zum Abschluss eines Rekursverfahrens möglich ist, die Mängel ihrer<br />

Verfügung zu bemerken <strong>und</strong> die Verfügung in Wiedererwägung zu ziehen.<br />

4.6.3 [...] Dass eine rekursfähige Verfügung erst r<strong>und</strong> ein Jahr nach der Einreichung<br />

<strong>des</strong> Antrags auf ein korrektes Vollzeugnis erfolgte, geht [...] zu einem geringeren<br />

Teil auf die Erarbeitung von Vergleichsvorschlägen <strong>und</strong> zum grösseren Teil<br />

auf die Passivität <strong>des</strong> Beschwerdeführers zurück; der Direktion ist keine Rechtsverzögerung<br />

<strong>und</strong> damit kein widerrechtliches Verhalten vorzuwerfen. Ebenso wenig ist<br />

dem Regierungsrat vorzuhalten, dass er in den r<strong>und</strong> viereinhalb Monaten zwischen<br />

Rekurseingabe <strong>und</strong> Einigung der Parteien noch keinen Rekursentscheid fällte (vgl.<br />

§ 27a VRG; Kölz/Bosshart/Röhl, § 27a N. 8; vgl. im Übrigen auch § 7 HaftungsG<br />

<strong>und</strong> dazu BGE 107 Ib 155).<br />

5. Ergänzend ist festzuhalten, dass auch weder ein Schaden noch ein adäquater<br />

Kausalzusammenhang zwischen dem beanstandeten staatlichen Handeln bzw.<br />

Unterlassen <strong>und</strong> einer allfälligen Vermögensschädigung dargetan wurden.<br />

Der Beschwerdeführer nimmt einen Schaden an, weil er für die Suche nach<br />

einer besser bezahlten Stelle auf ein korrektes Arbeitszeugnis angewiesen gewesen<br />

sei. Er beruft sich dabei auf das Urteil <strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgericht</strong>s vom 22. März 2000.<br />

Dieses ging davon aus, dass der Beschwerdeführer im Fall einer ordentlichen Kündigung<br />

eine besser bezahlte Stelle als die inzwischen angetretene hätte finden können.<br />

Insofern sei ihm, bis die Folgen der Rehabilitierung durch das verwaltungsgerichtliche<br />

Urteil einträten, ein Schaden entstanden, der in analoger Anwendung von<br />

Art. 42 Abs. 2 OR zu schätzen sei (PB.1999.00021, E. 6b, www.vgrzh.ch; vgl. auch<br />

Chambre d'appel <strong>des</strong> prud'hommes de Genève, 2. Juni 1999, JAR 2000 S. 287, E. 3).<br />

Nach der Praxis <strong>des</strong> B<strong>und</strong>esgerichts enthält Art. 42 Abs. 2 OR eine b<strong>und</strong>esrechtliche<br />

Beweisvorschrift, die den Geschädigten den Schadensnachweis erleichtern<br />

soll. In Fällen, in denen der strikte Nachweis <strong>des</strong> Schadens ausgeschlossen ist,<br />

gestattet die Bestimmung dem Gericht, den Schaden aufgr<strong>und</strong> einer blossen Schätzung<br />

als ausgewiesen zu betrachten. Art. 42 Abs. 2 OR ist nicht nur bei Unmöglichkeit<br />

<strong>des</strong> ziffernmässigen Nachweises der Schadenshöhe, sondern auch dann anwendbar,<br />

wenn sich nicht strikte beweisen lässt, dass überhaupt ein Schaden eingetreten<br />

ist. Umgekehrt soll den Geschädigten die Beweislast nicht generell abgenommen<br />

werden. Sie haben nach wie vor alle Umstände, die für den Eintritt eines<br />

118<br />

237


118<br />

Schadens sprechen <strong>und</strong> <strong>des</strong>sen Abschätzung erlauben oder erleichtern, soweit möglich<br />

<strong>und</strong> zumutbar zu behaupten <strong>und</strong> zu beweisen. Die vorgebrachten Umstände<br />

müssen geeignet sein, den Bestand <strong>des</strong> Schadens hinreichend zu belegen <strong>und</strong> seine<br />

Grössenordnung hinreichend fassbar werden zu lassen. Die Zusprechung von Schadenersatz<br />

setzt voraus, dass der Eintritt <strong>des</strong> geltend gemachten Schadens nicht bloss<br />

im Bereich <strong>des</strong> Möglichen liegt, sondern als annähernd sicher erscheint (BGE 122<br />

III 219 E. 3a; Katharina Schoop in: Jolanta Kren Kostkiewicz et al. [Hrsg.], Handkommentar<br />

zum Schweizerischen Obligationenrecht, Zürich 2002, Art. 42 N. 8 f.).<br />

Dieser Substanziierungspflicht kommt der Beschwerdeführer nicht nach. So<br />

macht er keine Bemühungen um eine besser bezahlte Arbeitsstelle geltend. Zwar behauptet<br />

er, solche wären aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> negativen Arbeitszeugnisses vom 19. Mai 2000<br />

von vornherein aussichtslos gewesen. Auch in den über zwei Jahren seit der Ausstellung<br />

<strong>des</strong> korrigierten Arbeitszeugnisses vom 22. November 2001 hat der Beschwerdeführer<br />

jedoch keine ersichtlichen Anstalten unternommen, eine besser bezahlte<br />

Arbeitsstelle zu finden. Solche Versuche werden auch nicht geltend gemacht.<br />

Der Beschwerdeführer vermag demnach nicht darzutun, dass ihm durch das Arbeitszeugnis<br />

vom 19. Mai 2000 ein Schaden entstanden ist.<br />

238<br />

PB.2003.00016 4. Kammer, 7. Januar

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